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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der J-Gesellschaft m.b.H. in D, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 5. Dezember 1995, Zl. 314.080/5-III/A/2a/95, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (45 mitbeteiligte Parteien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid vom 5. Dezember 1995 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der Beschwerdeführerin gemäß § 81 in Verbindung mit den §§ 74, 77 und 359 Abs. 1 GewO 1973 die gewerberechtliche Genehmigung für die Änderung ihrer an einem näher bezeichneten Standort situierten Betriebsanlage durch Errichtung und Betrieb eines gasbetriebenen Bandofens nach Maßgabe der vorgelegten Plan- und Beschreibungsunterlagen unter Vorschreibung von Auflagen. Die Auflage Punkt I.a) 4. hat folgenden Wortlaut:
"Durch eine schalldämmende Ummantelung des Abluftkamines z. B. in Form einer Schwerfolie und Außenummantelung mit Blech und Mineralwollezwischenverfüllung oder durch Einbau von Schalldämpfern ist sicherzustellen, daß in einem Abstand von 10 m vom Abluftkamin maximal ein Beurteilungspegel im Sinne der ÖNorm S 50004 - Messung von Schallimmissionen - von 40 dB verursacht wird."
Die Auflage I.b) 4. hat folgenden Wortlaut:
"Die Abgase des Bandofens sind über einen Kamin von mindestens 21 m Höhe senkrecht nach oben ohne Behinderung durch eine Abdeckung abzuleiten."
Gleichzeitig wurden die Berufungen einiger Nachbarn zurückgewiesen.
Zur Begründung der erteilten Genehmigung führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges erster und zweiter Instanz aus, die Gewerbebehörde dritter Instanz habe ein weiteres gewerbetechnisches Sachverständigengutachten eingeholt, das in der Begründung des angefochtenen Bescheides wörtlich wiedergegeben wird. Danach führte der Sachverständige zum Thema Lärm unter anderem aus, die Außenwirkung des Bandofens hinsichtlich Lärm beschränke sich auf zwei Abluftöffnungen am Dach der Betriebsanlage. Diese hätten in der Vergangenheit auch zu Beschwerden geführt. Es sei auch in den Unterinstanzen auflagenmäßig vorgeschrieben worden, daß durch keine der beiden Abluftöffnungen in 10 m Entfernung ein Störgeräuschpegel von 45 dB überschritten werden dürfe. Die Begründung der Zulässigkeit dieses Immissionspegels, der ausschließlich den ÖAL-Richtlinien folge, müsse aber aus technischer Sicht in Frage gestellt werden. Für die vorhandene Lärmbelastung in der Nachbarschaft werde ein geringster Grundgeräuschpegel von 34 dB und ein Leq von 42,5 dB angegeben. Beim nächstliegenden Nachbarhaus würden in 40 m Entfernung durch den zitierten Immissionspegel beide Werte geringfügig angehoben. Die Verbesserung, welche im technischen Gutachten hiezu angesprochen sei, beziehe sich ausschließlich auf einen nicht genehmigten und überdies technisch mangelhaften Zustand. Inwieweit die tatsächlich sehr geringe Anhebung des Grund- und Umgebungsgeräuschpegels im konkreten Fall zulässig sei, müsse jedenfalls von ärztlicher Seite beurteilt werden. Das zusätzlich zu diesem Thema erstellte Privatgutachten des Technischen Büros P belege jedenfalls die Tatsache einer Anhebung der Geräuschpegel. Als Variante wäre eine zusätzliche Absenkung des Emissionspegels um 5 dB möglich. In diesem Fall wäre eine Anhebung der vorhandenen Lärmbelastung nicht mehr gegeben. Zum Thema Geruchsbelastung führte der Sachverständige nach der Begründung des angefochtenen Bescheides u.a. aus, bei einer Erhöhung der Abluftöffnung um 5 m würde sich ein maximaler Immissionswert von 0,01 mg an geruchsintensiven Anteilen ergeben, der die Geruchsschwelle bei den Nachbarn nicht mehr überschreiten würde. Es werde daher vorgeschlagen, die Auflagen der unterbehördlichen Bescheide dahin abzuändern, daß hinsichtlich der zulässigen Lärmemission anstelle bisher 45 dB nunmehr 40 dB und eine Höhe des Abluftkamines von 21 m anstatt bisher 14 m vorgeschrieben werde. Aus diesem Sachverständigengutachten leitete der Bundesminister in rechtlicher Hinsicht ab, durch die nunmehr vorgeschriebenen geänderten Auflagen werde erreicht, daß die Immissionswerte bei den am meisten betroffenen Nachbarn unterhalb der Geruchsschwelle lägen. Damit sei sichergestellt, daß bei bescheidmäßiger Ausführung die von den Nachbarn am meisten vorgebrachten Beschwerden hinsichtlich Geruchsbelästigungen nicht mehr aufträten, ohne daß die Führung weiterer Aufzeichnungen erforderlich wäre. Bei gleichzeitiger Senkung des Emissionspegels der Abluftöffnungen des Bandofens um 5 dB auf 40 dB sei weiters nach den gutächtlichen Ausführungen des gewerbetechnischen Sachverständigen sichergestellt, daß nicht nur der bestehende Umgebungsgeräuschpegel nicht angehoben werde, sondern die Immission sogar unter dem im bisherigen Ermittlungsverfahren festgestellten geringsten Grundgeräuschpegel von 34 dB läge. Bei Einhaltung des bescheidmäßig fixierten Projektes und der vorgeschriebenen Auflagen werde jedenfalls eine Gefährdung der Gesundheit von Nachbarn vermieden und es sei sichergestellt, daß keine nach dem Maßstab eines gesunden, normal empfindenden Kindes bzw. Erwachsenen unter Berücksichtigung der Umgebungssituation unzumutbare Immissionen aufträten, ohne daß dazu eine neuerliche ergänzende medizinische Beurteilung notwendig gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin wende sich nicht ausdrücklich gegen die vom gewerbetechnischen Sachverständigen vorgeschlagenen Änderungen der Auflagen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht nicht durch Auflagen belastet zu werden, die zum Schutz der Nachbarn vor den in § 74 Abs. 2 GewO normierten Gefährdungen und Belästigungen nicht erforderlich seien. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt sie u. a. vor, das Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen lasse nicht erkennen, warum eine geringfügige Erhöhung des Grundgeräuschpegels oder des Dauerschallpegels eine unzumutbare Beeinträchtigung für die Nachbarn mit sich bringe und daher eine Verschärfung der Auflagen notwendig sei. Diese Ansicht des Sachverständigen stehe im übrigen im Gegensatz zu den ÖAL-Richtlinien. Tatsächlich sei sowohl ein Emissionspegel von 45 dB als auch von 40 dB in 10 m Abstand von der Abluftöffnung weder erforderlich noch erreichbar. Darüber hinaus sei die die Lärmbegrenzung betreffende Auflage zu unbestimmt und deshalb rechtswidrig. Es seien nämlich zwei Abluftöffnungen vorhanden und es sei unklar, ob durch beide Abluftöffnungen zusammen oder aber vor jeder Abluftöffnung ein Störgeräuschpegel von 45 dB in 10 m Entfernung nicht überschritten werden dürfe. Diese Unklarheit der Auflage bewirke ihre Rechtswidrigkeit. Auch für die Vorschreibung einer Erhöhung des Kamins fehle es (aus näher dargestellten Gründen) an einem einwandfreien und nachvollziehbaren Gutachten. Vielmehr seien die Voraussetzungen für eine solche Auflage nicht gegeben. Schließlich seien durch den nunmehrigen Bandofen mit Erdgasbeheizung der früher elektrisch betriebene Bandofen und die vorhandenen Muffelöfen substituiert worden. Auf der Grundlage der Bestimmung des § 81 Abs. 2 Z. 5 GewO 1994 wäre deshalb (aus näher ausgeführten Gründen) davon auszugehen gewesen, daß ein Austausch von gleichartigen Maschinen in einer bestehenden Betriebsanlage vorliege.
In Erwiderung des zuletzt gebrauchten Argumentes ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführerin ausdrücklich den Antrag stellte, die in Rede stehende Änderung ihrer Betriebsanlage gewerbebehördlich zu genehmigen. Unabhängig davon, ob diese Änderung ihrer gewerblichen Betriebsanlage tatsächlich unter die Bestimmung des § 81 Abs. 2 Z. 5 GewO 1994 subsumiert werden kann oder nicht, bildet es jedenfalls keinen Eingriff in das von ihr als Beschwerdepunkt geltend gemachte subjektiv-öffentliche Recht, wenn über diesen Antrag ein Verwaltungsverfahren nach § 81 Abs. 1 GewO 1994 eingeleitet und darüber genehmigend abgesprochen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1994, Zl. 93/04/0259).
Im übrigen erweist sich die Beschwerde als berechtigt.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1.
das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2.
die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3.
...
Nach § 77 Abs. 1 leg. cit. ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen oder der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
Gemäß § 81 Abs. 1 leg. cit. bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgehend von dem im § 77 Abs. 1 GewO 1994 gebrauchten Wort "erforderlichenfalls" in ständiger Rechtsprechung dargelegt, daß dem Betriebsinhaber nicht strengere (ihn stärker belastende) Maßnahmen vorgeschrieben werden dürfen, als zur Wahrung der im § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1994 angeführten Schutzzwecke notwendig ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0088).
Aus den Bestimmungen des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 in Verbindung mit § 77 Abs. 2 GewO 1994 geht ferner hervor, daß unter dem Gesichtspunkt eines Schutzes der Nachbarn vor einer Gefährdung ihres Lebens oder ihrer Gesundheit oder vor unzumutbaren Belästigungen nicht jede Veränderung des bisherigen Immissionsmaßes zu ihren Lasten ausgeschlossen ist, sondern nur eine Veränderung in einem solchen Ausmaß, mit der eine Gefährdung ihres Lebens oder ihrer Gesundheit oder eine unzumutbare Belästigung verbunden ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1994, Zlen. 92/04/0067, 0068).
Von dieser Rechtslage ausgehend war es verfehlt, wenn die belangte Behörde die in Rede stehenden Auflagen, die der gewerbetechnische Sachverständige als notwendig erachtete, um jegliche Anhebung der vorhandenen Lärmbelastung bzw. zur Vermeidung einer Überschreitung der Geruchsschwelle bei den Nachbarn zu vermeiden, vorschrieb, ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und allenfalls in welchem Umfang nicht auch trotz Erhöhung der Lärmbelastung bzw. trotz einer gewissen Geruchsbeeinträchtigung eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit bzw. eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn vermieden wäre.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Für das fortgesetzte Verfahren wird darauf hingewiesen, daß schon bei Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß Abs. 7 der Anlage 2 (Übergangsverlust) zur Kundmachung der Wiederverlautbarung der Gewerbeordnung 1973 auf den vorliegenden Fall die materiell-rechtlichen Bestimmungen der GewO 1994 anzuwenden gewesen wären.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996040217.X00Im RIS seit
20.11.2000