Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. Jänner 1995, Zl. 316.958/3-III/4/94, betreffend Verweigerung der Gleichstellung gemäß § 14 Abs. 2 GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer begehrte mit Ansuchen vom 16. Dezember 1993 seine Gleichstellung mit Inländern für die Ausübung des Gewerbes "Groß- und Kleinhandel mit Waren aller Art, Export-Import von Waren aller Art" im Standort W, X-Gasse 14.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. Dezember 1993 wurde diesem Ansuchen "gemäß § 14 Abs. 2 GewO 1973 nicht Folge gegeben". Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, das Vorliegen eines volkswirtschaftlichen Interesses gemäß § 14 Abs. 2 GewO 1973 sei vom Gleichstellungswerber nachzuweisen. Im vorliegenden Fall sei ein solches Interesse vom Gleichstellungswerber nicht einmal behauptet worden.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte darin unter anderem vor, es sei im volkswirtschaftlichen Interesse gelegen, wenn er sich selbst um die Ausübung eines Gewerbes kümmere und nicht österreichische Sozialeinrichtungen in Anspruch nehme. Die Gründung von Unternehmen sei grundsätzlich positiv zu bewerten und daher im Hinblick auf das Steueraufkommen bzw. die hiedurch potentiell geschaffenen Arbeitsplätze im volkswirtschaftlichen Interesse.
Über Aufforderung der belangten Behörde (das volkswirtschaftliche Interesse an seiner beabsichtigten Gewerbeausübung darzulegen) brachte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 22. März 1994 vor, es liege im volkswirtschaftlichen Interesse, wenn er ein Unternehmen gründe, ein Gewerbe in Österreich ausübe und nicht österreichische Sozialeinrichtungen in Anspruch nehme. Durch die Ausübung des Gewerbes "werden möglicherweise Arbeitsplätze geschaffen". Dies führe zu höherer Beschäftigung in Österreich und sei für den Arbeitsmarkt positiv zu sehen. "Jedwede Betriebsansiedlung" liege im volkswirtschaftlichen Interesse.
Mit Eingabe vom 26. August 1994 brachte der Beschwerdeführer vor, für den Fall seiner Gleichstellung wäre er mit der Einschränkung auf den "Handel mit Mineralölprodukten, insbesondere Erwerb in Österreich, Tschechien und Slowakei und ehemalige DDR-Bundesrepublik Deutschland und Export nach Ungarn sowie Export und Import von Kfz-Zubehör (Kraftstoffilter) insbesondere zwischen Österreich und Slowenien" einverstanden. Sollte seine Gleichstellung in diesem Umfang nicht erfolgen, bleibe sein ursprünglicher Antrag und Berufungsantrag in vollem Umfang aufrecht.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. Jänner 1995 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich mit der Maßgabe bestätigt, daß die Abweisung des Ansuchens auf § 14 Abs. 2 GewO 1994 gestützt werde. Zur Begründung führte der Bundesminister (nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges) im wesentlichen aus, die (im Berufungsverfahren vorgenommene) Einschränkung des Gleichstellungsansuchens könne nicht Gegenstand der Berufungsentscheidung sein; "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG sei jene Angelegenheit, die den antragsgemäßen Inhalt des erstinstanzlichen Spruches gebildet habe. Demnach sei über das Ansuchen betreffend das unbeschränkte Handelsgewerbe abzusprechen. Vom Vorliegen eines volkswirtschaftlichen Interesses könne erst gesprochen werden, wenn die Gewerbeausübung des Gleichstellungswerbers im Interesse der österreichischen Wirtschaft, der Unternehmen, der Arbeitnehmer oder allenfalls der österreichischen Haushalte gelegen sei. Ein Einzelinteresse (Individualinteresse) genüge jedoch nicht. Ein volkswirtschaftliches Interesse an der Gewerbeausübung werde anzunehmen sein, wenn die vom Gleichstellungswerber beabsichtigten Leistungen einen bislang nicht entsprechend gedeckten Bedarf umfassen würden. Dies setze aber einen entsprechenden Bedarf voraus, der bisher nicht befriedigt worden sei. Hinsichtlich des unbeschränkten Handelsgewerbes habe der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht aber nicht entsprochen. Eine bisher nicht gedeckte Nachfrage (hinsichtlich sämtlicher Warengruppen) habe er weder geltend gemacht noch belegt. Schon deshalb könne das volkswirtschaftliche Interesse an seiner Ausübung des Handelsgewerbes in unbeschränktem Umfang nach der Aktenlage nicht angenommen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht folgenden Beschwerdepunkt geltend: "Ich wurde in meinen Rechten insofern verletzt, als die belangte Behörde entgegen der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 meiner Berufung gegen den namens des Landeshauptmanns von Niederösterreich erlassenen Bescheid vom 23.12.1993, mit welchem meinem Ansuchen um Gleichstellung mit Inländern zur Ausübung des Handelsgewerbes gemäß § 126 Ziffer 14 Gewerbeordnung 1973 (nunmehr: § 124 Ziffer 11 Gewerbeordnung 1994) im Standort W, X-Gasse 14, keine Folge gegeben hat."
In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt er vor, die belangte Behörde habe nicht (amtswegig) geprüft, ob die von ihm beabsichtigten Leistungen einen bislang nicht entsprechenden Bedarf umfassen würden. Die Gleichstellungsvoraussetzungen seien nicht förmlich unter Beweis zu stellen, es genüge, daß deren Vorliegen "anzunehmen ist". Die Erlassung eines negativen Bescheides setze "Bedenken" voraus, die zu begründen seien. Die Gründung von Unternehmen sei grundsätzlich positiv zu bewerten und im Hinblick auf das Steueraufkommen bzw. die potentiell geschaffenen Arbeitsplätze grundsätzlich als im volkswirtschaftlichen Interesse liegend anzusehen. Es sei auf die wirtschaftliche Situation der Transportunternehmen zu verweisen, sowie auf die Tatsache der Schaffung neuer Arbeitsplätze, die ebenfalls im volkswirtschaftlichen Interesse gelegen seien. Es sei unzutreffend, daß er eine bisher nicht gedeckte Nachfrage nicht geltend gemacht bzw. belegt habe. Die Behörde habe vor einer abschlägigen Erledigung ihre Bedenken entsprechend zu konkretisieren und ihm Gelegenheit zu geben, diese zu entkräften. Er sei nicht verpflichtet, von sich aus alles darzutun, um behördliche Bedenken nicht aufkommen zu lassen. Eine Mitwirkungspflicht treffe ihn lediglich hinsichtlich der Entkräftung allfälliger behördlicher Bedenken. Die Einschränkung seines Ansuchens habe er ausschließlich aufgrund eines entsprechenden behördlichen Aufforderungsschreibens vorgenommen. Es sei nun nicht nachvollziehbar, wozu diese Aufforderung ergangen sei, wenn diese Einschränkung ohnehin nicht Gegenstand des Verfahrens sein könne. Die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG sei dahin zu verstehen, daß eine Ausdehnung des Begehrens unzulässig sei, eine Einschränkung des Begehrens aber möglich bleibe.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Gemäß § 14 Abs. 1 GewO 1994 dürfen ausländische natürliche Personen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn dies in Staatsverträgen festgelegt worden ist oder wenn der Bezirksverwaltungsbehörde nachgewiesen wurde, daß österreichische natürliche Personen in dem Heimatstaat des Ausländers bei der Ausübung des betreffenden Gewerbes keinen anderen wie immer gearteten Beschränkungen unterliegen als die Angehörigen dieses Staates (Gegenseitigkeit).
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1996) bedürfen Angehörige eines Staates, hinsichtlich dessen diese Gegenseitigkeit nicht nachgewiesen werden kann, und Staatenlose für die Ausübung des Gewerbes einer Gleichstellung mit Inländern durch den Landeshauptmann. Die Gleichstellung kann ausgesprochen werden, wenn anzunehmen ist, daß die Ausübung des Gewerbes durch den Ausländer oder Staatenlosen im volkswirtschaftlichen Interesse liegt und nicht den sonstigen öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zum Tatbestand der Gleichstellung gemäß § 14 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992 dargetan hat, setzte der Ausspruch der Gleichstellung (durch den Landeshauptmann) nach dieser - bis 1. Juli 1993 in Geltung stehenden - Rechtslage die Annahme eines negativ umschriebenen Tatbestandes voraus. Es durften nach der genannten Rechtslage demnach keine Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigten, daß die Ausübung des Gewerbes durch den Ausländer oder Staatenlosen den öffentlichen Interesse insbesondere den Interessen der österreichischen Wirtschaft, sei es auch den örtlichen Interessen eines Wirtschaftszweiges zuwiderlaufe. Dies wäre - abgesehen vom Vorliegen des Nachweises dieses negativ umschriebenen Tatbestandes - dann gegeben gewesen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles in dieser Hinsicht berechtigte Zweifel bzw. Bedenken am Vorhandensein des negativ umschriebenen Tatbestandes bestanden hätten (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 22. März 1988, Zl. 87/04/0229, und vom 15. September 1992, Zl. 91/04/0275).
Durch die - mit 1. Juli 1993 in Kraft getretene - Gewerberechtsnovelle 1992 wurden die Voraussetzungen der Gleichstellung im § 14 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. dahingehend neu formuliert, daß - abgesehen von dem unverändert negativ umschriebenen Tatbestand der sonstigen öffentlichen Interessen - zusätzlich, und als ein positives Tatbestandsmerkmal anzunehmen ist, daß die Ausübung des Gewerbes durch den Ausländer oder Staatenlosen im volkswirtschaftlichen Interesse liegt.
Bei Prüfung des Vorliegens dieses Tatbestandselementes ist zu berücksichtigen, daß dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes korrespondiert, was immer dann der Fall ist, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung im Hinblick auf die nach den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind. Dies trifft für die Bestimmung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. insofern zu, als die Feststellung, die nach dem Inhalt des Ansuchens beabsichtigte Gewerbeausübung durch den Antragsteller liege im volkswirtschaftlichen Interesse, notwendigerweise ein entsprechendes Vorbringen und Bescheinigungsanbringen der Partei voraussetzt (vgl. in diesem Zusammenhang die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 299 ff, wiedergegebene hg. Judikatur zur Mitwirkungspflicht).
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß es nicht rechtswidrig war, wenn die belangte Behörde aufgrund des vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringens das Vorliegen eines volkswirtschaftlichen Interesses an seiner Gleichstellung mit Inländern schon deshalb verneinte, weil die von ihm beabsichtigte Ausübung des Handelsgewerbes (in unbeschränktem Umfang) bzw. die von ihm solcherart angebotenen Leistungen keinen Bedarf umfasse, der bislang am Inlandsmarkt nicht entsprechend gedeckt werde (vgl. dazu auch Kinscher/Sedlak, MSA der Gewerbeordnung, 6. Auflage, Anm. 12 zu § 14). Daß durch die von ihm beabsichtigte Gewerbeausübung am Inlandsmarkt eine Bedarfslücke geschlossen würde, behauptet auch der Beschwerdeführer (auch in seiner Beschwerde) selbst nicht. Mit dem lediglich allgemeinen Hinweis darauf, eine Unternehmensgründung sei im Hinblick auf das Steueraufkommen und die Schaffung von Arbeitsplätzen grundsätzlich im volkswirtschaftlichen Interesse, kommt der Beschwerdeführer mangels Darstellung eines konkreten und überprüfbaren Sachverhaltes seiner Mitwirkungspflicht aber nicht nach.
Die belangte Behörde hat des weiteren die Auffassung vertreten, ein volkswirtschaftliches Interesse im Sinne des § 14 Abs. 2 GewO 1994 sei erst dann gegeben, wenn die durch den Ausländer beabsichtigte Gewerbeausübung auch im Interesse der österreichischen Wirtschaft und nicht bloß im Einzelinteresse (des Antragstellers) gelegen sei. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Rechtsansicht dahingehend, daß ein volkswirtschaftliches Interesse an der Gleichstellung im Sinne des § 14 Abs. 2 leg. cit. als ein gesamtwirtschaftliches (qualifiziertes), das Interesse des Ausländers an der von ihm beabsichtigten Gewerbeausübung demnach übersteigendes Interesse zu betrachten ist. Ein derartiges qualifiziertes Interesse hat der Beschwerdeführer jedoch nach dem Inhalt seines Ansuchens nicht dargelegt.
Entgegen den Beschwerdeausführungen war die belangte Behörde im Hinblick auf den nach der Aktenlage vorliegenden Inhalt des Ansuchens somit nicht gehalten, die in der Beschwerde behaupteten Erhebungen anzustellen, oder den Beschwerdeführer zur Entkräftung allfälliger Bedenken aufzufordern.
Was die Berücksichtigung der "Einschränkung" seines Ansuchens anlangt, verkennt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde über eine derartige, erst im Berufungsverfahren vorgenommene Änderung seines Parteibegehrens - mangels eines hierüber ergangenen erstinstanzlichen Bescheides - nicht zu entscheiden hatte (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0014). Da die Gleichstellung für ein genau bezeichnetes Gewerbe auszusprechen ist, kann in einer Änderung des dem Ansuchen zugrunde gelegten Gewerbes bzw. dessen Umfang nicht eine bloß unwesentliche Antragsmodifizierung erblickt werden. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer eine Gleichstellung für das Gewerbe Handel mit Mineralölprodukten bzw. Export und Import von Kfz-Zubehör nur für den Fall der Erteilung einer derartigen Genehmigung begehrte. Eine solche ist (unbestrittenermaßen) aber nicht erfolgt, sodaß auch nach dem Inhalt seines Berufungsvorbringens das in erster Instanz gestellte Ansuchen unverändert (und Gegenstand des Berufungsverfahrens) geblieben ist.
Bei diesem Ergebnis mangelt es schon aus den dargelegten Gründen den in der Beschwerde behaupteten Verfahrensverletzungen an der erforderlichen Relevanz, da die belangte Behörde auch bei deren Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995040045.X00Im RIS seit
30.01.2001