TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/22 95/08/0334

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Veröffentlicht am 22.04.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Juli 1995, Zl. MA 15-II-C-4/95, betreffend Begünstigung nach §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei:

Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauerlände 3, 1092 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. April 1992 lehnte die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Beschwerdeführers auf begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung der Arbeiter gemäß den §§ 500 ff ASVG ab. Begründend verwies die Pensionsversicherungsanstalt auf § 500 ASVG, wonach nur solche Personen begünstigt würden, die in der Zeit vom 4. März 1933 bis 9. Mai 1945 aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen einen Nachteil erlitten hätten. Die Haft des Beschwerdeführers sei allerdings auf keinen der angeführten Gründe zurückzuführen.

Diesbezüglich findet sich in den Verwaltungsakten ein Schreiben des Amtes der Wiener Landesregierung

- Magistratsabteilung 12 vom 2. März 1992 an den Beschwerdeführer, wonach seinem Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 506 ASVG bezüglich seiner Anhaltung im Jugendschutzlager Moringen vom August 1942 bis April 1945 nicht entsprochen werden könne ("Negativbestätigung"), da seine Überstellung nach Strafverbüßung im Jugendschutzlager wegen seiner Vorstrafen erfolgt sei. Eine Inhaftierung bzw. Überstellung in das KZ-Moringen aus Gründen einer politischen Verfolgung sei nicht nachgewiesen.

Der Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 10. April 1992 erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Anläßlich einer Vorsprache bei der Pensionsversicherungsanstalt am 26. Mai 1994 teilte der Beschwerdeführer laut einer darüber aufgenommenen Niederschrift mit, daß die KZ-Haft im Jugendschutzlager Moringen laut Auskunft des Dokumentationsarchives des österreichischen Wiederstandes als sozialversicherungsrechtliche Schädigung im Sinne der österreichischen Gesetze zu werten sei. Eine Bescheinigung gemäß § 506 Abs. 3 ASVG (gemeint offenbar: ein diesbezügliches Formular zur Einholung einer solchen Bescheinigung) wurde ihm ausgefolgt.

Mit Bescheid vom 13. März 1995 gab die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt dem Antrag des Beschwerdeführers vom 26. Mai 1994 auf Begünstigung gemäß den §§ 500 f ASVG nicht statt, da entschiedene Sache vorliege. Nach der Begründung sei mit Bescheid vom 10. April 1992 bereits die Durchführung der Begünstigung nach den genannten Bestimmungen für die Zeit vom August 1942 bis April 1945 abgelehnt worden, da die Haft des Beschwerdeführers auf keinen der im § 500 ASVG angeführten Gründe zurückzuführen sei. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Auch durch die derzeit geltenden Bestimmungen des ASVG sei diesbezüglich keine Änderung eingetreten.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch, wobei er im wesentlichen vorbrachte, die Begründung der Pensionsversicherungsanstalt entspreche nicht den Tatsachen und der Wahrheit. Seine politische Haft werde in Kürze bescheinigt werden und Bestätigung in offizieller Form finden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Nach der Begründung stünden dem ausdrücklichen Begehren um Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides Ansuchen gleich, die - wie das vorliegende - eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckten. Vor diesem rechtlichen Hintergrund stehe fest, daß im Gegenstand das einer Sachentscheidung über den Antrag auf Begünstigung entgegenstehende Verfahrenshindernis der entschiedenen Sache vorliege, da mit rechtskräftigem Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 10. April 1992 die begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten für den Beschwerdeführer abgelehnt worden sei. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Haft vom August 1942 bis April 1945 im Jugendschutzlager Moringen sei nämlich auf keinen der in § 500 ASVG genannten Gründe zurückzuführen gewesen. Eine Änderung der Rechtslage sei durch die seither ergangenen Änderungen der maßgeblichen Bestimmungen des § 502 ASVG seit der Erlassung des genannten Bescheides im Rahmen des Parteienbegehrens und der hiefür vorgetragenen Tatbestandsbehauptungen nicht eingetreten. Daran könne auch das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers, neue Zeugenaussagen und Bestätigungen beibringen zu können, nichts ändern. Somit liege im gegenständlichen Fall res iudicata vor, weshalb dem Einspruch der Erfolg versagt bleiben müsse.

In der Begründung wurde ferner darauf verwiesen, daß die Pensionsversicherungsanstalt über den Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Februar 1995 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 10. April 1992 rechtskräftig abgeschlossenen Begünstigungsverfahrens gesondert abzusprechen haben werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst vorgebracht, die Pensionsversicherungsanstalt habe den Antrag des Beschwerdeführers vom 26. Mai 1994 als neuerlichen Antrag auf Begünstigung im Sinne der §§ 500 ff ASVG "gewertet". Daraus ergebe sich, daß die Pensionsversicherungsanstalt nicht genau gewußt habe, wie das Anbringen des Beschwerdeführers einzuordnen sei. Bestünden jedoch Zweifel über die mit dem Anbringen einer Partei verfolgte Absicht, so sei der Wille der Partei zu erforschen. Die Pensionsversicherungsanstalt hätte daher von einer Wertung des Antrages des Beschwerdeführers Abstand nehmen und diesen zu einer klaren Antragstellung auffordern müssen. Dadurch, daß die Pensionsversicherungsanstalt den Antrag zum Nachteil des Beschwerdeführers so ausgelegt habe, daß der Antrag "als res iudicata (hätte) abgetan werden" können, habe sie eindeutig gegen die Bestimmung des § 13 AVG verstoßen.

Dieses Vorbringen erweist sich im Ergebnis als zutreffend.

Nach der in den Verwaltungsakten befindlichen Niederschrift vom 26. Mai 1994 hat der Beschwerdeführer anläßlich einer persönlichen Vorsprache bei der Pensionsversicherungsanstalt im wesentlichen vorgebracht, daß die KZ-Haft im Jugendschutzlager Moringen laut Auskunft des Dokumentationsarchives des österreichischen Wiederstandes als sozialversicherungsrechtliche Schädigung im Sinne des § 502 ASVG zu werten sei. Die Pensionsversicherungsanstalt hat dieses Vorbringen als neuerlichen Antrag auf begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten gemäß §§ 500 ff ASVG gewertet, worüber bereits mit rechtskräftigem Bescheid vom 10. April 1992 abgesprochen worden sei.

Bei der Beurteilung von Parteienanbringen ist grundsätzlich der Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend. Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt voraus, daß eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung vorliegt und daß der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, auf Seite 165 f wiedergegebene Rechtsprechung).

Von einer solchen Eindeutigkeit kann allerdings bei dem in der Niederschrift zum Ausdruck kommenenden Anbringen des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden, zumal darin ebenso das Vorbringen eines Wiederaufnahmegrundes des mit rechtskräftigem Bescheid vom 10. April 1992 abgeschlossenen Begünstigungsverfahrens erblickt werden könnte.

Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995080334.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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