TE Vwgh Beschluss 2021/4/6 Ra 2020/21/0482

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Veröffentlicht am 06.04.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs5
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A H, vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Oktober 2020, W282 1264397-2/21E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen sowie eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, (nunmehr) ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo, reiste erstmals im Jahr 2005 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Dieser wurde letztlich im Jahr 2009, verbunden mit einer Ausweisung (damals nach Serbien), vollinhaltlich abgewiesen.

2        Nach der Ausreise heiratete der Revisionswerber im Jahr 2010 eine österreichische Staatsbürgerin, mit der er zwei - 2010 und 2013 geborene - (österreichische) Kinder hat. Die Ehe wurde im Jahr 2014 geschieden.

3        Dem Revisionswerber waren wiederholt Aufenthaltstitel, im Herbst 2012 als „Familienangehöriger“ der erwähnten österreichischen Staatsbürgerin, im Mai 2018 letztlich der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“, erteilt worden.

4        Mit rechtskräftigem Urteil vom 31. Mai 2016 verhängte das Landesgericht für Strafsachen Wien über den Revisionswerber wegen der Vergehen des Hausfriedensbruchs, der gefährlichen Drohung, der versuchten Nötigung und der Körperverletzung eine bedingt nachgesehene sechsmonatige Freiheitsstrafe. Er hatte zweimal den Eintritt in die Wohnstätte seiner ehemaligen Freundin mit Gewalt bzw. durch Drohung mit Gewalt erzwungen, wobei er gegen die genannte (anwesende) Person Gewalt zu üben beabsichtigte, und zwar im August 2015, indem er die Wohnungstür mit einem Brecheisen aufbrach und ihr in der Folge die Hand auf den Mund drückte, sowie am 10. März 2016, indem er ihr mitteilte, „sie solle die WEGA anrufen, aber sie werde ihr dann auch nicht helfen können“, wobei er sie in der Folge am Hals packte, in die Luft hob und sie würgte.

Am 1. August 2015 und am 10. März 2016 hatte er die Genannte durch Äußerungen wie, er werde sie mit dem Brecheisen erschlagen bzw. umbringen, gefährlich zumindest mit einer Verletzung am Körper bedroht.

Am 28. März 2016 hatte er sie durch ähnliche Drohungen zum Verlassen ihrer Wohnung bzw. zu einer Aussprache mit ihm zu nötigen versucht. Am 10. März 2016 hatte er sie schließlich durch mehrfaches Würgen, Versetzen von Ohrfeigen und Drücken eines Kissens auf den Kopf vorsätzlich am Körper verletzt.

Das Strafgericht erteilte dem Revisionswerber in der genannten Entscheidung unter einem die Weisung, sich einer Anti-Aggressionstherapie zu unterziehen und darüber zu berichten. Dieser Weisung kam der Revisionswerber (unbestritten) nicht nach.

5        Mit weiterem rechtskräftigem Urteil vom 22. Oktober 2019 verhängte das Landesgericht für Strafsachen Wien gegen den Revisionswerber wegen der Verbrechen der (zum Teil versuchten) absichtlich schweren Körperverletzung sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt nachgesehen).

Er hatte am 24. November 2018 eine andere Person mit seinem Kraftfahrzeug nach verschiedenen Streitigkeiten auf dem Gehsteig absichtlich angefahren, ihn dadurch auf die Motorhaube des Fahrzeuges aufgeladen und mit dem PKW in Richtung einer Hausmauer geschleudert, wodurch dieser schwere Verletzungen, insbesondere eine Zerreißung des vorderen Kreuzbandes im linken Kniegelenk und eine Beschädigung des inneren Seitenbandes, erlitt. Weiters hatte er bei diesem Vorfall zwei andere Personen durch das beschriebene gleichzeitig erfolgte Erfassen mit seinem Fahrzeug am Körper schwer zu verletzen versucht.

Am 12. Mai 2019 hatte er seine ehemalige Freundin zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, indem er ihr schrieb, dass er ihren neuen Freund sowie dessen Familie töten werde.

6        Mit Bescheid vom 6. Juli 2020 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) insbesondere mit Bezug auf diese Straftaten gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 5 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot. Das BFA stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung (nach Serbien) gemäß § 46 FPG zulässig sei, erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab und gewährte (demzufolge) gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise.

7        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. Oktober 2020 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) einer dagegen erhobenen Beschwerde nach mündlicher Verhandlung teilweise Folge und setzte die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre herab. Im Übrigen wies es die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG „in den Kosovo“ zulässig sei. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8        Begründend verwies das BVwG im Wesentlichen auf die näher dargestellten massiven und lange Zeit hindurch wiederholten Straftaten sowie das trotz gerichtlicher Weisung bislang nicht therapierte Gewaltproblem samt fehlender Impulskontrolle des - noch in Strafhaft angehaltenen - Revisionswerbers, weshalb das Vorliegen einer gegenwärtigen, hinreichend schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit iSd § 52 Abs. 5 FPG zu bejahen sei und sich auch ein Einreiseverbot als erforderlich erweise. Lediglich die Dauer des Einreiseverbotes sei unter Berücksichtigung des langjährigen Aufenthalts in Österreich und des dabei geführten Privatlebens geringfügig zu reduzieren gewesen. Dabei erscheine ein fünfjähriger Beobachtungszeitraum hinsichtlich allfälligen Wohlverhaltens nach der Haftentlassung als angemessen.

Der Revisionswerber sei volljährig, gesund und arbeitsfähig; er habe ein Deutschzertifikat auf der Stufe A 2 erworben. Allerdings weise er keine abgeschlossene Berufsausbildung auf, sei in den rund 95 Monaten seines bisherigen Aufenthalts in Österreich nur zu rund einem Viertel erwerbstätig gewesen und habe im Übrigen verschiedene Sozialleistungen bezogen. Dementsprechend habe er nie Unterhalt für seine Kinder bezahlt. Wenn er auch eine Einstellungszusage vorgelegt habe, könne dies am Ergebnis einer kaum gelungenen wirtschaftlichen Integration nichts ändern, zumal bereits in der Vergangenheit entsprechende Erwerbstätigkeiten nie von langer Dauer gewesen seien und mit seiner Kündigung geendet hätten.

Die Wohngemeinschaft mit seiner geschiedenen österreichischen Ehefrau sei seit Oktober 2014 aufgehoben. Die alleinige Obsorge für beide Kinder obliege der Mutter. Die Kinder habe er nur im Rahmen einzelner (teils betreuter) Besuchstermine, letztmalig im Jahr 2017, gesehen. Seit Beginn seines - bis zuletzt andauernden - Aufenthalts in Strafhaft im Mai 2019 sei er weder von seiner ehemaligen Ehefrau noch von seinen Kindern besucht worden. Die Trennung insbesondere von seinen beiden minderjährigen Kindern sei im öffentlichen Interesse zur Unterbindung weiterer Gewaltdelikte in Kauf zu nehmen.

Er habe auch einen in Österreich lebenden Bruder, der österreichischer Staatsbürger sei und mit dem er vor seiner Haft zusammengelebt habe. Das Bestehen intensiver familiärer Kontakte oder eines wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisses sei jedoch auch ihm gegenüber zu verneinen. Zwar verfüge der Revisionswerber über einen Freundeskreis, der jedoch zu einem Gutteil aus Ländern des ehemaligen Balkan stamme. Insgesamt erscheine die Integration angesichts der Aufenthaltsdauer als unterdurchschnittlich.

Seine Eltern und eine Schwester seien zwar in die USA ausgewandert, doch sei mit der Möglichkeit einer Reintegration im Herkunftsstaat zu rechnen, wo er aufgewachsen sei, die Landessprache beherrsche und sich Verwandte (Onkel und Tante) aufhielten. Zudem verfüge seine Familie über ein (sanierungsbedürftiges) Haus im Kosovo.

9        Die dagegen erhobene Revision erweist sich als unzulässig.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

12       Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich der Revisionswerber gegen die Gefährdungsprognose sowie die Interessenabwägung des BVwG. In diesem Zusammenhang komme es nicht allein auf die Tatsache einer Verurteilung an, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild. Da er nunmehr erstmals die Verbüßung des Haftübels (im Gefängnis) verspüre und österreichische Angehörige habe, erweise sich die Begründung des BVwG als unzureichend.

13       Dem ist zunächst zu entgegnen, dass sich das BVwG mit den wiedergegebenen Straftaten ausreichend befasst und daraus sowie aus dem bisherigen Unterbleiben der erforderlichen Gewalttherapie jedenfalls vertretbar eine vom Revisionswerber ausgehende Gefährdung im Sinn des § 52 Abs. 5 FPG abgeleitet hat.

14       Zudem ist dem Revisionswerber zu entgegnen, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat und dass demnach für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden in erster Linie das - hier beim Revisionswerber bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch gar nicht gegebene - Verhalten in Freiheit maßgeblich ist. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (vgl. etwa VwGH 9.11.2020, Ra 2020/21/0417, Rn. 12, mwN).

15       Ebenso durfte das BVwG infolge des langjährigen Fehlens selbst von Besuchskontakten zu seinen Kindern davon ausgehen, dass das mit ihnen bestehende Familienleben zumindest deutlich relativiert sei. Soweit die Revision - im Gegensatz dazu - ein intensives in Österreich geführtes Familienleben unterstellt, entfernt sie sich von den Sachverhaltsfeststellungen des BVwG, denen allerdings nicht argumentativ entgegengetreten wird. Davon ausgehend ist die Trennung - wie vom BVwG dargestellt - im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

16       Weder die Interessenabwägung noch die Gefährdungsprognose, welche jeweils auch auf einem in der mündlichen Verhandlung gewonnen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber beruhen, können somit als unvertretbar angesehen werden, woraus die Unzulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG folgt (vgl. etwa VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0268, Rn. 20, mwN).

17       Auch sonst werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 6. April 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210482.L00

Im RIS seit

17.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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