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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M J H, vertreten durch RIHS Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Februar 2021, W195 2213464-2/4E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung eines Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, kam im April 2015 mit einem Visum D nach Österreich. Er verfügte sodann über eine bis 8. März 2016 gültige Aufenthaltsbewilligung für Studierende. Einem diesbezüglichen Verlängerungsantrag wurde nicht stattgegeben.
2 In der Folge stellte der in Österreich verbliebene Revisionswerber am 20. Jänner 2017 unter anderer (falscher) Identität mit angeblicher Staatsangehörigkeit von Myanmar einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14. Dezember 2018 zur Gänze abgewiesen wurde. Unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und damit ein mit fünf Jahren befristetes, auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gestütztes Einreiseverbot verbunden. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 30. Jänner 2019 als unbegründet ab.
3 Mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 18. März 2020 stellte der Revisionswerber den Antrag, das gegen ihn verhängte Einreiseverbot „zur Aufhebung zu bringen“. Zur Begründung wurde vorgebracht, der Revisionswerber habe nach Erlassung des erwähnten Erkenntnisses vom 30. Jänner 2019 das Bundesgebiet verlassen und am 20. Juli 2019 in Italien eine namentlich genannte österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Der Antragsteller habe „in Italien den Status des begünstigten Drittstaatsangehörigen“ gehabt; die Rückkehrentscheidung sei „somit konsumiert“. Unter Bezugnahme auf § 69 FPG wurde sodann gefolgert, durch die erwähnte Heirat und die Erteilung eines italienischen Aufenthaltstitels, der den Revisionswerber in Italien zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtige, liege eine wesentliche Änderung der Sachlage vor. In einer Stellungnahme vom 8. September 2020 wurde ergänzt, die Vernehmung der Ehefrau des Revisionswerbers werde ergeben, dass sie „ihre Freizügigkeit in Italien - gemeinsam mit dem Einschreiter - ausgeübt hat“. Abschließend wurde auch dort noch einmal die Aufhebung des gegen den Revisionswerber verhängten Einreiseverbotes beantragt.
4 Nach Vernehmung der Ehefrau des Revisionswerbers am 6. November 2020 und nach dem Einlangen einer Säumnisbeschwerde am 30. Dezember 2020 wies das BFA den Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbotes mit Bescheid vom 12. Jänner 2021 gemäß § 69 Abs. 2 FPG zurück. Nach Zitierung der genannten Bestimmung führte das BFA aus, eine wesentliche Änderung der persönlichen Verhältnisse, insbesondere in der „Familiensituation“, könne die Aufhebung eines „Aufenthaltsverbotes“ rechtfertigen. Allerdings habe der Revisionswerber seit Erlassung des Einreiseverbotes den Schengenraum nicht verlassen und halte sich trotz dieses Verbots aktuell in Wien auf. Entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen könne aufgrund der Angaben der Ehefrau des Revisionswerbers festgestellt werden, dass sie ihr Freizügigkeitsrecht in Italien, wo sie weder länger als drei Monate aufhältig noch erwerbstätig gewesen sei, nie ausgeübt habe. Aus diesem Grund, nämlich - so ist das BFA zu verstehen - weil dem Revisionswerber daher nicht die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger zukomme, könne „einer Aufhebung nach § 69 FPG nicht zugestimmt“ werden.
5 Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 17. Februar 2021 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Das BVwG stellte - wie auch schon das BFA - bei der Beurteilung der Berechtigung des Antrags auf Aufhebung des gegen den Revisionswerber erlassenen Einreisverbotes auf § 69 Abs. 2 FPG ab, wonach ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben ist, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das BVwG erachtete diesen Tatbestand schon deshalb nicht für erfüllt, weil weder im Antrag noch in der Beschwerde dargelegt worden sei, welche dem Einreiseverbot damals zugrunde gelegten Gründe weggefallen seien. Eine Änderung der Gründe, die zum Einreiseverbot geführt hätten (neben fremdenrechtlich relevantem Fehlverhalten insbesondere der Verdacht des schweren Betruges wegen Erschleichung von Grundversorgungsleistungen), sei nicht behauptet worden und im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Darüber hinaus kam auch das BVwG zu dem Ergebnis, der Revisionswerber sei kein begünstigter Drittstaatsangehöriger, weil seine Ehefrau ihr Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen habe. Sie sei nämlich in Österreich in einem ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnis gestanden und habe bei ihrer Vernehmung als Zeugin selbst angegeben, den Revisionswerber in Italien, wenn auch mehrere Wochen lang, lediglich im Urlaub besucht zu haben. Es sei daher festzuhalten, dass sich der Revisionswerber auch derzeit illegal im Bundegebiet aufhalte und somit gegen das Einreiseverbot verstoße.
7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig erweist.
8 Gemäß der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber ein Abweichen des BVwG von den im Beschluss VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, angestellten Überlegungen geltend. Unter Zitierung mehrerer Passagen aus dieser Entscheidung folgert der Revisionswerber, das BFA wäre bei Verneinung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts des Revisionswerbers verpflichtet gewesen, eine „bescheidförmige Ausweisung bzw. ein Aufenthaltsverbot auszusprechen“. Demnach hätte das BVwG den Bescheid des BFA vom 12. Jänner 2021 als rechtswidrig aufheben müssen, weil die vom BFA vorgenommene Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des Einreiseverbotes „zufolge der zitierten Rechtsprechung“ rechtswidrig gewesen sei.
11 Dem mit der vorliegend zu beurteilenden Konstellation vergleichbaren Fall, der zu Ra 2017/21/0151 entschieden wurde, lag ebenfalls zugrunde, dass sowohl vom Revisionswerber im Antrag als auch vom BVwG - hier auch vom BFA - § 69 Abs. 2 FPG als maßgebliche Norm für die Beurteilung des Antrags auf Aufhebung des gegen den Revisionswerber erlassenen Einreiseverbotes angesehen wurde. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Beschluss mit näherer Begründung, auf die insgesamt gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, unter Rn. 12 klargestellt, dass § 69 Abs. 2 FPG nur die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes regelt und somit nicht auf die Aufhebung der unterschiedlichen Maßnahme eines Einreiseverbotes (samt Rückkehrentscheidung) angewendet werden könne. Gleichzeitig wurde in Rn. 13 darauf hingewiesen, dass die mit dem nunmehrigen Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts begründete Aufhebung eines Einreiseverbotes nach § 60 Abs. 1 FPG ebenfalls nicht in Betracht komme. Demzufolge kam der Verwaltungsgerichtshof nach weiteren Überlegungen zu dem Ergebnis, ein Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbotes, der - wie auch hier - auf die Behauptung gestützt wird, es sei die Rechtsstellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger erlangt worden, könne von vornherein nicht zielführend sein (siehe Rn. 17 und Rn. 19).
12 Demzufolge steht die vom BFA vorgenommene Zurückweisung des vom Revisionswerber gestellten Antrags auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Einreiseverbotes - entgegen der Meinung in der Revision - (im Ergebnis) im Einklang mit dieser Rechtsprechung. Die Bestätigung dieser Entscheidung durch das BVwG war somit nicht rechtswidrig, zumal die in der Revision (erstmals) geforderte Umwandlung des Einreiseverbotes in ein Aufenthaltsverbot im Rahmen dieses Verfahrens, dessen Gegenstand nur das Begehren auf Aufhebung des Einreiseverbotes war, nicht in Betracht kam.
13 Der Revisionswerber vertritt in der Revision darüber hinaus weiterhin den Standpunkt, seine Ehefrau habe in Italien ihr Freizügigkeitsrecht ausgeübt. Bei Durchführung der in der Beschwerde beantragten, vom BVwG jedoch zu Unrecht unterlassenen mündlichen Verhandlung wäre es zu entsprechenden Feststellungen gekommen, sodass der Revisionswerber als begünstigter Drittstaatsangehöriger mit einem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht anzusehen gewesen wäre. Das hätte nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs die Gegenstandslosigkeit der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot nach sich gezogen. Aus dem diesbezüglichen, an den Verwaltungsgerichtshof für den Fall einer Entscheidung in der Sache gestellten Eventualantrag in der Revision lässt sich in diesem Zusammenhang die Auffassung des Revisionswerbers ableiten, das BVwG hätte dann eine entsprechende spruchmäßige Feststellung der Gegenstandslosigkeit des Einreiseverbotes zu treffen gehabt.
14 Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass ein feststellender Ausspruch über die Gegenstandslosigkeit des Einreiseverbotes ebenfalls nicht von dem ausdrücklichen Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbotes umfasst ist. Aus den Ausführungen in Rn. 17 im Beschluss VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, ergibt sich vielmehr, dass die Geltendmachung eines (nunmehr) zustehenden unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Wege eines Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 54 NAG zu erfolgen hat. Den in der Revision geltend gemachten Ermittlungsmängeln kommt daher von vornherein keine Relevanz zu.
15 Zusammenfassend ergibt sich daher, dass in der Revision keine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, insbesondere nicht das behauptete Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dargetan wird. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 8. April 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210091.L00Im RIS seit
17.05.2021Zuletzt aktualisiert am
17.05.2021