TE Vwgh Beschluss 2021/4/8 Ra 2021/21/0059

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Veröffentlicht am 08.04.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M P, vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Jänner 2021, G307 2237004-1/3E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines Einreiseverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der 1997 geborene Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, ist im Besitz eines gültigen Reisepasses. Er hielt sich von 12. Jänner 2020 bis 29. Oktober 2020, unter Überschreitung der erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthaltsdauer, ohne über einen Aufenthaltstitel und eine Bewilligung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu verfügen, durchgehend im Bundesgebiet auf. Am 11. Oktober 2020 wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten und wegen des Verdachts des unrechtmäßigen Aufenthalts angezeigt.

2        Mit Bescheid vom 17. Oktober 2020 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber nach seiner Vernehmung - verbunden mit dem Ausspruch, dass ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde - gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG. Des Weiteren stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach „Bosnien“ zulässig sei. Unter einem wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und demgemäß nach § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Schließlich verhängte das BFA über den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot.

3        Der Revisionswerber entsprach der Ausreiseverpflichtung, indem er am 29. Oktober 2020 unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe in seinen Herkunftsstaat ausreiste.

4        Die gegen den erwähnten Bescheid des BFA erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Jänner 2021 mit der - der mittlerweile erfolgten Ausreise des Revisionswerbers Rechnung tragenden - Maßgabe als unbegründet ab, dass der Ausspruch über die Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 ersatzlos behoben und die Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 1 Z 2 FPG iVm § 9 BFA-VG gegründet wurde (Spruchpunkt A.I.). Das Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerde aber insoweit teilweise Folge, als die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wurde (Spruchpunkt A.II.). Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).

5        Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der strafgerichtlich unbescholtene Revisionswerber zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Österreich gekommen sei und es bewusst unterlassen habe, sich im Bundesgebiet zu melden, um seinen Aufenthalt zu verschleiern. Er habe im März 2020 eine unrechtmäßige Erwerbstätigkeit aufgenommen, um sich seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu finanzieren. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber über legale Einnahmen oder einen Rechtsanspruch auf konkrete Geldleistungen verfüge. Ferner habe nicht festgestellt werden können, dass er während seines Aufenthaltes in Österreich an einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina, wo seine „Kernfamilie“ lebe, durchgehend gehindert gewesen wäre. Der Revisionswerber sei ledig und ohne Obsorgepflichten. Berücksichtigungswürdige familiäre Bezüge in Österreich könne das Bundesverwaltungsgericht nicht feststellen.

6        In rechtlicher Hinsicht stützte sich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der für das Einreiseverbot vorzunehmenden Gefährdungsprognose auf den Umstand, dass der Revisionswerber im Sinne des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG den Besitz hinreichender, aus legalen Quellen stammender Geldmittel nicht nachweisen habe können und er seit März 2020 einer „Schwarzarbeit“ nachgegangen sei. Zwar sei er dabei nicht im Sinne des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG betreten worden, jedoch habe dies dennoch bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens im Rahmen der Gefährdungsprognose Berücksichtigung zu finden, da er mit der Aufnahme der unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit die von fehlenden Unterhaltsmitteln ausgehende Gefährdung öffentlicher Interessen, nämlich Mittel aus illegalen Quellen zu lukrieren, bereits verwirklicht habe. Darüber hinaus habe er es, um seinen Aufenthalt in Österreich zu verschleiern, bewusst unterlassen, eine verpflichtende Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet vorzunehmen und habe sich letztlich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Es seien dem Revisionswerber daher mehrere, teils über einen längeren Zeitraum hinweg anhaltende Rechtsverstöße anzulasten. Der Revisionswerber lasse „Reue und Einsicht“ vermissen und versuche durch im Rahmen der Corona-Pandemie ergangene temporäre Beschränkungen der Reisefreiheit seine Verantwortung von sich zu weisen, weshalb ein neuerliches gleichartiges Fehlverhalten nicht ausgeschlossen sei. Allerdings sei bei Bemessung der Dauer des Einreiseverbots zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber strafgerichtlich unbescholten und erstmalig fremdenrechtlich in Erscheinung getreten sei. Außerdem habe er letztlich freiwillig das Bundesgebiet verlassen, weshalb ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren angemessen sei.

7        Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG abgesehen werden können, da der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine.

8        Gegen Spruchpunkt A.II dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig erweist.

9        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11       In dieser Hinsicht wird in der Revision gerügt, das Bundesverwaltungsgericht hätte die in der Beschwerde beantragte mündliche Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber durchführen müssen. Insoweit sei das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung wäre das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis gekommen, dass das Gesamtverhalten des Revisionswerbers unter Berücksichtigung seiner Unbescholtenheit, seiner „geständigen Verantwortung“ und der Bereitschaft zur Ausreise kein Einreiseverbot oder nur ein solches von kürzerer Dauer gerechtfertigt hätte.

12       Mit diesen Einwänden bemängelt der Revisionswerber - wie sich aus den weiteren Ausführungen ergibt - einerseits die für das Einreiseverbot getroffene Gefährdungsprognose und andererseits dessen Verhältnismäßigkeit unter dem Gesichtspunkt des § 9 BFA-VG. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert jedoch in ständiger Rechtsprechung, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. aus der letzten Zeit etwa VwGH 22.1.2021, Ra 2020/21/0457, Rn. 18; VwGH 9.11.2020, Ra 2020/21/0417, Rn. 14, jeweils mit dem Hinweis auf VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0232, Rn. 12).

13       Das BFA und das Bundesverwaltungsgericht gründeten das Einreiseverbot auf den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG. Danach ist die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung indiziert, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, weil aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiert. Dabei obliegt es dem Fremden initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass sein Unterhalt, auf den ein Rechtsanspruch bestehen muss, für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint (vgl. VwGH 22.2.2021, Ra 2021/21/0036, Rn. 11; VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0284, Rn. 12).

14       Der Revisionswerber hat diesen Nachweis im Verfahren nicht erbracht und lässt in der Revision auch die Feststellungen, aus denen sich die Mittellosigkeit des Revisionswerbers ergibt, unbestritten. Er gesteht in der Revision überdies zu, dass Zweck der Einreise auch die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit gewesen sei. Angesichts der durch die Mittellosigkeit des Revisionswerbers begründeten Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen, die sich durch seine illegale Beschäftigung in einem Reinigungsunternehmen auch bereits verwirklichte, und des schon in der Beschwerde nicht bestrittenen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Meldegesetz war die Erlassung eines Einreiseverbotes aber jedenfalls gerechtfertigt. Der in der Revision ins Treffen geführten strafrechtlichen Unbescholtenheit des Revisionswerbers und seiner Bereitschaft zur Ausreise trug das Bundesverwaltungsgericht ohnehin mit der vorgenommenen Reduktion des Einreiseverbots auf zwei Jahre ausreichend Rechnung. Insgesamt durfte das Bundesverwaltungsgericht der Sache nach sogar von einem „eindeutigen Fall“ ausgehen, der es (ausnahmsweise) erlaubte, von einer Verhandlung samt Verschaffung eines persönlichen Eindrucks abzusehen (vgl. z.B. VwGH 27.4.2020, Ra 2019/21/0413, Rn. 10; VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0275, Rn. 13, jeweils mwN).

15       Die Revision tritt der Annahme und den beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Fehlen von durch die Corona-Pandemie bedingten, seit März 2020 durchgehenden Reisebeschränkungen, die schon in der Beschwerde nicht substantiiert vorgetragen worden waren, nicht argumentativ entgegen. Indem sie sich dennoch erneut auf solche Beschränkungen bezieht, kann - entgegen dem Standpunkt des Revisionswerbers - auch nicht von seiner „geständigen und reumütigen Verantwortung“ ausgegangen werden. Im Übrigen würde aber auch deren Vorliegen die in Randnummer 14 vorgenommene Einschätzung nicht maßgeblich relativieren.

16       Die Revision war daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 8. April 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210059.L00

Im RIS seit

17.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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