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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §55Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des X X, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 18/1/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. Mai 2020, W168 2230114-1/2E, betreffend Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 sowie Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der 1989 geborene Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Chinas, hält sich seit dem Jahr 2003 im Wesentlichen durchgehend in Österreich auf. Ihm waren für die Zeit vom 10. März 2003 bis zum 31. Juli 2005 Aufenthaltstitel zum Zweck einer (letztlich erfolgreich absolvierten) Schulausbildung erteilt worden. Insoweit war für die Zeit nach dem 31. Juli 2005 keine Verlängerung des Aufenthaltstitels beantragt worden.
2 Am 10. Oktober 2018 stellte der ohne polizeiliche Meldung in Österreich verbliebene Revisionswerber einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005. Diesen Antrag modifizierte er im Zuge einer niederschriftlichen Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 19. Dezember 2019 dahin, dass ein Aufenthaltstitel nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 angestrebt werde. Mit Eingabe vom 19. Dezember 2019 modifizierte er den Antrag neuerlich dahin, dass das Hauptbegehren nach § 56 AsylG 2005 aufrechterhalten und im Umfang des § 55 AsylG 2005 ein Eventualbegehren gestellt werde.
3 Mit Bescheid vom 12. Februar 2020 wies das BFA den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 ab. Es erließ gemäß § 52 Abs. 3 FPG gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach China zulässig sei, und bestimmte gemäß § 55 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise.
4 Mit weiterem Bescheid vom 23. März 2020 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 9 AsylG 2005 als unzulässig zurück. Begründend erachtete das BFA insoweit die gleichzeitige Stellung mehrerer Anträge als nach der eben zitierten Gesetzesstelle unzulässig. Dieser Bescheid ist (nach der Aktenlage und nach Mitteilung des BFA) unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Mai 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine vom Revisionswerber gegen den Bescheid vom 12. Februar 2020 erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 In seiner Begründung zur Abweisung des Antrages nach § 56 AsylG 2005 führte das BVwG aus, dass sich der Revisionswerber ab dem Jahr 2003 rund 17 Jahre in Österreich aufgehalten habe. Dieser Aufenthalt sei aber mit Ablauf des 31. Juli 2005 - also fast 15 Jahre lang - unrechtmäßig und ohne Vorliegen einer polizeilichen Meldung gewesen. Da der Revisionswerber somit weder die Hälfte der Zeit noch mindestens drei Jahre lang rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei, erfülle er schon die zeitlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht.
7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser sprach mit Erkenntnis VfGH 21.9.2020, E 2225/2020, aus, dass der Revisionswerber durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung nach China und gegen die Festsetzung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen werde, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Art. I Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973) sowie im Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) verletzt worden sei, und hob das angefochtene Erkenntnis insoweit auf.
Im Übrigen, also hinsichtlich der Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
8 Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 Insoweit führt der Revisionswerber ins Treffen, das Unterbleiben einer Antragstellung auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels als Schüler im Jahr 2005 durch seinen gesetzlichen Vertreter könne ihm als (damals) Minderjährigem nicht zum Vorwurf gemacht werden.
10 Dem ist jedenfalls zu entgegnen, dass selbst das von der Revision damit angestrebte Ziel eines rechtmäßigen Aufenthalts von mehr als drei Jahren (ab März 2003) am Fehlen des in § 56 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 normierten Erfordernisses der Rechtmäßigkeit von mindestens der Hälfte des durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nichts ändern könnte.
In Bezug auf die Entscheidung nach § 56 AsylG 2005 kam es somit auf die vom Revisionswerber vermisste Abklärung seines Privatlebens und des Maßes der von ihm im Bundesgebiet erreichten Integration nicht an.
11 Die Abweisung des Antrags nach § 56 AsylG 2005 ist aber auch nicht deshalb rechtswidrig, weil eine Entscheidung nach § 55 AsylG 2005 unterlieb. Diesbezüglich ist der Revisionswerber im Übrigen - vor dem Hintergrund des in Rn. 7 dargestellten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes - auf § 58 Abs. 2 AsylG 2005 zu verweisen, wonach es im fortgesetzten Verfahren (allenfalls) ohnehin zur amtswegigen Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zu kommen hat.
12 Insgesamt wird somit in der Revision keine Rechtsfrage dargestellt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 16. April 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210481.L00Im RIS seit
19.05.2021Zuletzt aktualisiert am
01.06.2021