TE Vwgh Beschluss 2021/4/20 Ra 2021/19/0096

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Veröffentlicht am 20.04.2021
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §34 Abs5

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des W B, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2021, W278 2208051-1/38E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein philippinischer Staatsangehöriger, stellte am 3. Jänner 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, sein Bruder sei auf den Philippinen in Drogengeschäfte verwickelt gewesen, weshalb die Regierung sowohl nach dem Bruder als auch nach ihm gesucht habe, bzw. sei er mit seinem Bruder verwechselt und festgenommen worden. Die Regierung lasse mutmaßliche Drogenhändler töten.

2        Mit Bescheid vom 3. Oktober 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung auf die Philippinen zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit Erkenntnis vom 26. März 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab.

4        Mit Erkenntnis vom 22. Mai 2020, Ra 2019/19/0427, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil das BVwG keine mündliche Verhandlung durchgeführt hatte.

5        Im fortgesetzten Verfahren wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung neuerlich als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen.

10       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 25.9.2020, Ra 2019/19/0407, mwN).

11       Das BVwG gelangte - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in welcher es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte - im Rahmen einer umfangreichen Beweiswürdigung zum Ergebnis, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sei nicht glaubwürdig. Dabei stützte es sich beweiswürdigend auf Widersprüche in den Aussagen des Revisionswerbers in verschiedenen Verfahrensstadien, auf Widersprüche zwischen dessen Aussagen und den Aussagen seiner als Zeugin einvernommenen Ehefrau und jenen eines Sohnes sowie auf Widersprüche in den Aussagen des Revisionswerbers und einem von ihm vorgelegten Polizeiprotokoll.

12       Die Revision, die sich gegen einzelne Aspekte dieser Beweiswürdigung wendet, legt nicht dar, dass diese insgesamt fallbezogen unvertretbar wäre.

13       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiter vor, das BVwG habe Beweisanträge des Revisionswerbers übergangen, indem es weder vor Ort ermittelt noch einen länderkundigen Sachverständigen zur Beurteilung des Fluchtvorbringens bestellt habe.

14       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (vgl. VwGH 10.8.2020, Ra 2018/19/0228, mwN). Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0141, mwN).

15       Eine derart krasse Fehlbeurteilung zeigt die Revision vor dem Hintergrund der nicht unvertretbaren Beweiswürdigung fallbezogen nicht auf, zumal ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens eines Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht. Die Beurteilung der Erforderlichkeit derartiger Erhebungen im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 obliegt der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 29.1.2021, Ra 2020/19/0455, mwN).

16       Schließlich begründet die Revision ihre Zulässigkeit damit, das BVwG hätte nach der Aufhebung seines Erkenntnisses vom 26. März 2019 durch das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2020 im fortgesetzten Verfahren im Hinblick auf § 34 AsylG 2005 auch nochmals in den Verfahren der Familienmitglieder des Revisionswerbers entscheiden müssen. Die Revision zeigt mit diesem Vorbringen schon deswegen keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit des angefochtenen - lediglich den Revisionswerber betreffenden - Erkenntnisses auf, weil sich aus § 34 Abs. 4 und 5 AsylG 2005 keine Verpflichtung des BVwG ergibt, über Beschwerden von Familienangehörigen in einem gemeinsamen Erkenntnis bzw. Beschluss zu entscheiden (vgl. vielmehr § 34 Abs. 4 dritter Satz AsylG 2005, wonach jeder Asylwerber einen gesonderten Bescheid erhält).

17       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 20. April 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190096.L00

Im RIS seit

17.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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