Index
L66106 Einforstung Wald- und Weideservituten Felddienstbarkeit SteiermarkNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des G B in J, vertreten durch Bischof Zorn + Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Seilerstätte 18-20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 1. September 2020, Zl. LVwG 53.6-1495/2020-5, betreffend Neuregulierung nach dem StELG 1983 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Agrarbezirksbehörde für Steiermark, mitbeteiligte Parteien: 1. S W in J, 2. G R und 3. M R, beide in J, 4. J S in J, sowie 5. H W in J), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Eigentümer der „R.-Alm“, auf der Einforstungsrechte im Sinne des Steiermärkischen Einforstungs-Landesgesetzes 1983 (StELG 1983), nämlich Weide- und Holzbezugsrechte, zu Gunsten von Liegenschaften der Mitbeteiligten (sowie einer weiteren Liegenschaft des Revisionswerbers) lasten.
2 Diese Rechte wurden zuletzt mit Einforstungsplan der Agrarbezirksbehörde Leoben vom 24. August 1987 neu reguliert. In diesem Einforstungsplan wurde auch ein Übereinkommen vom 4. Juni 1973 zwischen den damals Verpflichteten und Berechtigten hinsichtlich des Neubaus eines Zufahrtsweges zur Alm beurkundet. Demnach sei dieser Weg zur besseren Bewirtschaftung der Alm notwendig. Die Parteien hätten sich in Bezug auf die Kosten des Neubaus darauf geeinigt, dass 70 % vom damaligen Verpflichteten und 30 % von der Einforstungsgemeinschaft getragen würden. Die weitere Erhaltung obliege von der Abzweigung der Bundesstraße bis zum Weidezaun dem Verpflichteten, vom Zaun bis zur Almhütte den Berechtigten. Über den Weidebetrieb wurde in diesem Einforstungsplan unter anderem bestimmt, dass der in den Jahren 1973 und 1974 neu gebaute Almerschließungsweg, an dem sich die Einforstungsgemeinschaft mit 30 % der Kosten beteiligt habe, „der Almbewirtschaftung, so auch dem Viehtrieb bzw. dem Viehtransport“ diene. Der Einforstungsplan enthält keine weiteren Bestimmungen in Bezug auf diesen Weg.
3 Über Antrag des Revisionswerbers leitete die belangte Behörde mit rechtskräftigem Bescheid vom 5. Oktober 2009 gemäß §§ 49, 13 und 14 StELG 1983 das Einforstungsverfahren zur Neuregulierung der Einforstungsrechte ein.
4 In weiterer Folge kam es zwischen den Mitbeteiligten und dem Revisionswerber zu Unstimmigkeiten betreffend die Nutzung des Almerschließungsweges, sodass mehrere Berechtigte am 6. Mai 2019 bei der belangten Behörde die Erlassung einer Sicherungsverfügung insbesondere gegen die Verwehrung eines uneingeschränkten Zufahrtsrechtes beantragten.
5 Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 29. Mai 2020 diesen Antrag in Spruchpunkt I ab. Sie begründete dies damit, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Übergangsverfügung in Sinne des § 58 StELG 1983 nicht vorlägen. Die Hauptproblematik läge in der Verweigerung einer Zufahrt zum Einforstungsgebiet durch den Verpflichteten. Die Zufahrt könne jedoch durch eine dringend gebotene Ergänzung des Einforstungsplanes eindeutig geregelt werden. In der Folge könne dann auch die Wald-Weide-Trennung und Schwendung durch eine Ergänzung der Bestimmungen der Regulierungsurkunde erfolgen.
6 Mit Spruchpunkt II dieses Bescheides wurde sohin der Einforstungsplan vom 24. August 1984 (richtig: 1987) gemäß §§ 1, 12, 13, 14, 21 und 49 StELG 1983 „unter Punkt 3. (Seite 13) wie folgt abgeändert und ergänzt:“
„Zur Benutzung dieses Weges in Form von Gehen, Viehtreiben und Fahren mit Fahrzeugen aller Art sind die Eigentümer der berechtigten Liegenschaften und deren Beauftragte zum Zwecke der Ausübung ihrer Rechte ohne zeitliche Einschränkung berechtigt. Falls der Weg zur Verhinderung des Befahrens durch unbefugte Dritte mittels Schranken versperrt wird, ist für jede der berechtigten Liegenschaften zumindest ein Schrankenschlüssel, für die Almgemeinschaft sind weitere Schlüssel nach Bedarf (z.B. für den Almhalter) zur Verfügung zu stellen.“
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen Spruchpunkt II des Bescheides vom 29. Mai 2020 gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.
8 Begründend kam es - unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des Einforstungsplanes vom 24. August 1987 und den Almwirtschaftsplan vom 17. Dezember 1986, woraus sich unter anderem Verpflichtungen der Berechtigten zur Zustandserhaltung der zum Betrieb der Almwirtschaft erforderlichen Einrichtungen (Wege, Gebäude, Wasserversorgungsanlagen, neue Zäune), größeren Schwendungen und Düngungen usw. ergäben, - zum Ergebnis, dass der Verpflichtete das Befahren des Weges nicht verhindern könne, wenn ein Naheverhältnis zur (näher festgelegten) Weidezeit vorliege und dies der Ausnutzung des Weiderechts diene (z.B. Schwendungsmaßnahmen, Düngung und Unkrautpflege, Zaunerneuerung, Renovierung der Almhütte, des Stalles, etc.). Wege- und Schlüsselregelungen stellten selbst keine Einforstungsrechte dar, dienten aber der Ausnutzung der Weiderechte. Welche Wege dafür genutzt werden dürften, zeige sich aus deren Erwähnung im Einforstungsplan. Die Ausgabe von Schlüsseln sei sachgerecht, weil diese dem ungehinderten Passieren des bestehenden Schrankens diene und daher für die Ausübung der Einforstungsrechte zweckmäßig sei. Entgegen dem Beschwerdevorbringen handle es sich dabei nicht um eine neue Servitut, sondern um ein Nebenrecht im Sinne des § 10 Abs. 2 StELG 1983.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht wird, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob der Agrarbezirksbehörde nach dem StELG 1983 eine „Kompetenz zur Einräumung von Wegerechten bzw. Erweiterung der im Einforstungsplan eingeräumten Rechte“ zukomme. Weiters weiche das angefochtene Erkenntnis von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach eine Neuregulierung nur auf der Grundlage nachgewiesener Nutzungsansprüche der Berechtigten (und nicht des tatsächlichen Bedarfs oder faktisch ausgenutzter Weiderechte) erfolgen dürfe sowie eine Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen Bedürfnisse der jeweiligen berechtigten und verpflichteten Liegenschaft zum Ziel haben müsse.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Nach § 12 StELG 1983 bildet die Grundlage für die Neuregulierung, Regulierung, Ablösung und Sicherung von Nutzungsrechten das durch Übereinkommen festgestellte oder durch Urkunden oder sonstige Beweismittel nachgewiesene Ausmaß der Nutzungsrechte und der Gegenleistungen. Nach § 14 Abs. 2 StELG 1983 bezweckt sie im Rahmen des nach § 12 festgesetzten Ausmaßes der Nutzungsrechte die Ergänzung oder auch Änderung der Bestimmungen der Regulierungsurkunden, soweit sie mangelhaft oder lückenhaft sind oder soweit die seit der Regulierung eingetretenen Veränderungen in den Verhältnissen eine solche Ergänzung oder Änderung nach den Bedürfnissen des berechtigten oder verpflichteten Gutes zur Erzielung ihrer vollen wirtschaftlichen Ausnutzung erfordern. Weiters bestimmt § 14 Abs. 3 StELG 1983, dass eine Schmälerung oder Erweiterung der urkundlich festgelegten Rechte durch eine Neuregulierung nicht eintreten darf.
14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies, dass entscheidende Grundlage eines Neuregulierungsverfahrens und der Umfang der zu gewährleistenden Rechte nicht die faktisch ausgenutzten Weiderechte und der gegebene tatsächliche Bedarf einer Stammsitzliegenschaft, der vom Ausmaß der urkundlichen Rechte abweichen kann, sind, sondern allein der auf rechtlicher Grundlage nachgewiesene Nutzungsanspruch der Berechtigten. Im Ergebnis dürften die jeweiligen Rechte nicht geschmälert werden (VwGH 17.12.2008, 2008/07/0136).
15 Dass das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf: Wie sich aus der Bezugnahme im Erkenntnis auf den bestehenden Einforstungsplan und den darin bereits genannten Weg sowie die Verpflichtungen nach dem Almwirtschaftsplan, deren Erfüllung ebenso die Nutzung des Weges erfordert, ergibt, ist das Verwaltungsgericht von einem rechtlich und faktisch bestehenden Wegerecht zu Gunsten der Berechtigten ausgegangen, dessen konkrete Regelung nunmehr ergänzt werde, und nicht von einem von den bestehenden Rechten abweichenden aktuellen Bedarf.
16 Ob sich eine konkrete Neuregulierung tatsächlich auch im Rahmen des im Sinne des § 12 StELG 1983 nachgewiesenen Ausmaßes von Nutzungsrechten und Gegenleistungen bewegt, ist in der Regel eine Frage des Einzelfalles.
17 Nach seiner ständigen Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (VwGH 9.2.2021, Ra 2020/07/0118, mwN). Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt dann, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 31.8.2020, Ra 2019/01/0135, mwN).
18 Dass eine derartige krasse Fehlbeurteilung durch das Verwaltungsgericht vorliegen würde, vermag die Revision nicht darzulegen. Insbesondere wurde mit dem Erkenntnis entgegen der Prämisse in der Revision kein „allgemeines“ (inhaltlich unbeschränktes) Wegebenutzungsrecht festgelegt. Die Benutzung des Weges steht den Berechtigten und ihren Beauftragten nach dem Wortlaut der in den Einforstungsplan eingefügten Bestimmung nämlich (nur) „zum Zwecke der Ausübung ihrer Rechte“ zu. Diese Formulierung stellt - wie sich aus der Begründung des Verwaltungsgerichts ergibt, die darauf Bezug nimmt, dass das Befahren des Weges zur Ausnutzung des Weiderechts und in einem Naheverhältnis zur Weidezeit nicht verhindert werden könne, - nicht nur die Grundlage sondern auch eine inhaltliche Einschränkung des Wegebenutzungsrechtes dar. Damit ist auch nicht erkennbar, dass das bestehende Wegebenutzungsrecht, das im bisherigen Einforstungsplan nur grundlegend geregelt war, eine inhaltliche Ausweitung erfahren hätte.
19 Die Revision behauptet weiters eine Abweichung von jener Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der aus dem StELG 1983 hervorgehende, für Änderungen von Nutzungsrechten maßgebliche Sinn des Gesetzes dahingehend zusammengefasst werden könne, dass jede Rechtsänderung die bestmögliche, Interessen der Landeskultur und der Volkswirtschaft berücksichtigende Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen Bedürfnisse der jeweils berechtigten und verpflichteten Liegenschaft zum Ziel hat (VwGH 25.2.2016, 2013/07/0059). Das Verwaltungsgericht habe die Interessen und Bedürfnisse der verpflichteten Liegenschaft völlig außer Acht gelassen und sich damit nicht auseinandergesetzt.
20 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass das von der Revision zitierte Erkenntnis nicht ein Neuregulierungsverfahren, sondern die Genehmigung der Übertragung bzw. Ablösung von Holzbezugsrechten betraf, sodass schon insofern kein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Weiters verkennt die Revision, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis eine Ergänzung der Bestimmungen der Regulierungsurkunde aufgrund ihrer angenommenen Mangel- oder Lückenhaftigkeit vorgenommen wurde und nicht wegen seit der Regulierung eingetretenen Veränderungen in den Verhältnissen, die eine Ergänzung oder Änderung „nach den Bedürfnissen des berechtigten oder verpflichteten Gutes zur Erzielung ihrer vollen wirtschaftlichen Ausnutzung“ erfordert hätten (zu diesen beiden möglichen Zwecken einer Neuregulierung vgl. den Wortlaut des § 14 Abs. 2 StELG 1983).
21 Vor allem aber zeigt die Revision nicht die Relevanz des von ihr geltend gemachten Begründungsmangels auf (zu diesem Erfordernis vgl. etwa VwGH 11.2.2019, Ra 2019/20/0009, mwN). Sie führt nämlich - abgesehen vom bloß abstrakten Umstand, dass eine Einschränkung des Eigentums vorliegt, - nicht an, welche Bedürfnisse der verpflichteten Liegenschaft der vorgenommenen Neuregulierung entgegenstünden, sodass eine mögliche Auswirkung auf das Verfahrensergebnis nicht dargelegt wird.
22 Die von der Revision weiters aufgeworfene Rechtsfrage (zu der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle), ob der Agrarbezirksbehörde nach dem StELG 1983 eine Kompetenz zur Einräumung von Wegerechten oder Erweiterung von im Einforstungsplan eingeräumten Rechten zukomme, ist angesichts dessen, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis nach dem oben Gesagten weder ein Wegerecht (neu) eingeräumt noch Rechte erweitert wurden, für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aber nicht zuständig (VwGH 4.3.2021, Ra 2020/07/0039, mwN).
23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. April 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020070112.L00Im RIS seit
17.05.2021Zuletzt aktualisiert am
14.06.2021