TE Vwgh Beschluss 2021/4/21 Ra 2021/18/0155

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Veröffentlicht am 21.04.2021
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Index

E6J
41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
FlKonv Art1 AbschnA Z2
62011CJ0071 Y und ZVORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des H R, vertreten durch Mag. Martin Sauseng, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 2021, W124 2210092-1/14E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Herat, beantragte am 6. November 2015 internationalen Schutz, weil er in seinem Herkunftsstaat nicht in Sicherheit leben könne und in Zukunft Frieden wolle. Im weiteren Verfahren brachte er vor, zum Christentum konvertiert zu sein und deshalb bei Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung zu befürchten.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag des Revisionswerbers in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18. Oktober 2018 zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

3        Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber besuche zwar seit dem Spätherbst 2016 regelmäßig Gottesdienste der Internationalen Baptistengemeinde und sei von dieser christlichen Gemeinde am 25. März 2018 getauft worden. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass der christliche Glaube wesentlicher Bestandteil der Identität des Revisionswerbers geworden sei, dass er diesen Glauben bei Rückkehr nach Afghanistan weiter ausüben und/oder ihn zur Schau tragen würde, und dass ihm wegen des Glaubenswechsels Verfolgung drohe. Zum subsidiären Schutz führte das BVwG unter anderem näher begründet aus, dass dem Revisionswerber im Falle der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Herat keine reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte drohen würde.

4        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, das BVwG habe sich mit den zeugenschaftlichen Aussagen zweier Vertreter der Kirchengemeinde, der sich der Revisionswerber angeschlossen habe, nur mangelhaft auseinandergesetzt. Außerdem habe das BVwG den Revisionswerber auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in den afghanischen Großstädten Mazar-e Sharif oder Herat verwiesen, ohne dabei die negativen sozioökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie anhand ausreichend aktueller Länderberichte zu berücksichtigen.

5        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

8        Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

9        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine begründete Furcht des Asylwerbers vor asylrelevanter Verfolgung wegen einer Konversion vorliegen, und zwar insbesondere dann, wenn anzunehmen wäre, dass der konvertierte Asylwerber nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen werden.

10       Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und einer daraus resultierenden Verfolgungsgefahr kommt es wesentlich auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. etwa VwGH 12.6.2020, Ra 2019/18/0440, mwN).

11       Im vorliegenden Fall verneinte das BVwG eine Verfolgungsgefahr aus Gründen der religiösen Einstellung der revisionswerbenden Partei unter anderem deshalb, weil es die Ernsthaftigkeit des Glaubenswechsels des Revisionswerbers und eine weitere Ausübung des Glaubens (getragen von einer religiösen Überzeugung des Revisionswerbers) bei Rückkehr in den Herkunftsstaat in Zweifel zog.

12       Die Revision macht geltend, das BVwG habe sich bei seiner Beweiswürdigung mit den in der mündlichen Verhandlung abgelegten Aussagen zweier Zeugen aus der Kirchengemeinde des Revisionswerbers nicht hinreichend beschäftigt, die dessen ernsthaften Glaubenswechsel bestätigt hätten. Dem ist zu erwidern, dass sich das BVwG beweiswürdigend mit sämtlichen für und gegen die Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens sprechenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt hat. Insbesondere ging das Verwaltungsgericht auf die Aussagen der genannten Zeugen näher ein und legte schlüssig dar, dass sie bezogen auf die Glaubenseinstellung des Revisionswerbers wenig Konkretes bezeugen hätten können. Dem vermag die Revision nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen.

13       Im Zusammenhang mit der Entscheidung über den subsidiären Schutz übersieht die Revision, dass das BVwG den Revisionswerber vorrangig nicht auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 AsylG 2005, sondern auf die Rückkehrmöglichkeit in seine Herkunftsprovinz verwiesen hat. Insofern hatte die Prüfung fallbezogen dahingehend stattzufinden, ob eine Rückkehr dorthin (vor allem) unter Wahrung der Rechte des Revisionswerbers gemäß Art. 2 und 3 EMRK erfolgen kann. Dass dies unter Bedachtnahme auf die einzelfallbezogenen Ausführungen des BVwG (auch zur Lage infolge der COVID-19-Pandemie) nicht der Fall wäre, wird von der Revision, die auf diese Erwägungen des BVwG nicht hinreichend eingeht, nicht dargetan.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. April 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180155.L00

Im RIS seit

19.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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