TE Vwgh Beschluss 2021/4/22 Ra 2021/19/0097

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Veröffentlicht am 22.04.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des S A S in L, vertreten durch Mag. Alexander Fuchs, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Jänner 2021, G305 2206916-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber - ein Staatsangehöriger des Irak - stellte am 11. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, auf Grund seiner Beschäftigung bei einem amerikanischen Militärunternehmen von Mitgliedern der al-Kaida bedroht zu werden. Ebenso drohe ihm angesichts seiner Ungläubigkeit und seines ablehnenden Verhaltens gegenüber schiitischen Milizen von diesen Verfolgung.

2        Mit Bescheid vom 14. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        In seiner Begründung führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe mit seinem insgesamt inkonsistenten und folglich unglaubwürdigen Fluchtvorbringen nicht darlegen können, dass er von einer schiitischen Miliz, al-Kaida oder öffentlichen Stellen wegen des Abfalls vom Glauben bedroht worden wäre. Dass der Revisionswerber seine Einstellung als Atheist jemals nach außen getragen bzw. kommuniziert hätte, sei nicht hervorgekommen.

5        Mit Beschluss vom 23. Februar 2021, E 448/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Auseinandersetzung des BVwG mit der individuellen Situation des Revisionswerbers in Zusammenhang mit seiner Abwendung vom muslimischen Glauben. Das BVwG sei ohne ausreichende Ermittlungstätigkeit zum Ergebnis gelangt, der Revisionswerber habe nicht darlegen können, dass aus dem von ihm behaupteten Abfall vom muslimischen Glauben eine asylrelevante Bedrohung resultieren würde. Bei weiteren Ermittlungen bzw. ausreichenden Nachforschungen hätte sich auch in Hinblick auf näher angeführte Länderfeststellungen im gegenständlichen Erkenntnis eine asylrelevante Bedrohung des Revisionswerbers ergeben.

9        Soweit sich die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Beweiswürdigung des BVwG hinsichtlich der Abkehr des Revisionswerbers vom islamischen Glauben wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser (als Rechtsinstanz) zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 4.3.2021, Ra 2020/19/0254, mwN).

10       Im vorliegenden Fall ging das BVwG - selbst bei Wahrunterstellung der behaupteten Abkehr des Revisionswerbers vom muslimischen Glauben - offenkundig im Einklang mit den dem gegenständlichen Erkenntnis zu Grunde gelegten und in der Revision hervorgehobenen Länderberichten zum Atheismus im Irak, wonach offener Atheismus äußerst selten sei und Atheisten ihre Ansicht oft geheim hielten, davon aus, dass der Revisionswerber eine atheistische Überzeugung nicht nach außen lebe bzw. kommuniziere. Dadurch sei - so das Verwaltungsgericht - eine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nicht glaubhaft. Das BVwG, das eine mündliche Verhandlung durchführte, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, stützte seine diesbezüglichen Feststellungen insbesondere darauf, dass der Revisionswerber keine konkreten, einschlägigen Verfolgungshandlungen gegen seine Person dargetan habe. So habe dieser seit seinem behaupteten Abfall vom Islam im Jahr 2003 bis zu seiner Ausreise im Herkunftsstaat leben können, ohne aus diesem Grund Repressionen erfahren zu müssen.

Dass diese Erwägungen an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würden, vermag die Revision nicht darzutun.

11       Auch zeigt die Revision mit ihren pauschalen Ausführungen, wonach es das BVwG unterlassen habe, ausreichende Nachforschungen bezüglich der behaupteten Abwendung des Revisionswerbers vom Glauben anzustellen und sich durch weitere Ermittlungen eine asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers ergeben hätte, nicht konkret auf, dass weitere amtswegige Ermittlungen fallbezogen „erforderlich“ im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 gewesen wären (vgl. dazu VwGH 9.12.2020, Ra 2020/18/0466, mwN).

12       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 22. April 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190097.L00

Im RIS seit

17.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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