TE Vwgh Erkenntnis 2021/4/22 Ra 2020/18/0442

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Veröffentlicht am 22.04.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §18 Abs3
AVG §18 Abs4
VwGVG 2014 §28 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A B, vertreten durch Mag. Philipp Moritz, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 10/1. Stock, als bestellter Verfahrenshelfer, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2020, W185 2233124-1/10E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, beantragte am 6. Februar 2020 internationalen Schutz.

2        Mit Erledigung vom 24. Juni 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, sprach aus, dass Deutschland für die Prüfung des Antrages zuständig sei, ordnete die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Deutschland zulässig sei.

3        In seiner dagegen gerichteten Beschwerde brachte der Revisionswerber unter anderem vor, das ihm ausgehändigte, als „Bescheid“ bezeichnete Schriftstück weise weder eine handschriftliche Unterschrift, noch eine elektronische Amtssignatur noch eine Beglaubigung der Kanzlei auf. Der „Bescheid“ sei sohin nichtig. Zur Untermauerung dieses Vorbringens schloss der Revisionswerber seiner Beschwerde eine Kopie der ersten und der letzten Seite der ihm zugestellten Erledigung an.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab, stellte fest, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides rechtmäßig gewesen sei und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5        Begründend hielt das BVwG - zusammengefasst - fest, die belangte Behörde habe den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zu Recht gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen und die Zuständigkeit Deutschlands festgestellt. Die Überstellung des Revisionswerbers nach Deutschland sei zwecks effektiver Umsetzung der Dublin III-VO zulässig und ein Eingriff in das Privatleben des Revisionswerbers gerechtfertigt und verhältnismäßig. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung hielt das BVwG fest, dass der sich im Akt befindliche Bescheid vom Genehmigenden ordnungsgemäß unterfertigt worden sei.

6        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit - unter anderem und mit näherer Begründung - geltend macht, das BVwG habe die hg. Rechtsprechung zu den formalen Mindesterfordernissen einer schriftlichen Bescheidausfertigung außer Acht gelassen.

7        Das BFA erstattete zu dieser Revision im eingeleiteten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9        Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

10       § 18 Abs. 3 und 4 AVG unterscheiden zwischen der Erledigung der Behörde, daher der Beurkundung ihres Willensaktes einerseits, und der Ausfertigung, d.h. der förmlichen Kundmachung dieses Willensaktes gegenüber Parteien und anderen Beteiligten andererseits (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/16/0140, mwN).

11       Gemäß § 18 Abs. 4 AVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008, hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch die Verordnung geregelt.

12       Das BVwG hielt in seinen Erwägungen gegenständlich fest, dass der im Verwaltungsakt der belangten Behörde befindliche Bescheid vom Genehmigenden ordnungsgemäß unterfertigt worden sei. Mit diesen Ausführungen bezieht sich das BVwG erkennbar auf die gemäß § 18 Abs. 3 AVG unterschriebene Urschrift des Bescheides durch den Genehmigenden (arg.: „der im Akt befindliche Bescheid“). Diese Begründung des BVwG greift jedoch zu kurz. Vielmehr hätte es sich auch mit dem in der Beschwerde vom Revisionswerber erstatteten Vorbringen, wonach die ihm ausgehändigte Ausfertigung des Bescheides nach § 18 Abs. 4 AVG weder eine Amtssignatur, noch die Unterschrift des Genehmigenden, oder die Beglaubigung der Kanzlei aufwies, auseinandersetzen müssen. Dies hätte im vorliegenden Fall noch näherer Ermittlungen bedurft (vgl. in diesem Sinne VwGH 16.5.2019, Ra 2018/21/0125, mwN).

13       Diesem Verfahrensmangel kann auch die Relevanz nicht abgesprochen werden. Wäre dem Revisionswerber nämlich - wie er in seiner Beschwerde behauptet - keine § 18 Abs. 4 AVG entsprechende Ausfertigung der angefochtenen Erledigung zugestellt worden, wäre der vom BFA intendierte Bescheid als noch nicht erlassen anzusehen. Gegebenenfalls hätte mangels eines Bescheides keine Zuständigkeit des BVwG bestanden, über die Beschwerde in der Sache abzusprechen (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2018/19/0240, mwN). Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts reicht in derartigen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2016/18/0324, 0325, mwN).

14       Das BVwG wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit dem vom Revisionswerber in seiner Beschwerde erstatteten Vorbringen, wonach ihm bislang keine Bescheidausfertigung, die den Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG entspricht, zugestellt worden sei, auseinanderzusetzen und die nötigen Ermittlungsschritte zu setzen haben.

15       Das angefochtene Erkenntnis war aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

16       Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. April 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020180442.L00

Im RIS seit

17.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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