TE Vwgh Beschluss 2021/4/26 Ra 2021/20/0006

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Veröffentlicht am 26.04.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19103010
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §18
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
EURallg
FlKonv Art1 AbschnA Z2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24
32011L0095 Status-RL Art4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.Thaler, in der Rechtssache der Revision des S H in B, vertreten durch Mag. Peterpaul Suntinger, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2020, L529 2155046-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger aus der Provinz Kirkuk, der Volksgruppe der Araber zugehörig sowie Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung, stellte am 7. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Mit Bescheid vom 12. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung in erster Linie gegen die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung und rügt in diesem Zusammenhang die nicht ausreichende Berücksichtigung des in den Stellungnahmen des Revisionswerbers vom 3. und 24. August 2020 erstatteten Vorbringens, die unreflektierte Heranziehung des im Rahmen der Erstbefragung protokollierten Fluchtgrundes sowie die mangelnde Berücksichtigung der diagnostizierten psychischen Erkrankungen des Revisionswerbers im Hinblick auf sein Aussageverhalten.

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 15.3.2021, Ra 2021/20/0047, mwN).

9        Auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (vgl. VwGH 21.1.2021, Ra 2020/20/0420, mwN).

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 22.1.2021, Ra 2020/01/0482, mwN).

11       Zum Einwand seines beeinträchtigten Aussageverhaltens ist vorweg festzuhalten, dass der Revisionswerber am Beginn der Verhandlung bejaht hatte, dass er physisch wie psychisch in der Lage sei, der Verhandlung zu folgen und Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Auch während der Verhandlung wurde nichts Gegenteiliges behauptet oder vom Richter Auffälligkeiten festgestellt. Inwieweit die psychischen Erkrankungen des Revisionswerbers sein Aussageverhalten tatsächlich beeinträchtigt hätten, legt die Revision nicht dar.

12       Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich nach Durchführung der mündlichen Verhandlung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen Aktivitäten bei Demonstrationen, seiner Verhaftung und seinen Folterungen sowie den Umständen beim Tod des Bruders auseinander und kam anhand näher dargelegter, nicht als unschlüssig anzusehender Überlegungen beweiswürdigend zu dem Schluss, dem Fluchtvorbringen keinen Glauben zu schenken. Im Fall der Rückkehr des Revisionswerbers sei daher keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgung zu erwarten. Das Verwaltungsgericht stellte auch fest, dass der Revisionswerber an einer Angststörung, einer depressiven Störung, einer posttraumatischen Belastungsstörung, Insomnie, einem Spannungskopfschmerzsyndrom und Schmerzen im Arm leide. Es läge aber keine lebensbedrohende Erkrankung vor und deren Behandelbarkeit sei im Irak gegeben.

13       Entgegen dem Revisionsvorbringen stützte sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung nicht allein auf Widersprüche der Darstellung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, sondern auch auf weitere, für sich betrachtet tragfähige Erwägungen wie dem fehlenden zeitlichen Konnex der vom Revisionswerber vorgebrachten Fluchtgründe zur späteren Ausreise sowie der Unbestimmtheit wesentlicher Angaben und der Relativierung dieser durch den Revisionswerber selbst.

14       Wenn die Revision hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens auf die Narben des Revisionswerbers und auf die Fluchtgründe bestätigende Länderberichte hinweist, ist darauf zu verweisen, dass die Existenz der Narben allein nicht geeignet ist, die Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens zu belegen (vgl. erneut VwGH 22.1.2021, Ra 2020/01/0482, mwN), und dass eine Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen kann (vgl. VwGH 31.8.2020, Ra 2020/19/0232, mwN).

15       Auch der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber sei in Kirkuk als sunnitischer Araber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keinen asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt, ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung, wonach die Frage der Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht revisibel ist, hier nicht entgegenzutreten (vgl. zu diesem Kalkül VwGH 22.1.2021, Ra 2021/01/0003, mwN).

16       Soweit die Zulässigkeitsbegründung auf das bei der Glaubhaftmachung von Asylgründen gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 geforderte Beweismaß abstellt, ist anhand der Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis nicht erkennbar, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung einen nicht dem Gesetz entsprechenden Beweismaßstab angelegt hätte (vgl. dazu etwa des Näheren VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0472).

17       Im Gesamten gelingt es der Revision somit nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts fallbezogen unvertretbar wäre.

18       Soweit sich die Revision gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wendet, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten, dass für die Gewährung von subsidiärem Schutz die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen.

19       Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen.

20       Bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, kommt es auch nicht darauf an, ob sich infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Herkunftsland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist (vgl. zum Ganzen VwGH 8.2.2021, Ra 2021/20/0033, mwN).

21       Unter Bedachtnahme auf diese Rechtsprechung ist in der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach in Bezug auf den Revisionswerber keine derart exzeptionellen Umstände vorlägen und auch nicht in ausreichendem Maße von ihm konkret dargelegt worden seien, keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit zu erblicken (vgl. zu den Kriterien der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK etwa VwGH 7.9.2020, Ra2020/20/0314, oder 9.11.2020, Ra 2020/20/0373, mwN).

22       Insbesondere ist dem Vorbringen, wonach der Revisionswerber schon aufgrund seiner vorgebrachten Fluchtgründe in zwei vom UNHCR identifizierte Risikogruppen falle, der Boden entzogen, weil das Bundesverwaltungsgericht dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers die Glaubwürdigkeit absprach.

23       Entgegen den Ausführungen der Revision hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch hinreichend mit der medizinischen Versorgung der festgestellten Leiden des Revisionswerbers im Irak auseinandergesetzt und festgestellt, dass der Revisionsweber an jenen, in der ärztlichen Bestätigung angeführten Krankheiten leide. Ferner ergibt sich aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Behandelbarkeit dieser Erkrankungen im Herkunftsstaat und den Feststellungen zur dortigen medizinischen Versorgung kein Widerspruch. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verwiesen, wonach eine Verletzung von Art. 3 EMRK in Bezug auf Krankheiten und deren medizinische Behandlung nur in Fällen außergewöhnlicher Umstände vorliegt, wobei es unerheblich ist, dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist (vgl. VwGH 9.12.2020, Ra 2020/20/0387, mwN).

24       Wenn der Revisionswerber mangelnde Möglichkeiten zur Existenzsicherung aufgrund der Auswirkungen seines psychischen Gesundheitszustandes vorbringt, findet diese Einschätzung in den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts, aufgrund derer dieses von der Arbeitsfähigkeit des Revisionswerbers ausgegangen ist, keine Deckung. Der in der Revision bloß allgemein gehaltene Hinweis reicht auch nicht aus, um der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des Revisionswerbers substantiiert entgegenzutreten (vgl. erneut VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0314, wonach eine schwierige Lebenssituation für sich betrachtet nicht ausreicht, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können).

25       Insoweit die Revision das Fehlen einer zulässigen innerstaatlichen Fluchtalternative thematisiert und eine mangelhafte Prüfung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer solchen durch das Bundesverwaltungsgericht aufzeigt, ist dem zu entgegnen, dass das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass der Revisionswerber in seine Herkunftsregion Kirkuk zurückkehren könne. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es auf die Frage der innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr ankommt, wenn - wie vorliegend - in der Herkunftsregion keine Verletzung des Art. 3 EMRK droht (vgl. VwGH 22.1.2021, Ra 2020/01/0423, mwN).

26       Werden in einer Revision Verfahrensmängel - wie hier etwa die Heranziehung von veralteten Länderberichten und die unterlassene Anberaumung einer weiteren Tagsatzung - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 11.2.2021, Ra 2021/20/0017, mwN). Dies gilt auch in jenem Fall, in dem geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht hätte nach bereits erfolgter Verhandlung eine weitere Tagsatzung anberaumen müssen (vgl. etwa VwGH 25.3.2021, Ra 2021/20/0062 bis 0064, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision in ihrer Zulassungsbegründung nicht gerecht.

27       Es entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein „ausreichend ermittelter Sachverhalt“ vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. VwGH 10.3.2021, Ra 2021/19/0060, mwN). Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang auch Ermittlungen im Heimatstaat einfordert, ist er darauf hinzuweisen, dass ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens eines Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht (vgl. VwGH 23.2.2021, Ra 2021/20/0023, mwN).

28       Hinsichtlich der Rüge der unterbliebenen Beiziehung eines länderkundigen Sachverständigen ist erneut auf die fehlende Relevanzdarstellung zu verweisen. Dass die einzelfallbezogene Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts der (nicht vorliegenden) Erforderlichkeit weiterer Ermittlungsschritte, insbesondere von Erhebungen im Herkunftsstaat oder die Beiziehung eines Sachverständigen, grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Ergebnis geführt hätte, ist nicht zu erkennen.

29       Letztlich wendet sich die Revision auch gegen die im Rahmen der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung und bringt dazu vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die Angaben des Revisionswerbers zu seiner Integration, die vorgelegten Urkunden sowie die Aussage der in der Verhandlung einvernommenen Zeugin unbeachtet gelassen.

30       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2020/20/0149, mwN).

31       Entgegen dem Vorbringen in der Revision bezog das Bundesverwaltungsgericht sowohl die Angaben des Revisionswerbers, die vorgelegten Dokumente zu seiner Integration als auch die Zeugenaussage in die Interessensabwägung mit ein. Dass das Bundesverwaltungsgericht bei der nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) durchgeführten Interessenabwägung die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aufgestellten Leitlinien nicht beachtet oder diese in unvertretbarer Weise - insbesondere in Bezug auf die Gewichtung der fallbezogen gegebenen Umstände - zur Anwendung gebracht hätte, wird nicht aufgezeigt.

32       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 26. April 2021

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200006.L00

Im RIS seit

20.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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