TE Vwgh Beschluss 2021/4/27 Ra 2021/10/0002

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Veröffentlicht am 27.04.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs3
AVG §52
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/10/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsbergerals Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revisionen der revisionswerbenden Parteien 1. T R, und 2. T R, beide in E (Deutschland), beide vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Droop Lerch Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 4. November 2020, Zl. LVwG-327-7/2020-R8, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in der Sache das Ansuchen der revisionswerbenden Parteien um (nachträgliche) naturschutzrechtliche Bewilligung für ein bereits errichtetes Holzlager auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG M gemäß § 24 Abs. 2 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, LGBl. Nr. 22/1997 idF LGBl. Nr. 24/2020 (GNL), ab und verpflichtete sie gemäß § 41 Abs. 2 leg. cit. zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch vollständigen Abtrag des Holzlagers bis 31. Mai 2021.

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, für das gegenständliche Holzlager (ein mit einem Pultdach versehenes „Gebäude“) sei mit Bescheid der Gemeinde M aus 2016 eine auf fünf Jahre befristete baubehördliche Bewilligung erteilt worden.Das Holzlager liege innerhalb eines näher genannten Pflanzenschutzgebietes und im Uferschutzbereich des Sbaches. Dem Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz und Landschaftsentwicklung zufolge komme es durch die Errichtung und den Bestand des Holzlagers zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sowie zu einer geringfügigen Verschlechterung des Naturhaushaltes.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        In der Zulässigkeitsbegründung wird zusammengefasst geltend gemacht, es lägen wesentliche Verfahrensmängel vor, weil das Verwaltungsgericht das von den revisionswerbenden Parteien vorgelegte Privatgutachten vom 19. Oktober 2020 nicht berücksichtigt und weder einen Lokalaugenschein noch die beantragte (weitere) mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Das Verwaltungsgericht sei insoweit von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Zudem sei die Frage, ob die gewährte Frist von zehn Tagen zur Beibringung eines Privatgutachtens angemessen sei, bisher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beantwortet worden.

7        Zu diesem Vorbringen ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann ausgegangen werden, wenn auch die RelevanzNächster Suchbegriff des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 8.10.2020, Ra 2020/10/0136, mwN). Es reicht nicht aus, die Verfahrensmängel zu behaupten, ohne in konkreter Weise ihre Relevanz darzulegen (vgl. etwa VwGH 3.5.2019, Ra 2019/01/0149; 24.7.2018, Ra 2018/08/0184).

8        Weiters ist darauf zu verweisen, dass die Frage, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist, der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden untertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. jüngst VwGH 5.3.2021, Ra 2020/10/0135).

9        Derartiges zeigt die Revision fallbezogen nicht auf:

10       Zur monierten Nichtdurchführung eines Lokalaugenscheins im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist darauf zu verweisen, dass im vorliegenden Fall ein „Ortsaugenschein“ vom naturschutzfachlichen Amtssachverständigen (am 7. November 2019 für die belangte Behörde) vorgenommen wurde. Ausführungen darüber, welche für die revisionswerbenden Parteien konkret günstigere Ergebnisse die Durchführung eines weiteren Lokalaugenscheins (durch das Verwaltungsgericht) hervorbringen hätte können, enthält die Zulässigkeitsbegründung nicht (vgl. VwGH 9.9.2020, Ra 2020/02/0177).

11       Soweit die Revision die Nichtberücksichtigung des vorgelegten Privatgutachtens geltend macht und dazu vorbringt, die eingeräumte Frist zur Erstellung desselben sei zu kurz bemessen gewesen, ist ihr entgegen zu halten, dass das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2020 den dort anwaltlich vertretenen revisionswerbenden Parteien - von diesen unwidersprochen - eine Frist von zehn Tagen zur Vorlage eines Privatgutachtens gewährt hat. Einem von den revisionswerbenden Parteien im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 30. September 2020 eingebrachten Antrag auf Fristerstreckung („bis zumindest 23.10.2020“) für die Beibringung des Privatgutachtens hat das Verwaltungsgericht nicht entsprochen; das Ermittlungsverfahren wurde vielmehr mit Verfügung vom 5. Oktober 2020 gemäß § 39 Abs. 3 AVG geschlossen (und das gegenständliche Privatgutachten erst zwei Wochen nach diesem Zeitpunkt vorgelegt).

12       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Frist zur Stellungnahme dazu ausreichen, um ein Gutachten durch ein Gegengutachten entkräften zu können, weshalb die erforderliche Zeit für die Auswahl eines entsprechenden Sachverständigen und seine Beauftragung einerseits und der für die Ausarbeitung eines Gutachtens erforderliche Zeitraum andererseits zu berücksichtigen ist (vgl. etwa VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0069, mwN). Die eingeräumte Frist zur Erstattung einer Stellungnahme, eines Gutachtens etc. hat demnach „angemessen“ zu sein, wobei auf die Umstände des konkreten Falles abzustellen ist (vgl. etwa VwGH 9.9.2003, 2003/03/0121: mehr als ein Monat nicht unangemessen; VwGH 18.10.2001, 2000/07/0003: sieben Tage unzureichend, wenn der Gegenstand der Stellungnahme neu, erstmalig und im Gegensatz zur bisherigen sachverständigen Einschätzung steht; ebenso VwGH 25.7.2002, 2001/07/0114: vier Tage unzureichend).

13       Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles, dass nämlich der Inhalt des Gutachtens des Amtssachverständigen seit November 2019 bekannt war bzw. sich bereits die belangte Behörde im erstinstanzlichen Bescheid vom 8. Juni 2020 darauf gestützt hat (weshalb es den revisionswerbenden Parteien spätestens ab Zustellung dieses Bescheides offen stand, ein privates Gegengutachten im Beschwerdeverfahren vorzulegen; vgl. etwa VwGH 1.4.2008, 2007/06/0337), überdies eine besondere Komplexität der Materie nicht erkennbar ist bzw. auch nicht behauptet wurde (vgl. etwa VwGH 7.7.2010, 2009/12/0096), und schließlich die revisionswerbenden Parteien der Festlegung einer Frist von zehn Tagen nicht widersprochen haben, war die eingeräumte Frist einzelfallbezogen nicht unangemessen. Ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung liegt daher insoweit nicht vor.

14       Ausgehend von diesen Erwägungen gelingt es der Revision auch nicht, die Relevanz des Unterbleibens einer weiteren mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht darzutun (vgl. VwGH 5.10.2020, Ra 2020/20/0329, mit Hinweis auf VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0328).

15       In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. April 2021

Schlagworte

Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen Parteiengehör Parteiengehör Sachverständigengutachten Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021100002.L01

Im RIS seit

20.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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