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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §19 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die Revision der A B in C, vertreten durch die Dr. Farhad Paya Rechtsanwalt GmbH in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Herrengasse 12/I, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 2. Juni 2020, KLVwG-2446/16/2019, betreffend zwangsweise Vorführung im Verwaltungsstrafverfahren (Vollstreckungsverfügung), (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Villach-Land), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin war vom Landesverwaltungsgericht Kärnten in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz als Zeugin zur öffentlichen mündlichen Verhandlung für Mittwoch, den 31. Juli 2019, geladen. Zu dieser Verhandlung erschien sie nicht. In der Folge beraumte das Landesverwaltungsgericht für den 23. Oktober 2019 eine neue Verhandlung in dieser Angelegenheit an. Im Zusammenhang mit der abermaligen Ladung der Revisionswerberin ersuchte es um zwangsweise Vorführung der Revisionswerberin zu diesem Verhandlungstermin.
2 Die im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde erließ daraufhin am 14. Oktober 2019 den Vorführungsbescheid im Verwaltungsstrafverfahren (Vollstreckungsverfügung) und übermittelte diesen der zuständigen Polizeiinspektion mit dem Ersuchen um Zustellung an die Revisionswerberin und Vorführung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht am 23. Oktober 2019.
3 Dieser im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Beschwerde gezogene Bescheid wurde der Revisionswerberin am 22. Oktober 2019 durch Polizeibeamte zugestellt. Die Revisionswerberin fuhr am 23. Oktober 2019 selbst zur Verhandlung, ohne polizeilich vorgeführt zu werden.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die am 15. November 2019 erhobene Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Vorführungsbescheid (Vollstreckungsverfügung) als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für zulässig.
5 Das Verwaltungsgericht führte begründend rechtlich zusammengefasst aus, dass sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Beschwerdelegitimation direkt aus Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG ergebe. Danach könne Beschwerde erheben, wer in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein behaupte. Eine Rechtsverletzung durch einen zu Unrecht ergangenen Vorführungsbescheid sei jedenfalls möglich. Jede andere Sicht würde den Rechtsschutz gegen derartige Bescheide überhaupt ausschließen.
6 Zwar sei die Revisionswerberin - wie sie in ihrer Beschwerde vorgebracht hatte - objektiv durch ein „begründetes Hindernis“ im Sinn des § 19 Abs. 3 AVG vom Erscheinen bei der Verhandlung am 31. Juli 2019 abgehalten gewesen. Diese Verhinderung hätte sie jedoch - so führte das Verwaltungsgericht weiter aus - aktiv geltend zu machen gehabt. Da die Revisionswerberin es aber unterlassen habe, die Verhinderungsgründe unverzüglich geltend zu machen, sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
7 Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht eindeutig geklärt sei, ob die Geltendmachung der Verhinderungsgründe unmittelbar im Zusammenhang mit der Säumnis (nach Wegfall der Hinderung) oder allenfalls auch später erfolgen könne.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Revision, die zur Zulässigkeit einerseits auf die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts rekurriert und als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung überdies geltend macht, ob die angeordnete zwangsweise Vorführung zu der am 23. Oktober 2019 anberaumten fortgesetzten mündlichen Verhandlung überhaupt zulässig gewesen wäre.
9 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
10 Die Revision ist mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.
11 Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts ist daher insofern eingeschränkt, als Parteibeschwerden im Sinn des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (VwGH 25.10.2018, Ra 2018/09/0110, mwN).
12 Ausschlaggebend für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist, ob der Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - in einem subjektiven Recht überhaupt verletzt sein kann. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so mangelt ihm die Beschwerdeberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied macht, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird (siehe die insoweit auf das Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten übertragbare Rechtsprechung VwGH 11.9.2013, 2013/02/0112; dort: Wegfall der Rechtsverletzungsmöglichkeit nach Zahlung des gesamten ausstehenden Strafbetrags vor Vollzug einer Vorführung zum Strafantritt). In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde ferner eine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den angefochtenen (Ladungs-)Bescheid dann verneint, wenn der Beschwerdeführer einer verfügten Ladung zum genannten Termin freiwillig Folge geleistet hatte, weil dann die Verhängung der angedrohten Sanktion nicht mehr in Betracht kam (siehe etwa VwGH 15.3.2012, 2011/01/0155; 11.11.2010, 2010/17/0213, jeweils betreffend eine angedrohte Vorführung zur erkennungsdienstlichen Behandlung). Eine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch einen Ladungsbescheid liegt daher nicht mehr vor, wenn die darin angedrohten Sanktionen nicht mehr verhängt werden können (VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0137, Rn. 26; 20.2.2014, 2013/21/0227; 2.9.2010, 2007/19/0508). Diese Rechtsprechung ist auch für die hier zu beurteilende Beschwerde gegen eine Vollstreckungsverfügung, deren Vollziehung infolge zwischenzeitig erfolgter freiwilliger Umsetzung des angestrebten Ziels nicht mehr in Frage kommt, maßgeblich.
13 Liegt die einer Klaglosstellung vergleichbare Lage bereits bei der Einbringung der Beschwerde vor, ist eine derartige Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen (siehe auch dazu VwGH 2.9.2010, 2007/19/0508, mwN).
14 Im vorliegenden Fall wurde der angefochtene Bescheid der Revisionswerberin am 22. Oktober 2019 zugestellt. Ohne die polizeiliche Vorführung am folgenden Tag abzuwarten kam sie freiwillig selbst der Ladung vor das Verwaltungsgericht nach. Da sie damit ihrer Zeugenpflicht vor dem Verwaltungsgericht am 23. Oktober 2019 entsprochen hat, war die Möglichkeit einer Vollstreckung im Sinn einer polizeilichen Vorführung vor das Landesverwaltungsgericht Kärnten bereits bei Einbringung ihrer Beschwerde vom 15. November 2019 nicht mehr gegeben.
15 Anders als das Verwaltungsgericht meint, wird durch diese Rechtsprechung auch nicht der Rechtsschutz gegen solche Bescheide grundsätzlich und gänzlich ausgeschlossen. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Zwangsmaßnahme weder vollstreckt wurde noch zu besorgen ist, dass in Zukunft die Zwangsmaßnahme noch vollzogen werden könnte, ist jedoch nicht zu ersehen, welches Rechtsschutzinteresse an einer Entscheidung über eine Beschwerde gegen diesen Bescheid bestehen sollte. Mit anderen Worten: Es ist nicht zu erkennen, in welchem subjektiv-öffentlichen Recht die Revisionswerberin noch verletzt sein könnte; inwiefern es für sie also einen Unterschied macht, ob der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird.
16 Das Landesverwaltungsgericht Kärnten hätte daher die Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen gehabt. Durch die abweisende Entscheidung konnte die Revisionswerberin jedoch nicht in ihren Rechten verletzt werden (vgl. VwGH 1.9.2016, 2013/17/0502).
17 Die Revision war somit mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 28. April 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020090013.J00Im RIS seit
19.05.2021Zuletzt aktualisiert am
14.06.2021