Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des PN und der CN, beide in L, Deutschland, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30. April 1996, Zl. 312.851/2-III/A/2a/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: X-Gesellschaft m.b.H. in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchteil A. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und in seinem Spruchteil B. 2. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Spruchteil A. des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30. April 1996 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. Jänner 1995 abgewiesen. Mit Spruchteil B. 2. wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gegen den genannten Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol als verspätet zurückgewiesen. Im übrigen wurden die Berufungen der mitbeteiligten Partei und weiterer Nachbarn als unbegründet abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid in zwei Punkten abgeändert.
Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen die die Beschwerdeführer betreffenden Absprüche in den Spruchpunkten A. und B. 2., richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten eines Verwaltungsverfahrens vor, ohne eine Gegenschrift zu erstatten. Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf rechtskonforme Anwendung des § 71 AVG verletzt, weil über den Wiedereinsetzungsantrag die belangte Behörde als unzuständige Behörde entschieden und unsere Berufung als verspätet zurückgewiesen hat, obwohl die zuständige Behörde bereits die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt hat, demzufolge die belangte Behörde über unsere Berufung in der Sache selbst hätte entscheiden müssen". In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringen die Beschwerdeführer vor, mit Bescheid vom 2. Jänner 1995 habe der Landeshauptmann von Tirol der mitbeteiligten Partei gemäß § 81 GewO 1994 eine Änderung ihrer Tankstelle unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen genehmigt. Mit Schriftsatz vom 6. März 1995 hätten die Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Berufung gegen diesen Bescheid gestellt. Dieser Antrag sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 3. April 1995 bewilligt worden. Ausgehend von der Rechtslage vor der Aufhebung einer Wortfolge in § 63 Abs. 5 AVG durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1994 sei zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag jene Behörde zuständig gewesen, bei der die Berufung und der Wiedereinsetzungsantrag eingebracht worden seien. Das sei der Landeshauptmann von Tirol und nicht die belangte Behörde gewesen. Da aber die zuständige Behörde die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist bewilligt hatte, hätte die belangte Behörde über die Berufung der Beschwerdeführer in der Sache selbst entscheiden müssen.
Die von der belangten Behörde vorgelegten Akten eines Verwaltungsverfahrens betreffen zwar ein auf die in Rede stehende Tankstelle der mitbeteiligten Partei bezughabendes gewerbebehördliches Genehmigungsverfahren nach § 81 GewO 1994, doch liegt ihnen ein anderer (älterer) Antrag der mitbeteiligten Partei zugrunde, als jener, der durch Abweisung der Berufungen der mitbeteiligten Partei und von Nachbarn mit dem jetzt vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid erledigt wurde. Diese Verwaltungsakten enthalten insbesondere keine den Gegenstand des dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens betreffenden Aktenstücke. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher gemäß § 38 Abs. 2 VwGG auf Grund der diesbezüglichen Behauptungen der Beschwerdeführer zu erkennen. Dieser Sachverhalt wurde im übrigen von der belangten Behörde in ihrem Begleitschreiben zur Vorlage der Verwaltungsakten als richtig zugestanden.
Nach dem solcherart der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde zu legenden Sachverhalt war im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Antrag der Beschwerdeführer auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist bereits eine (rechtskräftige) behördliche Entscheidung ergangen und damit dieser Antrag erledigt. Es war daher verfehlt, wenn die belangte Behörde - wenn auch in Unkenntnis der diesbezüglichen Entscheidung des Landeshauptmannes von Tirol - neuerlich über diesen Antrag eine Entscheidung fällte. Insofern belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit.
War aber solcherart den Beschwerdeführern im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid erteilt, war es auch verfehlt, wenn die belangte Behörde diese Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist als verspätet zurückwies. Insofern belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Spruchteil A. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und in seinem Spruchteil B. 2. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996040144.X00Im RIS seit
20.11.2000