TE Vwgh Erkenntnis 2021/5/3 Ra 2021/03/0002

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Veröffentlicht am 03.05.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E17200000
E3L E17302000
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verfassungsgerichtshof
10/10 Datenschutz
16/02 Rundfunk
19/05 Menschenrechte
26/01 Wettbewerbsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §17 Abs1
AVG §17 Abs3
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
B-VG Art20 Abs3
DSG 2000 §1
EURallg
MRK Art6
MRK Art8
ORF-G 2001 §31c Abs1
UWG 1984 §26b
VerfGG 1953 §87 Abs2
32016L0943 KnowHowRL

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei Österreichischer Rundfunk in Wien, vertreten durch Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2020, Zl. W120 2111526-1/39E, betreffend die Akteneinsicht in einer Angelegenheit nach dem ORF-Gesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommunikationsbehörde Austria; mitbeteiligte Partei: P KG in W, vertreten durch Ploil Krepp & Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stadiongasse 4; weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Eingabe vom 20. Jänner 2014 erhob die P KG (Mitbeteiligte) bei der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) Beschwerde gegen den Österreichischen Rundfunk (ORF; Revisionswerber). Sie brachte zusammengefasst vor, der ORF habe durch den Erwerb der Übertragungsrechte für die UEFA Champions League für näher genannte Spielsaisonen Mittel aus dem Programmentgelt eingesetzt, um hochkarätiges zuschauerattraktives Premium-Sportprogramm zu erwerben, dessen Ausstrahlung für die Erfüllung des öffentlichen Auftrags nicht erforderlich gewesen sei. Die Mitbeteiligte sei mit ihrem konkurrenzierenden Angebot erfolglos geblieben. Der Erwerb der Senderechte durch den ORF sei zu überhöhten, nach kaufmännischen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Preisen erfolgt und habe gegen § 31c Abs. 1 ORF-G verstoßen.

2        Die KommAustria forderte den ORF mit Schreiben vom 6. Mai 2014 auf, zur Beurteilung der Einhaltung kaufmännischer Grundsätze näher genannte Aspekte (darunter etwa die betragsmäßige Angabe des Preises, zu dem die Übertragungsrechte erworben wurden, die für die Entscheidung über den Erwerb der Senderechte bestehenden Konzepte bzw. internen Prozesse und die dem Gebot zugrundeliegende interne Kalkulation) zu konkretisieren und entsprechende Belege vorzulegen.

3        Dazu hielt der ORF u.a. in einer Stellungnahme vom 13. Juni 2014 fest, dass die von der KommAustria geforderten Angaben nach Ansicht des ORF als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einzuordnen seien. Die Kenntnis des genauen Bietverhaltens des ORF und der vorgelagerten Prozesse ermögliche es Konkurrenzunternehmen bei (künftigen) Ausschreibungen von Übertragungsrechten treffsicherere und erfolgreichere Gebote im Wettbewerb mit dem ORF abgeben zu können. Deshalb beantragte der ORF, die unter einem vorgelegten Unterlagen (Konzept des ORF über die Kriterien für die Sendeauswahl sowie über die Evaluierung von ORF Sport-Produktionen - Beilage A; Management-Summary zur „UCL-Ausschreibung 2015-2018 - Beilage B; „Sales Presentation“ für den österreichischen Markt von UEFA/TEAM - Beilage C) von der Akteneinsicht auszunehmen, da die Kenntnisnahme der darin enthaltenen Informationen durch die Mitbeteiligte eine Schädigung der berechtigten Interessen des ORF herbeiführen würde.

4        Mit Stellungnahme vom 23. Dezember 2014 übermittelte der ORF der KommAustria weitere Unterlagen (Ausschnitt aus dem ORF-UEFA-Vertrag zum Erwerb der Übertragungsrechte für die UEFA-Champions League, Saisonen 2015/16 bis 2017/18) und stellte wiederum den Antrag, die Beilage von der Akteneinsicht auszunehmen, da die Kenntnisnahme der darin enthaltenen Informationen durch die Mitbeteiligte eine Schädigung der berechtigten Interessen des ORF herbeiführen würde.

5        Mit Bescheid vom 24. Juni 2015 wies die KommAustria die Beschwerde der Mitbeteiligten als unbegründet ab. In der Begründung der Entscheidung hielt die Behörde zur Frage der Akteneinsicht im Wesentlichen fest, sie habe ungeachtet des Antrags des ORF sämtliche Akteninhalte - also auch diejenigen, auf die sich der dargestellte Antrag bezogen habe - der Mitbeteiligten zum Parteiengehör übermittelt. Es dürfe nämlich in einem rechtsstaatlichen Verfahren keine geheimen Beweismittel geben, wobei es unerheblich sei, ob Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse vorlägen. Bei zwei der vom ORF vorgelegten Unterlagen (Management-Summary; Auszug aus dem Vertrag UEFA/TEAM) handle es sich um zentrale Beweisergebnisse im gegenständlichen Verfahren. Demgegenüber sei in Bezug auf die dritte Unterlage (Konzept zur Sendeauswahl) nicht ersichtlich und werde vom ORF auch nicht konkret dargelegt, aufgrund welcher Inhalte dieser Unterlage eine Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vorliegen könnte.

6        Gegen den Bescheid erhob (u.a.) der ORF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), in der er sich mit näherer Begründung nur dagegen wandte, dass die KommAustria seinem Antrag auf Ausnahme der Unterlagen von der Akteneinsicht nicht stattgegeben habe. Er beantragte, das BVwG möge feststellen, dass die Abweisung der Anträge des ORF auf Ausnahme bestimmter Aktenbestandteile von der Akteneinsicht bzw. die Verfahrensanordnung, mit der der Mitbeteiligten bestimmte Aktenteile übermittelt worden seien, rechtswidrig gewesen sei.

7        Mit Beschluss vom 23. Jänner 2018 wies das BVwG die Beschwerde des ORF als unzulässig zurück, weil der ORF infolge seines Obsiegens in der Hauptsache nicht in seinen Rechten verletzt sein könne und deshalb zur Erhebung der Beschwerde an das BVwG nicht legitimiert sei.

8        Dagegen wandte sich der ORF mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hob den zitierten Beschluss des BVwG mit Erkenntnis vom 10. Oktober 2019, E 1025/2018-21, wegen Verletzung des ORF im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG auf.

9        Aus der Begründung dieser Entscheidung sind folgende, für das weitere Verfahren relevante Textpassagen hervorzuheben:

„III. Erwägungen ... B. ...1. Die KommAustria ist in ihrem im Ausgangsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheid erkennbar davon ausgegangen, dass einschlägige, ua vom ORF vorgelegte Unterlagen in gewissem Ausmaß Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten. Die betroffenen Unterlagen seien aber, weil für die Entscheidungsfindung der Behörde wesentlich, allen Verfahrensparteien und damit auch der nunmehr beteiligten Partei zu übermitteln, um das Parteiengehör zu wahren.

Die KommAustria hat also das insbesondere in Mehrparteienverfahren wie dem vorliegenden öfters auftretende Spannungsfeld zwischen der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und der Wahrung des Rechts auf Parteiengehör bei der Akteneinsicht erkannt. Mangels diesbezüglich spezieller gesetzlicher Regelung (wie sie der Gesetzgeber in anderen Zusammenhängen, beispielsweise in § 337 BVergG 2018 oder in Umsetzung der Richtlinie 2016/943/EU über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen [Geschäftsgeheimnisse] vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. 2016 L 157, 1, nunmehr in § 26h UWG vorsieht) hat die KommAustria im hier maßgeblichen Kontext der Wettbewerbsaufsicht nach dem Abschnitt 6a des ORF-G die damit erforderliche Abwägung (siehe Hanslik, Parteiengehör und Geheimnisschutz im Verwaltungsverfahren, 2013, 139 ff.) auf Grundlage von §17 Abs 3 und § 45 Abs 3 AVG dahingehend vorgenommen, dass - im Anschluss an zum Telekommunikationsrecht ergangene Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (jeweils mwN VwGH 17.6.2004, 2003/03/0157; 25.9.2014, 2011/07/0006) - zur Hintanhaltung ‚geheimer Beweismittel‘ der Verfahrenstransparenz zur Wahrung der Rechte gegenbeteiligter Verfahrensparteien jedenfalls der Vorzug gegenüber Geheimhaltungsinteressen zu geben sei. Dementsprechend hat die KommAustria die einschlägigen Unterlagen der nunmehr beteiligten Partei ebenso übermittelt wie deren Unterlagen, für die ebenso Geheimhaltungsansprüche geltend gemacht wurden, dem ORF.

2. Die KommAustria hat ihre diesbezügliche Entscheidung in Ansehung des § 17 Abs 4 AVG nicht in einem selbstständig anfechtbaren verfahrensrechtlichen Bescheid getroffen, sondern die jeweiligen Unterlagen der jeweils anderen Verfahrenspartei zur Kenntnis gebracht. Dagegen ist eine gesonderte Beschwerde an das Verwaltungsgericht nicht möglich; eine allfällige Verletzung von Verfahrensvorschriften kann (nur) im Wege einer Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht gegen die das Verfahren abschließende (Sach-)Entscheidung geltend gemacht werden. Dass die Rechtsverletzung nicht im Eigentlichen durch die Anordnung des verwaltungsbehördlichen Bescheides (im Spruch) selbst, sondern durch eine Entscheidung der Behörde während des Verfahrens erfolgt, ist die Konsequenz der Verfahrensvorschrift des § 17 Abs 3 AVG. Wie durch den das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid das Recht auf Parteiengehör verletzt sein kann, weil die Behörde im Verfahren dieses nicht entsprechend gewahrt hat, kann dieser Bescheid auch das in § 17 Abs 3 AVG zum Ausdruck kommende Recht auf Ausnahme bestimmter Aktenbestandteile von der Einsichtnahme verletzen, wenn eine solche zu Unrecht nicht erfolgt.

3. Der ORF hat in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gerade (auch) eine solche Verletzung in seinem Recht aus § 17 Abs 3 AVG geltend gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Prüfung dieser Rechtsverletzungsbehauptung mit der Begründung abgelehnt, dass im Spruch des vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheides die KommAustria über ein solches Recht des ORF nicht abgesprochen habe und die Frage, ob die KommAustria die einschlägigen Unterlagen des ORF zu Recht oder zu Unrecht der Einsicht durch die Verfahrensparteien unterworfen hat, nicht zur Sache zähle, über die das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden habe. Damit verkennt das Bundesverwaltungsgericht aber, wie oben ausgeführt, den Zusammenhang zwischen möglicher Verletzung von Verfahrensrechten und abschließender Sachentscheidung.

Da das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes ua auch dann verletzt wird, wenn das Verwaltungsgericht seine Zuständigkeit in gesetzwidriger Weise ablehnt, etwa in dem es zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 16.079/2001 und 16.737/2002), hat das Bundesverwaltungsgericht durch seine zurückweisende Entscheidung den beschwerdeführenden ORF in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass des vorliegenden Falles entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Bedenken dagegen, dass eine solche behauptete Rechtsverletzung (erst) mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht gegen den die Verwaltungssache erledigenden Bescheid geltend gemacht werden kann:

4.1. Der Schutz von Geheimnissen in der beruflichen Sphäre, insbesondere von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, ist vom Schutzbereich des Rechtes auf Achtung des Privatlebens gemäß Art 8 EMRK erfasst (VfSlg 19.996/2015; EGMR 16.12.1992, Fall Niemietz, Appl 13.710/88 [Z29 ff.]; 16.4.2002, Fall Société Colas Est ua, Appl 37.971/97 [Z41]; vgl EuGH 14.2.2008, Rs. C-450/06, Varec SA, Rz 48; Grabenwarter/Pabel, EMRK6, 2016, § 24 Rz 100).

Zu den verfassungsrechtlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zählt die Gewährleistung eines fairen Verfahrens mit entsprechenden Garantien, wie sie insbesondere in Art 6 EMRK verankert sind. Der Verfassungsgerichtshof hat sich wiederholt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum Prinzip der Waffengleichheit angeschlossen, wonach das staatliche Recht hinreichende Schutzvorkehrungen bieten muss, die sicherstellen, dass die Fairness des Verfahrens garantiert ist, wozu auch der Zugang zu den Verfahrensakten zählt (VfSlg 16.560/2002, 19.730/2012, 19.959/2015, 19.996/2015). Aus Art 6 EMRK erfließt daher ein auf den Grundsatz der Waffengleichheit gegründetes selbstständiges Recht auf Akteneinsicht (Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1997, 601). Daraus ergibt sich im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens aus Sicht der Behörde die Pflicht, Akteneinsicht zu gewähren, bzw aus Sicht einer Verfahrenspartei ein subjektives Recht darauf, Einsicht in Verfahrensakten zu nehmen.

In Mehrparteienverfahren können die Interessen von Verfahrensparteien auf Zugang zu verfahrensrelevanten Informationen mit den Interessen von Verfahrensparteien auf Schutz vertraulicher Angaben und Geschäftsgeheimnisse in Konkurrenz treten. Weder das grundrechtlich durch Art 6 EMRK im Rahmen des Prinzips der Waffengleichheit gewährleistete Recht auf Zugang zu Verfahrensakten noch das grundrechtlich insbesondere durch Art 8 EMRK geschützte Recht auf Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vermögen eine absolut geschützte Rechtsposition zu begründen. Vielmehr ist im Verwaltungsverfahren bzw im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Zugangsrecht zu entscheidungsrelevanten Informationen gegen das Recht anderer Verfahrensparteien auf Schutz ihrer vertraulichen Angaben und ihrer Geschäftsgeheimnisse abzuwägen. Der Grundsatz des Schutzes von vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen muss so ausgestaltet sein, dass er mit den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes und der Wahrung der Verfahrensrechte der am Verfahren Beteiligten im Einklang steht und dass sichergestellt ist, dass insgesamt das Recht auf ein faires Verfahren beachtet wird.

4.2. Der Umstand, dass einzelne Aktenbestandteile nach § 17 Abs 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommen werden, bedeutet vor diesem Hintergrund daher noch nicht zwingend, dass damit eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs 3 AVG einhergeht, wenn die Behörde die entsprechenden Aktenbestandteile dennoch heranzieht. Zwar stellt es den Grundsatz jedes rechtsstaatlich geordneten behördlichen Verfahrens dar, dass es keine geheimen Beweismittel geben darf (so jeweils fallbezogen VwGH 17.6.2004, 2003/03/0157; 25.9.2014, 2011/07/0006). In bestimmten, außergewöhnlichen Fällen kann es aber zur Wahrung der Grundrechte eines Dritten bzw anderer Verfahrensbeteiligter oder zum Schutz wichtiger Interessen der Allgemeinheit erforderlich sein, den Parteien bestimmte Informationen vorzuenthalten, solange sichergestellt ist, dass sowohl die Behörde als auch das im Rechtsmittelweg angerufene Verwaltungsgericht über alle entscheidungserheblichen Unterlagen vollumfänglich verfügen (vgl EuGH 14.2.2008, Rs. C-450/06, Varec SA; weiters Hanslik, aaO, 139 ff.) Die den Verfahrensparteien vorenthaltenen Informationen sind dabei auf das unbedingt notwendige Ausmaß zu beschränken und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Entscheidungsgrundlagen so zu begrenzen, dass vorzuenthaltende Informationen zur Entscheidungsfindung nicht herangezogen werden müssen. Die Behörde bzw das Verwaltungsgericht haben dabei die ihrer Vorgangsweise zugrundeliegende Abwägung zwischen Geheimhaltungsanspruch und Recht auf Akteneinsicht und damit Transparenz der Entscheidungsgrundlage nachvollziehbar zu begründen, sodass die Verfahrensparteien diese zum Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Kontrolle bzw einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof machen können.

Grundsätzlich sind damit auf dem Boden des § 17 AVG effektiver Rechtsschutz (VfSlg 13.699/1994) und wirksame Beschwerde (Art 13 EMRK) gewährleistet.

4.3. Zwar entsteht im Fall eines Streits über die Notwendigkeit der Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, wenn der Informationsfluss einmal erfolgt ist, der ‚Schaden‘ für die betroffene Partei bereits im Zeitpunkt der Offenlegung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und kann auch - anders als etwa eine Verweigerung der Akteneinsicht und die daraus folgende Verletzung des Parteiengehörs - im Rechtsschutzweg nicht wieder rückgängig gemacht werden. Dies ist aber in Fällen von Informationsweitergaben unumgänglich (vgl für eine insoweit vergleichbare Konstellation VfSlg 18.747/2009). Der ‚Schaden‘ könnte entweder nur durch einen unbedingten Vorrang des Geheimhaltungsanspruchs oder dadurch vermieden werden, dass mit selbstständig bekämpfbarem verfahrensrechtlichen Bescheid über die Informationsweitergabe im Verfahren entschieden wird, sodass im Rechtsschutzweg geklärt werden kann, ob die Offenlegung der Information rechtmäßig ist. In beiden Fällen ginge der Geheimhaltungsanspruch jedenfalls vor und wäre insoweit absolut: einmal gegenüber gegenläufigen, ebenso grundrechtlich verankerten Rechten anderer Verfahrensparteien, das andere Mal gegenüber dem öffentlichen Interesse und dem ebenso grundrechtlich verankerten Interesse anderer Verfahrensparteien an einer raschen Erledigung des Verfahrens. Einen solchen absoluten Vorrang der Geheimhaltungsinteressen gegenüber verfahrensrechtlichen Gewährleistungen begründet Art 8 EMRK aber, wie dargelegt (siehe oben Pkt. III.B.4.1.), ebenso wenig wie umgekehrt Art 6 EMRK einen absoluten Vorrang verfahrensrechtlicher Gewährleistungen gegenüber Geheimhaltungsinteressen.

5. Die im vorliegenden Fall bereits erfolgte Offenlegung der einschlägigen Informationen kann durch eine den angefochtenen Bescheid aufhebende oder abändernde Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache freilich nicht (mehr) beseitigt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich daher im fortgesetzten Verfahren - falls es eine einschlägige Rechtsverletzung gegenüber dem ORF für gegeben erachtet - auf den Ausspruch zu beschränken, dass eine Verletzung der beschwerdeführenden Partei in ihrem Recht aus § 17 Abs 3 AVG stattgefunden hat.

Einer solchen Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht stehen weder die Art 130 und 132 B-VG noch Bestimmungen des VwGVG, insbesondere nicht deren §§ 9, 27 und 28, entgegen (vgl zum Verfahren nach Art 144 B-VG VfSlg 13.893/1994, 18.014/2006). In der hier vorliegenden besonderen Konstellation entscheidet das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdesache inhaltlich durch Feststellung (vgl allgemein zur deklaratorischen Sachentscheidung Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht, Bd 2: Staatliche Organisation3, 2014, Rz 37.018).“

10       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG im fortgesetzten Verfahren (nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen) den Antrag des ORF auf Feststellung, dass die Abweisung seiner Anträge auf Ausnahme bestimmter Aktenbestandteile von der Akteneinsicht bzw. die Verfahrensanordnung, mit der der Mitbeteiligten bestimmte Aktenteile übermittelt worden seien, rechtswidrig gewesen sei, als unbegründet ab. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

11       In der Begründung seiner Entscheidung gab das BVwG zunächst den bisherigen Verfahrensverlauf wieder. Anschließend stellte es unter der Rubrik „Feststellungen“ die vom ORF mit Eingabe vom 13. Juni 2014 vorgelegten Unterlagen Beilage A (Konzept über die Kriterien für die Sendeauswahl sowie über die Evaluierung von Sport-Produktionen) und Beilage B (Management-Summary UCL-Ausschreibung 2015-2018) wörtlich dar.

12       In rechtlicher Hinsicht folgerte das BVwG, der ORF habe im Verfahren vor der KommAustria nur generell auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse hingewiesen, ohne diese zu konkretisieren. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sei vorgebracht worden, dass die Beilagen insgesamt nicht anderen Verfahrensparteien zur Verfügung gestellt werden sollten. Für das BVwG seien in den beiden Beilagen keine Informationen erkennbar, die für sich genommen jedenfalls zur Verletzung von berechtigten Interessen führten, wenn sie der Mitbeteiligten offengelegt würden. Die beiden Beilagen hätten u.a. Angaben enthalten, die keinesfalls geheim seien, wie etwa, dass D A Spieler von B sei und dass in Österreich gerade auch deswegen großes Interesse an den Spielen von B bestehe. Außerdem seien darin gesetzliche Bestimmungen angeführt gewesen. Eine Begründung, warum diese beiden Beilagen von der Akteneinsicht zur Gänze auszunehmen seien, sei im Ansatz erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG geliefert worden. Auch diese Begründung habe sich allerdings „auf das zitierte Vorbringen“ beschränkt, ohne dazu weitere substantielle Ausführungen zu tätigen. „Bisher“ sei lediglich beispielsweise argumentiert worden, dass die Mitbeteiligte Kenntnis über das Bietverhalten und die internen Bietkonzepte des ORF erhalten wolle.

13       Umgekehrt hätten die beiden Beilagen aus Sicht des BVwG aber auch Passagen enthalten, die jedenfalls potentiell eine derartige Beeinträchtigung begründen konnten. Der ORF habe sich aber gegenüber der KommAustria darauf beschränkt zu verlangen, dass die Beilagen (insgesamt) nicht der Mitbeteiligten offengelegt würden. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 14. August 2020 habe er keine Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nennen können. In einer Stellungnahme vom 21. August 2020 an das BVwG habe der ORF argumentiert, dass einzelne Abschnitte der beiden Beilagen, die gelb markiert worden seien, relevante Informationen enthielten. In der fortgesetzten mündlichen Verhandlung am 31. August 2020 habe er schließlich vorgebracht, dass es nicht um einzelne Absätze in den Beilagen, sondern um die Gesamtheit der dort zusammengestellten Informationen gehe, da daraus eben der Rückschluss auf die Gestaltung des Entscheidungsprozesses erfolgen könne.

14       Im Folgenden ging das BVwG auf die Erörterung der genannten Beilagen insbesondere in den mündlichen Verhandlungen näher ein. Es führte u.a. aus, in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2020 habe der Rechtsvertreter des ORF erklärt, dass es sich bei der Gebotshöhe um ein Geschäfts- und Betriebsgeheimnis handle. Er habe es aber unterlassen, zumindest abstrakt darzulegen, welche berechtigten Interessen durch die Bekanntgabe der Gebotshöhe verletzt würden. Mit dem bloßen Verweis auf Kalkulationsansätze, die nicht weiter konkretisiert würden, seien keine berechtigten Interessen vorgebracht worden, die durch die Bekanntgabe verletzt werden würden. Im Übrigen sei nachvollziehbar, dass die Bekanntgabe von Kriterien zur Entscheidungsfindung in einem Unternehmen abstrakt betrachtet ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung begründe. Betrachte man allerdings die in Rede stehenden Kriterien, so werde deutlich, dass es sich dabei um äußerst allgemein gehaltene und für die meisten Unternehmen geltenden Kriterien gehandelt habe; dies gelte sowohl für die Beilage A als auch die Beilage B.

15       Soweit sich der ORF schließlich darauf berufe, seine berechtigten Interessen an der Ausnahme von der Akteneinsicht ausreichend dargelegt zu haben, sei ihm zu erwidern, dass es „naturgemäß ... Aufgabe jener Partei, die sich auf die Ausnahme von der Akteneinsicht beruft [sei], ihre Interessen zu benennen, die für diese Ausnahme sprechen“ (Hinweis auf VfGH 23.6.2020, E 706/2020 u.a.). Im konkreten Fall sei der ORF aber davon ausgegangen, dass dieses Erfordernis nicht bestehe. Die von ihm dargelegten Interessen hätten aber nicht als im Sinne des § 17 Abs. 3 AVG maßgebende Interessen erkannt werden können.

16       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision des ORF, die zur Zulässigkeit und in der Sache geltend macht, das BVwG habe zu Unrecht angenommen, dass der ORF die zu schützenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht hinreichend spezifiziert habe. Bereits die KommAustria sei erkennbar von der Auffassung ausgegangen, dass angesichts der zur Gebotshöhe vom ORF geltend gemachten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse schützenswerte Geheimhaltungsinteressen vorlägen. Die Behörde habe darauf sogar erkennbar Bedacht genommen, indem sie in der über die Homepage der RTR-GmbH vorgenommenen Veröffentlichung ihres Bescheides die Höhe der vom ORF abgegebenen Gebote, die Summen, mit denen der ORF die Übertragungsrechte erworben hatte, und die Höhe des vom ORF geleisteten Gesamtentgelts geschwärzt habe. Nichts Anderes gelte für die Mitbeteiligte, die bereits in ihrer Eingabe an die KommAustria alle Angaben zu ihrem eigenen Gebot für den Erwerb der Senderechte als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bezeichnet habe und sie von der Akteneinsicht ausgenommen wissen wollte. Auch der Amtssachverständige sei in seinem Gutachten von Geheimnissen im Rahmen der Vergabe von Sportübertragungsrechten ausgegangen und habe diese näher präzisiert. Demgegenüber vertrete das BVwG „aktenwidrig“ die Rechtsansicht, es lägen keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor. Auch liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausmaß einer - vom BVwG angenommenen - „Spezifizierungspflicht“ betreffend „berechtigte Interessen“ nach § 17 Abs. 3 AVG in einer Konstellation wie der vorliegenden vor. Ebenso sei keine Rechtsprechung ersichtlich, welche das grundsätzliche Verhältnis des Begriffs der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zum Vorliegen eines „berechtigten Interesses“ nach § 17 Abs. 3 AVG kläre; dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, ob und nach welcher Maßgabe zwischen den beiden Begriffen, wie vom BVwG angenommen, zu differenzieren sei. Schließlich bestehe keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob eine fehlende Abwägung der KommAustria zwischen Geheimhaltungs- und Transparenzinteressen oder die fehlende Begrenzung des Entscheidungsstoffes nach § 17 Abs. 3 AVG in einer Konstellation wie der vorliegenden vom BVwG „nachgeschoben“ und damit nachträglich gerechtfertigt werden könne, oder ob diesfalls notwendig eine Feststellungsentscheidung über die eingetretene Rechtsverletzung zu ergehen habe.

17       Die KommAustria und die Mitbeteiligte haben zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18       Die Revision ist zulässig und begründet.

19       Vorauszuschicken ist, dass die angefochtene Entscheidung im fortgesetzten Verfahren nach dem aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 2019, E 1025/2018-21, ergangen ist. Nach § 87 Abs. 2 VfGG war das BVwG verpflichtet, unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes in seinem aufhebenden Erkenntnis entsprechenden Rechtszustand mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln herzustellen. Diese Bindung erstreckte sich auch auf solche Fragen, die der Verfassungsgerichtshof zwar nicht ausdrücklich behandelt hat, die aber eine notwendige Voraussetzung für den Inhalt seines aufhebenden Erkenntnisses darstellen. Bei Prüfung der vom Verwaltungsgericht erlassenen Ersatzentscheidung ist auch der Verwaltungsgerichtshof an die Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes gebunden (vgl. etwa VwGH 6.3.2019, Ro 2018/03/0031-0038, Ro 2019/03/0007-0009, mwN).

20       Dementsprechend ist für dieses Revisionsverfahren zunächst davon auszugehen, dass das BVwG - ungeachtet des Obsiegens des ORF in der Hauptsache - die vom Verfassungsgerichtshof aufgetragene Feststellung zur Frage der Rechtswidrigkeit der Gewährung von Akteneinsicht in die Geschäftsunterlagen des ORF zu treffen hatte. Soweit die Revision geltend macht, das BVwG wäre nicht berechtigt gewesen, eine solche Entscheidung „nachzuholen“, reicht es daher, auf die dargestellte Bindung an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen. Schon deshalb kommt diesem Einwand keine Berechtigung zu.

21       Die Revision wirft dem BVwG vor, eine unklare Differenzierung zwischen den „berechtigten Interessen“ einer Partei, die nach § 17 Abs. 3 AVG eine Ausnahme von der Akteneinsicht ermöglichen, und Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnissen vorgenommen zu haben. Nach Auffassung der Revision bedürfe es einer Klarstellung der Rechtslage durch den Verwaltungsgerichtshof.

22       Dazu ist lediglich Folgendes festzuhalten: Das BVwG hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend auf den Wortlaut des § 17 Abs. 3 AVG Bezug genommen, wonach von der Akteneinsicht die Aktenbestandteile ausgenommen sind, insoweit deren Einsichtnahme (u.a.) eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei herbeiführen würde. Es hat dabei zu Recht nicht in Zweifel gezogen, dass Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisse derartige „berechtigte Interessen“ begründen können (vgl. in diesem Sinne etwa Hengstschläger/Leeb, AVG2, § 17 Rz 9, mwN). Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im gegenständlichen Fall, wenngleich danach bei Vorliegen eines Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisses nicht zwingend auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 AVG geschlossen werden darf, sondern eine Abwägung zwischen Geheimhaltungsanspruch und Recht auf Akteneinsicht und damit Transparenz der Entscheidungsgrundlage nachvollziehbar begründet stattfinden muss. Einer weiteren Klarstellung der Rechtslage durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf es insoweit nicht.

23       Das BVwG hat allerdings erstmals die bislang ungeprüft zugrunde gelegte Annahme, die Unterlagen des ORF hätten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthalten, näher hinterfragt. Es hat auf das Wesentliche zusammengefasst die Rechtsansicht vertreten, dass die in Rede stehenden Geschäftsunterlagen des ORF zwar Passagen enthalten würden, „die jedenfalls potentiell“ eine Beeinträchtigung „berechtigter Interessen“ des ORF (gemeint offenkundig im Sinne einer Verletzung seiner Geschäftsgeheimnisse) begründen könnten. Der ORF habe jedoch nicht hinreichend konkretisiert, worin diese Beeinträchtigung in Bezug auf die von ihm gewünschten Ausnahmen von der Akteneinsicht genau liege.

24       Dieses zentrale Argument des BVwG ist jedoch, wie die Revision zumindest im Ergebnis richtig ausführt (eine von ihr in diesem Zusammenhang behauptete „Aktenwidrigkeit“ im eigentlichen Sinn liegt nicht vor), nicht überzeugend:

25       Zum Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses (Betriebsgeheimnisse im Sinne von Tatsachen technischer Natur, vgl. dazu VwGH 18.8.2017, Ra 2015/04/0010, kommen im vorliegenden Fall nicht in Betracht) hat der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst erkannt (vgl. VwGH 26.3.2021, Ra 2019/03/0128, Rn. 53), dass nicht alle „Vorgänge geschäftlicher, das heißt kommerzieller Art wie etwa Kalkulationsgrundlagen für die Verkaufspreise, Marktstrategien, Zahlungsbedingungen, Bilanzen oder Einkaufskonditionen verstanden werden“ als Geschäftsgeheimnisse geschützt sind. Für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses ist darüber hinaus auch erforderlich, dass die Information tatsächlich geheim (nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt) ist und an der Nichtoffenbarung ein berechtigtes Interesse besteht (Hinweis etwa auf OGH 14.2.2001, 9 ObA 338/00x). Im Lichte der jüngeren Rechtsentwicklung tritt auch hinzu, dass nur eine Information, die auch „Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die Person ist, welche die rechtmäßige Verfügungsgewalt über diese Informationen ausübt“, als Geschäftsgeheimnis Schutz vor rechtswidrigem Erwerb, rechtswidriger Nutzung und rechtswidriger Offenlegung genießt (Hinweis auf §§ 26a bis 26j UWG und die Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen [Geschäftsgeheimnisse] vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung).

26       Das BVwG legt im angefochtenen Erkenntnis sein Verständnis von einem Geschäftsgeheimnis nicht explizit offen. Dementsprechend finden sich auch keine Erwägungen zu den soeben dargestellten Voraussetzungen, die ein Geschäftsgeheimnis nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ausmachen.

27       Die vom BVwG angestellten Überlegungen lassen nur mittelbar erkennen, dass das Verwaltungsgericht vor allem dem Umstand Bedeutung beimaß, ob die Informationen in den Unterlagen tatsächlich geheim waren. Damit deckte das BVwG lediglich teilweise jene Prüfkriterien ab, die sich aus der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergeben.

28       Selbst wenn dem BVwG zuzugestehen ist, dass einzelne (vielleicht auch die überwiegende Anzahl von) Informationen, die nach den Vorstellungen des ORF von der Akteneinsicht ausgenommen werden sollten, nach den maßgeblichen Prüfkriterien nicht als Geschäftsgeheimnisse anzusehen wären (etwa weil sie, wie das BVwG argumentiert, Allgemeinwissen darstellen oder den Mitbewerbern ohnedies bekannt gewesen seien), vermag das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar zu begründen, warum dies für alle gegenständlichen Informationen gelten sollte.

29       Das BVwG verweist wiederholt auf den Umstand, dass sich der ORF darauf zurückgezogen habe, die gesamten Beilagen A und B von der Akteneinsicht ausgenommen wissen zu wollen. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist dazu festzuhalten, dass der ORF damit jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht hat, nur an der gesamten Ausnahme der vorgelegten Unterlagen von der Akteneinsicht interessiert zu sein und an einer teilweisen Ausnahme (für den Fall, dass nur Teile der darin enthaltenen Informationen als Geschäftsgeheimnisse anzusehen wären) kein Interesse zu haben. Das BVwG konnte daher seine Beurteilung nicht darauf beschränken zu überprüfen, ob die Unterlagen insgesamt als Geschäftsgeheimnis anzusehen waren, sondern musste auch darauf abstellen, ob sich darin - ausgehend vom Vorbringen des ORF (siehe dazu Rn. 31) - entsprechende Informationen fanden, die als Geschäftsgeheimnisse anzuerkennen und in die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Abwägungsentscheidung einzubeziehen waren.

30       Das BVwG verneint das Vorliegen von feststellbaren Geschäftsgeheimnissen und vertritt die Rechtsansicht, „naturgemäß [sei] es Aufgabe jener Partei, die sich auf die Ausnahme von der Akteneinsicht beruft, ihre Interessen zu benennen, die für die Ausnahme sprechen.“ Dies habe der ORF nicht getan.

31       Dazu ist festzuhalten, dass der ORF sein Interesse an der Geheimhaltung von - zumindest einzelnen - Informationen in den vorgelegten Unterlagen im Laufe des Verfahrens konkret benannt hat. So hat er vor allem geltend gemacht, dass schon das Bekanntwerden der Höhe seiner Angebotssumme und des tatsächlich geleisteten Entgelts für den Erwerb der Übertragungsrechte für die Mitbewerberin Rückschlüsse für künftiges Bieterverhalten zulasse, das für die Wettbewerbsposition des ORF nachteilig sein würde. Er hat außerdem dargelegt, dass in der Information an das Management (Beilage B) insbesondere ein „Kosten-Nutzen-Ansatz“ offengelegt werde (in der sich beispielsweise der Deckungsgrad der Lizenzkosten durch unmittelbar mit den Fußballübertragungen verbundene Werbeeinnahmen des ORF befinde). Weshalb (etwa) derartige Umstände nicht geheim und ihre Kenntnis durch eine Mitbewerberin nicht geeignet gewesen sein sollte, die Geschäftsinteressen des ORF bei zukünftigen Bieterverfahren negativ zu beeinflussen, vermag das BVwG in der angefochtenen Entscheidung nicht nachvollziehbar zu begründen.

32       Zusammenfassend hat das BVwG daher die vom Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis vom 10. Oktober 2019 eingeforderte Abwägung der Geheimhaltungsinteressen des ORF mit dem Interesse auf Akteneinsicht und Transparenz durch die Mitbeteiligte mit einer auch rechtlich nicht nachvollziehbaren Begründung unterlassen.

33       Das angefochtene Erkenntnis war daher (vorrangig) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

34       Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. Mai 2021

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030002.L00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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