TE Vwgh Beschluss 2021/5/3 Ra 2021/01/0141

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A A, in G, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2020, Zl. L510 2143574-1/31E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache ein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.

2        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 23. Februar 2021, E 124/2021-8, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, wobei der VfGH unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Verletzung des Revisionswerbers in seinen Rechten nach Art. 3 und 8 EMRK erblickte.

3        Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 20.12.2019, Ra 2019/01/0431-0433, mwN).

8        Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. etwa VwGH 24.3.2021, Ra 2021/01/0086, mwN).

9        Die Revision behauptet insoweit ein Abweichen von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht, weil das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) festgestellt habe, dass der Revisionswerber in Österreich zum Christentum konvertiert sei, das Erkenntnis jedoch fallbezogen ausreichend konkrete Feststellungen zur möglichen Verfolgung vermissen lasse. Mit diesem Vorbringen wird ein Verfahrensfehler geltend gemacht.

10       Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. für viele VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN).

11       Vorliegend fehlt eine derart konkrete Relevanzdarstellung, insbesondere vor dem Hintergrund der im angefochtenen Erkenntnis enthaltenen Feststellung, dass das (irakische) Strafgesetzbuch keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände wie den Abfall vom Islam kenne.

12       Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, wonach der Revisionswerber keine besonderen Ambitionen habe glaubhaft machen können, den christlichen Glauben weiterzuverbreiten, ist auf Folgendes hinzuweisen:

13       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN). Eine solche krasse Fehlbeurteilung legt die Revision nicht dar.

14       Die Revision behauptet weiter, das BVwG sei bei der Abwägung nach Art. 8 EMRK bzw. § 9 BFA-VG „unter dem Deckmantel der Rechtsprechung des VwGH“ (Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung) von anderer (näher zitierter Rechtsprechung, unter anderem Verweis auf VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003) abgewichen.

15       Dabei gibt die Revision nur einen Teil dieser Rechtsprechung wieder, wonach der Aspekt des unsicheren Aufenthaltes (§ 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG) nicht zur Konsequenz habe, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen sei und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung (bzw. Rückkehrentscheidung) führen könne (vgl. VwGH Ro 2019/01/0003, Rn. 53, mwN). Sie geht jedoch nicht auf jenen Teil dieser Rechtsprechung ein, nach welcher der Verwaltungsgerichtshof auch mehrfach darauf hingewiesen hat, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH Ro 2019/01/0003, Rn. 54, mwN), dieser Umstand vom Verwaltungsgerichtshof wiederholt in Fällen berücksichtigt und als für die Entscheidung bedeutsam angesehen, in denen Amtsrevisionen Folge gegeben wurde und die entsprechenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben wurden (vgl. VwGH Ro 2019/01/0003, Rn. 55, mwN), und in welcher der Aspekt angeführt wurde, es müsse unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht akzeptiert werden, dass der Fremde mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. VwGH Ro 2019/01/0003, Rn. 56 und 57, mwN).

16       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. für viele VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN). Dass die Gesamtbetrachtung unvertretbar gewesen wäre, legt die Revision nicht dar (vgl. zu Art. 8 EMRK auch VfGH 23.2.2021, E 124/2021-8).

17       In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010141.L00

Im RIS seit

17.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten