TE Vwgh Beschluss 2021/5/3 Ra 2020/03/0146

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Veröffentlicht am 03.05.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
16/02 Rundfunk
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
ORF-G 2001 §4e Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §47 Abs2
VwGVG 2014 §47 Abs4
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/03/0147

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und den Hofrat Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision 1. des Dr. K K, LL.M. (protokolliert zu hg. Zl. Ra 2020/03/0146) und 2. des Österreichischen Rundfunks (protokolliert zu hg. Zl. Ra 2020/03/0147), beide in W, beide vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. September 2020, Zlen. 1. W271 2226678-1/10E und 2. W271 2226726-1/10E, betreffend Übertretung des ORF-Gesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommunikationsbehörde Austria), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Kommunikationsbehörde Austria (belangte Behörde) vom 6. November 2019 wurden dem Erstrevisionswerber als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufenem und strafrechtlich Verantwortlichem des Österreichischen Rundfunks, der zweitrevisionswerbenden Partei (idF: ORF), zwei Übertretungen des § 38 Abs. 1 Z 5 ORF-G zur Last gelegt:

Er habe es zu verantworten, dass hinsichtlich der Einbindung eines automatisierten „Erkennungstools“ in das vom ORF vom 21. September 2017 bis zum 23. Oktober 2017 unter der URL faktoderfake.at/blog/fakt-oder-fake bzw. vom 28. September 2017 bis zum 4. Oktober 2017 unter der URL meins.orf.at/fakt-oder-fake gemäß § 3 Abs. 5 Z 2 ORF-G bereitgestellte Online-Angebot „Fakt oder Fake“ entgegen § 6 ORF-G keine Auftragsvorprüfung durchgeführt wurde (Spruchpunkt 1).

Weiters habe er es zu verantworten, dass hinsichtlich des Anbietens der erweiterten Archivfunktion mit seinen vom 21. August 2016 bis zum 2. November 2017 bereitgestellten Reportagen mit den Nummern 42 bis 98, welche jeweils länger als 30 Tage nach Sendungsausstrahlung angeboten wurden, im Rahmen des vom ORF gemäß § 3 Abs. 5 Z 2 ORF-G bereitgestellten Angebots meins.orf.at entgegen § 6 ORF-G keine Auftragsvorprüfung durchgeführt wurde (Spruchpunkt 2).

Über den Erstrevisionswerber wurden zwei Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Ferner wurde ausgesprochen, dass der ORF für die verhängten Geldstrafen sowie für die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die von den revisionswerbenden Parteien gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3        Dem legte das Verwaltungsgericht - auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst - Folgendes zu Grunde:

4        Der ORF habe vom 21. September 2017 bis zum 23. Oktober 2017 unter der URL http://faktoderfake.at/blog/fakt-oder-fake und vom 28. September 2017 bis zum 4. Oktober 2017 unter der URL http://meins.orf.at/fakt-oder-fake das Online-Angebot „Fakt oder Fake“, ein automatisiertes „Erkennungstool“, angeboten, dessen Inhalte im Erkenntnis - teils im Einzelnen, teils zusammengefasst - wiedergegeben wurden. Bei diesem Tool handle es sich um ein Computerprogramm, das der ORF gemeinsam mit der FH H und der TU W entwickelt habe, um „Fake News“ zu erkennen. Das „Erkennungstool“ habe täglich ca. 200 „Facebook-Postings“ mittels semantischer Analyse beschlagwortet und mit Hilfe von Datenbanken auf Plausibilität geprüft. Grün hinterlegte Beiträge seien plausibel, rot hinterlegte nicht. Diese so bewerteten Beiträge seien chronologisch sortiert worden. Es sei möglich gewesen, diese im Volltext zu durchsuchen. Das „Erkennungstool“ solle ein „Tool“ für Medieninteressierte und auch Journalisten sein und „eine Orientierung in der Welt der Online-Medien bieten“.

Auf der Webseite http://faktoderfake.at/blog/fakt-oder-fake sei ein Hinweis auf eine konkrete in den Programmen des ORF ausgestrahlte Sendung sowie deren Ausstrahlungsdatum nicht vorhanden gewesen. Auf der Webseite http://meins.orf.at/fakt-oder-fake habe sich ein Hinweis auf die am 27. September 2017 um 19:45 Uhr im Programm ORF eins ausgestrahlte Sendung „ZiB Magazin“ gefunden, die Beiträge zu den Inhalten „10.000 Euro pro Flüchtling für Aufnahmeland“, „Fakt oder Fake“ und „C und N streiten vor CL-Hit gegen B“ gezeigt habe.

In dieser „ZiB Magazin“-Sendung habe der Moderator den Beitrag „Fakt oder Fake“ mit folgenden Worten eingeleitet: „Manipulation gibt’s so lange wie es Interessen gibt, Meinungen in eine bestimmte Richtung zu lenken, also Jahrhunderte. Aber noch nie war es so einfach. Ein einzelner Fake News Beitrag erreicht über Social Media Millionen. Wer jetzt sagt ‚Da fall ich doch nicht drauf rein‘ wird meist eines Besseren belehrt. Initiativen, Fake News zu enttarnen, werden nicht nur technologisch zur Herausforderung.“ Anschließend seien Ausschnitte aus derartigen vermeintlichen Fake News gezeigt worden. Nach dem kurzen Ausschnitt einer Rede des damaligen US-Präsidenten D T habe der Sprecher des Beitrags weiter ausgeführt: „Fake News sind ein Geschäft, ein gigantisches Geschäft. Österreichweit werden täglich rund 79.000 zweifelhafte Beiträge publiziert. Schon ein einziger kann innerhalb kürzester Zeit Millionen von Menschen erreichen. Das Ziel von Fake News: vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Fragen und die Manipulation der Konsumenten. Aber was steckt dahinter?“ Die Thematik der Vervielfältigung von (Falsch)-Nachrichten sei währenddessen grafisch aufbereitet worden. Anschließend sei ein ca. 20 Sekunden langer Interview-Ausschnitt mit I B, Autorin des Buches „Lügen im Netz“, gesendet worden, die den Fall einer Internet-Falschmeldung im Rahmen der Bundespräsidentenwahl behandelt habe. Danach habe der Sprecher des Beitrags weitere Fälle von Fake News im Internet - jeweils mit Bildmaterial unterlegt - präsentiert. Nach kurzer Analyse von I B (ca. 10 Sekunden Sendezeit) und des Forschers N P (ca. 16 Sekunden Sendezeit) seien vom Sprecher weitere einschlägige Fälle vorgestellt worden. Danach sei ein ca. 16 Sekunden dauerndes Interview mit der ORF-Journalistin L T gefolgt. Der Moderator habe den Beitrag mit den Worten „Unsere Recherchen haben aber auch Erfreuliches ergeben: Die Politik ist nicht das große Problem. Sie sorgt nur manchmal für die Verbreitung von Fake News. Die wirkliche Gefahr geht von einzelnen, oft anonymen Postings aus.“ geschlossen. Abschließend habe er noch erklärt: „Und die Ergebnisse unserer Recherchen mit prominenten Fällen gibt es diese Woche in unserem sendungsbegleitenden Angebot meins.orf.at“.

Das Verwaltungsgericht traf außerdem Feststellungen zum Angebotskonzept des ORF für das Online-Angebot „TV.ORF.at“; dieses lauten auszugsweise:

„2 Angebotskonzept für TV.ORF.at

TV.ORF.at fasst Informationen über die Fernsehprogramme des ORF (ORF eins, ORF 2, ORF Sport Plus; in Zukunft allenfalls auch über das Programm nach § 4c ORF-G), begleitende Inhalte zu den Fernsehsendungen des ORF, verstärkt zu seinen Eigen- und Auftragsproduktionen, sowie Links zum Angebot entsprechender Sendungen im Abrufdienst TVThek.ORF.at in einem Angebot zusammen.

...

Sendungsbegleitende Inhalte zu vom ORF selbst produzierten Sendungen sind umfangreicher gestaltet als zu vom ORF zugekauften Sendungen und Sendereihen. Überblicksseiten zu den Sendungen fassen einerseits alle über das Programm verteilten Inhalte der verschiedenen Sendungsredaktionen zusammen. Andererseits bieten sie auch Möglichkeiten für dynamische Vorschauen, besondere Inhalte und Links zu einzelnen besonderen und verbundenen Ergänzungsangeboten.

...

Bei einer Reihe von Sendungen und Sendereihen des ORF besteht ein überdurchschnittlich großes Interesse des Publikums an Kontakt, Interaktivität und zusätzlichem Material, das im Fernsehen keinen Platz findet.

Für diese Sendungen und Sendereihen wird die Sendungsbegleitung besonders ausgebaut und in eigenen Teilangeboten bereitgestellt (zB Taxi Orange, Starmania und Helden von morgen).

...

2.2 Zielgruppe

TV.ORF.at und seine Teilangebote richten sich an alle Seher der ORF-Fernsehprogramme, die einerseits an Informationen über die kommenden Sendungen, ihre Sendezeiten und Inhalte und andererseits im Nachhinein an Informationen über z.B. mitwirkende Personen, an inhaltlichen Zusammenfassungen und an begleitenden Hinweisen und Erklärungen zu Inhalten der Sendung interessiert sind. Ein umgrenztes Zielpublikum im Sinne von Gruppen mit bestimmten demografischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildungsgrad oder Einkommenssegment ist nicht angestrebt. Die begleitenden Inhalte zu den Fernsehsendungen für Kinder werden unter okidoki.ORF.at zur Verfügung gestellt.

2.3 Zeitliche Gestaltung des Programms von TV.ORF.at

Die Inhalte von TV.ORF.at werden durchgehend 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche bereitgestellt. Sie sind an den Ablauf der Fernsehsendungen und deren Ausstrahlung angekoppelt und werden so in einem angemessenen Zeitraum vor und nach der Ausstrahlung, längstens jedoch bis 30 Tage danach, angeboten. Die Inhalte und Programmdaten reichen drei Wochen in die Zukunft und maximal 30 Tage in die Vergangenheit. Sendungsbegleitende Inhalte zu zeitlich befristeten Sendereihen werden bis maximal 30 Tage nach Ausstrahlung der letzten Sendung bereitgestellt. Informationen zur Teilnahme an Sendungen, Berichte über Dreharbeiten und Vorabinformationen in Hinblick auf künftige Sendungen beziehen sich auch auf weiter in der Zukunft auszustrahlende Sendungen.

Durch technische Mittel (automatisierte Beschränkung in Übersichtsseiten/Beitragslisten) wird sichergestellt, dass die vom Gesetzgeber vorgesehenen zeitlichen Beschränkungen eingehalten werden; Beiträge können nach Ablauf ihrer Aktualität zudem händisch aus Übersichtsseiten/Beitragslisten entfernt werden.

...

2.5 Besondere Qualitätskriterien von TV.ORF.at

...

TV.ORF.at unterscheidet sich in vieler Hinsicht von den Online-Angeboten von Zeitungen und Zeitschriften. Insbesondere stellt es nur die Fernsehprogramme des ORF dar, die mit mehr Materialien aus den Sendungen und Zusatzinformationen zu den Inhalten und Mitwirkenden der Sendungen dargestellt werden.

...

Die Qualitätskriterien für sendungsbegleitende Inhalte im Rahmen von TV.ORF.at folgen denjenigen der begleiteten Programme und Sendungen. Insofern garantiert auch im Online-Bereich die Angebotspalette und das Angebotsprofil ein qualitativ hochwertiges, anspruchsvolles Angebot, das den bestehenden öffentlich-rechtlichen Qualitätskriterien entspricht.

2.6 Komplementäre oder ausschließende Beziehungen von TV.ORF.at zu anderen Programmen oder Angeboten des Österreichischen Rundfunks

...

Zeitlich begrenzte Sendereihen werden häufig im Rahmen von Teilangeboten inhaltlich begleitet.

...

2.7 Themen, Formate, Programmschienen von TV.ORF.at

Für die im Angebot TV.ORF.at behandelten Themen siehe Punkt 2.

Das grundlegende Format der einzelnen Beiträge wird durch die multimedialen Möglichkeiten des World Wide Web bestimmt.

Die einzelnen Beiträge können aus Text, Bild und Bildergalerien, Infografiken, Audio-Beiträgen und AV-Beiträgen, ergänzenden interaktiven Elementen und Links (zu anderen Beiträgen innerhalb von TV.ORF.at, Beiträgen und Startseiten von anderen Online-Angeboten des ORF und zu anderen Seiten im World Wide Web) bestehen.

Die multimediale Gestaltung wird nach Verfügbarkeit und journalistisch-redaktionellen Kriterien von der Redaktion vorgenommen.

Für bestimmte Sendereihen werden während der Laufzeit besonders viele sendebegleitende Inhalte angeboten. Solche Teilangebote bieten Ausschnitte aus den Sendungen, im Fernsehen nicht zur Gänze gesendetes TV-Material, Hintergrundberichte über die Mitwirkenden, Kontakt und Seherbeteiligung über ergänzende interaktive Elemente wie Abstimmungen und nicht ständige Foren. Diese Sendungsbegleitungen enden jeweils spätestens 30 Tage nach Ablauf der jeweiligen Sendereihe.

Nach Maßgabe der Ressourcen werden auch für laufende Sendungen mehr sendebegleitende Inhalte in verbunden Teilangeboten mit Hintergrundbeiträgen, einzelnen Beiträgen aus der Sendung, Kontaktmöglichkeiten, Podcasts und anderen ergänzenden interaktiven Elementen zur Verfügung gestellt.“

5        Im Rahmen der rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht (auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst) Folgendes aus:

6        Die belangte Behörde habe die Auffassung vertreten, mit dem Erkennungstool und dem Archiv sei ein Online-Angebot bereitgestellt worden, das über den gesetzlichen und durch die Angebotskonzepte gesteckten Rahmen hinausgehe, weshalb eine Auftragsvorprüfung durchzuführen gewesen wäre.

7        Demgegenüber hätten es die Revisionswerber als durch das Angebotskonzept „TV.ORF.at“ gedeckt erachtet, weil eine wesentliche Unterscheidung vom bisherigen Programm nicht erkennbar sei, es sich vielmehr um eine Form der zulässigen Sendungsbegleitung handle. Hinsichtlich des Archivs hätten die Revisionswerber hingegen ein Fehlverhalten zugestanden.

8        Das Verwaltungsgericht führte dazu - nach einer Wiedergabe der §§ 4e und 6 ORF-G samt Gesetzesmaterialien - einleitend aus, bei der Beurteilung, ob vom ORF zur Verfügung gestellte Online-Inhalte den Anforderungen an eine zulässige Sendungsbegleitung gerecht würden, sei aufgrund wettbewerbsrechtlicher Überlegungen ein strenger Maßstab anzulegen, weil sich der ORF ansonsten leicht einer Auftragsvorprüfung, bei der die Auswirkungen eines neuen Angebots auf die Wettbewerbssituation zu prüfen seien, entziehen könne.

9        Das in Rede stehende Tool habe täglich zahlreiche Facebook-Postings mittels semantischer Überprüfung beschlagwortet und mit Hilfe von Datenbanken auf Plausibilität geprüft, wobei grün hinterlegte Beiträge als plausibel, rot hinterlegte als nicht plausibel bewertet worden seien. Es seien also fremde Medieninhalte auf Glaubwürdigkeit bzw. Nachvollziehbarkeit geprüft und gekennzeichnet worden. Das Tool habe damit eine Analyse bzw. Orientierungshilfe für interessierte Nutzer geboten, eine direkte redaktionelle Einbindung von Mitarbeitern des ORF in die Bewertung sei nicht erfolgt. Unerheblich sei - wegen der entsprechenden Markierung - dass Postings nicht explizit als „Fake“ bezeichnet worden seien.

10       Die Revisionswerber hätten zwar geltend gemacht, dass mit dem Tool lediglich interaktiv hätte illustriert werden sollen, jedes Posting könne „Fakt“ oder „Fake“ sein und könne bzw. müsse auf Authentizität bzw. Richtigkeit geprüft werden. Da es nie auf Vollständigkeit oder einen selbständigen Nutzen angelegt und auch nicht geeignet gewesen sei, ein eigenständiges „Bewertungstool“ oder eine selbständige Orientierungshilfe zu bieten, handle es sich um einen sendungsbegleitenden Inhalt, nicht aber um ein losgelöstes Angebot.

11       Dem sei - so das Verwaltungsgericht - aber zu entgegnen, dass ein Erkennungstool in einer auch nur ansatzweise ähnlichen Form bislang vom bestehenden Online-Angebot nicht umfasst und vom Angebotskonzept nicht gedeckt gewesen sei. Das in Rede stehende Tool habe - entgegen dem Vorbringen der Revisionswerber - vielmehr eigenständig genutzt werden können, ein Abhängigkeitsverhältnis zur ZIB-Magazin-Sendung vom 27. September 2017 sei nicht erkennbar. Damit sei es über eine bloße Sendungsbegleitung hinausgegangen und habe sich wesentlich vom bestehenden Angebot unterschieden.

12       Nicht zielführend sei auch das Argument der Revisionswerber, es seien im Online-Angebot auch andere, selbst von der belangten Behörde als Sendungsbegleitung deklarierte Inhalte bereitgestellt worden und es ergebe sich aus einer Zusammenschau aller inhaltlichen und formalen Elemente der sendungsbegleitende Charakter: Auch wenn das in den in Rede stehenden Websites eingebundene Video und der dortige weiterführende Text vertiefende Sendungsinhalte dargestellt hätten, sei Kernstück doch das Erkennungstool gewesen. Dieses habe in seiner konkreten Ausgestaltung ausgereicht, eine inhaltliche Verschiedenheit zum bisherigen Angebot herbeizuführen.

13       Ein solcherart als neu einzustufendes Angebot im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 2 ORF-G hätte vor seiner Erbringung einer Auftragsvorprüfung nach § 6 ff ORF-G unterzogen werden müssen. Indem der ORF dies unterlassen habe, sei der Tatbestand des § 38 Abs. 1 Z 5 iVm § 6 ORF-G verwirklicht worden.

14       Gleiches gelte auch für die erweiterte Archivfunktion, mit der Inhalte über die zeitlichen Grenzen des § 4e Abs. 3 vierter Satz ORF-G hinaus bereitgestellt worden seien, was ebenfalls vom bestehenden Angebotskonzept nicht gedeckt gewesen sei.

15       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.

16       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

18       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

19       Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung macht zusammengefasst Folgendes geltend:

Es fehle Rechtsprechung zur Frage der Notwendigkeit einer Auftragsvorprüfung nach § 6 ORF-G, insbesondere zur Frage des Ineinandergreifens der Bestimmungen des § 6 ORF-G und des § 4e ORF-G und zu den Inhalten von Angebotskonzepten. Die Beantwortung dieser Frage sei entscheidend für die Lösung des Revisionsfalles, weil sendungsbegleitende Inhalte nach § 4e Abs. 3 ORF-G vom bestehenden, durch das Angebotskonzept gedeckten Online-Angebot erfasst würden. Beim inkriminierten Tool handle es sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts um eine Form der zulässigen Sendungsbegleitung, nämlich zu einem Beitrag im ZiB-Magazin vom 27. September 2017 im Programm ORF eins. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts sei die Rechtslage nicht klar und eindeutig, was bereits dessen Hinweis auf den bei der Auslegung anzulegenden besonders strengen Maßstab zeige.

Zudem sei das Verwaltungsgericht von der - näher zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs insofern abgewichen, als die Verkündung des Erkenntnisses unterblieben sei, ohne dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorgelegen seien; überdies sei dies begründungslos erfolgt. Zwar finde sich in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung der Passus „Die Verkündung der Entscheidung entfällt gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG, womit sich die Parteien ausdrücklich einverstanden erklären.“ Dem Verwaltungsgericht sei jedoch eine Verletzung der Manuduktionspflicht gegenüber den in der mündlichen Verhandlung nicht qualifiziert vertretenen Revisionswerbern anzulasten, weil sie weder über ihr Recht auf Verkündung des Erkenntnisses noch über die Rechtsfolgen eines diesbezüglichen Verzichts belehrt worden seien. Abgesehen davon sei der - unwirksame - Verzicht erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich nach „Schluss der Verhandlung“ abgegeben worden. Zu diesen Fragen, also den Konsequenzen einer fehlenden Manuduktion für die Wirksamkeit eines Verzichts auf mündliche Verkündung und dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Abgabe eines wirksamen Verzichts, fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

20       Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

21       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die Rechtslage eindeutig ist, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. nur etwa VwGH 5.3.2019, Ra 2019/03/0020, mwN).

22       Eine solche Konstellation liegt im Revisionsfall - hinsichtlich der Notwendigkeit einer Auftragsvorprüfung nach § 6 ORF-G, deren Unterlassung mit dem angefochtenen Erkenntnis angelastet wurde - vor:

23       Die §§ 4e, 5a und 6 ORF-G, BGBl. Nr. 379/1984, jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2010, lauten - samt den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu dieser Novelle (RV 611 BlgNR 24. GP), mit der diese Bestimmungen die maßgebliche Fassung erhielten - auszugsweise wie folgt:

Besonderer Auftrag für ein Online-Angebot

§ 4e. (1) Der Österreichische Rundfunk hat zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags (§ 4) auch ein Online-Angebot bereitzustellen, das insbesondere sendungsbegleitende und in direktem Zusammenhang mit seinen Rundfunkprogrammen stehende Inhalte zu umfassen hat. Dieses Online-Angebot hat nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit zu beinhalten:

1.   Information über den Österreichischen Rundfunk und seine gemäß § 3 veranstalteten Programme und bereitgestellten Angebote;

2.   eine tagesaktuelle Überblicksberichterstattung (Abs. 2);

3.   die Begleitung der in den Programmen nach § 3 Abs. 1 und 8 ausgestrahlten Sendungen (sendungsbegleitende Inhalte; Abs. 3) und

4.   einen Abrufdienst für die in den Programmen nach § 3 Abs. 1 und 8 ausgestrahlten Sendungen (Abs. 4).

(2) ...

(3) Sendungsbegleitende Inhalte (Abs. 1 Z 3) sind:

1.   Informationen über die Sendung selbst und die daran mitwirkenden Personen sowie damit im Zusammenhang stehender Sendungen, einschließlich Audio- und audiovisueller Angebote und ergänzender interaktiver Elemente sowie Podcasts (Audio und Video), und

2.   Informationen zur unterstützenden Erläuterung und Vertiefung der Sendungsinhalte, einschließlich Audio- und audiovisueller Angebote und ergänzender interaktiver Elemente sowie Podcasts (Audio und Video), soweit dabei auf für die jeweilige Hörfunk- oder Fernsehsendung bzw. Sendereihe verfügbare Materialien und Quellen zurückgegriffen wird und dieses Angebot thematisch und inhaltlich die Hörfunk- oder Fernsehsendung unterstützend vertieft und begleitet.

Sendungsbegleitende Inhalte sind jeweils durch Angabe der Bezeichnung und des Ausstrahlungsdatums jener Hörfunk- oder Fernsehsendung zu bezeichnen, welche sie begleiten. Sendungsbegleitende Angebote dürfen kein eigenständiges, von der konkreten Hörfunk oder Fernsehsendung losgelöstes Angebot darstellen und nicht nach Gesamtgestaltung und -inhalt dem Online-Angebot von Zeitungen und Zeitschriften entsprechen; insbesondere darf kein von der Begleitung der konkreten Hörfunk- oder Fernsehsendungen losgelöstes, vertiefendes Angebot in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Chronik, Kultur und Wissenschaft (einschließlich Technologie), Sport, Mode- und Gesellschaftsberichterstattung bereitgestellt werden. Sendungsbegleitende Inhalte gemäß Z 2 dürfen nur für einen dem jeweiligen Sendungsformat angemessenen Zeitraum bereitgestellt werden, das sind längstens 30 Tage nach Ausstrahlung der Sendung bzw. bei Sendereihen 30 Tage nach Ausstrahlung des letzten Teils der Sendereihe. Die Bereitstellung von sendungsbegleitenden Inhalten in einem angemessenen Zeitraum vor Ausstrahlung der jeweiligen Sendung ist zulässig, soweit der konkrete Sendungsbezug gewahrt bleibt.

(4) Der Abrufdienst gemäß Abs. 1 Z 4 umfasst nur Sendungen (einschließlich Hörfunk), die vom Österreichischen Rundfunk selbst oder in seinem Auftrag, sei es auch in Zusammenarbeit mit Dritten, hergestellt wurden. Für eine entsprechende Indexierung ist zu sorgen. Die Bereitstellung zum Abruf hat ohne Speichermöglichkeit (ausgenommen Podcasts) und für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen nach Ausstrahlung, im Fall von Sportbewerben im Sinne von § 4b Abs. 4 bis zu 24 Stunden nach Ausstrahlung zu erfolgen. Archive mit zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten dürfen nach Maßgabe des Angebotskonzeptes (Abs. 5) auch zeitlich unbefristet zum Abruf bereitgestellt werden. Vorankündigungen von Sendungen im Rahmen des Abrufdiensts sind innerhalb eines angemessenen Zeitraums vor Ausstrahlung in den Programmen nach § 3 Abs. 1 und 8 zulässig.

(5) Das Online-Angebot gemäß Abs. 1 bis 4 darf erst nach Erstellung eines Angebotskonzeptes (§ 5a) bereitgestellt werden und ist keiner Auftragsvorprüfung zu unterziehen. Sind durch die kommerzielle Verwertung der Angebote gemäß Abs. 1 die Voraussetzungen des § 6 erfüllt, ist eine Auftragsvorprüfung (§§ 6 bis 6b) durchzuführen.“

Angebotskonzept

§ 5a.

(1) Angebotskonzepte dienen, soweit in diesem Gesetz vorgesehen, der Konkretisierung des gesetzlichen Auftrags der im öffentlich-rechtlichen Auftrag gelegenen Programme und Angebote. Sie haben insbesondere Angaben zu folgenden Punkten zu enthalten:

1.   Inhaltskategorien;

2.   Zielgruppe;

3.   zeitliche Gestaltung des Programms oder Angebots inklusive allfälliger zeitlicher Beschränkungen;

4.   technische Nutzbarkeit des oder Zugang zum Angebot;

5.   allfällige besondere Qualitätskriterien;

6.   allfällige komplementäre oder ausschließende Beziehungen zu anderen Programmen oder Angeboten des Österreichischen Rundfunks;

7.   Themen, Formate, Programmschienen oder sonstige Angaben dazu, was hauptsächlich, nur nebenrangig oder überhaupt nicht Gegenstand des Programms oder Angebots sein soll;

8.   Einhaltung der Vorgaben dieses Gesetzes, insbesondere Ausführungen zur Vereinbarkeit des Programms oder Angebots mit § 4.

(2) Angebotskonzepte sind nach ihrer erstmaligen Erstellung sowie nach jeder nicht bloß geringfügigen Änderung der Regulierungsbehörde zu übermitteln. Die Regulierungsbehörde hat binnen acht Wochen nach Übermittlung die Verbesserung des Angebotskonzeptes aufzutragen, wenn das Angebotskonzept unvollständig ist. Die Regulierungsbehörde hat binnen acht Wochen nach Übermittlung des vollständigen Angebotskonzepts die Durchführung des Angebotskonzeptes zu untersagen, wenn die Veranstaltung oder Bereitstellung des betreffenden Programms oder Angebots gegen die Vorgaben dieses Gesetzes verstoßen würde oder eine Auftragsvorprüfung gemäß §§ 6 bis 6b durchzuführen wäre. Hat die Regulierungsbehörde innerhalb der genannten Frist die Durchführung des Angebotskonzepts nicht untersagt, hat der Österreichische Rundfunk das Angebotskonzept auf seiner Website leicht auffindbar, unmittelbar und für die Dauer seiner Gültigkeit ständig zugänglich zu machen. Das Programm oder Angebot darf beginnend mit der Veröffentlichung des Angebotskonzepts veranstaltet oder bereitgestellt werden.

(3) Abs. 2 gilt nicht für Angebotskonzepte, die im Rahmen einer Auftragsvorprüfung erstellt werden (§ 6a Abs. 1). Er findet auf im Rahmen einer Auftragsvorprüfung erstellte und genehmigte Angebotskonzepte nur bei neuerlichen, nicht bloß geringfügigen Änderungen Anwendung, sofern nicht wiederum eine Angebotsvorprüfung durchzuführen ist.

(4) Der Österreichische Rundfunk hat sich bei der konkreten Ausgestaltung seiner Programme und Angebote vom jeweiligen Angebotskonzept leiten zu lassen und die dadurch gezogenen Grenzen einzuhalten.“

Auftragsvorprüfung

Anwendungsbereich

§ 6. (1) Eine Auftragsvorprüfung ist in den in diesem Gesetz festgeschriebenen Fällen sowie dann durchzuführen, wenn der Österreichische Rundfunk ein neues Angebot im Sinne des Abs. 2 anzubieten beabsichtigt.

(2) Als neue Angebote gelten

1.   Programme oder Angebote gemäß § 3, die erstmals veranstaltet oder bereitgestellt werden und sich wesentlich von den vom Österreichischen Rundfunk aufgrund der §§ 3 bis 5 bereits zum Zeitpunkt der Auftragsvorprüfung erbrachten Programmen oder Angeboten unterscheiden, oder

2.   bestehende Programme oder Angebote gemäß § 3, die so geändert werden, dass sich das geänderte Programm oder Angebot voraussichtlich wesentlich vom bestehenden Programm oder Angebot unterscheiden wird.

(3) Eine wesentliche Unterscheidung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere vor:

1.       wenn sich die Angebote durch ihren Inhalt, die Form ihrer technischen Nutzbarkeit oder ihres Zugangs wesentlich von den bestehenden Programmen oder Angeboten gemäß § 3 unterscheiden, oder

2.   wenn die Angebote eine wesentlich andere Zielgruppe ansprechen als bestehende Programme oder Angebote gemäß § 3.

Ein Indiz für eine wesentliche Unterscheidung liegt vor, wenn der aus der Neuschaffung oder der Änderung entstehende finanzielle Aufwand mehr als 2 vH der Kosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags beträgt.

(4) Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine wesentliche Änderung im Sinne von Abs. 3 vorliegt, sind insbesondere das Angebotskonzept (§ 5a), soweit ein solches besteht, die Programmpläne und die Jahressende- und Jahresangebotsschemen (§ 21 Abs. 1 Z 3 und § 21 Abs. 2 Z 2).

(5) Unbeschadet § 4g darf ein neues Angebot vor Erteilung einer Genehmigung gemäß § 6b nicht erbracht werden.“

24       Die Materialien zu § 4e Abs. 3 ORF-G (Erl zur RV 611 BlgNR 24. GP) lauten auszugsweise:

„Abs. 3 definiert, welche Online-Inhalte als sendungsbegleitende Inhalte zulässig sind, ohne den Wettbewerb ungebührlich zu verzerren. Gesetzlicher Maßstab hierfür ist, dass diese Inhalte entweder Informationen über die Sendung selbst oder damit im Zusammenhang stehender Sendungen (zB andere Sendungen derselben Sendereihe), einschließlich von Informationen über die in den Sendungen vorkommenden Personen (zB Teilnehmer einer Sendung) zu sein haben (zu dieser Kategorie zählen auch Querverweise, Programmhinweise, Verweise auf andere Sendungen derselben Sendungsreihe einschließlich textlicher Wiedergabe des Sendungsinhalts sowie Zusammenfassungen), oder aber der unterstützenden Erläuterung und Vertiefung der Sendungsinhalte dienen. Es darf sich dabei grundsätzlich nur um für die jeweilige Sendung bzw. Sendereihe verfügbare Materialien und Quellen handeln; Voraussetzung ist ferner, dass das Angebot insgesamt die Sendung bzw. Sendereihe thematisch und inhaltlich unterstützend vertieft und begleitet. Nicht zulässig wären demgegenüber ‚sendungsbegleitende Inhalte‘, die das Thema einer Sendung bloß als Anlass nehmen, um umfassend und weit über die Sendungsinhalte hinaus über dieses Thema zu berichten. Nicht zulässig sind auch eigenständige, sendungsunabhängige Inhalte. Ebenso wie die Überblicksberichterstattung (Abs. 2) darf auch das sendungsbegleitende Angebot aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nach Gestaltung und Inhalt nicht dem Online-Angebot von Zeitungen oder -zeitschriften entsprechen; es ist dabei eine Gesamtbetrachtung anzustellen, d.h. eine singuläre Übereinstimmung einzelner Inhalte wird dadurch nicht ausgeschlossen. Um eine entsprechende Aufsicht durch die Regulierungsbehörde zu ermöglichen, verlangt Abs. 3, dass stets diejenige Sendung samt Ausstrahlungsdatum zu bezeichnen ist, welche durch den entsprechenden Online-Inhalt begleitet wird. Die inhaltliche und formale Gestaltung der sendungsbegleitenden Inhalte liegt wiederum im journalistischen Freiraum des ORF. Der Entwurf stellt wiederum klar, dass auch die Sendungsbegleitung Audio- und audiovisuelle Elemente umfassen kann. So wäre es beispielsweise möglich, ein im Fernsehen gekürzt ausgestrahltes Interview im Rahmen der Sendungsbegleitung ungekürzt zur Verfügung zu stellen, ebenso zusätzliches Bildmaterial, das für eine Fernsehreportage zwar gedreht, aber nicht zur Gänze verwendet wurde. Auch kurze Ausschnitte aus anderen Sendungen derselben Sendereihe oder von Vorbereitungsveranstaltungen für Sendungen (Castings) sind möglich. Weiters stellt Abs. 3 klar, dass sendungsbegleitende Inhalte lediglich in einem angemessenen Zeitraum nach Ausstrahlung der Sendung bereitgestellt werden dürfen. ‚Angemessen‘ wird im jeweiligen Einzelfall auszulegen sein. Generell wird eine Frist von maximal einem Monat ab Ausstrahlung als anzusehen sein; wobei in begründeten Fällen wie etwa bei einer länger, aber über einen doch überschaubaren Zeitraum stattfindenden Sendereihe, die durch einen verbindenden inhaltlichen Zusammenhang gekennzeichnet ist, eine Bereitstellung über den gesamten Zeitraum dieser Sendreihe plus dem erwähnten angemessenen Zeitraum danach denkbar ist. Vorgesehen ist weiters, dass eine Sendungsbegleitung auch in einem angemessenen Zeitraum vor Ausstrahlung der jeweiligen Sendung zulässig ist, soweit der konkrete Sendungsbezug gewahrt bleibt. Dies soll dem ORF insbesondere ermöglichen, für eine entsprechende Ankündigung und Vorbereitung seiner Sendungen im Internet (z.B. Kandidatensuche) zu sorgen.“

25       Nach § 6 ORF-G ist eine Auftragsvorprüfung also in den gesetzlich vorgesehenen Fällen sowie bei allen neuen Angeboten durchzuführen.

26       Wann ein Angebot als „neu“ gilt, wird in § 6 Abs. 2 ORF-G definiert; Abs. 3 normiert, wann eine wesentliche Änderung iSd Abs. 2 vorliegt; für die Beurteilung einer wesentlichen Änderung ist insbesondere das Angebotskonzept maßgeblich (Abs. 4).

27       Gemäß § 5a Abs. 1 ORF-G dienen Angebotskonzepte der Konkretisierung des gesetzlichen Auftrags für Programme und Angebote; sie haben insbesondere Angaben zu den in den Z 1 bis 8 genannten Parametern zu enthalten. Der ORF hat bei der konkreten Ausgestaltung seiner Programme und Angebote die vom jeweiligen Angebotskonzept gezogenen Grenzen einzuhalten (Abs. 4).

28       § 4e ORF-G verpflichtet den ORF, zwecks Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags auch ein Online-Angebot bereitzustellen. Dieses hat insbesondere „sendungsbegleitende“ und in direktem Zusammenhang mit seinen Rundfunkprogrammen stehende Inhalte zu umfassen.

29       Unter den Umständen des vorliegenden Falles, insbesondere ausgehend von den iSd § 5a Abs. 4 ORF-G maßgeblichen Grenzen des bestehenden Angebotskonzepts des ORF für TV.ORF.at, wäre für das in Rede stehende, im Angebotskonzept nicht unmittelbar adressierte Tool eine Auftragsvorprüfung dann nicht erforderlich gewesen, wenn es sich dabei um zulässige Sendungsbegleitung iSd § 4e Abs. 3 ORF-G gehandelt hätte. Dies haben die Revisionswerber geltend gemacht, dies wurde vom Verwaltungsgericht - wie zuvor schon von der KommAustria - aber verneint.

30       Entgegen der Revision entspricht diese Beurteilung des Verwaltungsgerichts der insoweit klaren Gesetzeslage, die damit keiner weiteren „Klarstellung“ durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs bedarf:

31       Schon der Wortlaut des § 4e Abs. 3 ORF-G, der definiert, welche Online-Inhalte als sendungsbegleitend zulässig sind, verlangt eine Verknüpfung zwischen der „Sendungsbegleitung“ und entweder der betreffenden „begleiteten“ Sendung selbst bzw. damit in Zusammenhang stehender Sendungen (Z 1) oder von unterstützenden Erläuterungen und Vertiefungen der Sendungsinhalte (Z 2). Sendungsbegleitende Angebote dürfen kein eigenständiges, von der konkreten Hörfunk- oder Fernsehsendung losgelöstes Angebot darstellen.

32       Die dazugehörenden Materialien verdeutlichen dies: Sie sprechen den Zweck der Abgrenzung (Hintanhaltung ungebührlicher Wettbewerbsverzerrungen) mehrfach an und halten fest, dass mit „sendungsbegleitenden Inhalten“ entweder Informationen über die Sendung selbst bzw. damit in Zusammenhang stehender Sendungen gemeint seien oder über Inhalte, die der unterstützenden Erläuterung und Vertiefung der Sendungsinhalte dienen, was durch Beispiele illustriert wird. Jedenfalls dürfe es sich grundsätzlich nur um für die jeweilige Sendung bzw. Sendereihe verfügbare Materialien und Quellen handeln. Voraussetzung sei auch, dass das Angebot insgesamt die Sendung bzw. Sendereihe thematisch und inhaltlich unterstützend vertiefe und begleite. Nicht zulässig wäre es hingegen, das Thema einer Sendung bloß als Anlass für eine umfassende und weit über die Sendungsinhalte hinausgehende Berichterstattung zu nehmen. Als Beispiel für zulässige Sendungsbegleitung werden in den Materialien Informationen über die in der Sendung vorkommenden Personen, die Veröffentlichung der ungekürzten Version eines in der betreffenden Sendung vorgekommenen Interviews oder die Zurverfügungstellung von in der jeweiligen Sendung nicht vollständig verwendeten Bildmaterials genannt. Dargelegt wird weiters, dass das Gebot der Bezeichnung der jeweils begleiteten Sendung eine entsprechende Aufsicht durch die Regulierungsbehörde - die „eine Gesamtbetrachtung anzustellen“ habe - ermöglichen soll.

33       Das Verwaltungsgericht hat die vom Gesetz verlangte Gesamtbetrachtung angestellt: Das in Rede stehende Tool habe fremde Medieninhalte - in laufender Ergänzung - auf Glaubwürdigkeit bzw. Nachvollziehbarkeit hin geprüft und in der Folge - ohne direkte redaktionelle Einbindung von Mitarbeitern des ORF - entsprechend gekennzeichnet. Es habe damit eine Orientierungshilfe für interessierte Nutzer geboten und habe eigenständig, ohne Abhängigkeit insbesondere zur ZiB-Magazin-Sendung vom 27. September 2017, verwendet werden können. Ein Hinweis auf die vorgeblich begleitete Sendung sei auf der einen Website gar nicht, auf der anderen nur zeitweise enthalten gewesen.

34       Dieses Tool richtete sich - ausgehend von seiner (vom ORF selbst bereitgestellten) Beschreibung - an „Medieninteressierte“ und Journalisten, um „Orientierung in der oft unübersichtlichen Welt der Online-Medien“ zu bieten. Insbesondere der Umstand, dass die bewerteten Beiträge laufend ergänzt wurden und so von einer allenfalls begleiteten Sendung entkoppelt, also selbständig als „Orientierungshilfe“ genutzt werden konnten, zeigt, dass die Bereitstellung des „Erkennungstools“ über den Informationsgehalt der ZiB-Magazin-Sendung weit hinausging und somit das Thema dieser Sendung nur als Anlass genommen hat, um umfassender darüber zu berichten. Dass - wie die Revision betont - das „Erkennungstool“ nicht auf Vollständigkeit ausgerichtet war, ändert an dieser Beurteilung nichts, weil es schon nach der Natur der Sache nicht möglich ist, eine vollständige Beurteilung von „Fake News“-Postings zur Verfügung zu stellen. Es macht - entgegen der Revision - auch keinen Unterschied, dass keine ausdrückliche Kennzeichnung als „Fake“ oder „Fakt“, sondern eine Sortierung mittels Farben (rot/grün) erfolgte, ist doch der Bedeutungsgehalt der so vorgenommenen Typisierung im gegebenen Zusammenhang klar erkennbar.

35       Die Beurteilung, ob ein konkretes Angebot als „sendungsbegleitend“ zulässig ist, erfordert nach dem Gesagten eine fallbezogene Würdigung der jeweiligen Gesamtumstände. Hat das Verwaltungsgericht seine Beurteilung auf Basis einer solchen Würdigung vorgenommen und wird - wie hier - von der Revision nicht aufgezeigt, das diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt sei, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG diesbezüglich nicht vor (vgl. dazu etwa VwGH 26.3.2021, Ra 2021/03/0006, 22.12.2020, Ra 2020/06/0199, 7.9.2020, Ra 2020/08/0132, 1.10.2019, Ra 2019/17/0078).

36       Auch soweit in der Zulässigkeitsbegründung das Unterbleiben einer Verkündung des Erkenntnisses gerügt wird und in diesem Zusammenhang dem Verwaltungsgericht Verfahrensfehler angelastet werden, wird damit nicht aufgezeigt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte:

37       In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2020 ist, nachdem der „Schluss des Beweisverfahrens“ und daraufhin (die Parteien verzichteten auf Schlussausführungen) der „Schluss der Verhandlung“ protokolliert wurde, Folgendes festgehalten: „Die Verkündung der Entscheidung entfällt gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG, womit sich die Parteien ausdrücklich einverstanden erklären“. Im Anschluss daran ist noch festgehalten, dass den Parteien eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt werde. Schließlich wird das „Ende“ der mündlichen Verhandlung mit 10:40 Uhr genannt.

38       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Partei, die - wie hier - in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf die (Erstreckung einer Verhandlung zur) Verkündung des Erkenntnisses verzichtet, durch die Unterlassung der mündlichen Verkündung in ihren Rechten nicht verletzt sein kann (vgl. etwa VwGH 16.5.2019, Ra 2018/02/0198, 26.2.2019, Ra 2018/03/0134).

39       Wenn die Revisionswerber vorbringen, sie seien bezüglich des Verzichtes auf Verkündung des Erkenntnisses in ihrem Recht auf Manuduktion gemäß § 17 VwGVG iVm §13a AVG verletzt worden, weil sie - in der mündlichen Verhandlung nicht qualifiziert vertreten - weder über ihr Recht auf Verkündung des Erkenntnisses noch über die Rechtsfolgen eines diesbezüglichen Verzichts belehrt worden seien, wird damit schon mangels Darstellung der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargelegt. Insbesondere wird nicht einmal behauptet, dass der Erstrevisionswerber - als Jurist und Mitarbeiter der Rechtsabteilung des ORF für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter - etwa keine Kenntnis davon gehabt hätte, dass gemäß § 47 Abs. 4 VwGVG das Erkenntnis grundsätzlich zu verkünden ist (vgl. zu dieser grundsätzlichen Verpflichtung etwa VwGH 26.5.2020, Ra 2018/11/0195, mwN) oder dass ihm unklar geblieben sei, dass ein von ihm abgegebener Verzicht das Verwaltungsgericht von dieser Verpflichtung entbindet.

40       Ebensowenig zielführend ist der Hinweis, dass der Verzicht erst nach dem „Schluss der Verhandlung“ protokolliert wurde:

41       Gemäß § 47 Abs. 1 VwGVG ist das Verfahren möglichst in einer Verhandlung abzuschließen. Wenn die Rechtssache reif zur Entscheidung ist, dann ist „die Beweisaufnahme zu schließen“ (Abs. 2). Nach Schluss der Beweisaufnahme ist den Parteien Gelegenheit zu ihren Schlussausführungen zu geben, wobei dem Beschuldigten das Recht zusteht, sich als letzter zu äußern (Abs. 3). Nach Abs. 4 ist hierauf „die Verhandlung zu schließen“; im Verfahren vor dem Senat zieht sich dieser zur Beratung und Abstimmung zurück. Der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung sind „nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden“.

42       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hindert weder der „Schluss der Beweisaufnahme“ iSd § 47 Abs. 2 VwGVG noch der Formalakt des „Schlusses der Verhandlung“ iSd § 47 Abs. 4 VwGVG die Berücksichtigung allfälliger späterer, sich noch vor der Verkündung des Erkenntnisses ergebender Beweise (VwGH 18.6.2018, Ra 2018/02/0188, 16.5.2019, Ra 2018/02/0198).

43       Wenn also, so wie im Revisionsfall, die in Rede stehende Prozesserklärung (Einverständnis zu Unterbleiben der Verkündung) nach dem Formalakt des „Schlusses der Verhandlung“, aber vor dem Ende der mündlichen Verhandlung („Ende: 10:40 Uhr“) und damit vor dem Zeitpunkt, in dem, wäre nicht darauf verzichtet worden, zu verkünden gewesen wäre, abgegeben wurde, ist - entgegen der Revision - nicht zu erkennen, dass diese Erklärung unwirksam gewesen wäre.

44       In der Revision werden nach dem Gesagten also keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Mai 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020030146.L00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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