TE Vwgh Beschluss 2021/5/4 Ra 2021/14/0136

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Veröffentlicht am 04.05.2021
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Index

19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
MRK Art3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag. Alexander Fuchs, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 2021, W148 2199872-2/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 6. Juni 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), welcher vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 24. Februar 2020 - im Beschwerdeverfahren - vollinhaltlich abgewiesen wurde.

2        Am 5. Jänner 2021 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005.

3        Mit Bescheid vom 23. Februar 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei, legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren.

4        Mit Erkenntnis vom 15. März 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil auf Grund eines geänderten Sachverhaltes nicht von entschiedener Sache ausgegangen werden dürfe: Die allgemeine Lage in Afghanistan habe sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens durch die COVID-19-Pandemie wesentlich geändert. Der Zugang der Bevölkerung zu medizinischen Behandlungen habe sich verringert, die Ernährungssicherheit sei beeinflusst, die privaten Haushalte seien durch die wirtschaftliche Rezession belastet und die Pandemie habe negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Rückkehrer seien auf Hilfe angewiesen und der Revisionswerber verfüge über derartige Hilfe nicht. Es bestehe für den Revisionswerber im Falle einer Rückkehr die reale Gefahr einer Verletzung seiner in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte auf Grund der gesundheitlichen Gefährdung durch COVID-19, außerdem könne er sich aufgrund der Arbeitslosigkeit seine Existenzgrundlage nicht sichern, seine notwendigen Lebensbedürfnisse nicht befriedigen und würde in eine ausweglose Situation geraten.

9        Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 23.9.2020, Ra 2020/14/0175, mwN).

10       Diese Grundsätze zur Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen ist, gelten auch für Sachverhaltsänderungen, die auf das Auftreten des SARS-CoV-2-Virus und auf Auswirkungen von Maßnahmen, die zur Eindämmung seiner Verbreitung gesetzt wurden, zurückzuführen sind (vgl. VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255).

11       Das Bundesverwaltungsgericht hat die in der Revision hervorgehobenen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die allgemeine Situation in Afghanistan im Erkenntnis festgestellt, sich damit - im Speziellen mit der medizinischen Versorgung, den getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, der angespannten Wirtschafts- und Versorgungslage sowie mit der Arbeitsmarktsituation - auseinandergesetzt und ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass auch unter Berücksichtigung der Pandemie und deren Auswirkungen ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr des Revisionswerbers nicht erkennbar sei, sodass der der Entscheidung zu Grunde zu legende Sachverhalt insofern keine relevante Änderung erfahren habe. Dabei erwog es außerdem, dass der Revisionswerber als 22-jähriger gesunder junger Mann ohne Vorerkrankungen keiner Risikogruppe angehöre, bei der im Falle einer Ansteckung ein schwererer Krankheitsverlauf zu befürchten sei.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen. Bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, kommt es nicht darauf an, ob infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen sich die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist (vgl. etwa VwGH 11.11.2020, Ra 2020/14/0390, mwN).

13       Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung gelingt es der Revision mit ihrem allgemeinen Zulässigkeitsvorbringen nicht darzulegen, dass nunmehr derartige exzeptionelle Umstände bestünden, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung des Revisionswerbers befürchten ließen, und daher in Bezug auf die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Status des subsidiär Schutzberechtigten eine relevante Sachverhaltsänderung seit der Vorentscheidung eingetreten wäre.

14       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140136.L00

Im RIS seit

17.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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