Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Berger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schopf, Dr. Rothe, Dr. Steinböck und Dr. Neperscheni als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma S***** Gesellschaft mbH & Co, Kommanditgesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Kurt Bielau, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Rosa B*****, vertreten durch Dr. Helmut Pokorny, Rechtsanwalt in Graz, wegen Übergabe eines Mietgegenstands (Streitwert 24.000 ATS), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 13. Juli 1966, GZ 3 R 152/66-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. April 1966, GZ 24 C 194/65-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 950,44 ATS bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage von der Beklagten, der Eigentümerin des Hauses in G*****, die Übergabe zweier dort befindlicher Mietobjekte, nämlich des ebenerdigen Geschäftslokals und der Dreizimmerwohnung im ersten Stockwerk. Verhandlungen zwischen den Streitteilen hätten zum Abschluss eines Mietvertrags geführt, demzufolge die Beklagte der Klägerin ab 1. 9. 1965 die erwähnten Räume gegen einen monatlichen Bestandzins von 2.000 ATS, zahlbar jeweils am 1. März und 1. September, vermietet habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe allerdings mit Karl S*****, dem „Chef“ der klagenden Partei, aber auch mit (dem von ihr als Angestellten der Klägerin bezeichneten) Rudolf P***** wegen einer allfälligen Verpachtung der genannten Räume verhandelt, doch sei es zu keiner rechtsverbindlichen Vereinbarung gekommen. Da sich P***** ihr gegenüber nicht mit einer entsprechenden Vollmacht habe ausweisen können, habe sie erklärt, den Vertrag nur mit dem Firmenchef abschließen zu können. Daraufhin sei der Geschäftsführer Karl S***** bei ihr erschienen und habe die Räume besichtigt. Sie sei mit ihm übereingekommen, dass die einzelnen Vertragsbedingungen in der Kanzlei des Rechtsanwalts Dr. Franz W***** festgelegt werden würden, doch habe sich S***** in der Folge dort nicht eingefunden.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte im Wesentlichen Folgendes als erwiesen fest: Die Beklagte hat in der ersten Augusthälfte 1965 in G***** mit Rudolf P***** und Friedrich S***** von der klagenden Partei über den beabsichtigten Bestandvertrag eine abschließende Unterredung geführt, der ein bei früheren Besprechungen abgefasster, sogenannter Vorvertrag zugrundelag. Verschiedene damals von der Beklagten geäußerte Sonderwünsche wurden von den beiden Unterhändlern der Klägerin zustimmend zur Kenntis genommen. Da Friedrich S***** über diese Besprechung an die klagende Partei nach S***** berichten musste, stellte er an die Beklagte die ausdrückliche Frage, ob das Verhandlungsergebnis für sie bindend sei, worauf sie erklärte, sie stehe zu ihrem Wort. Lediglich in finanzieller Hinsicht äußerte sie Bedenken, weil für sie noch kein Geld greifbar sei. S***** bot ihr daher die erste Mietzinsvorauszahlung an, womit die Beklagte einverstanden war und bemerkte, die Vorauszahlung möge an ihren Anwalt, Dr. W*****, veranlasst werden. Daraufhin wurden diesem am 18. 8. 1965 die Mietzinse für die ersten sechs Monate ab September 1965 im Gesamtbetrag von 12.000 ATS überwiesen. Für den auf die letzterwähnte Besprechung nächstfolgenden Tag hatten die Beklagte, P***** und S***** eine Zusammenkunft bei Dr. W***** vereinbart, von der dann aber die Beklagte ausblieb. P***** und S*****, die damals zu Dr. W***** gekommen waren, erteilten ihm den Auftrag aufgrund des „Vorvertrages“ und unter Berücksichtigung der ihm bekanntgegebenen Änderungswünsche der Beklagten einen schriftlichen Vertrag zu errichten. Dr. W***** verfasste sodann den Vertragsentwurf und rief die Beklagte telefonisch an, sie möge zur Unterfertigung dieses Vertrags in seine Kanzlei kommen. Als sie dann nach einiger Zeit dort erschien, war Dr. W***** gerade für mehre Tage abwesend. Die Beklagte lehnte es damals ab, den Vertrag zu unterschreiben, insbesondere weil sie darin als Vermieterin und nicht als Verpächterin bezeichnet war. Wegen der Weigerung der Beklagten, den Vertrag zu unterfertigen, begab sich der Geschäftsführer S***** am 9. 9. 1965 nach G***** und suchte die Beklagte in Begleitung von S***** und P***** auf. Die Beklagte bekannte sich damals ohne Einschränkung „zum mündlich abgeschlossenen Mietvertrag, erhob jedenfalls ihm (Karl S*****) gegenüber diesbezüglich keinerlei Einwendungen“ (Seite 131), zeigte nochmals dem Karl S***** sämtliche der Klägerin vermieteten Räume und sagte zu, noch am selben Tag bei Dr. W***** die vorbereitete Vertragsurkunde zu unterfertigen und die Schlüssel zu den Räumlichkeiten Friedrich S***** auszuhändigen. Der Vertragsentwurf entsprach vollinhaltlich der mündlichen Vereinbarung mit Ausnahme der im § 6 des Entwurfs enthaltenen Bestimmung, dass die Vermieterin Einlagerungen in den Keller nur zweimal jährlich an je einem Tag außerhalb der üblichen Geschäftszeit vornehmen dürfe. Auf diese Abweichung wurde Dr. W***** und die Beklagte von Karl S***** aufmerksam gemacht. Bereits am 16. 8. 1965 bestätigte die Klägerin in einem an die Beklagte gerichteten Schreiben die mit ihr getroffenen Vereinbarung, wonach sie damit einverstanden sei, die besichtigten Räumlichkeiten zu den ihr von P***** und S***** bekanntgegebenen Bedingungen an sie (Klägerin) zu vermieten.
In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus, angesichts der getroffenen Feststellung sei zwischen den Streitteilen völlige Willensübereinstimmung über den Umfang des Bestandobjekts und dem von der Klägerin zu entrichtenden Mietzins erzielt worden, was sich bereits aus der an Dr. W***** für sechs Monate geleisteten Mietzinsvorauszahlung ergebe. Auch über die übrigen Vertragspunkte seien sich die Parteien einig geworden, und zwar spätestens am 9. 9. 1965, als die Beklagte gelegentlich ihrer Besprechung mit Karl S***** in Kenntis des von Dr. W***** angefertigten Vertragsentwurfs die vertraglichen Bedingungen genehmigt habe. Dass für die Gültigkeit des Bestandvertrags das Erfordernis der Schriftlichkeit vereinbart worden und die stattgefundenen Verhandlungen und Absprachen nur unverbindlicher Art gewesen wären, habe die Beklagte selbst nicht ausdrücklich behauptet und schon gar nicht beweisen können.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es erachtete das erstinstanzliche Verfahren für mängelfrei, übernahm die erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und pflichtete auch den im Ersturteil angestellten rechtlichen Erwägungen bei.
Die Beklagte ficht das berufungsgerichtliche Urteil aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2–4 ZPO zur Gänze an. Sie beantragt, das Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die zweite Instanz zurückzuverweisen oder die untergerichtlichen Urteile im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Die Beklagte macht zunächst Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend. Dieser Revisionsgrund ist aber nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt. Denn die Beklagte beschränkt sich hiebei auf Hinweise, wonach das Berufungsgericht die Beweis- und Rechtsfragen nicht gehörig erörtert habe und ihnen vielfach ausgewichen sei.
Soweit sich diese Ausführungen auf die Tatsachenfeststellungen beziehen, bekämpft die Beklagte in Wahrheit die Beweiswürdigung. Auch wenn diese nach Ansicht einer Partei mangelhaft und unzureichend ist, kann sie im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst, ist sein Verfahren mangelhaft (Entsch JBl 1956 S 91, JBl 1932 S 477). Mangelhafte Rechtsausführungen können überhaupt keinen Revisionsgrund bilden, es kommt nur darauf an, ob die rechtliche Beurteilung im Ergebnis zutrifft. Hievon wird im Zusammenhang mit dem Revisionsgrund nach § 503 Z 4 die Rede sein.
Dasselbe gilt vom Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit. Dieser ist nur gegeben, wenn die Unterinstanz den Akteninhalt unrichtig wiedergegeben, nicht aber, wenn nach Ansicht des Revisionswerbers aus dem Akteninhalt unrichtige Schlüsse gezogen worden sind (JBl 1954 S 73, JBl 1955 S 503 ua). Die Beklagte meint nun, die Untergerichte hätten zur Feststellung kommen müssen, dass es sich nur um unverbindliche Vorbesprechungen gehandelt habe. Sie sei zu keinem einzigen Vertragspunkt befragt worden, auch hätte sie nicht wissen können, dass Dr. W***** aufgrund der Information durch die Gegenseite einen Vertragsentwurf errichten werde. Sie hätte daher Dr. W***** gar nicht mitteilen können, dass ein Vertragsabschluss noch nicht erfolgt sei. Diese Ausführungen enthalten nun nichts als Schlussfolgerungen; mit keinem Wort kann die Beklagte angeben, mit welchen Stellen des Aktes das Urteil im Widerspruch sei.
In Ausführung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung verweist die Beklagte darauf, sie habe wiederholt verlangt, dass der Vertrag schriftlich bei Dr. W***** errichtet werde. Sie habe äußerstenfalls zugesagt, den Vertrag demnächst bei Dr. W***** unterfertigen zu wollen. Gemäß § 884 ABGB sei sie daher noch nicht gebunden.
Die Parteien waren sich über den Inhalt des Mietvertrags einig. Die Vertreter der Klägerin entsprachen allen weiteren Wünschen der Beklagten. Es kommt daher nur darauf an, ob sich aus den beiderseitigen Erklärungen der Wille, an die bisherigen Abmachungen gebunden zu sein, ergibt. Im Zweifel würde im Hinblick auf die Vermutung des § 884 ABGB das Gegenteil anzunehmen sein. Es ist hiebei zunächst nur auf die Feststellung des Erstgerichts S 127 zu verweisen. Nachdem P***** und S***** den Wünschen der Beklagten entsprochen hatten, fragte S*****, ob für die Beklagte das Ergebnis der Abmachungen bindend sei, worauf sie antwortete, sie stehe zu ihrem Wort. Gerade die Verwendung dieses Ausdrucks, der eine gewisse Feierlichkeit enthält, musste zu der Annahme führen, die Beklagte erachte sich schon jetzt als gebunden. Allerdings stand die Zustimmung der Klägerin selbst noch aus. Die Erklärung der Beklagten hat daher die Bedeutung, dass der Inhalt der Besprechungen als ein verbindliches Anbot zu gelten habe, das die Klägerin innerhalb angemessener Frist anzunehmen habe. Wie S***** die Erklärungen der Beklagten aufgefasst hat, ergibt sich daraus, dass er ihr hernach die Überweisung einer Mietzinsvorauszahlung an ihren Anwalt anbot, womit sie einverstanden war. Wenn die Beklagte sich noch nicht als gebunden erachtet haben sollte, so hätte es der Übung des redlichen Verkehrs entsprochen, darauf hinzuweisen, insbesondere mit Rücksicht auf die Zahlung. Der Ausdruck „ich stehe zu meinem Wort“ in Verbindung mit der Zustimmung zur Mietzinszahlung bedeutet nach den Gewohnheiten des redlichen Verkehrs soviel als an die Erklärung gebunden zu sein.
Die Vermutung des § 884 ABGB ist daher hier widerlegt.
Der Umstand, dass das Erstgericht mehr Gewicht auf die Unterredung vom 9. 9. 1965 legt, hindert nicht den rechtlichen Schluss, dass eine Bindung schon zu dem genannten früheren Zeitpunkt bestand.
Die Beklagte führt auch aus, P***** und S***** seien zum Abschluss des Vertrags nicht ermächtigt gewesen. Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, dass die Klägerin spätestens am 9. 9. 1965 durch ihren Geschäftsführer die bisherigen Abmachungen genehmigt hat. Die Beklagte erhob jedenfalls aus diesem Anlass gegen die Wirksamkeit der Vereinbarungen keine Einwendung.
Verfehlt ist die Rechtsrüge auch insoweit, als die Beklagte ausführt, sie hätte nur zur Fertigung des Mietvertrags verurteilt werden können. Nach obigen Ausführungen ist es bereits zum Abschluss gekommen, so dass die Klägerin sogleich Erfüllung verlangen kann.
Die unbegründete Revision musste daher erfolglos bleiben.
Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E131588European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1967:0070OB00037.670.0308.000Im RIS seit
19.05.2021Zuletzt aktualisiert am
19.05.2021