TE OGH 2021/3/25 2Ob210/20a

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Veröffentlicht am 25.03.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Parzmayr und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Natalie König-Bechter, LL.M., Rechtsanwältin in Bregenz, gegen die beklagte Partei l***** e.U., *****, vertreten durch Bechtold und Wichtl Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen Aufkündigung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 1. September 2020, GZ 3 R 169/20f-19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 29. Mai 2020, GZ 3 C 940/19t-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]            Ca im Jahr 2000 erwarb die Rechtsvorgängerin der Klägerin (in der Folge: Klägerin) ein sich über mehrere Grundstücke erstreckendes Betriebs- und Verwaltungsgebäude, zu dem sie sogleich einen zweigeschoßigen Zubau („Neuhalle“) errichtete. Eines der Grundstücke steht nicht im Eigentum der Klägerin, mit dem Eigentümer besteht aber ein mit 30. 6. 2034 befristeter und verlängerbarer Baurechtsvertrag. Altbestand und „Neuhalle“ sind durchgehend durch Wände abgetrennt und mit Türen verbunden.

[2]            Betriebsgegenstand der Klägerin ist die Herstellung von Werbeanlagen aus Metall, Kunststoff und Email. Der Betrieb setzt sich aus zahlreichen Abteilungen und Einheiten zusammen. Anfänglich benützte die Klägerin die (erweiterten) Betriebsflächen alleine. Da sich die geschäftlichen Angelegenheiten aber nicht so entwickelten wie vorgesehen, entschied sich der Geschäftsführer der Klägerin zur Vermietung nicht benötigter Flächen in der „Neuhalle“. Der erste Fremdmieter war im Jahr 2005 ein Unternehmen, das aber nur eine nicht absperrbare „offene Fläche hinter dem Lift“ in Bestand nahm. Später gab die Klägerin einem zweiten Fremdmieter („Firma M*****“) eine baulich abgetrennte Büroräumlichkeit und eine Produktionsfläche in Bestand.

[3]            In der Folge verhandelte die Klägerin mit den Rechtsvorgängern des Beklagten (in der Folge: Beklagter) über die Vermietung von Geschäftsflächen der „Neuhalle“. Am 2. 2. 2006 schlossen sie einen Mietvertrag, der auszugsweise lautet:

1. Mietgegenstand:

[…]

1.2 Gegenstand dieses Mietvertrages ist eine Betriebsfläche im Ausmaß von ca 210 m². Die genaue Lage und der Umfang ergeben sich aus dem beiliegenden Plan, Beilage 1, welcher einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildet. Vom Mietvertrag weiters umfasst sind auch 2 Parkplätze im Betriebsareal und die Mitbenützung der WC-Anlage.

1.3 Die Vermieterin vermietet und übergibt hiemit an die Mieter und diese mieten und übernehmen von Ersterer die laut beiliegender Planurkunde benannten Räumlichkeiten.

[…]

2. Mietdauer:

2.1 Das Mietverhältnis beginnt am 1. 3. 2006 und endet ohne Kündigung durch Zeitablauf.

[…]

5. Instandhaltung:

[…]

5.7 Ausdrücklich festgehalten wird, dass die Vermieterin Zwischenwände aufstellen wird.

[...]“

[4]            Bis zum Beginn des Bestandverhältnisses wurden die Zwischenwände aufgestellt. Nach dem 28. 2. 2009 verblieb der Beklagte weiter im Mietobjekt, das Bestandverhältnis wurde unbefristet fortgesetzt.

[5]            Mit der am 23. 9. 2019 beim Erstgericht eingelangten und dem Beklagten am 30. 9. 2019 zugestellten Aufkündigung kündigte die Klägerin dem Beklagten das Bestandverhältnis auf und beantragte ihm aufzutragen, den Bestandgegenstand binnen 14 Tagen nach dem 31. 12. 2019 geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags am 2. 2. 2006 hätten sich im Betriebs- und Verwaltungsgebäude der Klägerin lediglich zwei vermietbare Geschäftsräumlichkeiten befunden, sodass eine Vollausnahme von den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG vorliege. Das Mietverhältnis werde daher nach den Bestimmungen des ABGB im Zusammenhang mit § 560 Abs 1 Z 2 lit e ZPO unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten zum 31. 12. 2019 aufgekündigt. Eventualiter werde die Kündigung nach § 30 MRG wegen Eigenbedarfs erklärt.

[6]       Der Beklagte bestritt das Vorliegen des Ausnahmetatbestands und wandte ein, im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses wären jedenfalls mehr als nur zwei räumlich abgetrennte und damit getrennt vermietbare Einheiten vorhanden gewesen. Der Hallenkomplex bilde eine wirtschaftliche Einheit im Sinne eines „einheitlichen Hauses“, sodass die Kündigungsschutzvorschriften des § 30 MRG anzuwenden seien. Die klagende Partei habe aber konkrete Ausführungen zum behaupteten Eigenbedarf nicht erstattet.

[7]            Das Erstgericht erklärte auch im zweiten Rechtsgang die Aufkündigung für nicht rechtswirksam und wies das Klagebegehren ab. Bezüglich der „Neuhalle“ sei von einem einheitlichen Gebäude auszugehen. Das dem Beklagten vermietete Objekt sei mitzuzählen, auch wenn zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung die Abgrenzungswände noch nicht errichtet gewesen seien. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG liege daher nicht vor, weil in der „Neuhalle“ die Objekte der „Firma M*****“ und der Beklagten sowie der von der Klägerin selbst genutzte „Rest“, demnach mehr als zwei vermietbare Geschäftsräumlichkeiten vorhanden gewesen seien. Der Beklagte genieße deshalb den Kündigungsschutz des MRG. Die Kündigung sei jedoch nicht den Anforderungen des § 30 MRG entsprechend begründet worden und demnach als rechtsunwirksam zu erkennen.

[8]       Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

[9]       Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 1 Abs 2 Z 5 MRG zu verneinen sei. Der gesamte, sich über zwei Grundbuchskörper erstreckende Zubau („Neuhalle“) sei ein (einziges) Gebäude iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG, weil er als wirtschaftliche Einheit für einen einzigen Benutzer errichtet und von der Klägerin ursprünglich auch alleine genutzt worden sei. Dieser Qualifikation stehe auch nicht entgegen, dass sich das Gebäude teilweise auf einer Baurechtsliegenschaft befinde. Bis zum Erlöschen des Baurechts am 30. 6. 2034 stünden der Klägerin die Rechte eines Eigentümers an diesem Teil der „Neuhalle“ zu, danach gehe der Bestandvertrag insoweit auf den Liegenschaftseigentümer über. Sämtliche zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags mit dem Beklagten vorhandenen, der Vermietung zugänglichen Raumeinheiten seien in Bezug auf § 1 Abs 2 Z 5 MRG mitzuzählen. Damals sei bereits ein Bestandvertrag mit der „Firma M*****“ über eine Büroräumlichkeit und eine Produktionsfläche in der „Neuhalle“ aufrecht gewesen und die Klägerin habe weitere Räumlichkeiten genutzt. Die Klägerin habe dem Beklagten nicht bloß eine Betriebsfläche, sondern eine durch Trennwände abgeschlossene Geschäftsräumlichkeit in Bestand gegeben, die bei Mietbeginn auch tatsächlich errichtet gewesen sei. Deshalb sei hier auf den Zeitpunkt des Mietbeginns abzustellen und von mehr als zwei vorhandenen Geschäftsräumlichkeiten auszugehen.

[10]     Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu den Fragen, ob in Bezug auf den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG bei Vereinbarung der Errichtung einer (weiteren) abgeschlossenen Geschäftseinheit im Mietvertrag auf den Zeitpunkt des Mietbeginns abzustellen sei, und unter welchen Voraussetzungen ein liegenschaftsübergreifend errichteter Gebäudekomplex als einheitliches „Gebäude“ iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG anzusehen sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege.

[11]     Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[12]           Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

[13]     Die Klägerin macht geltend, das Berufungsgericht sei in der Beurteilung seiner ersten Zulassungsfrage nicht der ständigen Rechtsprechung, sondern einer Literaturmeinung gefolgt. Richtigerweise sei auf den Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses und nicht auf den Mietbeginn abzustellen. Vertraglicher Gegenstand des Bestandverhältnisses sei eine Betriebsfläche gewesen, die nachträgliche Errichtung der Trennwände könne die Rechtsstellung des Beklagten nicht verbessern. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG liege daher vor.

[14]     Die Revision ist zulässig im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts zu seiner ersten Zulassungsfrage; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[15]     1. Vorbemerkungen:

[16]     1.1. Gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG sind vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten ausgenommen.

[17]     Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands trifft denjenigen, der sich auf die Ausnahme beruft (RS0069235 [T5, T8]), hier also die Klägerin.

[18]     1.2. Geht es, wie im vorliegenden Fall, um die Anzahl der vermietbaren Objekte innerhalb eines einzigen, „einheitlichen“ Gebäudes, so kommt es nicht darauf an, ob dieses Gebäude auf mehr als einem Grundbuchskörper errichtet worden ist (so jüngst 1 Ob 67/20i wobl 2021/1, 13 [Hoti] = immolex 2021/57, 116 [Kothbauer]). Dem entspricht auch die Auffassung des Berufungsgerichts zur Qualifikation der „Neuhalle“ als „Gebäude“ iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG, die in der Revision der Klägerin unwidersprochen bleibt. Weitere Ausführungen zu dieser Frage erübrigen sich daher.

[19]     1.3. Der Umstand, dass „nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten“ vorhanden sein dürfen, bedeutet nicht, dass erst das Vorhandensein von drei Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten schädlich ist. Nach allgemeiner Auffassung dürfen neben den zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten überhaupt keine der Vermietung zugängliche – oder sogar tatsächlich vermietete – Räume vorhanden sein (5 Ob 157/19t immolex 2011/110, 341 [Kogler]; RS0069389). Maßgeblich ist die selbständige Vermietbarkeit getrennt zugänglicher Räume, soweit es sich dabei nicht um üblicherweise vorhandene Nebenräume handelt (5 Ob 157/19t mwN).

[20]     1.4. Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Streitteilen in dritter Instanz erkennbar Übereinstimmung darin, dass die an die „Firma M*****“ vermieteten Räume und jene, die der Klägerin zur Eigennutzung verblieben, als jeweils (nur) eine objektiv vermietbare selbständige Raumeinheit zu berücksichtigen sind. Auf die teils kritischen Äußerungen der Lehre zu einigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, in denen die selbständige Vermietbarkeit von Räumen in größeren Betriebsgebäuden zu beurteilen war (vgl etwa die Kritik von Würth [in wobl 2011/120, 314 f] und Vonkilch [in wobl 2011/121, 316 f] an der Entscheidung 2 Ob 169/10g bzw von Hoti [in wobl 2021/1, 17 f] und Kothbauer [in immolex 2021/157, 116] an der Entscheidung 1 Ob 67/20i), muss daher nicht eingegangen werden.

[21]     1.5. Zentrale Frage des Revisionsverfahrens ist daher, ob der Mietgegenstand der Beklagten mitzuzählen ist. Ist dies zu bejahen, wäre der Ausnahmetatbestand nicht erfüllt, andernfalls läge er vor. Die Beantwortung dieser Frage hängt einerseits davon ab, ob eine Betriebsfläche oder ein selbständiger Geschäftsraum Mietgegenstand war, und andererseits davon, auf welchen Beurteilungszeitpunkt (Mietvertragsabschluss oder Mietbeginn) für die Ausnahmeschädlichkeit im konkreten Fall abzustellen ist.

[22]     2. Zur selbständigen Geschäftsräumlichkeit:

[23]     2.1. Der Begriff der „Geschäftsräumlichkeit“ iSd § 1 MRG ist weit zu verstehen. Die Rechtsprechung stellt auf den „normalen Sprachgebrauch“ ab und versteht unter „Geschäftsräumlichkeit“ ein dreidimensional abgeschlossenes, geschäftlichen Zwecken dienendes Gebilde (2 Ob 164/12z; RS0110398 [T1]).

[24]     2.2. Der Meinung der Klägerin, dass dem Beklagten lediglich eine Fläche und kein Geschäftsraum in Bestand gegeben worden sei, kann nicht gefolgt werden:

a) Der Bestandvertrag kommt als Konsensualvertrag durch die Willenseinigung über den Bestandgegenstand und den Bestandzins zustande (RS0020394), wobei die Bestimmbarkeit des Bestandgegenstands als ausreichend angesehen wird (5 Ob 66/85; RS0020342; Lovrek in Rummel/Lukas4 §§ 1092–1094 Rz 47). Auch die Vermietung eines erst entstehenden Objekts ist zulässig (RS0020378; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 MRG § 1 Rz 10).

b) Zwar wurde der Mietgegenstand in Punkt 1.2 des Vertrags als näher definierte „Betriebsfläche“ bezeichnet, schon aus dem nachfolgenden Punkt 1.3 ergibt sich aber die Verpflichtung zur Übergabe von „Räumlichkeiten“, die von der Vermieterin laut Punkt 5.7 durch Aufstellen von Zwischenwänden herzustellen sind. In ihrem Gesamtzusammenhang lassen diese Regelungen somit keinen Zweifel daran, dass die beiderseitige Parteiabsicht auf die Miete einer Geschäftsräumlichkeit gerichtet war. Gegenstand des Mietvertrags war demnach nicht die Vermietung einer Fläche, sondern einer auf dieser Fläche befindlichen Geschäftsräumlichkeit.

[25]     2.3. Dabei handelt es sich um eine „selbständige Geschäftsräumlichkeit“ iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG. Die durch Aufstellen von Zwischenwänden herzustellenden und auch tatsächlich hergestellten Räume sollten unstrittig den Geschäftszwecken des Beklagten dienen und erfüllen alle Anforderungen der Rechtsprechung an eine vermietbare „Geschäftsräumlichkeit“.

[26]     3. Zum maßgeblichen Zeitpunkt:

[27]     3.1. Maßgeblich für die Beurteilung, ob der Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG vorliegt, ist nach bisheriger Rechtsprechung – wie die Klägerin an sich richtig ausführt – der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Nachträgliche Änderungen können danach weder zu einer Verschlechterung noch zu einer Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters führen (2 Ob 169/10g; RS0079363). Für die Frage der Ausnahmeschädlichkeit ist der tatsächliche Zustand in diesem Zeitpunkt zu beurteilen (RS0112564), womit nicht die tatsächliche Verwendung des Gebäudes gemeint ist, sondern der objektive bauliche Zustand, also die objektive Verwendbarkeit nach den tatsächlichen baulichen Gegebenheiten nach Maßgabe der Verkehrsauffassung (8 Ob 116/17t; 3 Ob 247/18x; RS0069338 [T7, T8]; auch RS0069412 [T5]).

[28]           3.2. Diese Rechtsprechung bedarf allerdings einer Präzisierung für den Fall, dass sich – wie hier – die baulichen Verhältnisse zwischen dem Vertragsabschluss und dem Beginn des Mietverhältnisses andern:

[29]           a) In der Lehre befassen sich, soweit ersichtlich, nur H.Böhm/Prader (in GeKo Wohnrecht I § 1 MRG Rz 213) mit dem Problem. Sie vertreten die Ansicht, es sei auf den Zeitpunkt des Mietbeginns abzustellen, wenn zwar im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags noch ein „Ein- oder Zweifamilienhaus“ vorlag, aber schon klar sei, dass vor Mietbeginn umgebaut werde, sodass bei Mietbeginn weitere Wohnungen vorhanden sein würden. Dies folge schon aus der Auslegung des Ausnahmetatbestands, ohne dass man auf Umgehung rekurrieren müsste. Insofern sei auch die Rechtsprechung, wenn sie auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags abstelle, zwar richtig, aber ungenau.

b) Der erkennende Senat hält diese Auffassung für sachgerecht. Sie lässt zwar den denkbaren Fall unberücksichtigt, dass bei Mietbeginn der zuvor als „klar“ prognostizierte Zustand (doch) noch nicht eingetreten ist. Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor, sodass zu einer solchen Konstellation nicht Stellung genommen werden muss. Grundsätzlich ist somit davon auszugehen, dass dann, wenn im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags noch nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten vorhanden waren, aber schon klar war, dass beim vereinbarten Mietbeginn (weitere) Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten vorhanden sein werden, die zum Wegfall der Ausnahme des § 1 Abs 2 Z 5 MRG führen, nicht auf den tatsächlichen baulichen Zustand im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses, sondern auf jenen im Zeitpunkt des Mietbeginns abzustellen ist.

[30]     4. Ergebnis:

[31]           Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die an den Beklagten vermietete Geschäftsräumlichkeit bei der Beurteilung, ob der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG vorliegt, als ausnahmeschädlich zu berücksichtigen ist. Da bei Abschluss des Mietvertrags unstrittig schon zwei weitere selbständige Geschäftsräumlichkeiten vorhanden waren, kann sich die Klägerin nicht erfolgreich auf den Ausnahmetatbestand berufen.

[32]     Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.

[33]     Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E131568

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00210.20A.0325.000

Im RIS seit

17.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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