Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*****, 2. M*****, ebenda, beide vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. H*****, vertreten durch Dr. Stefan Joachimsthaler, Rechtsanwalt in Wien, 2. K***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. A*****, 4. M*****, 5. L*****, 6. A*****, 3.–6. Beklagte vertreten durch Salzborn Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Zivilteilung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Dezember 2020, GZ 14 R 160/20g-38, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 1. September 2020, GZ 5 Cg 74/19t-31, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Das Erstgericht wies das Zivilteilungsbegehren der Kläger ab. Ihr Vorgehen sei ein Verstoß gegen die von jedem Teilhaber zu fordernde Rücksicht auf die Interessen des anderen Teils. Durch Aufsplittung des Hälfteanteils der Zweitbeklagten in 1/16tel und 2/16tel Anteile im Einvernehmen mit den Zweit- bis Sechstbeklagten hätten sie nach Ablehnung des Dachbodenausbaus durch die Erstbeklagte knapp vor Erhebung des Teilungsbegehrens eine krass ungleiche Interessenlage zu deren Ungunsten geschaffen.
[2] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte diese Rechtsauffassung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Revision der Kläger zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[4] 1. Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste. Gebietet das Gesetz die Entscheidung nach billigem Ermessen, könnte nur eine eklatante Überschreitung dieses Ermessens aufgegriffen werden (RIS-Justiz RS0044088). Ob ein bestimmtes Verhalten gegen Treu und Glauben verstößt, ist eine Frage, die sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen lässt (RS0118180 [T1]; 5 Ob 64/17y). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist ebenfalls einzelfallabhängig und wirft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0110900). Vergleichbares gilt für die Beantwortung der Frage, ob ein Teilungshindernis vorliegt (vgl zur Unzeit RS0013292 [T8, T12]).
[5] Eine in diesem Sinn korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen liegt nicht vor.
[6] 2. Dass der Anspruch eines Teilhabers auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft nach ständiger Rechtsprechung ein unbedingter ist (RS0013249), der in der Regel keiner Begründung aus der Interessenlage der Kläger bedarf (RS0013247), zieht auch das Berufungsgericht ungeachtet des Umstands nicht in Zweifel, dass es Kritik daran anklingen lässt. Dass der Teilungsanspruch jedenfalls eine umfassende Interessenabwägung erfordern würde, ist aber entgegen den Revisionsausführungen der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen. Die behauptete Abweichung von ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung liegt nicht vor.
[7] 3. Die Vorinstanzen stützten sich vielmehr auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung (RS0013322), wonach in Einzelfällen ein von krass ungleichen Interessenlagen ausgehendes, in seinen Auswirkungen mit einer eklatanten vermögensrechtlichen Benachteiligung des beklagten Mitteilhabers verbundenes Teilungsbegehren aufgrund des Verstoßes gegen den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben als Teilungshindernis anzuerkennen ist (vgl auch H. Böhm in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 830 Rz 28; Sprohar/Heimlich in Schwimann/Kodek ABGB5 § 830 Rz 57, 111). In diesen Einzelfällen kommt dem Grundsatz, dass als Teilungshindernis nur vorübergehende Umstände in Betracht kommen, die bald wegfallen oder beseitigt werden können (RS0013287), während dauernde oder nicht zu beseitigende Nachteile, die durch die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft unter allen Umständen eintreten müssen, dem Teilungsbegehren nicht mit Erfolg entgegengesetzt werden können (RS0013336), nur untergeordnete Bedeutung zu. Ungeachtet der Unbedingtheit des Teilungsanspruchs kann im Einzelfall der allgemeine Einwand der treuwidrigen Rechtsausübung, der im Teilungshindernis des Nachteils einen praktischen Anwendungsfall findet, dem Teilungsbegehren daher mit Erfolg entgegengehalten werden (vgl Sprohar/Heimlich in Schwimann/Kodek5 § 830 ABGB Rz 14).
[8] 4. So hatte zu 2 Ob 534/84 (SZ 57/45) der Teilungskläger kurz vor Einbringung der Teilungsklage seinen Anteil noch mit einem Fruchtgenussrecht zugunsten einer Person mit hoher Lebenserwartung belastet. Zu 2 Ob 274/03p nahm die dortige Teilungsklägerin eine Ausgleichszahlung von 1.600.000 ATS entgegen, mit der sie selbst eine Wohnung erwerben konnte, während der Beklagte dort auf die Wohnmöglichkeit im Teilungsobjekt (einem gemeinsamen Sommerhaus) angewiesen war. Obwohl in beiden Fällen das Teilungshindernis nicht vorübergehender Natur war, führte das massiv gegen Treu und Glauben verstoßende Verhalten des jeweiligen Teilungsklägers zu einer krass ungleichen Interessenlage und damit zur Abweisung des Teilungsbegehrens.
[9] 5.1. Die Grundsätze dieser Entscheidungen auch hier anzuwenden begegnet keinen Bedenken im Einzelfall. Die Kläger haben gemeinsam mit der vormaligen Hälfteeigentümerin, der Zweitbeklagten, und den Dritt- bis Sechstbeklagten die nach Treu und Glauben bestehende Verpflichtung der Miteigentümer zur gegenseitigen Rücksichtnahme (vgl RS0013246; RS0013283) deshalb verletzt, weil sie den Verkauf von Liegenschaftsanteilen der Zweitbeklagten an die Kläger und die Dritt- bis Sechstbeklagten beschlossen, um der Erstbeklagten bei einer Teilungsklage die Möglichkeit des Einwands der möglichen Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum zu nehmen.
[10] 5.2. Die Realteilung hat nach ständiger Rechtsprechung (RS0013236) gesetzlichen Vorrang vor der Zivilteilung, die somit nur dann in Betracht kommt, wenn eine Naturalteilung nicht möglich ist. Die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch Begründung von Wohnungseigentum ist dabei als Sonderform der Naturalteilung anzusehen (RS0106351). Aufgrund der Vorrangigkeit (auch) der Begründung von Wohnungseigentum gegenüber dem Zivilteilungsbegehren, hängt dessen Berechtigung davon ab, ob Wohnungseigentum begründet werden kann (RS0013236 [T7]). Dass dies nach der Aufteilung des Hälfteanteils der Zweitbeklagten auf die Kläger und die Dritt- bis Sechstbeklagten in 1 bzw 2/16 Anteile bei nur sechs Objekten im Haus unmöglich ist, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.
[11] 5.3. Dass der Erstbeklagten durch die Aufsplittung dieses Hälfteanteils die Einwendung genommen wurde, die Begründung von Wohnungseigentum sei möglich, Zivilteilung daher unzulässig, hat sie behauptet (Tagsatzung vom 23. 1. 2020, Protokoll Seite 5). Dass die mögliche Begründung von Wohnungseigentum bei sechs Objekten und nur zwei Hälfteeigentümern ein Zivilteilungsbegehren erfolgreich abwehren hätte können, liegt nach der nicht korrekturbedürftigen Beurteilung des Berufungsgerichts einerseits auf der Hand (vgl 5 Ob 133/14s), andererseits wäre es aufgrund dieses Einwands der Erstbeklagten Sache der Kläger gewesen, zu behaupten und zu beweisen, dass die Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung selbst bei Verbleib der Liegenschaft im Hälfteeigentum unmöglich oder untunlich gewesen wäre, um den Vorwurf der missbräuchlichen Rechtsausübung zu entkräften. Dies haben sie unterlassen.
[12] 5.4. Die Anordnung in § 841 zweiter Satz ABGB, wonach die Teilung zur Zufriedenheit eines jeden Sachgenossen vorgenommen werden müsse, bedeutet nach der Rechtsprechung nur, dass jeder Teilhaber Anspruch auf objektive gleichmäßige Behandlung hat. Einvernehmen der Teilhaber über die Gestaltung möglicher Wohnungseigentumsobjekte wird hingegen nicht verlangt. Die Zulässigkeit (Tunlichkeit) der Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum ist daher nicht davon abhängig, dass die Teilhaber über die konkrete Art und Weise der Gestaltung eines oder mehrerer möglicher Wohnungseigentumsobjekte (so etwa auch beim gegebenenfalls möglichen Dachbodenausbau) Einigung erzielen (5 Ob 133/14s mwN). Dem Argument der Teilungskläger, die Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung sei untunlich, weil die Zivilteilung zu einer erheblichen Wertsteigerung führe, zumal ein Alleineigentümer in der Lage sei einen Dachboden auszubauen, hat der Fachsenat in der zitierten Entscheidung 5 Ob 133/14s bereits eine Absage erteilt. Unabhängig davon, ob Zivil- oder Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung erfolgt, ändert sich an den technischen Möglichkeiten des Dachbodenausbaus und dem damit verbundenen Wertschöpfungspotential durch die Teilungsart nichts (RS0013236 [T9]). Auch die Nichtberücksichtigung des „Entwicklungspotentials“ durch die Ausbaubarkeit des Dachbodens bei der Beurteilung der Frage der Tunlichkeit der Wohnungseigentumsbegründung konnten die Vorinstanzen daher auf höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Die in dem Zusammenhang monierten sekundären Feststellungsmängel zur Möglichkeit und Tunlichkeit der Wohnungseigentumsbegründung bei nur zwei schlichten Miteigentümern liegen somit nicht vor.
[13] 5.5. Dass (unter anderem) die Kläger durch ihr einvernehmliches Verhalten eine krass ungleiche Interessenlage zu Lasten der Erstbeklagten geschaffen haben, weil ihr durch die Aufsplittung des Hälfteanteils der Zweitbeklagten bewusst die rechtliche Möglichkeit genommen wurde, dem Zivilteilungsbegehren den Einwand der Wohnungseigentumsbegründung entgegen zu setzen, ist somit nicht korrekturbedürftig. Dass die Vorinstanzen den damit verbundenen Nachteil für die Erstbeklagte aufgrund des Verlusts der ihr vertrauten Wohnung im hohen Alter als einem eklatanten vermögensrechtlichen Nachteil (RS0013322) gleichwertig ansahen, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden, selbst wenn die Erstbeklagte einen entsprechenden Anteil am Versteigerungserlös erhielte.
[14] 6. Auf die Fragen der „Erkundigungspflichten“ vor Einbringung der Teilungsklage, des (allfälligen) Vorrangs einer Antragstellung nach § 835 zweiter Satz ABGB vor der Teilung und eines (allfälligen) Umgehungsgeschäfts kommt es nicht an. Unterliegt nämlich schon die vom Berufungsgericht primär herangezogene Begründung mangels erheblicher Rechtsfrage nicht der inhaltlichen Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, kann auch die nur hilfsweise herangezogene Begründung nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RS0042736 [T2]).
[15] 7. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[16] 8. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
Textnummer
E131573European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00026.21S.0406.000Im RIS seit
17.05.2021Zuletzt aktualisiert am
17.05.2021