Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
KFG 1967 §73 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des E in F, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 22. Jänner 1996, Zl. IIb2-K-3285/1-1996, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E und F vorübergehend für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab der (am 21. Juli 1995 erfolgten) Zustellung des Mandatsbescheides, entzogen.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer am 14. Mai 1995 um ca. 21,30 Uhr seinen PKW im Gemeindegebiet von Fieberbrunn gelenkt und dabei an näher bezeichneten Stellen zwei Zäune beschädigt habe. Er habe seine Fahrt jeweils fortgesetzt, ohne die Geschädigten oder die nächste Gendarmeriedienststelle zu verständigen. In weiterer Folge habe er sich um 22,30 Uhr den einschreitenden Gendarmeriebeamten gegenüber geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er im Verdacht gestanden sei, zuvor beim Lenken seines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zwei Verkehrsunfälle mit Sachschaden verursacht und Fahrerflucht begangen zu haben. Wenn der Beschwerdeführer aus medizinischen Gründen zur Durchführung der Atemalkoholuntersuchung nicht imstande gewesen wäre, hätte er dies schon in der Vorstellung und nicht erst in der Berufung geltend machen können. Im übrigen habe sich der Beschwerdeführer am 14. Mai 1995 nicht darauf berufen, aus gesundheitlichen Gründen zur Durchführung des Alkomattestes nicht in der Lage zu sein. Die modernen Alkomaten könnten auch bei normaler Ausatmung gültige Meßergebnisse liefern. Die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers werde auch durch seine widersprüchlichen Angaben am Abend des Geschehens und bei seinem Erscheinen vor dem Gendarmerieposten erschüttert. Bis zur Erhebung der Vorstellung habe er auch nicht behauptet, er habe einem Hund ausweichen müssen. Da die Übertretung nach § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens feststehe, sei eine Aussetzung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verwaltungsstrafverfahrens nicht erforderlich gewesen. Die Erstbehörde habe mit Recht die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers angenommen. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer verschuldeten Verkehrsunfälle und die Verletzungen der Verpflichtung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 sei die von der Erstbehörde festgesetzte Entziehungszeit erforderlich, um beim Beschwerdeführer die nötige Verkehrszuverlässigkeit wieder herzustellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, daß in Ansehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch keine die belangte Behörde bindende Bestrafung vorlag. Die diesbezügliche Bestrafung des Beschwerdeführers wurde nämlich - ebenso wie seine Bestrafungen wegen der Übertretung des § 99 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit § 4 Abs. 5 StVO 1960 hinsichtlich beider Unfälle und der Übertretung des § 99 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 hinsichtlich des zweiten Unfalles - erst mit Erlassung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 21. August 1996 rechtskräftig. Die belangte Behörde hatte daher die Frage, ob der Beschwerdeführer die ihm angelastete Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen hat, selbständig im Rahmen der Vorfragenbeurteilung zu lösen.
Der Beschwerdeführer meint, er sei zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt im Hinblick auf zwei von ihm in alkoholisiertem Zustand verursachte Verkehrsunfälle aufgefordert worden; die belangte Behörde stütze sich hingegen darauf, daß er sich geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl habe vermutet werden können, daß er sein Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt habe. Sie laste ihm damit offensichtlich ein neues Delikt an.
Dieses Vorbringen geht schon deshalb ins Leere, weil der vom Beschwerdeführer behauptete Vorhalt jedenfalls den konkretisierten Vorwurf (im Sinne des § 5 Abs. 2 Z. 1 StVO 1960) inkludiert, er sei verdächtig gewesen, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben. Dieser Verdacht war im Hinblick auf die Umstände des Falles, insbesondere die Angaben der Zeugen, von denen einer das Kennzeichen des PKWs des Beschwerdeführers am zweiten Unfallort erkannt hatte, die Unfallspuren an Ort und Stelle und am PKW des Beschwerdeführers sowie die von den Gendarmen festgestellte Wärme des Motorraumdeckels des PKWs des Beschwerdeführers begründet.
Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie dem erstmals in der Berufung gegen den Vorstellungsbescheid enthaltenen Vorbringen, der Beschwerdeführer sei im Hinblick auf eine am 10. Mai 1995 erfolgte Staroperation am rechten Auge aus medizinischen Gründen nicht zur Durchführung des Alkomattestes in der Lage gewesen, nicht gefolgt ist. Der Beschwerdeführer, der sich am 14. Mai 1995 gegenüber den einschreitenden Gendarmeriebeamten nicht darauf berufen hatte, er könne aus gesundheitlichen Gründen den Alkomattest nicht durchführen, hat dazu ein ärztliches Gutachten weder vorgelegt noch beantragt. Selbst wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers dahin versteht, er hätte sich bei pflichtgemäßem Handeln einer unmittelbar drohenden Gesundheitsgefährdung ausgesetzt und habe sich daher in einer Notstandssituation im Sinne des § 6 VStG befunden, wäre für ihn nichts gewonnen, weil es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Wesen des Notstandes gehört, daß die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist. Diese Voraussetzung trifft jedoch im Beschwerdefall nicht zu. Dem Beschwerdeführer wäre es nämlich freigestanden, auf seinen Leidenszustand hinzuweisen, womit die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt worden wären, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z. 2 StVO 1960 zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Beschwerdeführer zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeidirektion tätigen Art zu bringen. Auf diese dem Beschwerdeführer durchaus zumutbare Weise hätte die ihm bei Durchführung der Atemluftuntersuchung allenfalls drohende Gesundheitsgefährdung abgewendet werden können (siehe dazu das aufgrund der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 21. August 1996 ergangene hg. Erkenntnis vom 16. April 1997, Zlen. 96/03/0334, 97/03/0049).
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darin erblickt, daß die belangte Behörde den von ihm beantragten Lokalaugenschein nicht durchgeführt und das von ihm gleichfalls beantragte kraftfahrzeugtechnische Sachverständigengutachten nicht eingeholt habe, ist festzuhalten, daß es für die Art und die zeitliche Dauer der von der belangten Behörde verfügten Entziehungsmaßnahme ohne Bedeutung ist, ob der Beschwerdeführer am 14. Mai 1995 einen oder zwei Unfälle verschuldet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0213, in dem bei einem Alkoholdelikt verbunden mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden auch eine längere als die im vorliegenden Bescheid bestimmte Entziehungszeit als nicht rechtswidrig erkannt wurde). Hinsichtlich des zweiten Unfalles gibt es zwei Tatzeugen, sodaß schon deshalb die Aufnahme der vom Beschwerdeführer beantragten Beweise entbehrlich war. Der Beschwerdeführer verschweigt in diesem Zusammenhang, daß er selbst am 24. Mai 1995 vor dem Gendarmerieposten Fieberbrunn von einem Unfall gesprochen hat, aufgrund dessen er so nervös gewesen sei, daß er zu Hause gleich sechs bis sieben Schnäpse getrunken habe. Er verschweigt auch, daß er dem durch den zweiten Unfall Geschädigten gegenüber einige Wochen nach dem Unfall zugegeben hat, daß durch seinen PKW der Zaun beschädigt worden sei. Die Annahme der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer am 14. Mai 1995 zumindest einen Unfall verschuldet hat, begegnet demnach keinen Bedenken. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 21. August 1996 erhobene Beschwerde auch insofern erfolglos geblieben ist, als der Beschwerdeführer wegen der Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 bestraft worden war, weil er im Zusammenhang mit dem von ihm an einer näher bezeichneten Stelle verursachten Verkehrsunfall mit Sachschaden - es handelt sich dabei um den zweiten von der belangten Behörde angenommenen Verkehrsunfall - nicht angehalten hat (siehe auch dazu das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 16. April 1997).
Soweit der Beschwerdeführer schließlich rügt, daß die belangte Behörde das Verfahren nicht bis zur rechtskräftigen Beendigung des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens ausgesetzt habe, ist ihm zu erwidern, daß ein Anspruch der Partei auf Aussetzung des Verfahrens nach § 38 AVG nicht besteht (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E.Nr. 21a und b zu § 38 AVG zitierte hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat daher Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt, wenn sie aufgrund der Ermittlungsergebnisse die Frage, ob der Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen hat, selbständig als Vorfrage beurteilt hat.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Alkotest VerweigerungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996110069.X00Im RIS seit
12.06.2001