Norm
§3 Z7 GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Beendigung des ArbeitsverhältnissesText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 1. Dezember 2020 über den am 23. Juli 2018 eingelangten Antrag von A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch Z (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/840/18, zu folgendem
PRÜFUNGSERGEBNIS:
A ist nicht aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG durch Z diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
VORBRINGEN
Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin sei seit 14. Mai 2018 bei der Antragsgegnerin als Lehrling Systemgastronomie beschäftigt gewesen.
Am 2. Juli 2018 sei ihr letzter regulärer Arbeitstag gewesen. Am 3 und 4. Juli habe sie ihre zwei freien Arbeitstage gehabt. Am 5. Juli sei sie in den Krankenstand gegangen wegen einer Magen-Darm-Grippe und habe sich in einem offenen Krankenstand befunden. Am Montag, den 9. Juli 2018, sei sie persönlich mit ihrem Mann hingegangen um ein persönliches Gespräch mit ihrer Chefin zu suchen. Um 12:32 Uhr seien sie dort gewesen und um 12:33 Uhr sei ihre Chefin zu ihnen gekommen und habe gefragt, was los wäre. Die Antragstellerin habe gesagt: „Ich brauche noch ein paar Tage um gesund zu werden, da ich immer noch Probleme mit meinem Magen habe und es mir allgemein sehr schlecht ging und ich am Mittwoch zum Frauenarzt muss, weil ich schwanger bin und abklären muss, ob es dem Baby und mir gut geht, ob es eine Risikoschwangerschaft ist, weil ich schon mal eine Fehlgeburt hatte und nicht weiß wie es dem Baby geht und abklären muss, was ich darf und was nicht, weil ich vom Krankenhaus auch noch eine stärkere Medikation bekam. Am Mittwoch habe ich den Termin beim Frauenarzt und dann weiß ich, ob ich dann ab Donnerstag wieder arbeiten darf oder nicht und ob mit dem Baby alles in Ordnung ist.“ Daraufhin habe die Chefin die Antragstellerin lange angestarrt, ohne etwas zu sagen, und gemeint: „Ich kündige dich jetzt, weil du nicht zum Dienst erschienen bist.“ Woraufhin der Mann der Antragstellerin gemeint habe, dass das ein Blödsinn sei, weil die Antragstellerin in einem offenen Krankenstand sei und das nur eine Ausrede sei und sie die Antragstellerin jetzt nur kündige, weil sie schwanger sei und sie sie genau auf ihre Bekanntgabe hin kündige. Dann habe ihre Chefin ihr eine einvernehmliche Auflösung vorgelegt, wo sie sie zwingen haben wollen, diese zu unterschreiben. Die Antragstellerin sei erstmal vom Tisch weggegangen, um dies mit der Arbeiterkammer telefonisch zu besprechen. Als sie zurückgekommen sei, habe ihre Chefin erneut gesagt, sie solle jetzt unterschreiben. Die Antragstellerin habe nein gesagt. Dann habe die Chefin eine andere Mitarbeiterin geholt, die diese Auflösung unterschreiben solle als Zeugin, dass die Antragstellerin nicht unterschreibe. Dann habe ihr Mann wieder gemeint: „Sie kündigen sie jetzt auch nur wegen der Schwangerschaft.“ Dies habe die Antragstellerin bezeugt, woraufhin ihre Chefin sie angesehen habe und gegangen sei.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 7. September 2018 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Richtig sei, dass die Antragstellerin seit 14. Mai 2018 als Lehrling Systemgastronomiefachfrau bei der Antragsgegnerin beschäftigt gewesen sei.
Richtig sei weiters, dass die Antragstellerin am 2. Juli 2018, dies sei ein Montag gewesen, das letzte Mal zur Arbeit erschienen sei. Am 3. und 4. Juli habe die Antragstellerin frei gehabt.
Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Antragstellerin noch in der Probezeit ihrer Lehre befunden.
Am 5. Juli 2018 habe sich der Ehemann der Antragstellerin telefonisch gemeldet und angegeben, dass sich diese im Krankenstand befände.
Die Filialleiterin X habe daraufhin die Antragstellerin telefonisch kontaktiert und ersucht, eine Krankenstandsbestätigung binnen drei Tagen vorzulegen, was tatsächlich auch erfolgt sei.
Ausgemacht gewesen sei weiters, dass sich die Antragstellerin Montagmorgen, den 9. Juli 2018, im Betrieb melde, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen.
Tatsächlich sei die Antragstellerin am Montag, den 9. Juli 2018, gegen 12:30 Uhr erschienen, dies wäre der Beginn ihrer Schicht gewesen und habe mitgeteilt, dass sie weiter im Krankenstand bleiben würde.
Die Filialleiterin X habe der Antragstellerin mitgeteilt, dass das Lehrverhältnis innerhalb der Probezeit zur Auflösung gelange.
Von einer Schwangerschaft bzw. Risikoschwangerschaft sei bis zu diesem Zeitpunkt seitens der Antragstellerin keine Rede gewesen. Bis dato sei seitens der Antragstellerin auch keine Bestätigung der Schwangerschaft vorgelegt worden.
Richtig sei, dass die Antragstellerin die Bestätigung der Auflösung während der Probezeit gemäß § 15 Abs. 1 BAG verweigert habe. Eine einvernehmliche Auflösung sei nicht angedacht gewesen. Eine Diskriminierung der Antragstellerin liege nicht vor.
PRÜFUNGSGRUNDLAGEN
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und von X (informierte Vertreterin der Antragsgegnerin) vom 1. Dezember 2020. Als weitere Auskunftsperson wurde B am 1. Dezember 2020 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf den Lehrvertrag der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin vom Mai 2018, die Auflösung des Lehrvertrages mit der Antragstellerin, die Schwangerschaftsbestätigungen der Arbeitnehmerinnen C vom 29. Jänner 2016 und 14. November 2017, D vom 2. März 2016, E vom 2. Juni 2017, F vom 2. August 2017, G vom 29. Jänner 2018 und Hvom 18. Juli 2018 sowie die Bestätigungen über In-Vitro-Fertilisationen der Mitarbeiterin I vom 6. März 2018 und 15. Mai 2018.
BEGRÜNDUNG2
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:
„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
[…]
7. bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.“
Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 3 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.
Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, das Lehrverhältnis der Antragstellerin sei in der Probezeit aufgelöst worden, nachdem die Antragstellerin ihre Schwangerschaft bekanntgegeben habe, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:
Die Antragstellerin war seit 14. Mai 2018 als Lehrling Systemgastronomiefachfrau bei der Antragsgegnerin beschäftigt.
Am 2. Juli 2018 erschien sie das letzte Mal zur Arbeit. Am 3. und 4. Juli hatte die Antragstellerin frei. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Antragstellerin noch in der Probezeit ihrer Lehre. Am 5. Juli 2018 meldete sich der Ehemann der Antragstellerin telefonisch und gab den Krankenstand der Antragstellerin bekannt. Daraufhin kontaktierte die Filialleiterin X die Antragstellerin telefonisch und ersuchte um eine Krankenstandsbestätigung binnen drei Tagen. Diese wurde von der Antragstellerin vorgelegt. Es wurde zudem vereinbart, dass sich die Antragstellerin am 9. Juli 2018 morgens im Betrieb meldet, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen.
Am 9. Juli 2018 erschien die Antragstellerin gegen 12:30 Uhr – dies wäre der Beginn ihrer Schicht gewesen – und teilte mit, dass sie weiter im Krankenstand bleiben werde. Ihre Schwangerschaft erwähnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Filialleiterin X teilte der Antragstellerin mit, dass das Lehrverhältnis innerhalb der Probezeit aufgelöst wird. Die Antragstellerin verweigerte die Bestätigung der Auflösung während der Probezeit gemäß § 15 Abs. 1 BAG.
In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG vor.
Der Begriff der „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ im § 3 Z 7 GlBG ist nicht auf eine bestimmte Art des Arbeitsverhältnisses oder eine bestimmte Art der Beendigung beschränkt und ist daher weit zu verstehen. Vom Geltungsbereich des GlBG sind somit auch Probearbeitsverhältnisse und befristete Arbeitsverhältnisse erfasst.4
Der Antragstellerin gelang es nach Ansicht des Senates durch ihre Ausführungen im Antrag und in der mündlichen Befragung glaubhaft den Anschein einer Diskriminierung darzulegen. So ließ der geschilderte Zusammenhang zwischen der Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft und der Auflösung des Lehrvertrages in der Probezeit darauf schließen, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Antragsgegnerin benachteiligt wurde.
Daher verlagerte sich die Beweislast auf die Antragsgegnerin.
Durch das schriftliche und mündliche Vorbringen der Antragsgegnerin einerseits und die Aussage der Auskunftsperson B andererseits, konnte ganz klar dargelegt werden, dass die mangelhafte Arbeitsleistung der Antragstellerin zur Auflösung des Lehrvertrages geführt hat.
Die Auskunftsperson B hinterließ einen glaubhaften Eindruck. Ihre Aussage fiel differenziert aus; es war nicht erkennbar, dass sie zugunsten einer Seite aussagte. So bestätigte sie auf der einen Seite die Angaben der Antragstellerin dahingehend, dass jedenfalls ihr die Fehlgeburt der Antragstellerin bekannt war. Auf der anderen Seite bekräftigte sie die Ausführungen von X, dass die neuerliche Schwangerschaft der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Auflösung des Lehrvertrages nicht bekannt war. B konnte sich daran erinnern, dass die Antragstellerin an dem Tag, an dem ihr Lehrverhältnis aufgelöst wurde, fünf Minuten vor Dienstbeginn gekommen sei und gesagt habe, dass sie nicht arbeiten könne, weil sie einen Arzttermin habe. Aus den glaubwürdigen Aussagen der Auskunftsperson ging hervor, dass weder der Grund für den Arzttermin, noch zu welchem Arzt die Antragstellerin gehen wollte, bekannt war.
Die Antragsgegnerin unterstrich ihre Argumentation, dass die Schwangerschaft einer Mitarbeiterin kein Beendigungsgrund ist, damit, dass sie zahlreiche Schwangerschaftsbestätigungen von Mitarbeiterinnen vorlegte.
Die Antragstellerin bestätigte zwar, dass ihre Vorgesetzte mit ihr ein Gespräch wegen KundInnenbeschwerden geführt hat, bestritt jedoch, dass sie mangelhaft gearbeitet hat. Demgegenüber sagte B glaubwürdig aus, dass nicht jeder gerne mit der Antragstellerin gearbeitet habe, weil es nicht gepasst habe im Team.
Da die Aussagen aller befragten Auskunftspersonen und die vorgelegten Unterlagen aus Sicht des Senates ausreichend waren, um sich ein Bild von den Vorwürfen machen zu können, wurde auf die Ladung weiterer Auskunftspersonen verzichtet.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive, hier die mangelhafte Arbeitsleistung der Antragstellerin, für die Auflösung des Lehrverhältnisses in der Probezeit ausschlaggebend waren.
Wien, 1. Dezember 2020
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.
3 Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.
4 Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz. 137.
Zuletzt aktualisiert am
10.05.2021