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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art138 Abs1 litaLeitsatz
Zurückweisung eines Antrags auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem Obersten Agrarsenat und dem Verwaltungsgerichtshof mangels Vorliegen eines Kompetenzkonfliktes; keine Verneinung der Zuständigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof sondern Zurückweisung einer Beschwerde mangels InstanzenzugserschöpfungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit dem vorliegenden Antrag begehren die Antragsteller die Entscheidung eines negativen (verneinenden) Kompetenzkonfliktes iS des Art138 Abs1 lita B-VG und des §46 Abs1 VerfGG zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Obersten Agrarsenat.
2. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, daß dem Antrag im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
a) In dem auf Antrag der seinerzeitigen Eigentümer bestimmter einforstungsberechtigter Liegenschaften eingeleiteten Verfahren zur Ablösung aller Einforstungsrechte durch Abtretung von Grund erließ das Amt der Salzburger Landesregierung als Agrarbehörde den Bescheid vom 27. Juni 1985, dessen Spruch folgendermaßen lautete:
"1.) Gemäß §§7 Abs4, 20, 21 und 22 Salzburger Wald- und Weideservitutengesetz 1955, LGBl. Nr. 65/1955 (WWSG 1955) wird der Antrag vom 6.9.1978 des Herrn J B sowie des Herrn F B, beide vertreten durch Herrn Dipl. Ing. E P, Zivilingenieur, auf Ablösung durch Abtretung von Grund
a) der Holz- und Streubezugsrechte der Liegenschaften Oberbichl und Unterbichl laut Regulierungserkenntnis Nr. 613/a und Nr. 613/b je vom 29.3.1870,
b) der Holzbezugsrechte der Oberbichl- und Unterbichlaste laut Regulierungsurkunde Nr. 747 vom 11.2.1876,
c) der Heimweiderechte der Liegenschaften Oberbichl und Unterbichl laut Regulierungsurkunde Nr. 224/b vom 18.4.1868 wegen Unzulässigkeit der Ablösung abgewiesen.
2. Über Antrag der Österr. Bundesforste als Eigentümer des verpflichteten Gutes werden gemäß §§28 Abs1 Z3 und 29 WWSG 1955 vom Holzbezugsrecht der laut Regulierungsurkunde Nr. 747 vom 11.2.1876 berechtigten Liegenschaften Unter- und Oberbichlasten folgende Teilgebühren in Geld abgelöst:
a) Unterbichlaste: 1,23 fm Zaunholz
b) Oberbichlaste: 6,82 rm Brenn- und 1,23 fm Zaunholz
zusammen 6,82 rm Brenn- und 2,46 fm Zaunholz.
Der Ablösungsbetrag hiefür wird mit S 37.540,-- (ohne MwSt.) festgesetzt. Von diesem Ablösungsbetrag ist die gemäß §31 WWSG 1955 kapitalisierte urkundliche Gegenleistung in Höhe von S 49,65 in Abzug zu bringen.
Der Ablösungsbetrag abzüglich der Gegenleistung ist binnen vier Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides von den Österr. Bundesforsten an den Eigentümer der Unter- und Oberbichlasten zu bezahlen. Der Ablösungsbetrag ist gemäß §30 WWSG 1955 zu werterhaltenden oder wertvermehrenden Aufwendungen auf den berechtigten Liegenschaften zu verwenden.
Die erforderlichen Eintragungen im Grundbuch werden nach Rechtskraft dieses Bescheides von der Agrarbehörde gemäß §48 WWSG 1955 veranlaßt werden."
b) Über die gegen diesen Bescheid unter anderem vom Erstantragsteller und vom Zweitantragsteller (die als Rechtsnachfolger im Eigentum in das Verfahren eingetreten waren) eingebrachte Berufung entschied der Landesagrarsenat beim Amt der Salzburger Landesregierung mit Erkenntnis vom 15. April 1992, dessen Spruch folgenden Wortlaut hat:
"A)
Gemäß §1 Agrarverfahrensgesetz 1950 in Verbindung mit §66 Abs4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 und mit §§32 Abs1 Z. 3, 33, 34, 35 und 52 Salzburger Einforstungsrechtegesetz, LGBl. Nr. 74/1986, i.d.g.F. wird die Berufung, soweit sie den Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides betrifft, als unbegründet abgewiesen.
Unter einem wird der Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, daß er zur Gänze nunmehr wie folgt zu lauten hat:
'2.
Über Antrag der Österreichischen Bundesforste als Eigentümer des verpflichteten Gutes werden gemäß §§32 Abs1 Z. 3 und 33 Salzburger Einforstungsrechtegesetz vom Holzbezugsrecht der laut Regulierungsurkunde Nr. 747 vom 11.2.1876 berechtigten Liegenschaften Unter- und Oberbichlasten folgende Teilgebühren in Geld abgelöst:
a) Unterbichlaste: 1,23 fm Zaunholz
b) Oberbichlaste: 6,82 rm Brenn- und 1,23 fm Zaunholz
-----------------------------------------------------------------
Unter-Oberbichlaste zusammen 6,82 rm Brenn- und 2,46 fm Zaunholz
Der Ablösungsbetrag hiefür wird insgesamt mit S 37.540,- (ohne Mehrwertsteuer) wovon S 29.852,50 auf die Oberbichlaste und S 7.687,50 auf die Unterbichlaste entfallen, festgesetzt. Von diesem Ablösungsbetrag ist die gemäß §35 Salzburger Einforstungsrechtegesetz kapitalisierte urkundliche Gegenleistung in Höhe von insgesamt S 49,65 in Abzug zu bringen, wovon S 16,30 auf die Unterbichlaste und S 33,35 auf die Oberbichlaste entfallen.
B)
Gemäß §34 Abs2 Salzburger Einforstungsrechtegesetz ist der Ablösungsbetrag abzüglich Gegenleistung binnen 2 Wochen nach Rechtskraft dieses Erkenntnisses von den Österreichischen Bundesforsten an die Agrarbehörde Salzburg, auf das Konto Nr. 2127017 der Salzburger Landes Hypothekenbank zu überweisen.
C)
Die erforderlichen Eintragungen im Grundbuch werden nach Rechtskraft dieses Erkenntnisses von der Agrarbehörde Salzburg gemäß §52 Salzburger Einforstungsrechtegesetz veranlaßt werden.'"
Die Rechtsmittelbelehrung des Erkenntnisses des Landesagrarsenates enthält den Hinweis, daß gegen dieses Erkenntnis betreffend die Spruchpunkte A und C ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig ist, betreffend den Spruchpunkt B jedoch eine Berufung zulässig ist.
Unter anderem der Erstantragsteller und der Zweitantragsteller brachten gegen den Spruchpunkt B und "vorsichtshalber" auch gegen den Spruchpunkt A des Erkenntnisses des Landesagrarsenates Berufung an den Obersten Agrarsenat ein und erhoben überdies gegen die Spruchpunkte A und C Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
c) Der Oberste Agrarsenat wies mit Erkenntnis vom 7. Oktober 1992 die Berufung, soweit sie vom Erstantragsteller und vom Zweitantragsteller erhoben worden war, unter Berufung auf §1 des Agrarverfahrensgesetzes 1950 iVm §7 Abs2 des Agrarbehördengesetzes 1950 und §66 Abs4 AVG als unzulässig zurück. Diese Entscheidung begründete er damit, daß gemäß §7 Abs2 (Z4) des Agrarbehördengesetzes 1950 (idF des Bundesgesetzes BGBl. 476/1974) die Berufung an den Obersten Agrarsenat (nur) hinsichtlich der Frage der Gesetzmäßigkeit der Ablösung oder Regulierung von Wald- und Weidenutzungsrechten (und) nur gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates zulässig sei, im gegebenen Fall aber, wie näher ausgeführt wird, das angefochtene Erkenntnis des Landesagrarsenates, soweit es sich um den Spruchteil A handelt, kein abänderndes Erkenntnis sei, soweit es aber um den Spruchpunkt B geht, nicht eine Entscheidung über eine Frage der Gesetzmäßigkeit der Ablösung von Wald- oder Weidenutzungsrechten zum Inhalt habe.
d) Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde, soweit sie vom Erstantragsteller und vom Zweitantragsteller erhoben worden war, mit Beschluß vom 22. Juni 1993, 92/07/0117, zurück. Begründend führte er aus, daß die Beschwerdeführer den Instanzenzug nicht ausgeschöpft hätten. Gegen das Erkenntnis des Landesagrarsenates sei die Berufung an den Obersten Agrarsenat in seinem gesamten Umfang offengestanden, da dieses Erkenntnis - kurz zusammengefaßt - auch hinsichtlich seines Spruchpunktes A als abändernd anzusehen sei und sich im übrigen nicht in abändernde und nicht abändernde Teilsprüche zerlegen lasse, sondern sich insgesamt als ein die Frage der Gesetzmäßigkeit der Ablösung von Wald- und Weideservituten iS des §7 Abs2 Z4 des Agrarbehördengesetzes 1950 betreffendes Erkenntnis darstelle. Die Beschwerde des Erstantragstellers und des Zweitantragstellers sei daher aus dem Grund der offenbaren Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes mangels der in Art131 Abs1 Z1 B-VG erforderten Ausschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen gewesen.
3. Die Antragsteller behaupten das Vorliegen eines negativen (verneinenden) Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Obersten Agrarsenat. Während der Oberste Agrarsenat das Erkenntnis des Landesagrarsenates als ein abänderndes Erkenntnis gewertet und darum die Berufung dagegen als unzulässig angesehen und deshalb zurückgewiesen habe, sei der Verwaltungsgerichtshof von der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen und habe daher seine Zuständigkeit verneint und demgemäß die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsteller hätten den Spruchpunkt A des Erkenntnisses des Landesagrarsenates sowohl beim Obersten Agrarsenat als auch beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft, es hätten daher der Oberste Agrarsenat und der Verwaltungsgerichtshof ihre Zuständigkeit in derselben Sache verneint. Implizit gehen die Antragsteller offenbar davon aus, daß dies in einem dieser beiden Fälle zu Unrecht geschehen sei.
II. Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Gemäß Art138 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Nach dieser Verfassungsnorm iVm §46 Abs1 VerfGG setzt ein negativer (verneinender) Kompetenzkonflikt jedenfalls voraus, daß jede der angerufenen Behörden eine Entscheidung in derselben Sache aus dem Grunde der Unzuständigkeit abgelehnt hat (s. etwa VfSlg. 3089/1956, 6046/1969, 13030/1992, 13249/1992, 13440/1993).
Wie der Verfassungsgerichtshof im Beschluß VfSlg. 11037/1986 ausgeführt hat, darf die in §46 VerfGG gegebene Definition eines negativen Kompetenzkonfliktes iS des Art138 Abs1 lita B-VG, daß in derselben Sache ein Gericht und eine Verwaltungsbehörde die Zuständigkeit abgelehnt haben, nicht im strengen Wortsinn, mithin so aufgefaßt werden, daß bereits jedwede Ablehnung einer Sachentscheidung unter dem Aspekt der Zuständigkeit im gegebenen Zusammenhang beachtlich ist. Diese Umschreibung ist vielmehr unter Bedachtnahme auf den Zweck der verfassungsrechtlichen Regelung mit einer gewissen Einschränkung zu verstehen, nämlich dahin, daß die Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung durch einen bindenden Abspruch des Verfassungsgerichtshofes in der Zuständigkeitsfrage erst dann sichergestellt werden soll, wenn aus dem Zusammenwirken der in den beiden verschiedenen Vollzugsbereichen getroffenen negativen Kompetenzentscheidungen eine Verweigerung des Rechtsschutzes resultiert.
Ein solcher Fall ist, wie der Verfassungsgerichtshof in diesem Beschluß hervorgehoben hat, jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die behördliche Zuständigkeitsablehnung bloß als das rechtstechnische Mittel eingesetzt wird, die gesetzlich vorgegebene Zuständigkeitsverteilung auf mehrere, durch eine gemeinsame Oberbehörde sachlich verbundene Behörden einzuhalten, die Zugehörigkeit der Rechtssache zu diesem Aufgabenbereich der Behörden aber ausdrücklich oder zumindest implizit anerkannt wird.
Diese Überlegungen gelten im Ergebnis auch für einen Fall wie den vorliegenden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem erwähnten Beschluß vom 22. Juni 1993, 92/07/0117, mit dem er die - unter anderem - von den nunmehrigen Antragstellern gegen das Erkenntnis des Landesagrarsenates erhobene Beschwerde zurückwies, seine Zuständigkeit lediglich deshalb verneint, weil nach seiner Auffassung die durch Art131 Abs1 Z1 B-VG als Voraussetzung für eine meritorische Entscheidung über die Beschwerde geforderte Ausschöpfung des Instanzenzuges nicht vorlag, keineswegs aber deshalb, weil er die den Gegenstand der Beschwerde bildende Angelegenheit als eine jener Angelegenheiten ansah, die gemäß Art133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sind. Der Sache nach hat der Verwaltungsgerichtshof demnach nicht seine Zuständigkeit schlechthin, sondern nur das Vorliegen der Prozeßvoraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzuges verneint (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch VfSlg. 3490/1959).
Den Antragstellern wäre es frei gestanden, das ihre Berufung gegen das Erkenntnis des Landesagrarsenates als unzulässig zurückweisende Erkenntnis des Obersten Agrarsenates mit Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anzufechten und dadurch zu erreichen, daß die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das Erkenntnis des Landesagrarsenates im administrativen Instanzenzug bekämpfbar war, gegenüber der in diesem Punkt gegenteiligen Rechtsauffassung des Obersten Agrarsenates zur Geltung kommt. Es kann im gegebenen Fall also keine Rede davon sein, daß aus dem Zusammenwirken der Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes und der Verwaltungsbehörde eine Verweigerung des Rechtsschutzes resultiert.
Da somit schon aus dem dargelegten Grund ein negativer (verneinender) Kompetenzkonflikt nicht vorlag, war der Antrag mangels Legitimation zurückzuweisen, sodaß sich eine weiterreichende Prüfung auf das Vorliegen anderer Prozeßvoraussetzungen erübrigte.
2. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
Verwaltungsgerichtshof, Zuständigkeit Verwaltungsgerichtshof, Flurverfassung, Agrarbehörden, VfGH / Kompetenzkonflikt, RechtsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:KI8.1993Dokumentnummer
JFT_10049379_93K00I08_00