TE Lvwg Erkenntnis 2021/3/19 VGW-101/092/1248/2021, VGW-101/V/092/1250/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2021
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Entscheidungsdatum

19.03.2021

Index

83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §15
AWG 2002 §73 Abs1
AWG 2002 §74

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die Beschwerde der A. KEG (Erstbeschwerdeführerin) und des Dr. B. C. (Zweitbeschwerdeführer) gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk) vom 14.12.2020, Zl. ..., betreffend Behandlungsauftrag nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8.3.2021

zu Recht erkannt und verkündet:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde der A. KEG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

II. Die Beschwerde des Dr. B. C. wird als unzulässig zurückgewiesen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Am 24.5.2018 hielt die MA 22 (Wiener Umweltschutzabteilung) auf der Liegenschaft in Wien, D.-gasse über Anzeige Nachschau und fand näher bezeichneten Abfall vor (Sperrmüll, Restmüll, Bauschutt, Baum- und Strauchschnitt).

Mit Bescheid vom 8.6.2018 trug daraufhin der belangte Magistrat der Eigentümerin dieser Liegenschaft, der A. KEG, gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 und 2 AWG sowie § 74 AWG auf, binnen vier Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheids näher bezeichneten Abfall zu entfernen.

Mit Schriftsatz vom 3.7.2018 zog die A. KEG diesen Bescheid in Beschwerde, mit der Begründung, sie sei nicht Verursacherin.

Mit Erkenntnis vom 7.1.2019, VGW-101/073/9616/2018, wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde als unbegründet ab, weil die Beschwerdeführerin „Liegenschaftseigentümerin und infolge Innehabung der verfahrensgegenständlichen Abfälle Abfallbesitzerin iSd § 2 Abs. 6 Z 1 lit. b AWG 2002 und daher als Verpflichteter gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 für die Beseitigung der Abfälle an einem berechtigten Abfallsammler zuständig“ sei. Dieses Erkenntnis blieb unangefochten.

Mit Schreiben vom 1.4.2019 fragte das MBA für den ... Bezirk bei der MA 22 an, ob dem Behandlungsauftrag vom 8.6.2018 entsprochen wurde.

Die MA 22 führte am 8.4.2019 auf der gegenständlichen Liegenschaft eine Kontrolle durch, die zum Ergebnis kam, dass der Sperr- und der Restmüll entfernt worden waren, sich der Bauschutt unverändert auf der Liegenschaft befinde und der Baum- und Strauchschnitt ebenfalls noch auf der Liegenschaft lagere; es wurden allerdings neuer Sperrmüll und neuer Bauschutt festgestellt.

Mit E-Mail vom 27.1.2020 ersuchte das MBA für den ... Bezirk neuerlich die MA 22 um Kontrolle, ob dem Behandlungsauftrag vom 8.6.2018 entsprochen wurde.

Die MA 22 führte am 28.1.2020 neuerlich eine Kontrolle durch und fand teils alten, teils neuen Abfall vor, jedenfalls Sperrmüll, Restmüll, Bauschutt, Baum- und Strauchschnitt sowie ein elektronisches Heizgerät (Radiator).

Mit Schreiben vom 29.7.2020 forderte der belangte Magistrat die A. KEG und Herrn Dr. B. C. auf, die festgestellten Abfälle unverzüglich zu entfernen sowie ihm den Verursacher der Abfallablagerungen mitzuteilen; eine Antwort ist im Verwaltungsakt nicht dokumentiert.

Mit E-Mail vom 19.8.2020 ersuchte das MBA für den ... Bezirk die MA 22 um Erhebung, ob die mit Schreiben vom 31.1.2020 festgestellten Ablagerungen entfernt wurden.

Die MA 22 führte am 25.8.2020 an der gegenständlichen Liegenschaft eine Kontrolle durch und fand wiederum (teils neuen, teils alten) Sperrmüll, Restmüll, Bauschutt, eine Waschmaschine und ein Kühlgerät vor. Der MA 22 regte an, einen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 zu erlassen.

Mit Schreiben vom 13.11.2020 forderte der belangte Magistrat sowohl die A. KEG als auch Herrn Dr. B. C. auf, die festgestellten Abfälle unverzüglich zu entfernen und auch den Verursacher der Abfallablagerungen mitzuteilen; eine Antwort ist im Verwaltungsakt nicht dokumentiert.

Mit Bescheid vom 14.12.2020 trug der belangte Magistrat der A. KEG als Verpflichte gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 und 2 AWG sowie § 74 AWG auf, näher konkretisierte, auf dem Grundstück D.-gasse in Wien gelagerte Abfälle binnen dreier Wochen zu entfernen. Dieser Bescheid wurde an die A. KEG und an Dr. B. C. adressiert.

Mit Schriftsatz vom 3.1.2021 zogen sowohl die A. KEG als auch Dr. B. C. diesen Bescheid des belangten Magistrats in Beschwerde, brachten darin vor, nicht Verursacher dieses Abfalls zu sein, und beantragten die ersatzlose Aufhebung des Bescheids.

Mit Note vom 21.1.2021 legte der belangte Magistrat dem erkennenden Verwaltungsgericht die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt vor, wo sie am 25.1.2021 einlangte.

Das erkennende Verwaltungsgericht führte am 8.3.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der Dr. B. C. (auch als Vertreter der A. KEG) erschien und in der er angab, den im bekämpften Bescheid angesprochenen Abfall nicht auf dem Grundstück deponiert zu haben; er dürfte von den Mietern des Hauses stammen, weil nur diese in einem Gelegenheitsverhältnis stünden. Nach Schluss der Verhandlung verkündete der Verhandlungsleiter das gegenständliche Erkenntnis.

Mit E-Mail vom 15.3.2021 beantragte der belangte Magistrat eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung. „Dies insbesondere in Hinblick auf die abweichende Vorentscheidung zu VGW-101/073/9616/2018.“

II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist Eigentümerin der Grundstücke Nr. ...7/1 und ...7/2, KG E., mit der Adresse D.-gasse, Wien („Liegenschaft“). Der Zweitbeschwerdeführer ist Komplementär der Erstbeschwerdeführerin.

Auf dieser Liegenschaft lagern Abfälle, und zwar ca. 1,5 m³ Sperrmüll, ca. 0,5 m³ Restmüll, ca. 1 m³ Bauschutt, eine Waschmaschine und ein Kühlgerät; es besteht die Gefahr, dass öffentliche Interessen gemäß § 1 Abs. 3 AWG beeinträchtigt werden. Diese Lagerung der vorgefundenen Abfälle verstößt gegen § 15 Abs. 3 AWG und § 15 Abs. 1 Z 2 AWG.

Weder die Erstbeschwerdeführerin noch der Zweitbeschwerdeführer haben diese Abfälle auf der Liegenschaft (ab)gelagert; sie sind auch nicht in deren Gewahrsame.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen bezüglich der Beschwerdeführer und des Eigentums an der Liegenschaft gründen in der Einsicht in das öffentliche Firmen- und Grundbuch.

Die Feststellungen zu den auf der Liegenschaft gelagerten Abfällen beruhen auf den sachverständigen Erhebungen der MA 22 im Zuge der Kontrolle am 25.8.2020 und deren abfallrechtlichen Beurteilung in der Stellungnahme vom 28.8.2020. Dass Abfall auf der Liegenschaft lagert, wird von den Beschwerdeführern ebenso wenig bestritten wie dessen abfallrechtliche Einordnung und die von ihm ausgehende Gefahr der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen.

Dass die Beschwerdeführer den gegenständlichen Abfall nicht auf der Liegenschaft gelagert haben, entspringt der glaubwürdigen Aussage des Zweitbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht; es widerspräche auch der Lebenserfahrung, dass die Beschwerdeführer, die auf der Liegenschaft nicht ihren Sitz haben bzw. wohnhaft sind, dort alte Elektrogeräte, die regelmäßig in Wohnungen ihren Einsatz finden, entsorgt. Das Fehlen von Gewahrsame an den Abfällen ergibt sich einerseits aus der fehlenden Sachherrschaft (die sich wiederum insbesondere daraus ergibt, dass der Zweitbeschwerdeführer auf dieser Liegenschaft nicht wohnhaft ist und sich daher dort nicht dauerhaft aufhält) und andererseits auch aus der Verkehrsauffassung: Nach der Verkehrsauffassung würde nämlich niemand die als Abfälle zu qualifizierenden Gegenstände deshalb als zu achtendes fremdes Gut ansehen, weil sie sich in einem bestimmten Bereich der Beschwerdeführer befinden; sind diese doch – wie bereits ausgeführt – dort gar nicht präsent.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der Zweitbeschwerdeführer wurde vom belangten Magistrat durch dessen von ihm in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht verpflichtet; ihm kommt somit im Administrativverfahren zur Erteilung eines Behandlungsauftrags gemäß § 73 AWG keine Parteistellung zu. Auch das Zustellen des Bescheids an ihn begründet keine Parteistellung (z.B. VwGH 16.2.2021, Ra 2019/10/0148, Rn 19) und damit auch keine Beschwerdelegitimation; seine Beschwerde war daher spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.

3.2. Das erkennende Verwaltungsgericht geht davon aus, dass der belangte Magistrat im bekämpften Bescheid die Erstbeschwerdeführerin trotz Zitierung (auch) des § 74 AWG nicht als subsidiär Haftende herangezogen hat, sondern als „Primärverpflichtete“ iSd § 73 Abs. 1 AWG; dies erschließt sich dem erkennenden Verwaltungsgericht insbesondere aus der Formulierung im Spruch des bekämpften Bescheids, in dem der belangte Magistrat die Erstbeschwerdeführerin als „Verpflichtete“ anspricht und nicht als „subsidiär Haftende“.

Damit ist „Sache“ des Beschwerdeverfahrens nicht, ob die Erstbeschwerdeführerin allenfalls (wenn auch nicht als Primärverpflichtete, so doch) als subsidiär Haftende iSd § 74 AWG als Adressatin des Behandlungsauftrages in Betracht kommt; ebenso wenig ist es „Sache“ des Beschwerdeverfahrens, den Behandlungsauftrag – nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens – allenfalls dem „wahren“ Verpflichteten und damit allenfalls einer anderen Person als der Erstbeschwerdeführerin zu erteilen. „Sache“ ist somit lediglich, ob die Erstbeschwerdeführerin vom belangten Magistrat zu Recht als Verpflichtete iSd § 73 Abs. 1 AWG herangezogen wurde.

3.3.1. „Verpflichteter“ iSd § 73 Abs. 1 AWG ist derjenige, der die Abfälle gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt hat. Verfahrensgegenständlich kommt allein die Lagerung der Abfälle in Betracht. Nach den Feststellungen war es jedoch nicht die Erstbeschwerdeführerin, die die gegenständlichen Abfälle auf ihrem Grundstück gelagert hat, sodass sie nicht als Verpflichtete iSd § 73 Abs. 1 AWG qualifiziert werden kann und daher ihr gegenüber der Behandlungsauftrag auch nicht zu ergehen hat.

3.3.2.1. Seit der (am 16.2.2011 in Kraft getretenen) Novelle zum AWG kann ein Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG auch bei Zuwiderhandeln gegen die in § 15 Abs. 5a AWG genannten Verpflichtungen erteilt und damit eine Stellung als „Verpflichteter“ begründet werden (vgl. § 15 Abs. 5b AWG).

Die in § 15 AWG angesprochenen Pflichten treffen den „Abfallbesitzer“. Abfallbesitzer ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 6 Z 1 AWG „der Abfallerzeuger“ oder „jede Person, welche die Abfälle innehat“. Voraussetzung für die Innehabung (Sachherrschaft) und den Abfallbesitz einer Person an Abfällen ist, dass sich die Abfälle in ihrem Herrschaftsbereich befinden, wobei sich die Gewahrsame nach der Verkehrsauffassung bestimmt (VwGH 28.5.2019, Ro 2018/05/0019, Rn 36). Da sich die gegenständlichen Abfälle nach den Feststellungen nicht in der Gewahrsame der Erstbeschwerdeführerin befanden, sie somit die Abfälle nicht innehatte, kommt auch ihre Verpflichtetenstellung qua § 15 Abs. 5b AWG nicht in Betracht.

Darüber hinaus normiert § 15 Abs. 5a AWG besondere Anforderungen an den Abfallbesitzer (bloß) bei der Übergabe der Abfälle. Ein Abfallbesitzer muss sich vergewissern, dass die Behandlung der Abfälle vom Umfang der Berechtigung dessen, dem sie übergeben werden, umfasst ist; daher besteht auch die Möglichkeit der Registerabfrage gemäß § 87a AWG betreffend den Umfang der Berechtigung von Abfallsammlern oder -behandlern (vgl. die Gesetzesmaterialien: RV 1005 BlgNR 24. GP, 21). Diese Einschränkung ergibt sich auch aus § 15 Abs. 1 AWG, der diese Pflichten des Abfallbesitzers in den Zusammenhang mit der „Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und den sonstigen Umgang mit Abfällen“ stellt. Da dies – wie bereits ausgeführt – auf die Erstbeschwerdeführerin nicht zutrifft, ist auf sie § 15 AWG nicht anwendbar.

3.3.2.2. Das vom belangten Magistrat in seinem Antrag auf Ausfertigung angesprochene hg. Erkenntnis vom 7.1.2019, VGW-101/073/9616/2018, scheint – ohne dies jedoch klar zu artikulieren – bei Bestätigung des der Erstbeschwerdeführerin erteilten Behandlungsauftrags diesen in § 15 Abs. 5b AWG zu fundieren, wobei es (offenbar) fälschlich die Eigenstürmerstellung mit der Inhaberschaft gleichsetzt und damit auch die subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers gemäß § 74 AWG gänzlich aushöhlt; vgl. zu dieser umfassend Kienast, Die Haftung des Liegenschaftseigentümers für Kontaminationen, in: Schulev-Steindl [Hrsg], Ressourcenknappheit [2013], 69 bis 129).

3.3.3. Der belangte Magistrat wird bei der in einem allfällig fortgeführten Verfahren vorzunehmenden Suche nach jener bzw. jenen Person(en), die den gegenständlichen Abfall auf der Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin (ab)gelagerte hat bzw. haben, die Bindungswirkung aus der Rechtskraft des bereits angesprochenen hg. Erkenntnisses vom 7.1.2019 zu beachten haben, weil sich ja nach dem Gutachten der MA 22 vom 25.8.2020 auf der Liegenschaft teilweise noch Abfälle befinden, die bereits vom (durch das hg. Erkenntnis vom 7.1.2019 bestätigten) Behandlungsauftrag vom 8.6.2018 erfasst waren.

3.4. Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab (vgl. die zitierten Entscheidungen), noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behandlungsauftrag; Parteistellung; Beschwerdelegitimation; Verpflichtete; Verpflichteter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.101.092.1248.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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