TE Lvwg Erkenntnis 2021/3/29 LVwG-2021/13/0623-2

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Veröffentlicht am 29.03.2021
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Entscheidungsdatum

29.03.2021

Index

90/01 Straßenverkehrsrecht
90/02 Führerscheingesetz

Norm

StVO 1960 §99 Abs1 lita
StVO 1960 §5 Abs1
FSG 1997 §24
FSG 1997 §7 Abs3
FSG 1997 §26 Abs1 Z1
FSG 1997 §7 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Frau Mag.a Dr.in Strele über die Beschwerde des AA, wohnhaft in **** Z, Adresse 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 29.10.2020, Zl  ***, betreffend eine Entziehung der Lenkberechtigung nach dem Führerscheingesetz,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Entzugsdauer von 11 Monaten auf 9 Monate (gerechnet ab 25.10.2020) herabgesetzt wird.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Angefochtener Entzugsbescheid, Beschwerdevorbringen und Beweisaufnahme:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 29.10.2020, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen AM und W, Führerschein der Bezirkshauptmannschaft X, ausgestellt am 03.07.2020, FS Nr ********, für einen Zeitraum von 11 Monaten, gerechnet ab dem 25.10.2020 ebenso entzogen wie eine allenfalls bestehende ausländische Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder EWR-Lenkberechtigung. Als begleitende Maßnahme wurde die Teilnahme an einer Nachschulung angeordnet, wobei eine Bestätigung hierüber der Behörde innerhalb der Dauer der Entziehung vorzulegen ist. Schließlich wurde der Beschwerdeführer aufgefordert ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung (samt einer verkehrspsychologischen Stellungnahme) vor Ablauf der Entziehungszeit beizubringen. Letztlich wurde verfügt, dass nach Ablauf der angeführten Entzugsdauer – sollte bis zu diesem Zeitpunkt kein positives amtsärztliches Gutachten beigebracht worden sein – die Lenkberechtigung bis zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung entzogen bleibt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 28.01.2021 GZ *** wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen obgenannten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 29.10.2020, Zl *** keine Folge gegeben und einer allfälligen Beschwerde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung wegen Gefahr in Verzug aberkannt.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht nachfolgende Beschwerde ein:

„Bescheidbeschwerde

gern. Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG

Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 28.1.2021, Geschäftszahl ***, zugestellt am 5.2.2021, betreffend die Abweisung der Vorstellung und Entziehung des Führerscheines, erhebe ich wegen Verletzung in meinen Rechten in offener Frist Beschwerde und stelle den

Antrag

das Verwaltungsgericht des Landes Tirol möge

den Bescheid ersatzlos beheben

oder

die Entscheidung dahingehend abändern, dass die Führerscheinentziehung von 11 Monaten auf

einen kürzeren Zeitraum herabgesetzt wird.

Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde ist auszuführen, dass das bekämpfte Straferkenntnis am 5.2.2021 zugestellt wurde und daher die vorliegende Beschwerde rechtzeitig ist.

Begründung

1. Der von der Polizei erfasste Sachverhalt, auf den sich die Behörde gestützt hat, ist ergänzungsbedürftig und erfordert für ein genaueres Bild der Geschehnisse eine weitere Aufzählung von Fakten. Diese möchte ich im Folgenden darlegen: Am 25.10.2020 bin ich mit meinem Bruder, BB, zusammen zu Besuch zu unserem anderen Bruder in der Adresse 2, in **** W, gefahren. Ich hatte mit meinem Bruder B ausgemacht, dass er trinken könne und ich uns anschließend mit seinem Auto nach Hause fahren würde, dies ist auch die Erklärung dafür warum nicht er, sondern ich mit seinem Auto gefahren bin. Wir verließen gegen 00:30 das Haus meines anderen Bruders. Im Polizeibericht sowie im Bescheid wird behauptet, dass ich als Uhrzeit 22 Uhr und 23 Uhr genannt hätte, was schlichtweg nicht der Wahrheit entspricht. Ich weise allerdings daraufhin, dass ich mich erst seit zwei Jahren in Österreich befinde, es also bei dem Gespräch mit den Polizisten möglicherweise zu Missverständnissen gekommen ist, die auf die sprachliche Barriere zurück

zu führen sind. Dies würde auch meine, laut Polizei „widersprüchlichen“ Aussagen erklären. Da mein Bruder B am Ende des Abends stark alkoholisiert war, musste ich ihm am Weg zum Auto des Öfteren unter die Arme greifen. Wenn der Zeuge also behauptet er hätte uns beide als betrunken und schwankend wahrgenommen, dann kann ich es mir nur so erklären, dass er die Situation falsch interpretiert hat, was angesichts der Dunkelheit und der Tatsache, dass er das Ganze vom Fenster aus beobachtet hat, naheliegt. Daraufhin parkten wir aus und fuhren zu meinem Bruder nach Hause in die Adresse 3. Während dem Ausparken kam es laut Polizei zu einer Kollision mit einem geparkten Fahrzeug. Dass der Unfall stattgefunden hat, möchte ich keinesfalls bestreiten, schließlich habe ich selbst am nächsten Tag die Spuren auf dem Fahrzeug meines Bruders begutachten können. Allerdings möchte ich betonen, dass es sich bei dem Fahrzeug meines Bruders um einen Kastenwagen, demgemäß kein gewöhnliches Auto, handelt und ich diesen zum ersten Mal gelenkt habe und zwar aus dem einzigen Grund, dass mein Bruder wie bereits erwähnt Alkohol konsumiert hatte und nicht fahrtüchtig war. Weiters befanden sich im hinteren Teil des Kastenwagens zahlreiche Werkzeuge und Baumaterialien, welche bei Inbetriebnahme des Fahrzeuges einen gewissen Geräuschpegel verursachen, und habe somit den vom Zeugen als laut beschriebenen Zusammenstoß nicht gehört beziehungsweise nicht als solchen wahrgenommen. Es war mir mit meinem betrunkenen Bruder als Beifahrer und den verursachten Geräuschen im hinteren

Teil des Wagens schlicht nicht bewusst, dass eines dieser Geräusche möglicherweise dem Zusammenprall mit einem anderen Fahrzeug geschuldet war. Es war somit keinesfalls meine

Absicht vom Unfallort zu fliehen, allerdings übernehme ich selbstverständlich die aus dem Schaden verursachten Kosten. Anschließend parkte ich das Fahrzeug und wir gingen hoch in die Wohnung meines Bruders. Im Polizeibericht wird die Parkposition als „leicht schräg zum Fahrbahnrand“ und als Indiz für eine außer Acht gelassene Sorgfalt gesehen. Dem möchte ich

erneut entgegensetzen, dass es sich hierbei um meine erste Fahrt mit einem Kastenwagen handelte und eine leicht schräge Parkposition in einem solchen Fall alles andere als ungewöhnlich ist und eben höchstens ein Indiz für mangelnde Routine darstellen kann. Zu Hause angekommen habe ich, persönlichen Problemen geschuldet, eine größere Menge Alkohol konsumiert, um genau zu sein 1,5 Flaschen (eine Flasche je 0,5 Liter) Vodka, wobei ich die eine Hälfte gemeinsam mit meinem Bruder konsumiert habe. Etwas mehr als eine Stunde nach Ankunft klopfte es an der Türe und die Polizei stand davor. Sie informierten mich über den entstandenen Schaden und wurden auf meinen alkoholisierten Zustand aufmerksam. Ich habe sofort gesagt, dass ich erst zu Hause mit dem Trinken angefangen hatte, wurde allerdings trotzdem gebeten mich einer Alkomattestung auf der Polizeiwache zu unterziehen. Dieser habe ich zugestimmt und bin den Polizisten gefolgt. Dort angekommen hat es mehrere Anläufe gebraucht bis die Testung funktioniert hat, auch wurde mir kein Teststreifen ausgehändigt, was laut Polizeibericht auf technische Schwierigkeiten zurück zu führen war.

2. Als weiteren Beschwerdepunkt wende ich die mangelhafte Würdigung und Beurteilung meines eingewendeten Nachtrunkes durch die Behörde ein. Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die glaubwürdige Behauptung eines Nachtrunkes die Erwähnung des Nachtrunkes bei erster sich bietender Gelegenheit, sowie die Angabe der Menge des konsumierten Alkohols erforderlich (vgl. dazu Erkenntnis ZI. 2005/02/0315). Da ich, was sich auch aus dem Polizeibericht ableiten lässt, sofort angegeben habe, erst nach der Fahrt getrunken zu habe, ist erstere Voraussetzung erfüllt worden. Bezüglich der Angabe der genauen Menge findet sich im Polizeibericht und auch im Bescheid die Angabe von 1,5 Litern

Vodka, allerdings waren es 1,5 Flaschen Vodka und nicht Liter, die ich konsumiert habe. Die Angaben der Polizei sind also nicht richtig. Von den 1,5 Flaschen (eine Flasche enthält 0,5 Liter) Vodka hat mein Bruder gemeinsam mit mir die Hälfte einer Flasche konsumiert. Von der Polizei erfolgte keinerlei Aufforderung ihnen die leeren Flaschen zu zeigen, was problemlos möglich gewesen wäre, wovon ich allerdings nicht wusste, dass es nötig ist. Hier wäre eine Aufklärung der Polizei nötig gewesen, um eine richtige Beurteilung auch im Nachhinein zu ermöglichen. Im Polizeibericht wird zwar erwähnt, dass die Polizei keinerlei Flaschen stehen sah, jedoch befanden sich die Polizeibeamten im Stiegenhaus, von dem aus sie lediglich einen Blick in den Gang der Wohnung und auf den Tisch in der Küche werfen konnten. Auf das Wohnzimmer und die sich dort befindlichen Getränke hatten sie keinerlei Sicht. Das der von mir behauptete Nachtrunk auch tatsächlich stattgefunden hat, beweist auch die Tatsache, dass die erste Messung, die um 2:12 Uhr durchgeführt wurde, einen Wert von 1,03 mg/1 aufwies während die zwei Minuten später durchgeführte zweite Messung einen Wert von 1,08 mg/1 ergab. Der Wert erhöhte sich also innerhalb von 2 Minuten um 0,05 mg/1, was für eine erst kürzlich erfolgte Einnahme von Alkohol spricht. Genau genommen erfolgt die vollständige Verteilung im Körper erst nach einer halben Stunde bis Stunde. Da zwischen meinem letzten Alkoholkonsum um kurz vor 1:35 Uhr und der Messung um 2:12 Uhr nur 37 Minuten liegen, fallen die Messungen somit genau in den Zeitraum, in dem der Promillewert noch steigen kann. Nach herrschender Meinung beginnt der menschliche Körper nach einer Stunde pro Stunde 0.1 Promille abzubauen. Wenn man also von der dem Bescheid zugrunde gelegten Meinung ausgeht ich hätte den Alkohol bereits vor Fahrtantritt konsumiert, hätte die zweite Messung keinesfalls einen höheren Wert als die erste anzeigen dürfen, denn bis dahin hätte mein Körper bereits mit dem Abbau des Alkohols beginnen müssen und. Der Nachtrunk selbst lässt sich mithilfe der sogenannten Widmarkformel berechnen (vgl Erkenntnis UVS Burgenland 084/06/10009). Dabei wird die Alkoholmenge in Gramm durch das mit dem Reduktionsfaktor multiplizierte Körpergewicht geteilt. Die Alkoholmenge einer 0,5 Liter Flasche berechnet man wiederum folgendermaßen: Alkoholgehalt in Gramm= Menge des Getränks in ml x (Vol.-% /100) x 0,8 (das ist das spezifische Gewicht von Alkohol). In meinem Fall lautet die Rechnung 500ml x (38/100) x 0,8 und ergibt einen Wert von 152 Gramm. Um somit auf erstere Rechnung bezüglich der Berechnung des Nachtrunkes zurück zu kommen beträgt die Alkoholmenge in Gramm 152 Gramm, mein Körpergewicht ca 100 Kilogramm und der Reduktionsfaktor bei Männern 0,7. Ausgerechnet ergibt sich so ein Wert von ungefähr 2,17 Promille. Dies würde also mit dem bei der 2. Messung erfolgten Ergebnis von 1,08 mg/1, das sind 2,16 Promille, übereinstimmen. Die Behauptung, dass eine derart große Menge Alkohol nicht in solch kurzer Zeit glaubwürdig erfolgen kann, weise ich mit der Begründung ab, dass ich wie bereits erwähnt einige persönliche Probleme hatte, die mich dazu veranlassten über ein gewöhnliches Maß an Alkoholkonsum hinaus zu gehen. Weiters verweise ich darauf, dass auch die polnische Trinkkultur eine andere ist als die österreichische. Damit wäre auch im Nachhinein eindeutig und glaubwürdig erwiesen, dass sich mein Alkoholgehalt im Körper alleine aus dem Nachtrunk ergeben hat. Dementsprechend wäre ein den Führerscheinentzug gern. § 26 Abs 1 Z 1 des Führerscheingesetzes bestimmender Bescheid rechtswidrig und ersatzlos zu beheben. Wenn auch das Gericht zur Ansicht kommen sollte, dass diese Tatsache nicht eindeutig erwiesen ist, so kann jedenfalls nicht mit der für ein Verwaltungsverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen werden, dass der gesetzliche Grenzwert überschritten wurde.

AA“

Aufgrund dieser Beschwerde wurde der verwaltungsbehördliche Akt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung über diese Beschwerde vorgelegt.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol insbesondere in das von diesem eingeholte Straferkenntnis der Landespolizeidirektion W vom 23.02.2021, Zl *** betreffend den Beschwerdeführer.

II.      Nachfolgender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

Der Beschwerdeführer hat am 25.10.2020, 00:25 Uhr bis zum 25.10.2020 00:35 Uhr in **** V, Adresse 4, den PKW der Marke Opel Vivaro mit dem Kennzeichen *** gelenkt und zwar:

1.   in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, wobei der Test am geeichten Alkomaten einen Alkoholgehalt der Atemluft von 1,03 mg/l (2,06 ‰) ergeben hat.

2.   ist er mit diesem Fahrzeug in einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und hat das Fahrzeug nicht sofort angehalten.

3.   ist er mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und hat an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, weil er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht hat, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen, weiters hat er nach dem Unfall Alkohol konsumiert und

4.   ist er mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und hat nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl er und die Personen in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.

Dadurch hat der Beschwerdeführer vier Verwaltungsübertretungen

zu Spruchpunkt 1. nach § 99 Abs 1 lit a iVm § 5 Abs 1 StVO

zu Spruchpunkt 2. nach § 4 Abs 1 lit a iVm § 99 Abs 2 lit a StVO

zu Spruchpunkt 3. nach § 4 Abs 1 lit c StVO iVm § 99 Abs 2 lit a StVO und

zu Spruchpunkt 4. nach § 4 Abs 5 StVO iVm § 99 Abs 3 lit b StVO begangen, weshalb über ihn mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion W vom 23.02.2021, Zl *** Geldstrafen verhängt wurden.

Dieses Straferkenntnis ist bereits in Rechtskraft erwachsen, es wurde kein Rechtsmittel dagegen eingebracht.

III.    Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich widerspruchsfrei aus dem behördlichen Akt sowie aus dem vom Landesverwaltungsgericht Tirol eingeholten Straferkenntnis der Landespolizeidirektion W vom 23.02.2021, Zl ***, welches dem Beschwerdeführer am 01.03.2021 zugestellt wurde, seit dem 30.03.2021 in Rechtskraft erwachsen ist und keine Beschwerde dagegen erhoben wurde.

IV.      Rechtliche Beurteilung:

Der Beschwerdeführer wurde – wie festgestellt wurde am 23.02.2021 von der Landespolizeidirektion W wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1 lit a iVm § 5 Abs 1 StVO (Lenken eines Kraftfahrzeuges im alkoholisierten Zustand von 2,036 ‰) und wegen Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs 1 lit a StVO (Verletzung der Anhaltepflicht, obwohl in einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden), § 4 Abs 1 lit c StVO (verlassen der Unfallstelle ohne Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung, obwohl in einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden) und § 4 Abs 5 StVO (Keine Verständigung der nächsten Polizeidienststelle, obwohl in einem Verkehrsunfall mit Sachschaden im ursächlichem Zusammenhang gestanden) rechtskräftig bestraft.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 11.04.2000, 99/11/0289) hat die Entziehungsbehörde, wenn eine rechtskräftige Bestrafung vorliegt, aufgrund ihrer Bindungen an rechtskräftige Bestrafungen bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit des Betreffenden vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache dann auszugehen, wenn sich der Verwaltungsstraftatbestand mit den Tatbestandsvoraussetzungen einer bestimmten Tatsache des § 7 Abs 3 FSG deckt, wie dies beim Lenken eines PKWs in alkoholisiertem Zustand (2,06 ‰) der Fall ist.

Bindungswirkung ist somit im gegenständlichen Fall eingetreten.

Gemäß § 24 Abs 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

         1.       die Lenkberechtigung zu entziehen oder

         2.       die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Gemäß § 7 Abs 1 FSG gilt als verkehrsunzuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

         1.       die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

         2.       sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

Gemäß § 7 Abs 3 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand:

         1.       ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

Gemäß § 7 Abs 4 FSG sind für die Wertung der in Abs 1 genannten und in Abs 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

Gemäß § 24 Abs 3 FSG kann bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:

         1.       wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,

         2.       wegen einer zweiten in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung innerhalb von zwei Jahren oder

         3.       wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.

Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a und sofern es sich nicht um einen Probeführerscheinbesitzer handelt, bei der erstmaligen Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 ein Verkehrscoaching zur Bewusstmachung der besonderen Gefahren des Lenkens von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss oder Suchtgiftbeeinträchtigung und dessen Folgen, bei Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 jedoch eine Nachschulung anzuordnen. Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. Wurde von einem Probeführerscheinbesitzer die Anordnung der Nachschulung nicht befolgt oder die Mitarbeit bei dieser unterlassen, so ist die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen. Wurde die Anordnung der Absolvierung der fehlenden Stufe(n) gemäß § 4c Abs. 2 nicht befolgt oder wurde dabei die Mitarbeit unterlassen, so ist die Lenkberechtigung jener Klasse, für die die angeordnete(n) Stufe(n) nicht absolviert wurde(n), bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen. Eine diesbezügliche Entziehung der Klasse B zieht jedenfalls eine Entziehung der Klassen C(C1), CE(C1E), D(D1) und DE(D1E) nach sich. Die Anordnung der begleitenden Maßnahme oder des ärztlichen Gutachtens hat entweder im Bescheid, mit dem die Entziehung oder Einschränkung ausgesprochen wird, oder in einem gesonderten Bescheid zugleich mit dem Entziehungsbescheid zu erfolgen. Die Behörde hat eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb derer das Verkehrscoaching zu absolvieren ist. Wird das Verkehrscoaching nicht innerhalb dieser Frist absolviert, hat die Behörde die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

Gemäß § 25 Abs 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

Gemäß § 26 Abs 2 Z 1 FSG ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens 6 Monaten zu entziehen, wenn beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs 1 StVO begangen wird.

Nach § 30 Abs 1 FSG ist dem Besitzer einer ausländischen EWR- oder Nicht-EWR-Lenkberechtigung, der keinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, das Recht, von seiner Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, abzuerkennen, wenn Gründe für die Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, von der Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot unter Anwendung der §§ 24 Abs. 1, 25, 26 und 29 auszusprechen. Für die Aberkennung ist die Behörde zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Aufenthalt hat; sie hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten. Sofern dies möglich ist, hat die Behörde der Ausstellungsbehörde des Führerscheines die Tatsache der Aberkennung des genannten Rechtes mitzuteilen.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer – wie dem rechtskräftigen Straferkenntnis der Landespolizeidirektion W vom 23.02.2021, Zl *** zu entnehmen ist - ein Fahrzeug im alkoholisierten Zustand gelenkt. Der von den Beamten durchgeführte Alkomattest brachte ein Ergebnis von 1,03 mg/l (2,06 ‰). Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer in diesem Zustand mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand und an der Sachverhaltsfeststellung insofern nicht mitgewirkt hat, da er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht hat, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen. Er hat nach dem Unfall Alkohol konsumiert. Schließlich hat er auch nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden verständigt, obwohl die Personen und deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.

Ausgehend davon, dass mit einer rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren, Landespolizeidirektion W, Zl ***, im gegenständlichen Fall für das Landesverwaltungsgericht Tirol Bindungswirkung eingetreten ist, ist unter Hinweis auf die zuvor zitierten Rechtsnormen des Führerscheingesetzes festzuhalten, dass die Behörde die Entzugszeit gemäß § 26 Abs 2 Z 1 mit mindestens sechs Monaten festzusetzen hat, wenn beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs 1 StVO begangen wird.

Beim gegenständlichen Führerscheinentzug handelt es sich um den ersten des Beschwerdeführers. Er weist wie in der Begründung des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion W vom 23.02.2021, Zl ***, auch keine einschlägigen Strafvormerkungen auf, was als mildernd gewertet wurde. Laut den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde befindet er sich seit zwei Jahren in Österreich.

Aus § 26 Abs 2 Z 1 FSG folgt, dass es sich bei dort genannten Entziehungszeit von sechs Monaten um die Mindestentziehungszeit handelt, für deren Dauer die Lenkberechtigung jedenfalls zu entziehen ist, wenn eine Übertretung gemäß § 99 Abs 1 StVO 1960 begangen wurde. Diese Bestimmung steht somit der Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die aufgrund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung und die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich macht. Solche Umstände liegen im Gegenstandfall vor, weil der Beschwerdeführer den für die Erfüllung des Tatbestandes des § 99 Abs 1 lit a StVO maßgeblichen Wert des Blutalkoholgehaltes von 1,6 g/l (1,6 ‰) mit 2,06‰ weit überschritten hat. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem derart stark durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zur Nachtzeit ist in einem solchen Maß verwerflich und gefährlich, dass die Festsetzung einer Entziehungsdauer von sieben Monaten Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall mit Sachschaden (Touchierung eines geparkten PKWs beim Ausparken) verschuldet und die Unfallstelle ohne Wahrung der gebotenen Sorgfaltspflichten verlassen hat.

Sowohl für das nicht sofortige Anhalten nach dem Verkehrsunfall und das Nichtverständigen der nächsten Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub als auch für die Fahrerflucht waren im Rahmen der Wertung jeweils jedenfalls ein Monat in die Dauer der Entziehung einzurechnen. Die Gefährlichkeit des Lenkens in einem Alkohol beeinträchtigten Zustand wird durch das Verschulden eines Unfalls bestätigt. Es ist daher gerechtfertigt, das zu einem Unfall führende Fehlverhalten des alkoholisierten Lenkers als entzugserhöhend zu werten.

In Anbetracht dieser Tatumstände war die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung unter Beachtung der Verlängerungsregeln des § 26 Abs 1 Z 1 und 2 FSG mit jedenfalls neun Monaten festzusetzen. Erst nach Ablauf dieser festgesetzten Entzugszeit mit den daneben verbundenen Auflagen kann mit der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers gerechnet werden.

Die Entziehung der Lenkberechtigung stellt ebenfalls wie eine allenfalls bestehende Nicht EWR-Lenkberechtigung oder EWR-Lenkberechtigung eine vorbeugende Maßnahme zum Schutze der Verkehrssicherheit dar, die unaufschiebbar ist. Auf persönliche, wirtschaftliche oder berufliche Interessen kann dabei keine Rücksicht genommen werden.

Die angeordnete Absolvierung der Nachschulung vor Ablauf der Entzugszeit sowie die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens samt verkehrspsychologischer Stellungnahme ergibt sich zwingend aus der Bestimmung des § 24 Abs 3 FSG.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Dr.in Strele

(Richterin)

Schlagworte

Lenken eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand;
Herabsetzung Entzugszeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.13.0623.2

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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