TE Lvwg Erkenntnis 2021/3/3 LVwG-AV-265/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.03.2021

Norm

NAG 2005 §8 Abs1 Z2
NAG 2005 §11
NAG §46 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von mj. Frau A, vertreten durch die B Rechtsanwälte, ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 18. Dezember 2019, Zl. ***, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben und der Beschwerdeführerin wird ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

2.   Die Entscheidung über die Kosten (Barauslagen für den zur mündlichen Verhandlung beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher) wird einer gesonderten hg. Entscheidung vorbehalten.

3.       Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

ad 1.:   § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)

ad 2.:   § 76 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG)

ad 3.:   § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG)

Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Entscheidungsgründe:

1.       Maßgeblicher Verfahrensgang:

1.1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin, mj. Frau A, eine Staatsangehörige der Bundesrepublik Nigeria, beantragte am 1. April 2019 bei der Österreichischen Botschaft in Abuja die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Vater. Ebenso stellte auch die Mutter der Beschwerdeführerin einen solchen Antrag.

1.2. Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 18. Dezember 2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin mangels Nachweises der erforderlichen Deutschkenntnisse und mangels Nachweises eines gesicherten Lebensunterhaltes abgewiesen (ebenso wurde auch der Antrag der Mutter abgewiesen). Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Dem Antrag sei kein Sprachzertifikat beigelegt worden und es habe die Österreichische Botschaft in Abuja mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin kein Deutsch spreche und auch nicht Deutsch lerne. Auf Grund eines behördlichen Verbesserungsauftrages sei ein Sprachzertifikat übermittelt worden, jedoch sei entgegen der Aufforderung keine persönliche Vorlage des Zertifikates bei der Botschaft erfolgt und es habe daher keine Überprüfung betreffend das tatsächliche Vorhandensein von Sprachkenntnisse erfolgen können. Das Vorliegen der entsprechenden Sprachkenntnisse könne daher nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Es ergebe sich aus den Erläuterungen zum Gesetz, dass der Nachweis kein rein abstraktes Formalerfordernis darstelle, sondern es solle sichergestellt werden, dass sich der Fremde tatsächlich im Alltag verständigen könne.

Zum Lebensunterhalt seien vom familienerhaltenden Vater für die Beschwerdeführerin und ihre Mutter feste und regelmäßige Einkünfte in Höhe von zumindest 1.665,89 Euro netto monatlich zu fordern; es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Aufwendungen – etwa für etwaige Unterhaltsverpflichtungen bzw. Alimentationszahlungen sowie Mitversicherungsbeiträge – ein höherer Betrag erforderlich sei. Nachgewiesen worden sei lediglich ein Einkommen von durchschnittlich 1.625,98 Euro netto monatlich, wobei der vorgelegte Arbeitsvertrag keine Unterschrift des Vaters aufweise. Es könne somit nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin und ihre Familie auf finanzielle Unterstützung der Sozialhilfeträger angewiesen sein würden und dass für sie Geldmittel zur Verfügung gestellt werden müssten. Die Zukunftsprognose könne nicht zu ihren Gunsten erfolgen.

Von den fehlenden Voraussetzungen könne auch mit Blick auf Art. 8 EMRK nicht abgesehen werden.

1.3. Dagegen wurde fristgerecht eine rechtsanwaltliche Beschwerde eingebracht, in der die Durchführung einer Verhandlung beantragt und im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wurde:

Das vorgelegte Deutschzertifikat sei echt und es sei die Prüfung bei einem anerkannten Institut abgelegt worden. Die persönliche Vorlage des Zertifikats sei weder mit dem Gesetz noch mit der Judikatur in Einklang zu bringen und es werde diese Vorgehensweise von keiner einzigen Aufenthaltsbehörde österreichweit verlangt. Der Vater der Beschwerdeführerin habe ferner keine Unterhaltszahlungen und es sei der Dienstvertrag sowohl von Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite unterzeichnet worden; ein schriftlicher Dienstvertrag sei rechtlich aber auch gar nicht nötig. Tatsächlich habe der Vater im Jahr 2019 durchschnittlich 1.824,-- Euro netto monatlich verdient. Der von der Behörde verlangte Einkommensbetrag werde daher erreicht.

1.4. Die eingebrachte Beschwerde samt Verwaltungsakt wurde von der belangten Behörde – ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung – dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

1.5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ersuche in weiterer Folge das Goethe-Institut in Nigeria um Mitteilung, ob die von der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter im Verfahren vorgelegten Deutschzertifikate echt seien und ob die beiden tatsächlich über Kenntnisse der deutschen Sprache auf A1-Niveau verfügen würden. Die Bedenken der Österreichischen Botschaft in Abuja wurden wiedergegeben.

1.6. Seitens des Goethe-Institutes wurde mit Schreiben vom 8. Dezember 2020 die Echtheit der Zertifikate bestätigt. Zu den Bedenken der Österreichischen Botschaft wurde mitgeteilt, dass das Schreiben nicht vorliege und dass es verfasst worden sei, bevor zwei der drei Zertifikate ausgestellt worden sein. Generell gehe es um das Sprachniveau A1, das zum Zeitpunkt der Prüfung nachgewiesen worden sei. Das Niveau bestätige ganz einfache Sprachkenntnisse, mit denen sich die Teilnehmenden auf einfache Art verständigen könnten, wenn die Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen würden. Das Sprachniveau sei bei den Prüfungen nur knapp erreicht worden. Die erste Prüfung der Mutter sei zum Zeitpunkt des Botschaftsschreibens bereits ein Jahr zurückgelegen. Bei fehlender Praxis könnten einfache Deutschkenntnisse in kurzer Zeit verblassen.

1.7. Zur Vorbereitung der ausgeschriebenen Verhandlung wurde seitens der Beschwerdeführerin eine Urkundenvorlage erstattet und es wurde die Notwendigkeit der Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache bekannt gegeben.

1.8. Die belangte Behörde kündigte mit Schreiben vom 24. Februar 2021 die Nichtteilnahme an der Verhandlung an und beantragte die Beschwerdeabweisung. Zur übermittelten Urkundenvorlage der Beschwerdeführerin wurde mitgeteilt, dass der Vater der Beschwerdeführerin zuletzt über ein durchschnittliches Nettomonatseinkommen von 1.930,-- Euro verfügt habe. Aktuell seien aber monatlich 1.971,62 Euro zu fordern und es sei der Vater inzwischen nur mehr als „normaler“ Arbeiter gemeldet (anstatt als Arbeiter Nachtschicht/Schwerarbeit), weshalb bei der Prognose von einem niedrigeren Einkommen auszugehen sei.

1.9. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 26. Februar 2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin teilnahm und weitere Unterlagen vorlegte. Der Vater der Beschwerdeführerin wurde – unter Beiziehung eines nichtamtlichen Dolmetschers für die englische Sprache – als Zeuge unter Wahrheitspflicht zur Sache einvernommen.

2.       Feststellungen und Beweiswürdigung:

2.1. Feststellungen:

Die am *** geborene Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Bundesrepublik Nigeria.

Die Beschwerdeführerin beantragte persönlich am 1. April 2019 bei der Österreichischen Botschaft in Abuja die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Vater. Ebenso beantragte auch die am *** in Nigeria geborene Mutter die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels. Der am *** in Nigeria geborene Vater, ebenfalls ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria, lebt seit dem Jahr 2005 in Österreich und verfügt hier aktuell über den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, gültig bis 10. September 2022.

Die Eltern der Beschwerdeführerin haben in Nigeria im Jahr 2003 traditionell geheiratet und am 11. Mai 2017 offiziell. Es handelt sich dabei um eine rechtmäßige Eheschließung.

Die Beschwerdeführerin beabsichtigt in Österreich mit ihrer Mutter beim Vater an dessen Wohnadresse in der ***, ***, Unterkunft zu nehmen, wobei beabsichtigt ist, dass die Eltern in einem Zimmer schlafen und die Beschwerdeführerin in einem anderen. Es handelt sich bei dieser Unterkunft um eine Wohnung mit einer Größe von ca. 60 m2 bestehend aus zwei Zimmer, Küche, Vorraum, Bad und WC und Loggia. Der Vater bewohnt diese Wohnung seit Jänner 2017 auf Basis eines unbefristeten Mietvertrages.

Gemäß einer Mitteilung der Marktgemeinde *** vom 5. September 2019 ist die Unterkunft ortsüblich im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG.

Der Vater überlegt einen Wohnungswechsel, wenn seine Familie in Österreich und die Mutter der Beschwerdeführerin arbeitstätig ist, wobei er dann voraussichtlich eine Wohnung für ca. 500,-- Euro Miete suchen will.

Der Vater der Beschwerdeführerin ist seit dem Jahr 2015 in Österreich arbeitstätig. Seit 1. Februar 2019 ist er bei der C GmbH unbefristet als Maschinenbediener beschäftigt. Seine Arbeitstätigkeit hat sich auch im Jahr 2021 nicht verändert. Sein aktueller Bruttogrundlohn beträgt 1.756,-- Euro. Dies entspricht inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld einem monatlichen Nettolohn von 1.650,62 Euro. Unter Berücksichtigung des Familienbonus Plus für ein Kind ergibt sich der Betrag von 1.729,85 Euro. Der Vater erhält zusätzlich eine Vergütung für geleistete Überstunden sowie Zulagen (Nachtzulage, Schmutzzulage, Bereitschaftszulage), wobei er im Zeitraum August 2020 bis Jänner 2021 durchschnittlich 188,18 Euro brutto monatlich für Überstunden und 181,98 Euro brutto monatlich an Zulagen erhalten hat.

Der Vater der Beschwerdeführerin verfügt an Ersparnissen über ein Kontoguthaben in Höhe von ca. 41.000,-- Euro.

Der Vater der Beschwerdeführerin lebt sparsam und hat nur folgende regelmäßige Aufwendungen: 431,46 Euro monatlich an Miete, 114,-- Euro im Quartal für Strom und Gas, 73,88 Euro monatlich für sein Auto. Weitere regelmäßige Aufwendungen bestehen nicht.

Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter haben keine regelmäßigen Aufwendungen.

Der Anspruch auf eine alle Risken abdeckende und in Österreich leistungspflichtige Krankenversicherung ist für die Beschwerdeführerin gegeben.

Ein Quotenplatz für die Beschwerdeführerin liegt vor.

Seitens der Beschwerdeführerin wurde im verwaltungsbehördlichen Verfahren auf Grund eines behördlichen Verbesserungsauftrages ein Goethe-Zertifikat A1, Start Deutsch 1, vom 24. Juli 2019 vorgelegt.

Diesem Zertifikat zufolge hat sie am 8. Juli 2019 die Deutschprüfung mit dem Prädikat „ausreichend“ abgelegt. Auf der Rückseite des Zertifikats befindet sich ein Hinweis, dass die Deutschprüfung die erste Stufe (A1) der im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen beschriebene Kompetenzskala dokumentiert, wobei die Stufe A die Fähigkeit zur elementaren Sprachverwendung bezeichne. Das Zertifikat ist echt und es verfügt die Beschwerdeführern tatsächlich und auch aktuell über entsprechende Sprachkenntnisse zumindest auf dem Niveau A1.

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot wurden gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt. Ebenso wenig wurde die Beschwerdeführerin wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet bestraft. Eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumpflichtigen Aufenthaltes liegt nicht vor. Im Strafregister der Republik Österreich scheint betreffend die Beschwerdeführerin keine Verurteilung auf und es ist die Beschwerdeführerin auch in Nigeria unbescholten. Im Schengener Informationssystem scheint keine Vormerkung auf.

Dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde ist nicht erkennbar.

Ein aktuelles Lichtbild der Beschwerdeführerin aus Februar 2021 liegt vor.

Der Reisepass der Beschwerdeführerin weist eine Gültigkeit bis 24. Juli 2022 auf.

2.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die Inhalte der vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten, insbesondere auch auf die Ergebnisse der durchgeführten Verhandlung. Festzuhalten ist hinsichtlich der Verhandlung, dass der Vater der Beschwerdeführerin als Zeuge unter Wahrheitspflicht befragt wurde und dabei einen durchaus glaubwürdigen persönlichen Eindruck hinterlassen hat. Seitens der belangten Behörde hat kein Vertreter an der Verhandlung teilgenommen. Es hat die belangte Behörde somit von der mit der Verhandlung gebotenen Gelegenheit zur Kenntnisnahme von den Beweisergebnissen und zur Stellungnahme nicht Gebrauch gemacht (vgl. etwa VwGH 29.1.2003, 2001/03/0194; 29.6.2011, 2007/02/0334; 21.3.2017, Ra 2017/22/0027, Rz 16). Im Einzelnen ist zu den getroffenen Feststellungen Folgendes auszuführen:

Die getroffenen Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich insbesondere aus der vorgelegten Geburtsurkunde und dem Reisepass. Auch steht nach den aktenkundigen Ermittlungsergebnissen des Vertrauensanwaltes in Nigeria die Identität der Beschwerdeführerin fest. Zur Antragstellung ist auf den Verwaltungsakt zu verweisen. Die Feststellungen zur Person des Vaters ergeben sich insbesondere aus dem von ihm vorgelegten Reisepass, den im Zentralen Melderegister und im Zentralen Fremdenregister enthaltenen Daten, den aktenkundigen Versicherungsdatenauszügen sowie seinen Angaben in der Verhandlung (Verhandlungsschrift S 8). Zur Eheschließung der Eltern ist insbesondere auf die aktenkundige Heiratsurkunde, die vorliegenden Fotos und die Angaben des Vaters zu verweisen (Verhandlungsschrift S 8). Festzuhalten ist, dass im Verfahren kein Sachverhalt hervorgekommen ist, der Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Eheschließung erwecken würde.

Die Feststellungen zur Unterkunft in Österreich basieren auf den im Verfahren dazu vorgelegten Unterlagen, insbesondere Mietvertrag und Wohnungsplan. Der Vater hat in der Verhandlung dargelegt, dass er und die Mutter der Beschwerdeführerin in einem Zimmer und die Beschwerdeführerin in einem anderen Zimmer schlafen würden (Verhandlungsschrift S 7). Zur Mitteilung der Marktgemeinde *** ist wiederum auf den Verwaltungsakt zu verweisen. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass der Vater angegeben hat, dass er sich für ca. 500,-- Euro eine neue Wohnung suchen werde, wenn seine Familie nach Österreich komme, wobei er in weiterer Folge angab, dass er das erst dann machen werde, wenn die Mutter in Österreich sei und eine Arbeit habe; er müsse nicht sofort ausziehen, nur weil Frau und Kind kommen (Verhandlungsschrift S 7 f.).

Zur Arbeitstätigkeit des Vaters ist auf die aktenkundigen Versicherungsdatenauszüge zu verweisen, wobei sich aus den Angaben des Vaters ergibt, dass sich seine Arbeitstätigkeit auch im Jahr 2021 nicht verändert hat (Verhandlungsschrift S 4 f.). Dass die Beschäftigung unbefristet ist, ergibt sich aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Arbeiterdienstvertrag, der außerdem sowohl von Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite unterschrieben ist. Der aktuelle Bruttogrundlohn ergibt sich aus dem vorliegenden Abrechnungsbeleg für Jänner 2021. Die Feststellungen zum monatlichen Nettolohn unter Einbeziehung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld bzw. des Familienbonus Plus ergeben sich unter Heranziehung des BMF-Brutto-Netto-Rechners. Der Erhalt einer Vergütung für Überstunden und Zulagen ergibt sich aus den vorliegenden Abrechnungsbelegen, wobei die Durchschnittsbeträge auf den Belegen der letzten sechs Monate basieren.

Zu den Ersparnissen des Vaters ist festzuhalten, dass sich aus der mit Urkundenvorlage vom 22. Februar 2021 vorgelegten Kontoübersicht ergibt, dass der Vater zum Stand 28. Jänner 2021 über ein Kontoguthaben von 41.100,52 Euro verfügte. Dem Auszug lässt sich außerdem entnehmen, dass der Vater seit Juli 2020 (Auszugsbeginn) nie einen geringeren Kontostand als 38.827,65 Euro hatte. In der Verhandlung gab der Vater an, dass er 41.000,-- Euro auf seinem Konto habe und er gab zur Herkunft des Geldes an (Verhandlungsschrift S 6): „Ich habe das Geld, weil ich zuvor in einer Leihfirma gearbeitet habe. Die hat mich dann angehalten einen fixen Job bei D anzunehmen. Der Grund für das Geld am Konto ist, dass ich arbeite. Ich leiste alle notwendigen Ausgaben für mich und meine Familie, den Rest spare ich.“ Er bestätigte in Folge auch noch, dass er selber das Geld gespart habe (Verhandlungsschrift S 6).

Zu den regelmäßigen Aufwendungen des Vaters ist insbesondere auf die Kontoübersicht, die vorgelegten Zahlscheine sowie seine Angaben zu verweisen (Verhandlungsschrift S 6). Darüber hinaus lassen sich dem aktenkundigen KSV1870 „Infopass für Behörden“ keine relevanten Einträge entnehmen und es scheint der Name des Vaters auch nicht in der Insolvenzdatei auf. Der Vater hat auch verneint, dass die Beschwerdeführerin oder deren Mutter Aufwendungen hätten (Verhandlungsschrift S 6). Zu den im angefochtenen Bescheid angesprochenen allfälligen Kosten für eine Mitversicherung ist festzuhalten, dass nach dem hg. gegebenem Gerichtswissen mitversicherte Kinder sowie Ehepartner, die sich der Erziehung von im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern widmen oder gewidmet haben, keinen Zusatzbeitrag zu entrichten haben (vgl. dazu auch etwa die im Internet von der ÖGK und der WKO veröffentlichten Informationen; vgl. auch etwa LVwG NÖ 16.9.2020, LVwG-AV-753/001-2019, Punkt 2.2.).

Zu den weiteren Feststellungen ist festzuhalten, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf einen alle Risken abdeckenden und in Österreich leistungspflichtigen Krankenversicherungsschutz mit Blick auf § 123 Abs. 1 ASVG nicht zweifelhaft ist. Zum Quotenplatz der Beschwerdeführerin ist auf den entsprechenden behördlichen Aktenvermerk zu verweisen.

Zum vorgelegten Sprachzertifikat ist auf den Verwaltungsakt zu verweisen. Die Echtheit des Zertifikates wurde im Beschwerdeverfahren seitens des ausstellenden Goethe-Institutes bestätigt. Dass die Beschwerdeführerin tatsächlich und auch aktuell über entsprechende Sprachkenntnisse zumindest auf dem bestätigten Niveau A1 verfügt, ergibt sich aus den Angaben des Vaters, der diesbezüglich angab (Verhandlungsschrift S 6 f.): „Die beiden haben Deutschkurse in Nigeria besucht. Sie sprechen auch Deutsch. Manchmal sprechen wir Deutsch miteinander. Sowohl meine Frau als auch meine Tochter haben ein Examen zum Deutschkurs erhalten. […] Sie können beide schreiben und sie können auch beide sprechen. […] Meine Frau und meine Tochter können Deutsch nicht perfekt, aber sie können es sprechen.“ Der Vater gab auch auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin und ihre Mutter im April 2019 noch nicht so gut Deutsch konnten, an, dass sie es jetzt besser könnten (Verhandlungsschrift S 7). Zur Mitteilung der Österreichischen Botschaft in Abuja, wonach die Beschwerdeführerin kein Deutsch spreche und auch nicht Deutsch lerne, ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin erst danach den Deutschkurs besuchte und ihr Zertifikat erhalten hat. Darauf hinzuweisen ist zudem noch, dass die belangte Behörde im Beschwerdeverfahren keine Ausführungen zur Frage des Nachweises der Sprachkenntnisse mehr getätigt hat.

Die Feststellungen, wonach aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt wurden und wonach die Beschwerdeführerin wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet nicht bestraft wurde, ergeben sich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte (s. dazu insb. auch die aktenkundigen Abfragen des Zentralen Fremdenregisters). Ebenso liegen keinerlei Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumpflichtigen Zeitraumes vor. Des Weiteren scheint im Strafregister der Republik Österreich gemäß hg. durchgeführten Abfragen keine Verurteilung der Beschwerdeführerin auf. Nach den vorgelegten nigerianischen Führungszeugnissen ist die Beschwerdeführerin auch in ihrem Herkunftsstaat unbescholten. Ebenso scheint im Schengener Informationssystem keine Vormerkung auf. Auch dafür, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Zum aktuellen Lichtbild ist auf die Vorlage in der Verhandlung zu verweisen, zur Gültigkeit des Reisepasses auf den im Verfahren vorgelegten Reisepass.

3.       Maßgebliche Rechtslage:

3.1. § 46 Abs. 1 Z 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, (NAG) lautet:

„Bestimmungen über die Familienzusammenführung

§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und

[…]

2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende

a) einen Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt – EU‘ innehat,

b) einen Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a innehat,

c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt,

d) als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger über eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 oder eine Daueraufenthaltskarte gemäß § 54a verfügt oder

e) einen Aufenthaltstitel ‚Artikel 50 EUV‘ innehat.“

3.2. § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG lauten:

„Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. […]

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

[…]

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

[…]

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“

3.3. § 21a Abs. 1 und Abs. 6 NAG lauten:

„Nachweis von Deutschkenntnissen

§ 21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

[…]

(6) Durch Verordnung des Bundesministers für Inneres sind jene Einrichtungen zu bestimmen, deren Sprachdiplome als Nachweis gemäß Abs. 1 gelten.“

3.4. § 9b der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 451/2005 idgF, (NAG-DV) lautet:

„Zu § 21a NAG

Nachweis von Deutschkenntnissen

§ 9b. (1) Kenntnisse der deutschen Sprache zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau im Sinne des § 21a Abs. 1 NAG entsprechen dem A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin u.a., Langenscheidt 2001).

(2) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 21a Abs. 1 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome von folgenden Einrichtungen:

1. Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;

2. Goethe-Institut e.V.;

3. Telc GmbH;

4. Österreichischer Integrationsfonds.

(3) Aus dem Sprachdiplom muss hervorgehen, dass der Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt. Andernfalls gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse als nicht erbracht.“

4.       Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

4.1. Zur Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“:

4.1.1. Die belangte Behörde stützte die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf erstmalige Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 NAG) darauf, dass die erforderlichen Sprachkenntnisse (§ 21a Abs. 1 NAG) und der gesicherte Lebensunterhalt (§ 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG) nicht nachgewiesen worden seien.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

a) Zum Nachweis der Deutschkenntnisse:

Gemäß § 21a Abs. 1 NAG haben Drittstaatsangehörige mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

Gemäß § 9b Abs. 1 NAG-DV entsprechen Kenntnisse der deutschen Sprache zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau dem A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gilt gemäß § 9b Abs. 2 leg.cit. u.a. ein allgemein anerkanntes Sprachdiplom des Goethe-Institutes.

Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, hat die Beschwerdeführerin im verwaltungsbehördlichen Verfahren ein diesen Vorgaben entsprechendes Goethe-Zertifikat A1 vorgelegt. Das Zertifikat ist echt und es verfügt die Beschwerdeführern tatsächlich und auch aktuell über entsprechende Sprachkenntnisse zumindest auf dem Niveau A1.

Das Vorliegen der erforderlichen Sprachkenntnisse ist daher nachgewiesen (vgl. auch etwa VwGH 28.5.2015, Ra 2015/22/0009; 17.3.2016, Ra 2016/22/0017; 25.4.2019, Ra 2019/22/0047).

b) Zur Frage des Vorliegens des gesicherten Lebensunterhaltes:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG iVm § 11 Abs. 5 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Der Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes knüpft dabei an die Richtsätze des § 293 ASVG an (vgl. etwa VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0186).

Der erforderliche Richtsatz für ein Ehepaar mit einem Kind beträgt aktuell 1.732,73 Euro (§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa und letzter Satz ASVG). Der Wert der freien Station beträgt aktuell 304,45 Euro (§ 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG).

Die Prüfung, ob der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, ob also ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, hat durch eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu erfolgen (vgl. etwa VwGH 23.11.2017, Ra 2017/22/0144; VfGH 4.10.2018, G 133/2018).

Für die Berechnung der Unterhaltsmittel maßgeblich ist dabei jenes Einkommen, das dann erzielt wird, wenn dem Fremden der begehrte Aufenthaltstitel erteilt wird (vgl. VwGH 20.10.2011, 2009/18/0122). Bei der Berechnung des vorhandenen Einkommens sind die anteiligen Sonderzahlungen ebenso zu berücksichtigen wie etwa Überstundenpauschalen (vgl. VwGH 21.6.2011, 2008/22/0356). Darüber hinaus kommt der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auch durch Sparguthaben in Betracht (vgl. für viele etwa VwGH 31.5.2011, 2009/22/0260; 8.11.2018, Ra 2018/22/0012; 9.9.2020, Ra 2020/22/0121; VfGH 4.10.2018, G 133/2018).

§ 11 Abs. 5 zweiter Satz NAG zählt jene Beträge („regelmäßige Aufwendungen“) demonstrativ auf, die vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, wobei jedoch – sofern tatsächlich Aufwendungen in dieser Höhe anfallen – einmal ein Betrag in Höhe des sog. „Werts der freien Station“ unberücksichtigt zu bleiben hat (vgl. etwa VwGH 28.5.2015, Ra 2015/22/0009).

Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist im vorliegenden Fall von einem gesicherten Lebensunterhalt auszugehen.

Der Vater der Beschwerdeführerin ist arbeitstätig und erhält inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld einen monatlichen Nettogrundlohn von 1.650,62 Euro. Unter Berücksichtigung des bei Zuzug der Beschwerdeführerin zu erwartenden Familienbonus Plus ergibt sich ein monatlicher Nettobetrag von 1.729,85 Euro. Zusätzlich erhält der Vater eine Vergütung für geleistete Überstunden sowie Zulagen, wobei er zuletzt durchschnittlich 188,18 Euro brutto monatlich für Überstunden und 181,98 Euro brutto monatlich an Zulagen erhalten hat. Bei konservativster Berechnung (50%iger Steuersatz) ergibt sich somit ein zusätzlicher Nettobetrag von 185,08 Euro. Gesamt ergibt sich somit der Betrag von 1.914,93 Euro. Auf Grund der vorhandenen Ersparnisse ergibt sich für den zwölfmonatigen Prognosezeitraum ein weiterer Monatsbetrag von 3.416,67 Euro. Nach Abzug der den Wert der freien Station übersteigenden regelmäßigen Aufwendungen (sohin 238,89 Euro) ergibt sich somit jedenfalls ein deutlich über dem erforderlichen Richtsatz liegender Betrag.

Es ist vor diesem Hintergrund nicht davon auszugehen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Der Vollständigkeit halber ist zudem darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich auch eine bloß geringfügige Richtsatzunterschreitung unschädlich wäre (vgl. dazu etwa VwGH 8.10.2019, Ra 2018/22/0260).

Die Beschwerdeführerin erfüllt somit die Voraussetzungen der § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG.

4.1.2. Zu den weiteren Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels:

Wie aus den getroffenen Feststellungen ersichtlich ist, sind im vorliegenden Fall auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung des von der Beschwerdeführerin begehrten Aufenthaltstitels erfüllt. Erteilungshindernisse liegen nicht vor.

Zum Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft ist auszuführen, dass ein Mietvertrag in der Regel einen Rechtsanspruch auf die gemietete Unterkunft verschafft (vgl. etwa VwSlg. 15.504 A/2000) und dass generelle Mitbenützungsrechte an einer Wohnung auf Grund familienrechtlicher Titel zur Erfüllung der Erteilungsvoraussetzung ausreichen (vgl. etwa VwGH 5.5.2011, 2008/22/0508). Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass im Regelfall – selbst bei einem nur eingeschränkt kündbaren Mietvertrag – nicht garantiert werden kann, dass gerade eine bestimmte Unterkunft über den gesamten Zeitraum der Gültigkeit des Aufenthaltstitels zur Verfügung stehen wird, weil eine gewisse rechtliche und/oder tatsächliche Unsicherheit vorhanden ist. Deshalb ist in einer Prognoseentscheidung zu beurteilen ist, ob begründete Aussicht besteht, dass der Fremde (bzw. der zusammenführende Familienangehörige) in der Lage sein wird, seine Wohnbedürfnisse bzw. die der Familie befriedigen zu können, ohne wegen Obdachlosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darzustellen oder eine Gebietskörperschaft finanziell zu belasten (s. VwGH 9.9.2014, Ro 2014/22/0032). Zur Ortsüblichkeit einer Unterkunft hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 AufG und § 8 Abs. 5 FrG 1997 (den Vorgängerbestimmungen des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG) und dem darin enthaltenen Erfordernis einer „für Inländer ortsüblichen Unterkunft“ ausgeführt, dass die Behörde dann, wenn sie die Ortsüblichkeit einer von einem Antragsteller zur Verfügung stehend angegebenen Wohnung in Zweifel zieht, Feststellungen über die Beschaffenheit der Wohnung zu treffen und zu ermitteln und darzulegen hat, ob Inländer mit vergleichbarer Familienstruktur und sozialer Schichtung in vergleichbaren Wohngegenden (Bezirksteilen) zu einem noch ins Gewicht fallenden Anteil vergleichbare Wohnungen so nutzen, wie es fallbezogen beabsichtigt ist (vgl. etwa VwGH 14.5.1999, 97/19/1352). Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei in seiner einschlägigen Rechtsprechung aufgezeigt, dass keine allgemein gültigen Grundsätze hinsichtlich Wohnungsgröße sowie Anzahl und Alter der Bewohner bestehen. Ausdrücklich festgehalten hat der Gerichtshof etwa, dass auch „beengte Wohnverhältnisse“ ortsüblich sein können (vgl. VwSlg. 15.416 A/2000) und er hat insbesondere betont, dass es sich bei der behördlichen Feststellung, eine für Inländer ortsübliche Unterkunft liege nur dann vor, wenn auf jede der dort gemeinsam wohnenden Personen mindestens 10 m2 an Nutzfläche entfalle, nicht um eine offenkundige Tatsache handle (vgl. etwa VwGH 28.2.1997, 95/19/0566). Ebenso sei es keinesfalls offenkundig, dass eine ortsübliche Unterkunft bei Familien mit Kindern nur dann vorliege, wenn für die Kinder ein eigener Schlafraum zur Verfügung stehe (vgl. etwa VwGH 14.5.1999, 97/19/0815).

Im Lichte dieser Rechtsprechung und ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist im vorliegenden Fall sowohl der gesetzlich geforderte Rechtsanspruch als auch die Ortsüblichkeit der zur Verfügung stehenden Unterkunft gegeben (vgl. zur Ortsüblichkeit auch etwa VwGH 24.11.2000, 98/19/0181). Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnbedürfnisse in den nächsten zwölf Monaten nicht mehr befriedigt werden könnten und die Gefahr der Obdachlosigkeit eintreten könnte, bestehen nicht. Darauf hinzuweisen ist, dass auch die – mit den örtlichen Verhältnissen vertraute – Marktgemeinde *** die Wohnung als ortsüblich im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG qualifiziert hat. Die Prognoseentscheidung ist daher zu Gunsten der Beschwerdeführerin zu treffen.

Weiters ist schon mit Blick auf § 123 Abs. 1 ASVG der Anspruch auf eine alle Risken abdeckende und in Österreich leistungspflichtige Krankenversicherung nicht zweifelhaft (vgl. etwa VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0168).

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot wurden gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt und es ist auch das Vorliegen einer Aufenthaltsadoption, eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumpflichtigen Aufenthaltes oder eine Bestrafung wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet nicht gegeben. Dem Aufenthalt der (unbescholtenen) Beschwerdeführerin in Österreich widerstreitende öffentliche Interessen liegen nicht vor und es wurde Gegenteiliges auch im gesamten Verfahren von niemandem vorgebracht. Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt (wesentlich) beeinträchtigen würde.

Die Beschwerdeführerin verfügt darüber hinaus über einen Quotenplatz, sie hat zuletzt auch nochmals ein aktuelles Lichtbild vorgelegt und sie ist als mj. Tochter auch Familienangehörige eines Drittstaatsangehörigen, der über ein von § 46 Abs. 1 Z 2 NAG verlangtes Aufenthaltsrecht verfügt.

4.1.3. Der Beschwerde ist somit stattzugeben und es ist der Beschwerdeführerin der beantragte Aufenthaltstitel – in konstitutiver Weise – zu erteilen (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0125). Die Befristung auf zwölf Monate gründet sich auf § 20 Abs. 1 NAG. Gemäß § 19 Abs. 10 NAG hat die belangte Behörde nunmehr die Herstellung einer Aufenthaltstitelkarte zu beauftragen und diese auszufolgen.

4.1.4. Darauf hinzuweisen ist, dass der Mutter der Beschwerdeführerin mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag ebenfalls ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 erteilt wurde (zu LVwG-AV-264/001-2020).

4.2. Zum Vorbehalt der Kostenentscheidung:

Gemäß § 76 Abs. 1 AVG hat grundsätzlich die Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, für die der Behörde bei einer Amtshandlung erwachsene Barauslagen aufzukommen. Als Barauslagen gelten dabei auch die Gebühren, die den Dolmetschern zustehen. Der Ersatz der Barauslagen durch die Partei setzt aber voraus, dass die Barauslagen der Behörde bereits erwachsen sind, dass sie also nach Festsetzung im Sinn des § 53a AVG bereits bezahlt wurden (vgl. etwa VwGH 8.4.1992, 91/12/0259).

Im vorliegenden Fall wurde der durchgeführten Verhandlung ein nichtamtlicher Dolmetscher für die englische Sprache beigezogen. Die Auszahlung der dem Dolmetscher für die von ihm erbrachten Leistungen zustehenden Gebühren ist bis zum hg. Entscheidungszeitpunkt allerdings noch nicht erfolgt, d.h. die diesbezüglichen Barauslagen sind dem Landesverwaltungsgericht noch nicht erwachsen. Es ist daher die Entscheidung über die Kosten einer gesonderten hg. Entscheidung vorzubehalten (vgl. etwa VwGH 30.4.1992, 91/05/0173).

4.3. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen. Die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich folgen der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und sie beinhalten eine – keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darstellende – einzelfallbezogene Beurteilung (vgl. etwa VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0211). Eine mündliche Verhandlung wurde durchgeführt.

Schlagworte

Fremden- und Aufenthaltsrecht; Rot-Weiß-Rot-Karte-plus; Sprachnachweis; Unterhaltsmittel; finanzielle Belastung; Gebietskörperschaft;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.265.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten