Entscheidungsdatum
26.08.2020Norm
AsylG 2005 §35 Abs1Spruch
W144 2232687-1/3E
W144 2232688-1/3E
W144 2232689-1/3E
W144 2232690-1/3E
W144 2232691-1/3E
W144 2232692-1/3E
W144 2232693-1/3E
W144 2232694-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber über die gemeinsame Beschwerde von 1.) XXXX alias XXXX , geb. XXXX , 2.) mj. XXXX , XXXX geb., 3.) mj. XXXX , XXXX geb., 4.) mj. XXXX , XXXX geb., 5.) mj. XXXX , XXXX geb., 6.) mj. XXXX , XXXX geb., 7.) mj. XXXX , XXXX geb., und 8.) mj. XXXX , XXXX geb., alle StA. von Somalia, alle vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft in Addis Abeba jeweils vom 03.03.2020, Zl. ET-ADD-OB-SP01-000211 bis 000218-2020, beschlossen:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG stattgegeben, die bekämpften Bescheide werden behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
Die 1.-Beschwerdeführerin (1.-BF) ist die Mutter der minderjährigen (mj.) 2.- bis 8.-Beschwerdeführer/innen (2.- bis 8.-BF), alle sind Staatsangehörige von Somalia. Die 1.-BF stellte für sich und ihre minderjährigen Kinder am 19.09.2019 persönlich bei der österreichischen Botschaft in Addis Abeba (im Folgenden: ÖB) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gem. § 35 Abs. 1 AsylG.
Begründend führte die 1.-BF als gesetzliche Vertreterin der 2.- bis 8.-BF aus, dass die 1.-BF Ehegattin und die 2.- bis 8.-BF die minderjährigen Kinder des XXXX , XXXX geb., StA von Somalia., (Bezugsperson im Folgenden: „BP“), seien, dem im Bundesgebiet mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2018, Zahl W103 2168151-1/3E-1, rechtskräftig seit März 2018, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Die Ehe sei am 25.08.2005 in XXXX /Somalia traditionell geschlossen worden.
Dem Antrag beigeschlossen waren insbesondere folgende Unterlagen (in Kopie):
? schriftlicher Anträge auf Einreise/ausgefüllte Befragungsformulare im Einreiseverfahren gem. § 35 AsylG bezüglich aller BF datiert mit 19.09.2019
? Reisepass der 1.-BF
? Heiratsurkunde
? Geburtsurkunden der 2.- bis 8.-BF
? Erkenntnis (Spruch) über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die BP vom 02.03.2018
? Meldezettel der BP (laut Vermerk im Verwaltungsakt im Original gesehen)
? Konventionsreisepass der BP
? Geburtsurkunde der BP
? Bescheid über die Mindestsicherung der BP
? Prekariatsvereinbarung über eine 35m2 Wohnung der BP mit € 150,- Betriebskosten ohne Strom
? E-Card der BP
? 5 Lohnabrechnungen der BP als Arbeitnehmer einer Textilreinigungsfirma von 08.2018 bis 11.2018 und 07.2019 mit Auszahlungsbeträgen zwischen € 526,64 und 1.791,95
In der Folge übermittelte die ÖB den Antrag und Sachverhalt an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur Erstattung einer Stellungnahme gemäß § 35 Abs. 4 AsylG und einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeitsprognose, ob die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten an die Beschwerdeführer (BF) im Familienverfahren wahrscheinlich erscheine.
Mit Schreiben vom 21.11.2019 erstattete das BFA eine solche (in Bezug auf alle BF ergehende) Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass in den vorliegenden Fällen die voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AsylG nicht erfüllt seien und daher eine Statuszuerkennung gem. § 35 AsylG nicht wahrscheinlich sei.
Mit Schreiben vom 10.12.2019 wurden die BF seitens der ÖB aufgefordert, den in der gleichzeitig vorgehaltenen Stellungnahme des BFA angeführten Ablehnungsgründen durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen entgegen zu treten.
Mit Schriftsatz vom 18.12.2019 erstattete die 1.-BF für sich und ihre minderjährigen Kinder im Wege des Österreichischen Roten Kreuzes eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass unbestritten sei, dass die BP die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z. 2 AsylG derzeit nicht vollständig erfüllen könne. Die Bezugsperson habe eine Teilzeitstelle angenommen, verdiene monatlich durchschnittlich € 801,50 und bewohne eine 35 m² große Mietwohnung. Wie bereits in einer früheren Stellungnahme angeführt, seien die BF nach der Flucht der BP in Somalia zurückgeblieben, wo sie ihr ganzes Leben verbracht hätten. Da sich in Somalia jedoch keine österreichische Vertretungsbehörde befinde, hätten die BF, um Anträge einbringen zu können, zunächst die Grenze nach Äthiopien überqueren müssen, was aufgrund der damaligen Grenzsituation trotz Bemühens der BF mehrere Monate in Anspruch genommen habe. Zudem leide die mj. BF XXXX an einer Herzkrankheit, wodurch sich die Einreise ebenfalls verzögert habe. Schließlich hätten die BF erst am 02.07.2019 nach Äthiopien einreisen können, zu diesem Zeitpunkt sei die Dreimonatsfrist bereits abgelaufen gewesen, doch treffe die BF an der Versäumung der Frist objektiv kein Verschulden und sei daher entschuldbar. Von der Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen sollte daher schon aus diesem Grunde abgesehen werden.
Zudem sei von den Voraussetzungen an der genannten Bestimmung abzusehen, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat-und Familienlebens dringend geboten erscheine. Das Familienleben der BF mit der BP könne in keinem anderen Staat fortgeführt werden. Es liege der Ausnahmetatbestand des § 35 Abs. 4 Z. 3 vor, und habe die Behörde keine einzelfallbezogene Abwägung gemäß Art. 8 EMRK vorzunehmen.
Schließlich sei zur Familieneigenschaft der BF zur BP anzuführen, dass, wenn die Behörde Zweifel an der Familieneigenschaft habe, eine Belehrung darüber, dass eine DNA-Analyse vorgenommen werden könne, zu erfolgen gehabt hätte. Das Unterlassen einer solchen Belehrung zur Vornahme, konkret zur Hilfestellung der ÖB bei der Durchführung einer solchen DNA-Analyse, stelle einen Verfahrensmangel dar.
Nach Einlangen der oben angeführten Stellungnahme übermittelte das BFA der ÖB mit Schreiben vom 28.01.2020 eine neuerliche negative Stellungnahme gem. § 35 AsylG 2005.
Diese 2. negative Stellungnahme des BFA wurde den BF seitens der ÖB mit Schreiben vom 11.02.2020 zur Kenntnis gebracht, wobei die ÖB ergänzte, dass zum Nachweis der Angehörigeneigenschaft die Durchführung einer DANN-Analyse erforderlich sei.
Mit Schriftsatz vom 17.02.2020 replizierten die BF wie bereits in ihrer vorherigen Stellungnahme ausgeführt.
Mit Bescheiden jeweils vom 03.03.2020 wies die ÖB die Anträge der BF auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 AsylG ab, da das BFA (aus folgenden 2 Gründen) an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten habe:
? Die Antragsteller hätten die Erteilungsvoraussetzungen gem. § 60 Abs. 2 Z 1 – 3 AsylG nicht nachweisen können und erscheine die Einreise der BF auch nicht (…) gem. Art. 8 EMRK geboten.
? Die von den Antragstellern vorgelegten Dokumente würden nicht genügen, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Zu diesem Nachweis wäre noch die Durchführung einer DNA-Analyse erforderlich.
Gegen diese Bescheide erhoben die BF im Wege des Österreichischen Roten Kreuzes mit Schreiben vom 31.03.2020 fristgerecht gemeinsame Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Begründend wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Bezugsperson mit Erkenntnis des BVwG vom März 2018 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Die Antragstellung der BF habe demnach nach Ablauf der dreimonatigen Frist zur Antragstellung stattgefunden, doch sei die verspätete Antragstellung im konkreten Fall unverschuldet erfolgt, da den BF der Grenzübertritt von Somalia nach Äthiopien nicht früher möglich gewesen sei. Eine Einreise nach Äthiopien sei schließlich erst am 02.07.2019, somit nach Ablauf dieser Frist, gelungen. Die Bezugsperson habe sich ebenfalls unmittelbar nach Asylzuerkennung um Unterstützung zur Familienzusammenführung bemüht, jedoch sei ihr das Procedere nicht nachvollziehbar gewesen, sodass kein schriftlicher Antrag zur Fristwahrung gestellt worden sei. Unbestritten sei weiters, dass die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylG derzeit nicht vollständig erfüllt seien. Die Ausführungen in den Stellungnahmen, wonach den BF an der Verspätung der Antragseinbringung kein Verschulden anzulasten sei, sodass die Voraussetzungen dieser Bestimmungen nicht einzuhalten seien, seien von der Behörde nicht berücksichtigt worden. Weiters habe die Bezugsperson Somalia verlassen und sei im Zuge dessen gezwungen gewesen, seine Ehefrau sowie die gemeinsamen sieben Kinder dort zurückzulassen. Die Trennung der Familie fußte daher ausschließlich auf dem Eintreten von asylrelevanten Gründen und sei eine Fortsetzung des Familienlebens in Somalia ausgeschlossen. Ein Familienleben in Äthiopien komme ebenfalls nicht in Frage, da die Familie dort weder über einen dauerhaft gesicherten Aufenthaltsstatus noch über ein ausreichendes Einkommen verfüge. Der Ausnahmetatbestand gemäß § 35 Abs. 4 Z. 3 AsylG sei relevant, sei jedoch von der Behörde nicht berücksichtigt worden; zweifelsfrei bestehe ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK. Den BF stehe keine andere Möglichkeit der Familienzusammenführung offen, und sein Familienleben im Falle der Abweisung dauerhaft nicht gewährleistet. Letztlich wurde auf das Kindeswohl verwiesen und geltend gemacht, dass den Kindern ein Recht auf familiäre Beziehungen zu beiden Elternteilen zukomme.
Am 03.07.2020 wurden dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.) Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.
Darüber, ob die 2.- bis 8.-BF die leiblichen Kinder der Bezugsperson sind, kann keine Aussage getroffen werden.
Zwar wurde den BF im Rahmen des Parteiengehörs mitgeteilt, dass zum Nachweis der Angehörigeneigenschaft der BF zur BP die Durchführung einer DNA-Analyse erforderlich erscheine, jedoch wurde die 1.-BF als gesetzliche Vertreterin im Verfahren über die konkrete Möglichkeit und organisatorische Hilfestellung seitens der ÖB zur Vornahme einer DNA-Analyse zum Nachweis des Verwandtschaftsverhältnisses nicht belehrt. In der Folge wies die ÖB die beantragten Einreisetitel jedoch auch aus dem Grund des fehlenden Nachweises der Angehörigeneigenschaft durch DNA-Analysen ab.
2.) Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt der ÖB.
Die Feststellung, dass keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob die minderjährigen 2.- bis 8.-BF die leiblichen Kinder der Bezugsperson sind, ergibt sich aus dem Umstand, dass in den erstinstanzlich vorgelegten Geburtsurkunden und Reispässen lediglich der Name der Mutter (der 1.-BF) aufscheint, nicht aber der Name der BP als Vater.
Angesichts dessen vermag auch der Umstand, dass die BP schon in dessen Asylverfahren anführte, seit verheiratet zu sein und 7 Kinder zu haben, nichts daran zu ändern, dass es den BF nicht gelungen ist, das behauptete Verwandtschaftsverhältnis der 2.- bis 8.-BF zur BP nachzuweisen.
3.) Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:
§ 35 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1.
gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2.
das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3.
im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
§§ 11 Abs. 1 ,11a und 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
…
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
….
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“
Die Bestimmung des § 13 Abs. 4 des Bundesgesetzes, mit dem die Allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz-BFA-VG) lautet:
„13 (4) Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) idgF lauten wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“
Im Hinblick auf die fragliche Angehörigeneigenschaft der BF zur Bezugsperson ist Folgendes auszuführen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit Erkenntnis vom 22.02.2018, Ra 2017/18/0131 bis 0133, mit den inhaltlichen Anforderungen, die sich aus § 13 Abs. 4 BFA-VG ergeben, auseinandergesetzt und folgende Ausführungen auch im Erkenntnis vom 26.03.2018, Ra 2017/18/0112, bekräftigt:
„Wie in den angeführten Materialien klar zum Ausdruck gebracht wird, wird durch die Bestimmung des § 13 Abs. 4 BFA-VG nicht vom amtswegigen Ermittlungsgrundsatz (unter Beachtung der Mitwirkungspflicht des Fremden) abgegangen. Sie kommt daher nur zur Anwendung, wenn es einem Fremden nicht gelingt, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen und hinsichtlich der Ergebnisse des bisherigen Ermittlungsverfahrens Zweifel bestehen.
Daraus folgt als logischer erster Schritt, dass die Behörde bzw. das BVwG einem Fremden bestehende, konkrete Zweifel an einem behaupteten Abstammungsverhältnis mitzuteilen haben. Darüber hinaus haben sie dem Fremden auf sein Verlangen eine DNA-Analyse gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG ‚zu ermöglichen'; dieser ist auch über diese Möglichkeit zu belehren. Die in der Bestimmung angesprochene ‚Ermöglichung' der DNA-Analyse zum Nachweis des Verwandtschaftsverhältnisses kann im Lichte der Gesetzesmaterialien nur so verstanden werden, dass sie eine organisatorische Hilfestellung der Behörde bzw. des Gerichts bei der Durchführung der DNA-Analyse mitumfasst, nicht jedoch die Übernahme der Kosten. Diese Regelung verfolgt klar den Zweck, es einem Fremden auf sein Verlangen auf einfache Weise zu ermöglichen, bestehende Zweifel an einem Verwandtschaftsverhältnis mittels DNA-Analyse auszuräumen, sofern er sich zur Übernahme der Kosten bereiterklärt. Daher sind einem Fremden im Rahmen dieser organisatorischen Hilfestellung die praktischen Modalitäten - etwa wo er sich zu welchen Zeiten zur DNA-Analyse einzufinden hat und welche Kosten damit verbunden sind - bekannt zu geben.“
Im Erkenntnis vom 22.02.2018 hat der Verwaltungsgerichtshof in Rn 23 auch ausgeführt, dass - bevor ein Antrag gemäß § 35 AsylG 2005 aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis abgewiesen wird -, jedenfalls gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen hat (arg: „hat ihm (...) zu ermöglichen“; „ist (...) zu belehren“).
In den vorliegenden Fällen wurde den BF lediglich die Stellungnahme des BFA, wonach eine DNA-Analyse zum Nachweis der Angehörigeneigenschaft „erforderlich“ erscheine, im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Den BF wurde jedoch keine Belehrung darüber erteilt, dass die ÖB im Falle des Wunsches der BF eine solche DNA-Analyse in die Wege zu leiten, organisatorische Hilfestellung leisten würde. Konkret hätte die ÖB den BF gemäß obzitierter Judikatur „im Rahmen dieser organisatorischen Hilfestellung die praktischen Modalitäten - etwa wo die 2.- bis 8.-BF sich zu welchen Zeiten zur DNA-Analyse einzufinden haben und welche Kosten damit verbunden sind“ - bekannt geben müssen.
Angesichts dessen war die angefochtene Entscheidung aber auch hinsichtlich der 1.-BF aufzuheben, die nach der Verfahrenslage unbestritten als Mutter der minderjährigen 2.- bis 7.-BF erachtet wurde.
Vor diesem Hintergrund erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die Versäumung der Dreimonatsfrist gem. § 35 Abs.1 letzter Satz AsylG der BF zur Antragstellung als objektiv entschuldbar zu qualifizieren wäre und demnach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylG nicht vorliegen müssten. Der Vollständigkeit halber sei lediglich ergänzt, dass es sich bei der Fristversäumnis nicht bloß um eine kurze Versäumung von nur wenigen Wochen handelt, sondern die Versäumung ca. 1 ½ Jahre betrug und in keiner Weise ersichtlich ist, warum die BF nicht bereits fristwahrend versucht hätten, mit der ÖB über z.B. E-Mail in Kontakt zu treten, zumal ein Email-Verkehr auch später erfolgt ist. Der bloße Verweis auf - unüberprüfbar in den Raum gestellte -Schwierigkeiten beim Grenzübertritt vermag eine derart lange Fristversäumnis nicht als entschuldbar erscheinen.
Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zum Verwandtschaftsverhältnis respektive zum Familienleben der BF mit der Bezugsperson in Österreich nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können. Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.
Barauslagen iSd § 11a Abs. 3 leg.cit. sind im Beschwerdeverfahren nicht entstanden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung DNA-Daten Ermittlungspflicht Familienverfahren Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W144.2232687.1.00Im RIS seit
10.05.2021Zuletzt aktualisiert am
10.05.2021