TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/17 W112 2216325-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.2020
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Entscheidungsdatum

17.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53

Spruch


W112 2216325-1/44E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, vertreten durch BREHM & SAHINOL Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2019, ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, § 8 Abs. 1 Z 2, § 57, § 10 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 53 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbots auf 7 Jahre verkürzt wird.

III. De Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der RUSSISCHEN FÖDERATION, reiste als Minderjähriger unter Umgehung der Grenzkontrollen gemeinsam mit seinen Eltern und Brüdern im Besitz eines tschechischen Visums im XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein. Die Familie des Beschwerdeführers wurde an der Grenze eine Nacht in Polizeigewahrsam angehalten und nach Tschechien zurückgeschickt. Zwei Monate später reiste der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Eltern und Brüdern – die zwei ältesten Brüder des Beschwerdeführers kehrten bereits früher zurück – erneut unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein. Die Eltern des Beschwerdeführers stellten für sich und den Beschwerdeführer hier am XXXX Anträge auf internationalen Schutz.

2. Am XXXX fand die Erstbefragung des Vaters des Beschwerdeführers statt, bei der er zu den Fluchtgründen im Wesentlichen angab, dass 1991 ein politischer Krieg in seinem Herkunftsstaat stattgefunden habe. Der zweite Krieg sei politisch und religiös gewesen, weshalb er erkannt habe, dass dieser noch grausamer werde. Er habe deshalb beschlossen, das Land zu verlassen. Befragt welche Gründe einem Asylverfahren in Tschechien entgegenstehen, gab der Vater des Beschwerdeführers an in Tschechien ein Interview mit dem tschechischen Innenminister gegeben zu haben, in dem dieser gesagt habe, dass es weder tschetschenische Flüchtlinge noch Probleme in Tschetschenien gebe und er nach Tschetschenien abgeschoben werden sollte. Eine Abschiebung hätte für ihn den Tod bedeutet. Er wolle nicht nach Tschechien zurück, weil ihn dort kein faires Verfahren erwarte.

3. Am XXXX wurde der Vater des Beschwerdeführers erneut einvernommen. Dieser gab erneut an, dass ihm im Falle der Ausweisung nach Tschechien eine Abschiebung nach Tschetschenien drohe. Zudem habe er Angst vor dem russischen Geheimdienst in Tschechien. Der Vater des Beschwerdeführers und dessen Sohn XXXX seien in Tschetschenien besonders gefährdet, weil sie vom Geheimdienst verfolgt werden.

4. Die Eltern des Beschwerdeführers wurden am XXXX vom Bundesasylamt inhaltlich zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz einvernommen. Der Vater des Beschwerdeführers gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass der zweite Krieg religiös gewesen sei und Tschetschenen beschuldigt worden seien, fundamentalistische Islamisten und Terroristen zu sein. Er habe daher im November 1999 Tschetschenien verlassen. Seit 1977 habe der Vater des Beschwerdeführers als Journalist fürs Fernsehen gearbeitet. Er habe zerstörte Häuser, Verwundete in Spitälern und das alltägliche Leben in Tschetschenien gefilmt um zu zeigen, was mit dem tschetschenischen Volk passiere. Zudem habe er Feinde in Tschetschenien, weil er sich im ersten Tschetschenienkrieg geweigert habe, für XXXX , einem prorussisch eingestellten Mann, zu arbeiten. In der Türkei habe er für das Pressezentrum der tschetschenischen Vertretung gearbeitet, wo er tschetschenische Berichte übersetzt und für die Presse, das Fernsehen und das Internet aufbereitet habe. Es seien Leute von XXXX und XXXX an ihn herangetreten, der Vater des Beschwerdeführers habe aber abgelehnt mit ihnen zu arbeiten. XXXX und XXXX seien mit der Berichterstattung nicht einverstanden gewesen. Als dann Ende 2002 die tschetschenische Vertretung in der Türkei geschlossen worden sei, sei es für den Vater des Beschwerdeführers auch in der Türkei gefährlich geworden. Ihm würde im Falle der Rückkehr nach TSCHETSCHENIEN aufgrund seiner Tätigkeit als Journalist Verfolgung drohen.

Die Mutter des Beschwerdeführers gab zu den Fluchtgründe an, dass ihre Probleme und jene ihrer Kinder mit den Problemen ihres Ehemannes zusammenhängen. Sie und ihre Kinder haben keine eigenen Fluchtgründe. Es seien öfters maskierte Militärpersonen zu ihnen nach Hause gekommen und haben nach ihrem Mann gefragt. Sie sei nicht geschlagen worden. In Tschetschenien sei es gefährlich und man könnte mitgenommen werden.

5. Das Bundesasylamt erkannte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15.12.2004 im Familienverfahren abgeleitet von seinem Vater den Status des Asylberechtigten zu.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Vater des Beschwerdeführers Tschetschenien zu Beginn des 2. Krieges im Jahr 1999 als Journalist verlassen habe, weil einige seiner Journalistenkollegen damals getötet worden seien. Er habe sich zu dieser Zeit geweigert, für bestimmte Leute zu arbeiten, weshalb er Angst gehabt habe, bei einer Rückkehr von diesen getötet zu werden. Für den Beschwerdeführer wurden keine individuellen Fluchtgründe geltend gemacht.

6. Die Polizeiinspektion XXXX teilte dem Bundesasylamt mit Meldung vom 25.02.2009 mit, dass der Beschwerdeführer beim versuchten Diebstahl auf frischer Tat betreten wurde. Das Bundesasylamt hielt diesbezüglich fest, dass dies keinen Grund für ein Asylaberkennungs-verfahren darstellte.

Das Bezirksgericht XXXX verurteilte den Beschwerdeführer als Minderjährigen mit Urteil vom 22.12.2011 wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von XXXX Tagessätzen à € XXXX , insgesamt € XXXX , im Nichteinbringungsfall zu XXXX Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Die verhängte Geldstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Bundesasylamt hielt diesbezüglich fest, dass dies keinen Asylaberkennungstatbestand darstellte.

Das Landesgericht XXXX verurteilte mit Urteil vom 30.08.2012 den Beschwerdeführer als Minderjährigen wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15 Abs. 1, 142 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15 Abs. 1, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 1. Fall StGB, des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 1. Fall StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von XXXX , wovon XXXX unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Die mit Urteil vom 22.12.2011 verhängte bedingte Geldstrafe wurde nicht widerrufen, die bestimmte Probezeit jedoch auf fünf Jahre verlängert.

Das Landesgerichts XXXX verurteilte den Beschwerdeführer als Minderjährigen mit Urteil vom 29.11.2012 wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von XXXX . Die mit Urteil vom 22.12.2011 bedingte Geldstrafe und der mit Urteil vom 30.08.2012 bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wurden nicht widerrufen. Die mit Urteil vom 30.08.2012 bestimmte Probezeit wurde auf fünf Jahre verlängert.

7. Das Bundesasylamt teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 06.02.2013 mit, dass es aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilungen beabsichtige, ihm den Status des Asylberechtigten abzuerkennen, ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen und ihn in die Russische Föderation auszuweisen. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, zu Fragen betreffend seine Situation in Österreich Stellung zu nehmen.

Mit Stellungnahme vom 25.02.2013 gab der Beschwerdeführer an, nicht in der russischen Föderation, jedoch in Tschetschenien im Falle der Rückkehr einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Er sei 1997 mit seiner Familie aufgrund des Krieges aus Tschetschenien geflohen. Sein Vater sei zu dieser Zeit Journalist gewesen. Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob er Informationen über Kriegsverbrechen gehabt habe. Ein Bruder des Beschwerdeführers sei 2008 nach Tschetschenien zurückgereist und von den dortigen Milizen Kadyrovs ermordet worden. Er sei in Kampfhandlungen gegen das herrschende Regime verwickelt gewesen, weshalb der Beschwerdeführer aufgrund seines Nachnamens ebenfalls gefährdet wäre. In Österreich lebe seine Familie, von der er im Falle der Rückkehr, weggerissen würde. Zudem sei er der tschetschenischen Sprache in Schrift und der russischen Sprache in Wort und Schrift nicht mächtig. Er spreche und schreibe fließend Deutsch, habe in Österreich die Schule besucht und gearbeitet. Er habe keine Bindung zu Tschetschenien, weil er keinen Kontakt zu den dort lebenden Verwandten habe. Er bereue seine Straftaten zutiefst und werde nach seiner Entlassung aus der Haft seinen Hauptschulabschluss nachholen. Darüber hinaus stellen die von ihm begangenen Delikte keine besonders qualifizierten strafrechtlichen Verstöße dar.

Das Bundesasylamt stellte das eingeleitete Aberkennungsverfahren am 11.06.2013 ein.

8. Mit Stellungnahme vom 13.06.2013 brachte der Beschwerdeführer zu seinen Zukunftsplänen vor, dass er seit 20.10.2012 keine Drogen mehr nehme, Anfang September [2013] seinen Hauptschulabschluss nachholen und danach arbeiten wolle. Er bereue zutiefst seine Straftaten und werde in Zukunft die Gesetze achten. Falls er seinen Reisepass zurückerhalte, werde er im Sommer 2013 arbeiten und Anfang September eine Lehre beginnen.

Unter einem wurde eine Wiedereinstellungszusage der Firma XXXX , die Anmelde-bestätigung für den Vorbereitungslehrgang zum Hauptschulabschluss sowie ein Schreiben des Bewährungshelfers des Beschwerdeführers vorgelegt.

9. Das Landesgericht XXXX verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 13.08.2014 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 4. Fall, 15 Abs. 1 StGB und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von XXXX . Die mit Urteil vom 22.12.2011 bedingte Geldstrafe und der mit Urteil vom 30.08.2012 bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wurde nicht widerrufen.

Das Landesgericht XXXX verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 19.09.2016 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15 Abs. 1, 127, 129 Abs. 2 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von XXXX . Vom Widerruf der bedingt nachgesehenen Strafen und bedingten Entlassungen wurde abgesehen.

Das Landesgericht XXXX verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 06.06.2017 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG, des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs. 1 StGB, des Vergehens der versuchten Begünstigung nach den §§ 15 Abs. 1, 299 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen der versuchten falschen Beweisaussage als Bestimmungstäter nach den §§ 12 2. Fall, 15 Abs. 1, 288 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß XXXX . Vom Widerruf der zuvor gewährten bedingten Strafnachsichten und der gewährten bedingten Entlassungen wurde abgesehen.

10. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) leitete ein Verfahren betreffend den Beschwerdeführer zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ein. Am 21.08.2018 fand diesbezüglich eine Einvernahme des Beschwerdeführers in der Justizanstalt, in der der Beschwerdeführer angehalten wurde, durch das Bundesamt statt. Der Beschwerdeführer gab an, dass seine Großmutter mütterlicherseits und Onkeln und Tanten noch in der RUSSISCHEN FÖDERATION leben, er mit diesen jedoch nie Kontakt gehabt habe. Er habe in seinem Heimatstaat keine Ausbildung genossen, nach seiner Flucht mit seiner Familie habe er vier Jahre in der Türkei gelebt, wo er ebenfalls keine Schule besucht habe. In Österreich habe er die Volksschule und eine Sonderschule besucht. Er habe keinen ordentlichen Schulabschluss und keine Berufsausbildung. Er habe in Österreich als Hilfsarbeiter gearbeitet. Er sei für einen Kurs zum Nachholen des Hauptschulabschlusses Anfang des Jahres 2019 vorgemerkt. Er habe eine Lebensgefährtin, die er über sein Handy, dass er unerlaubterweise im Haftraum gehabt habe, kennengelernt habe. Er bereue seine Verurteilungen; diese seien Begleitumstände seiner Drogenabhängigkeit gewesen. Er beabsichtige nach der Haftentlassung eine stationäre Drogentherapie zu absolvieren. Im Falle der Rückkehr in seinen Heimatstaat werde er wegen seiner Drogensucht von Eliteeinheiten abgeführt bzw. zu langen Haftstrafen eingesperrt, in der Öffentlichkeit erniedrigt bzw. würde seine Familie erpresst werden. Einer seiner Brüder der wegen Heimweh in die Russische Föderation zurückgekehrt sei, sei umgebracht worden. Den Beschwerdeführer erwarte im Falle der Rückkehr in seinen Heimatstaat der Tod durch das tschetschenische Regime.

11. Das Bundesamt erkannte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 19.02.2019 den mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.12.2004 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Beschwerdeführer nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig ist (Spruchpunkt V.). Das Bundesamt erließ gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren (Spruchpunkt VI.) und räumte ihm eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise ein (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der grenzübertretenden Einfuhr und dem Handel von Suchtgift nach §§ 28a Abs. 1 2. u 3. Fall, Abs. 4 Z 3, 28a Abs. 1 5. Fall SMG rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe konkret ein besonders schweres Verbrechen verwirklicht, zumal er bei mehreren Fahrten von Slowenien nach Österreich Heroin eingeführt und dieses Suchtgift in weiterer Folge vorschriftswidrig in einer die Grenzmenge um ein Vielfaches übersteigenden Menge anderen überlassen habe und es ihm genau darauf angekommen sei. Eine positive Zukunftsprognose sei aufgrund der fünf Vorstrafen, dem wiederholt gezeigten Verhalten des Beschwerdeführers, sich nicht der Rechtsordnung zu unterwerfen und der wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers in Österreich, ausgeschlossen, weshalb ihm der Status des Asylberechtigten abzuerkennen gewesen sei. Es seien zudem keine Gründe hervorgekommen, die eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erforderlich machen. So sei es dem Beschwerdeführer zumutbar, durch eigene, notfalls auch wenig attraktive Arbeit das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige zu erlangen, zumal es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden, jungen Mann im arbeitsfähigen Alter handle, der Tschetschenisch als Muttersprache sowie Russisch spreche und über ein verwandtschaftliches Netz (Großmutter, Onkeln und Neffen) in der Russischen Föderation verfüge. Er könne im Bedarfsfall mit finanzieller Unterstützung durch seine in Österreich lebenden Verwandten rechnen. Es sei ihm auch möglich und zumutbar, sich in einem anderen Teil der Russischen Föderation, zB in Moskau, Rostow oder Stawropol anzusiedeln. Er verfüge über eine Geburtsurkunde und einen – wenn auch abgelaufenen – russischen Reisepass, womit er in der gesamten Russischen Föderation eine Anmeldung erlangen können und dadurch Zugang zum russischen Sozialsystem habe. Er habe auch keine lebensbedrohliche Erkrankung; seine Drogensucht sei auch in der Russischen Föderation behandelbar. Die Familie des Beschwerdeführers (Eltern und Geschwister) sei in Österreich aufhältig. Der Beschwerdeführer habe jedoch keine besondere Beziehungsintensität oder Abhängigkeit zu diesen, sodass kein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK bestehe. Der Beschwerdeführer sei zwar im Kindesalter nach Österreich eingereist und habe hier die prägenden Jahre seiner Persönlichkeitsentwicklung erfahren, spreche Deutsch gut und habe in Österreich die Volks- und Hauptschule besucht. Er habe die Pflichtschule jedoch nie abgeschlossen, habe keinen Beruf erlernt und sei nie länger einer geregelten Arbeit nachgegangen, sondern die überwiegende Zeit von staatlicher Unterstützung abhängig gewesen. Er sei mehrmals straffällig geworden und habe nur wenige Freunde in Österreich. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat Verwandte, zu denen er Kontakt herstellen könne. Zudem sei er den in seinem Herkunftsland herrschenden Gepflogenheiten nicht derart entrückt und entfremdet, dass ihm eine Rückkehr unmöglich wäre. Das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege daher das private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Das Einreiseverbot sei gerechtfertigt und notwendig, um die vom Beschwerdeführer ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

12. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde und focht den Bescheid zur Gänze an. Der Beschwerdeführer bereue seine Straftaten, habe ein umfassendes Geständnis abgelegt und nicht aus Profitgier gehandelt. Er habe seine Taten im Zusammenhang mit seiner Drogensucht begangen, weshalb nach Überwindung seiner Suchterkrankung davon auszugehen sei, dass er künftig nicht erneut straffällig werde. Er habe nach der Entlassung aus der Strafhaft bereits einen Platz für eine stationäre Drogenentzugs-therapie und könne mit voller Unterstützung seiner Familie rechnen, bei der er wieder wohnen könne. Es sei daher eine positive Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer anzustellen. Zudem sei seine Verurteilung wegen Einfuhr und Handel mit Suchtgiften nicht mit Kapitalverbrechen, denen ein noch schwerer und verwerflicher Tatunwert zugrunde liege, zu vergleichen. Der Beschwerdeführer stelle keine Gefahr für die Gemeinschaft dar, weshalb ihm der Status des Asylberechtigten nicht abzuerkennen sei.

Darüber hinaus habe sich das Bundesamt mit der Frage, ob die Gefährdungslage im Heimatstaat weiterhin bestehe, nicht wirklich auseinandergesetzt. Dass sich Verfolgungshandlungen der tschetschenischen Behörden nicht nur gegen ein Zielobjekt selbst, sondern auch gegen dessen gesamte Familie richte, ergebe sich nicht nur aus der Hinrichtung des Bruders des Beschwerdeführers, sondern auch aus den im Bescheid angeführten Länderberichten. Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Flucht noch ein Kleinkind gewesen sei, wäre es geboten gewesen den Vater des Beschwerdeführers zum Thema der aktuellen Rückkehrgefährdung als Zeugen zu befragen.

Zudem sei sein Vater nach wie vor als Aktivist gegen Menschenrechtsverletzungen gegen das tschetschenische Volk engagiert, zumal er mit einer Gruppe Klage beim Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag eingebracht habe. Der Beschwerdeführer habe die Russische Föderation als Kleinkind verlassen, spreche zwar fließend Tschetschenisch und ganz gut russisch, könne die kyrillische Schrift jedoch weder lesen noch schreiben und habe keine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung. Er hätte in der Russischen Föderation ohne soziales Netzwerk, ohne finanzielle Mittel und ohne Arbeit mit seiner Drogenabhängigkeit mit einer Gefährdung seines Lebens oder zumindest seiner körperlichen Unversehrtheit zu rechnen.

Der Beschwerdeführer habe auch Probleme aufgrund seiner Drogensucht im Falle der Rückkehr geschildert, womit sich das Bundesamt ebenso nicht ausreichend auseinandergesetzt habe. Drogenabhängige würden in der Russischen Föderation nicht als Patienten, sondern als Kriminelle behandelt und von der Strafjustiz werde mit voller Härte gegen Konsumenten vorgegangen. Es komme laufend zu Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitsorgane im Umgang mit drogenabhängigen Gefangenen. Substitutionstherapie für Opioidabhängige sei verboten. Im Falle der Abschiebung würde der Beschwerdeführer mit seiner Suchtkrankheit völlig alleine dastehen und es wäre zu befürchten, dass er in den Fokus der russischen Sicherheitsbehörden gerate und mit menschenrechtswidriger Behandlung zu rechnen habe. Dem Beschwerdeführer sei jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Da die Aberkennung des Status des Asylberechtigten zu Unrecht erfolgt sei, liege auch keine Grundlage für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und somit eines Einreiseverbotes vor. Der Beschwerdeführer sei seit mehr als 14 Jahre in Österreich aufhältig. Er habe all seine sozialen Kontakte hier und könne auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen. Die lange Zeit des legalen Aufenthaltes in Österreich und die engen familiären Bindungen würden trotz Verurteilungen die öffentlichen Interessen überwiegen.

Der Beschwerdeführer stellte die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt werde; in eventu feststellen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde; allenfalls die gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Rückkehrentscheidung samt dem verhängten Einreiseverbot aufheben; in eventu die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklären; allenfalls die Abschiebung als unzulässig erklären und eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen.

Unter einem wurde der Presseausweis seines Vaters in Kopie, der Totenschein seines Bruders XXXX in Kopie sowie die Teilnahmebestätigung am Jugendcoaching und ein Konvolut von Fotos des Vaters des Beschwerdeführers bei einer Demo in Wien und einer in Den Haag sowie ein Schreiben des Vaters und des Bruders des Beschwerdeführers XXXX vor. Aus diesen geht im Wesentlichen hervor, dass der Bruder des Beschwerdeführers XXXX 2008 in Tschetschenien festgenommen und gefoltert worden sei, um die von der Regierung gewünschten Dokumente zu unterschreiben. Nach der Gerichtsverhandlung sei der Beschwerdeführer dann von maskierten Männern erschossen worden. Ein anderer Bruder des Beschwerdeführers habe wegen dessen Tod mit seiner Großmutter telefoniert und erwähnt, dass noch fünf Brüder des Ermordeten in Österreich leben. Da sie abgehört worden seien, seien am nächsten Tag Männer vor der Tür ihrer Verwandten gestanden und haben nach der Familie des Beschwerdeführers in Österreich gefragt. Ihnen sei auch aufgetragen worden, bekanntzugeben, wenn einer der Familie des Beschwerdeführers vorhabe nach Tschetschenien zu reisen. Aufgrund der Ermordung des Bruders des Beschwerdeführers und dem Umstand, dass bekannt sei, dass weitere Brüder in Österreich leben, sei es dem Beschwerdeführer unzumutbar in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

13. Mit Schreiben vom 12.03.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 21.03.2019, legte das Bundesamt die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt vor und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

14. Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Beschwerdeführer mit Parteiengehör vom 07.09.2020 auf, gravierende Veränderungen an seinem Gesundheitszustand bekanntzugeben sowie alle damit in Zusammenhang stehenden Beweismittel vorzulegen und Bescheinigungs- bzw. Beweismittel zu den Umständen in seinem Herkunftsstaat, auf die er sich in seinem Verfahren stützen wolle, binnen zwei Wochen vorzulegen sowie Unterlagen und Dokumente betreffend seine aktuellen Lebensverhältnisse und familiären Beziehungen in Österreich zu übermitteln.

Mit Stellungnahme vom 23.09.2020 brachte der Beschwerdeführer vor, seit mehreren Jahren keine Drogen mehr zu konsumieren, wodurch sich sein körperlicher Zustand merklich verbessert habe. Er arbeite in der Justizanstalt in der Küche, bekomme einmal in der Woche abwechselnd Besuch von seinen Familienangehörigen, die ihn auch nach seiner Entlassung unterstützen würden. Zu den befürchteten Problemen im Falle der Rückkehr wurde im Wesentlichen auf das Beschwerdevorbringen verwiesen. Im Mai 2016 habe sich Kadyrow in einem TV-Beitrag mit einer deutlichen Warnung vor Kritik an die in Europa lebende tschetschenische Diaspora gewandt. Dass Regimekritiker in der Russischen Föderation ganz offen verfolgt werden, zeige auch der aktuelle Fall der Vergiftung des oppositionellen Politikers Alexej Nawalnij. Es herrsche weitgehend Straffreiheit bei Begehung solcher Menschenrechtsverletzungen. Der Einsatz des Vaters des Beschwerdeführers für Menschenreche und Gerechtigkeit sei den russischen und tschetschenischen Behörden bekannt, weshalb man den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr dafür zur Verantwortung ziehen würde. Der Beschwerdeführer habe konkrete Pläne, wie er sein Leben nach der Haftentlassung wieder in den Griff bekomme und sehe deshalb einer positiven Zukunft entgegen. Er bitte darum, ihm die Chance auf diese Zukunft in Österreich zu geben.

Unter einem wurde ein Schreiben des Vaters des Beschwerdeführers vorgelegt, in dem dieser ersuchte, dem Beschwerdeführer eine Drogenentzugstherapie zu gewähren. Zudem führte er aus, dass Regimekritiker in Tschetschenien und in der Russischen Föderation ermordet, gefoltert und misshandelt werden; die Situation habe sich verschlimmert. Auch in Europa sei man vor Kadyrovs Anhängern nicht mehr sicher, wie die Ermordungen in Berlin, in Frankreich und in Österreich zeigen. Aufgrund der Kollektivbestrafung sei die gesamte Familie eines Regimegegners nicht sicher. Bei einer Tagung in der tschetschenischen Republik in Grosny sei allen Anhängern der Republik Itschkeria, die in Europa aufhältig seien, mit dem Tod gedroht worden. Der Vater des Beschwerdeführers habe mit Anhängern der Republik Itschkeria zusammengearbeitet und eine Klage beim Kriegstribunal in Den Haag wegen der Menschrechtsverletzungen während der Tschetschenienkriege eingereicht. Für Kadyrov sei es kein Geheimnis, dass der Vater des Beschwerdeführers ein Mitglied von Itschkeria sei, weshalb für seine gesamte Familie – somit auch den Beschwerdeführer – Lebensgefahr in der Russischen Föderation bestehe. Aufgrund der früheren Ereignisse (Ermordung des Bruders des Beschwerdeführers, Mitgliedschaft des Vaters in Itschkeria usw.) und der aktuellen Umstände (Anklage gegen Russland beim Kriegstribunal Den Haag) stehe die Familie des Beschwerdeführers auf einer Kontrollliste, weshalb auch direkt am Flughafen mit einer Festnahme zu rechnen sei und jedenfalls Lebensgefahr in der Russischen Föderation bestehe.

15. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.11.2020 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch sowie im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers durch.

Die Befragung des Beschwerdeführers gestaltete sich wie folgt:

„R: Sie wurden am 21.08.2018 vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Wie würden Sie die dortige Einvernahmesituation beschreiben?

BF: Es hat keine Probleme gegeben, mir wurde zugehört. Ich bin ganz normal einvernommen worden. Es hat alles gepasst.

R: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor dem Bundesamt immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtigstellen oder ergänzen?

BF: Ich habe alle Fragen, die mir gestellt wurden, immer die wahrheitsgemäß beantwortet.

R: Mit Bescheid vom 19.02.2019 erkannte Ihnen das Bundesamt den Ihnen mit Bescheid vom 15.12.2004 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass Ihnen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erkannte Ihnen das Bundesamt den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu. Es erteilte Ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG erließ es eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG gegen Sie, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass Ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist, erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren gegen Sie und räumte Ihnen gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein. Gegen diesen Bescheid erhoben Sie mit Schriftsatz vom 12.03.2019 Beschwerde. Halten Sie diesen Schriftsatz und die darin gestellten Anträge aufrecht?

BF: Ja, weil es um mein Leben geht.

R: Sind seit Beschwerdeerhebung neue Umstände eingetreten, die betreffend den Asylschutz zu berücksichtigen sind?

BF: Nein. Seit März 2019 nicht.

R: Sind seit der Beschwerdeerhebung neue Umstände eingetreten, die betreffend den subsidiären Schutz zu berücksichtigen sind?

BF: Seit März 2019, außer, dass wir nirgends wo sicher sind. Einer, der seine Meinung äußerte, wurde auf offener Straße hingerichtet. Seit März 2019 hat sich nicht wirklich etwas geändert.

R: Sind seit der Beschwerdeerhebung (März 2019) neue Umstände eingetreten, die betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu berücksichtigen sind?

BF: Nein. Es ist alles ganz normal. Es hat sich nichts geändert.

R: Am 24.06.2004 stellte Ihr Vater einen Asylantrag für Sie, gemeinsam mit Ihrer Mutter XXXX und ihren Brüdern XXXX , XXXX , XXXX und XXXX . Ihre Identität steht auf Grund des im Asylverfahren vorgelegten Reisepasses fest. Oder ist das Dokument AS 15 nicht echt?

BF: Es stimmt.

R: Sie sind am XXXX geboren. Wo haben Sie die ersten XXXX / XXXX Jahre Ihres Lebens verbracht?

BF: Wir haben kurz in Tschetschenien gelebt, ich kann nicht genau sagen, wie lange, dann sind wir gleich geflüchtet. 1996 oder 1997 sind wir in die Türkei, von der Türkei kamen wir dann nach Österreich.

R: Sie haben also bis 1997 in Tschetschenien gewohnt, dann in der Türkei und dann in Ö.

BF: Sonst habe ich nirgends gewohnt. Es gab kurze Aufenthalte, als wir von Tschetschenien rauskamen. Es waren nur kurze Aufenthalte. In XXXX lebten wir vier Jahre, da war die Wirtschafskri[…]se, diese dauerte vier Jahre lang, dann kamen wir hierher. Welchen Aufenthaltsstatus ich in der Türkei hatte, weiß ich nicht.

R: Haben Sie außerhalb des Asylrechts einen anderen Aufenthaltstitel für Ö?

BF: Nein.

R: Ihr Vater gab in der EV 2004, AS 49, an, dass er ca. 5 Jahre zuvor TSCHETSCHENIEN verlassen hat, Sie gaben in der Stellungnahme 2013, AS 221 an, dass Sie Tschetschenien im Alter von XXXX Jahren verlassen haben. Wo haben Sie 1997-1999 gelebt?

BF: Da müsste ich mit meinem Vater gemeinsam gewesen sein, wir waren immer gemeinsam mit der Familie. Ich habe immer mit meinem Vater und mit meiner Mutter zusammengelebt. Als wir in der Türkei waren, ist mein Vater zuerst ausgereist, von der Türkei aus, nach Ö. Er schaute es sich an, dann erklärte er uns den Weg und holte uns nach.

R: Sie haben immer mit Ihren Eltern zusammengelebt, Ihr Vater ist nur früher von der Türkei ausgereist. Wann reiste er aus?

BF: 2004 sowas haben wir die Türkei verlassen. Wir haben nicht lange auseinander gelebt. Es waren nur ein paar Monate.

R: Ihrer Einvernahme 2018 zufolge waren Sie vor der Einreise vier Jahre in der Türkei – also seit ca. 2000. Ist das korrekt?

BF: Ja.

R: Sie gaben in der Stellungnahme 2013 an, dass Ihr Bruder XXXX 2008 nach TSCHETSCHENIEN zurückkehrte. Warum?

BF: Was ich von meiner Familie mitbekam, er hatte Heimweh und wollte das Elternhaus zu Ende bauen. Ich war damals XXXX oder XXXX Jahre alt. Ich habe schon mitbekommen, dass er weg ist. Meine Eltern sagten mir nie etwas davon.

R: Haben Sie nicht direkt mit Ihrem Bruder XXXX gesprochen?

BF: Nein. Wo er am Tag der Abreise war, habe ich nicht mitbekommen, er redete auch nicht mit mir. Ich habe von meinen Eltern erfahren, dass er nicht in Ö ist.

R: Sie haben sich mit Ihrem Bruder nicht darüber unterhalten, dass er nach TSCHETSCHENIEN zurückging?

BF: Nein.

R: Was machte er dann in TSCHETSCHENIEN?

BF: Er rief mich einmal an, als ich im Krankenhaus war, und eine XXXX OP hatte.

R: Was hat er Ihnen über TSCHETSCHENIEN erzählt?

BF: Darüber sprachen wir fast nicht. Ich fragte ihn, ob er wieder zurückkommen würde, das hatte er 2008 auch vor, es ging aber nicht. Er wollte 2008 wieder zurück.

R: Warum wollte er wieder zurück?

BF: Ich gehe davon aus, dass er nicht die ganze Zeit dort bleiben wollte, er wollte seine Sachen erledigen und dann wieder zurückkommen, z.B. wollte er das Elternhaus zu Ende bauen. Es wurde durch den Krieg immer wieder beschädigt. Er wollte, dass alles vorbereitet ist, falls dort wieder alles normal wäre.

R: Ihr Vater sagte, XXXX hatte 30.000 Euro dabei, weil er eine Eigentumswohnung kaufen wollte.

BF: Ich weiß nicht, was er dort machen wollte, es wird schon stimmen, wenn mein Vater es sagt, aber ich bin mir sicher, dass er ein Auge aufs Elternhaus warf.

R: Warum starb XXXX ? […]

BF: Ich weiß, wer meinen Bruder umbrachte, weil niemand in TSCHETSCHENIEN den Mut hätte, einen Zivilisten zu töten. Zu 100 Prozent kann ich es nicht sagen, aber ich gehe davon aus, dass es auch um Geld ging. So etwas kommt in TSCHETSCHENIEN öfters vor, wenn sie mitbekommen, wenn er Geld hat, dass sie ihn aus dem Verkehr ziehen.

R: Ich habe im Akt die Aussage, dass Ihr Bruder deshalb verstarb, weil er in Kämpfen gegen das Regime verwickelt war.

BF: Mir ist davon nichts bekannt. Ich erfuhr es nur so.

R: Welche Angehörigen haben Sie noch in der Russischen Föderation? AS 225: Oma und 3 Tanten mütterlicherseits

BF: Tanten ms, und vs auch. Onkeln auch, aber ich habe keinen Kontakt zu denen, sie auch nicht zu mir, weil es darum geht, dass sie Angst haben, wenn sie mit mir Kontakt aufnehmen, würden sie auch in Gefahr sein. Meine Großeltern sind alle verstorben. Meine Großmutter ist XXXX von uns gegangen.

R: War Ihre Mutter auf der Beerdigung ihrer Mutter?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Wie geht es Ihnen? Wovon leben sie?

BF: Mein Vater hat, bevor er arbeitslos wurde, als Sicherheitsmann gearbeitet. Momentan ist er arbeitslos, meine Mutter war schon immer Hausfrau, sie ist immer zuhause. Mein Vater lebt momentan vom Staat.

R: Wovon leben Ihre Angehörigen in der RF?

BF: Sie sind, was mir bekannt ist, selbstständig. Sie versorgen sich selber.

R: Wo leben diese in der RF?

BF: Ich gehe davon aus, dass sie in XXXX leben.

R: Wann waren Sie zuletzt in der Russischen Föderation?

BF: Als wir das Land verließen, als wir flüchteten. Seither bin ich nie zurückgekehrt.

R: Ihr Vater wurde am 26.06.2004 auch in Ihrem Verfahren erstbefragt und am 28.06.2004 einvernommen. Mit Bescheid vom 15.12.2004 gewährte Ihnen das Bundesasylamt gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl und erkannte Ihnen die Flüchtlingseigenschaft zu. Nach der Asylgewährung zogen Sie von XXXX nach XXXX , im MÄRZ 2005 nach XXXX , im SEPTEMBER 2005 nach XXXX , im FEBRUAR 2007 nach XXXX und am 30.07.2008 nach XXXX , bis SEPTEMBER 2015 zogen Sie in XXXX VIER Mal um, in XXXX waren Sie bis FEBRUAR 2016 gemeldet, seither sind sie wieder in XXXX gemeldet. Warum sind Sie so oft umgezogen?

BF: Dass unsere Familie sich näherkommt. In XXXX fanden wir uns wieder, wir waren getrennt, weil meine Brüder in XXXX , in Asylunterkünften leben mussten. Am Ende haben wir uns in XXXX wiedergefunden.

R: Bis wann haben Sie mit Ihren Eltern zusammengelebt?

BF: Bis vor meiner Verhaftung, durchgehend.

R: Welche Geschwister haben noch im gemeinsamen Haushalt gelebt?

BF: Derzeit, nur mein jüngster Bruder XXXX . XXXX ist verheiratet und auch schon ausgezogen.

R: Sie reisten mit fast XXXX Jahren ins Bundesgebiet ein. Welche Schulbildung haben Sie in Österreich wo absolviert? Sie haben nur ein Zeugnis 2007/2008 für die XXXX Klasse Hauptschule vorgelegt, demnach waren Sie in der dritten Leistungsgruppe und wurden abgesehen von Religion, Zeichnen, Ernährung und Sport nicht beurteilt.

BF: Ich bin auch in die XXXX Hauptschule in XXXX gegangen, in die XXXX . Da wurde ich, weil ich oft fehlte, wieder in die XXXX runtergestuft, dann hatte ich keine Motivation mehr, dass ich es noch durchziehen. Ich habe keinen Hauptschulabschluss.

R: Warum fehlten Sie so oft?

BF: Ich habe auch Schule geschwänzt.

R: In der Stellungnahme 2013 AS 223 gaben Sie an, dass Sie nach Haftentlassung den Hauptschulabschluss bei einem MIGRANTENPROJEKT nachholen werden. Sehe ich es richtig, dass Sie 2004-2013 die Schulpflicht nicht erfolgreich abgeschlossen haben?

BF: Nein, bevor ich nach XXXX verlegt wurde, habe ich im Gefängnis angefangen, den Hauptschulabschluss nachzuholen. Da ich verlegt wurde, findet in XXXX gerade keine Möglichkeit statt. Es ist für mich in Aufsicht, Arbeitsstellen zu finden. Für mich ist ein Arbeitsplatz gesichert. Ich könnte bei der Firma XXXX arbeiten. Mein Bruder arbeitet auch dort. Sie produzieren XXXX .

R: Warum wollten Sie von XXXX nach XXXX verlegt werden?

BF: Weil ich wusste, es würde sich zeitlich nicht ausgehen, dass ich es zu Ende bringe. Ich hätte für 2-3 Prüfungen ein Jahr gebraucht. Ich kann gut Deutsch, drinnen waren mit mir noch andere Leute, die nicht so gut Deutsch konnten, wir mussten es gemeinsam machen.

R: Sie hatten sogar eine gerichtliche Weisung, dass sie den Pflichtschulabschluss nachholen müssen, Sie sind auch der gerichtlichen Weisung nicht nachgekommen?

BF: Richtig.

R: Welche Berufsausbildung haben Sie in Österreich absolviert?

BF: Keine Lehre. Ich habe Berufserfahrung im Lager.

R: Welche Sprachen sprechen Sie auf welchem Niveau?

BF: Ich spreche sehr gut Deutsch, Englisch verstehe ich auch, Türkisch beherrschte ich früher sehr gut. Mehr als die Hälfte habe ich aber wieder verlernt. Russisch kann ich auch und meine Muttersprache Tschetschenisch.

R: Sie wurden XXXX volljährig. Wovon bestreiten Sie seither Ihren Lebensunterhalt?

BF: Ich [habe] immer kurze Zeit gearbeitet. Ich würde nicht sagen, dass ich auf Dauer arbeitete.

Laut SV-Auszug waren Sie nur in folgenden Zeiträumen beschäftigt:

XXXX am 16.09.2016 und 27.05.2016-07.09.2016 XXXX am 24.05.2016, XXXX 19.08.2015-07.09.2015, 09.07.2015-24.07.2015, XXXX 01.05.2012-31.05.2012, 03.04.2012-30.04.2012 und 19.10.2011-31.10.2011 XXXX 03.02.2011 – 08.08.2011. Warum haben Sie nur so kurze Beschäftigungsverhältnisse? R: Warum hatten Sie immer nur so kurze Beschäftigungsverältnisse? Abgesehen von einem halben Jahr 2011 waren Sie nur 2016 mehr als drei Monate durchgehend beschäftigt!

BF: Ich hatte leider S[ucht]probleme gehabt, aber ich kann eines sagen, dass ich mit der ganzen Situation mir bewusst [bin], dass mein Leben so nicht weitergehen kann. In der Haft habe ich auch regelmäßige Harnkontrollen gehabt, alle fielen negativ aus. Ich habe genug von den Drogen, ich möchte ein normales Leben führen. Meine Familie steht zu mir. Ich bin davon überzeugt, dass ich ein normales Leben führen kann und werde.

R: Sie wurden im FEBRUAR 2009 beim versuchten Diebstahl auf frischer Tat betreten; das Bundesasylamt hielt fest, dass das keinen Grund für ein Aberkennungsverfahren darstellte. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ich kann sagen, warum die Einbrüche stattfanden, es hatte mit der Beschaffungskriminalität zu tun, wegen meiner Sucht.

R: Mit Urteil vom 10.11.2010 wurden Sie wegen Sachbeschädigung zu einer bedingten Jugendstrafe von XXXX Tagessätzen je € XXXX unter Setzung einer Probezeit von DREI Jahren verurteilt. das Bundesasylamt hielt fest, dass das keinen Grund für ein Aberkennungsverfahren darstellte. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ich kann nur sagen, es waren Sachen, weil ich jung war. Ich muss ehrlich sagen, diese Straftaten, die ich beging, waren wegen der Beschaffungskriminalität, ich dachte auch nicht nach, meine Denkweise war anders. Ich weiß, dass ich nicht zuhause bin, es tut mir sehr leid.

R: Mit Urteil vom 30.08.2012 wurden Sie wegen versuchten Raubes, versuchter Erpressung, schwerer Erpressung, versuchter Nötigung, schwerer Nötigung zu einer Jugendstrafe von XXXX Monaten, davon XXXX Monat bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren unter Anordnung von Bewährungshilfe verurteilt. Warum wurden Sie weniger als zwei Jahre nach der letzten Verurteilung während der offenen Probezeit rückfällig?

BF: Ich habe Ihnen schon beantwortet, ich bleibe auch bei dem. Ich war jung, meine Denkweise war nicht anders. Ich machte große Fehler, die ich bereue. Heute bin ich XXXX , hätte ich eine andere Denkweise, hätte ich die Sachen damals nie gemacht.

R: Mit Urteil vom 29.11.2012 wurden Sie wegen Raubes und Nötigung zu einer Jugendstrafe von XXXX Monaten unbedingt verurteilt, die Probezeit wurde verlängert. Warum wurden Sie nach der Verbüßung der Freiheitsstrafe, binnen zwei Monaten nach der letzten Verurteilung während offener Probezeit trotz Bewährungshilfe rückfällig?

BF: Ich kann nur sagen, dass das alles mit meiner Sucht zu tun hatte. Ich kann Ihnen auch noch sagen, bei meiner letzten Haft, hatte ich Harnkontrollen verweigert, diesmal nicht, ich nahm alle an und gab alle ab. Es ist durchaus ein Veränderungsbild von mir.

R: Mit Parteiengehör vom 06.02.2013 leitete erstmals das Bundesasylamt das Aberkennungsverfahren ein. Sie erstatteten eine Stellungnahme, das Bundesasylamt stellte daraufhin das Aberkennungsverfahren am 11.06.2013 ein. In der Stellungnahme JUNI 2013, AS 243, gaben Sie an, dass Sie seit 20.10.2012 keine Drogen mehr nehmen.

BF: Das war auch der Fall, aber ich wurde leider rückfällig.

R: Sie wurden am 07.07.2016 beim XXXX w[egen] Ladendiebstahl betreten, konnten zunächst entkommen und versteckten das Diebesgut in einem Zeitungsständer, meldeten sich aber dann freiwillig und gaben als Grund für den Diebstahl die Einnahme von Suchtgift und psychotropen Stoffen an. Was sagen Sie dazu, dem Bundesasylamt gegenüber gaben Sie eine ganz andere Zukunftsplanung an!

BF: Ich kann nur sagen, dass ich die Taten sehr bedauere. Es war alles wegen der Finanzierung von dem Suchtgift. Wie ich heute schon erwähnte, dass ich mich geändert habe, dass ich auch bereit wäre für eine stationäre Therapie. Es ist für mich wichtig, dass ich auch eine interne Betreuung bekommen, eine Chance bekommen sollte und Psychotherapeuten. Ich will mein Leben verändert. Ich kämpfe, seit ich in Haft bin, dass ich nichts zu mir nehme. Ich hatte nur negative Harnkontrollen.

R: Sie gaben in der Stellungnahme 2013 an, dass Sie keinen Kontakt zu Menschen aus Tschetschenien haben. Ihre Verurteilungen sprechen eine andere Sprache. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich hatte für gewisse Zeit keinen Kontakt, er kam aber wieder.

R: Mit wem konkret?

BF: Verschieden, aber jetzt, derzeit momentan habe ich mit niemandem Kontakt.

R: Hier haben Sie jetzt mit [keinem] aus TSCHETSCHENEN Kontakt?

BF: Ja.

R: Mit Urteil vom 06.06.2017 wurden Sie wegen Suchtgifthandel nach § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, Abs. 1 5. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, falscher Beweisaussage, versuchter Begünstigung, versuchter falsche Beweisaussage als Bestimmungstäter zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von XXXX Jahren verurteilt. Warum wurden Sie erneut während der Probezeit rückfällig?

BF: Ich kann sagen, dass nach meiner Entlassung, nach meiner zweiten, ich 7 Monaten nichts zu mir nahm. Nach acht Monaten fing es an, dass ich es das erste Mal aus Spaß, eine Nase zu mir genommen habe. Es ging schnell, damit rechnete ich nicht. Ich bin selber schuld, dass ich die Hilfe meiner Eltern nicht annahm.

R: Sie sprechen von der Unterstützung Ihres Bruders. Auch er ist abhängig und vorbestraft.

BF: Ich erfuhr von meinen Eltern, dass er eine stationäre Therapie abgeschlossen hat.

R: Das Bundesamt leitete erneut ein Aberkennungsverfahren ein. Sie wurden am 21.08.2018 einvernommen. Dabei gaben Sie an, dass Sie nach der Haftentlassung einen Entzug machen werden. Das kündigten Sie schon im ersten Aberkennungsverfahren an. Warum sollte Ihnen das Bundesamt das dieses Mal glauben?

BF: Sie haben recht. Es ist alleine Ihre Entscheidung. Ich finde durchaus, wenn man ein paar Harntests hatte, alle negativ sind, dass es ein Zeichen ist. Ich bereue meine Taten.

R: Sie gaben in der Einvernahme 2018 an, dass Sie Ihre Freundin XXXX , eine Österreicherin mit XXXX Migrationshintergrund, durch ein Handy kennenlernten, dass Sie illegal im Haftraum hatten. Warum halten Sie sich nicht an die Anhalteordnung.

BF: Sie war nicht in meinem Telefonkonto eingetragen. Ich las mir alles durch, sie glaubten mir nicht, weil es nicht angegeben war. Als ich in XXXX war, verbrachte ich XXXX Monate dort. Ich habe im Gefängnis immer gearbeitet. Dann wurde ich für kurze Zeit abgelöst, fing dann aber wieder an. Nach der Arbeit konnten wir uns aussuchen, innerhalb von 20 Minuten, ob wir duschen oder telefonieren. Es gab zwei Telefonkabinen, die meistens besetzt waren. Wir mussten auch duschen und es ging sich zeitlich nicht aus, es tat mir weh, weil der Kontakt so wenig war. Deshalb legte ich mir ein Telefon [zu].

R: Am 06.08.2020 wurden Sie wegen [einer] Ordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße verfällt, ebenso am 17.01.2020, am 27.11.2019, am 25.07.2018 wurde [sie] nur mit einem Verweis geahndet, am 23.07.2018 wieder eine Geldzahlung, am 08.10.2019 sollen Sie einen Strafgefangen tätlich angegriffen haben, insgesamt wurden Sie auch drei Mal wegen des Besitzes unerlaubter Gegenstände bestraft.

BF: Es tut mir leid, dass es so kam. In den XXXX Jahren, die ich in Haft war, waren es geringe Ordnungswidrigkeiten. Andere Insassen hatten 10 Meldungen. Für die XXXX Jahre und XXXX Monate, die ich verbüße, sind es geringe Meldungen.

R: Möchten Sie zu der Schlägerei etwas angeben?

BF: Ich habe eine Aussage gemacht, ich habe mich auch mit dem anderen versöhnt, mich bei ihm entschuldigt. Es tut mir leid, dass es so weit kam. Ich gab es damals und auch heute an, es war eine Kurzschlussreaktion. Ich war danach selber schockiert, ich hörte gleich nach einem Faustschlag auf.

R: Was war die Ursache?

BF: Ich würde mich nie als gewalttätig sehen. Es war mein erstes Vergehen, wo ich jemandem eine leichte Körperverletzung zufügte. Er beleidigte mich, ich habe mich darauf eingelassen. Ich hätte es auch anders lösen können. Es war ein Fehler. Es blieb bei dem einen Faustschlag und hörte dann gleich auf.

R: Wodurch fühlten Sie sich beleidigt?

BF: Er meinte, XXXX . Das gab mir einen Kurzschlusseffekt.

R: Wie haben Sie sie kennengelernt?

BF: Facebook. Ich bin mit ihr nicht mehr in Kontakt. Es hat sich nicht so herausgestellt, dass wir zusammenpassen. Ich möchte mir ein Leben und eine Freundin aufbauen. Derzeit habe ich keinen Kontakt zu niemandem. Mit XXXX habe ich keinen Kontakt.

R: Wer sind XXXX und XXXX ? Die sind auf Ihrer Telefonliste!

BF: Das sind Frauen, mit denen ich Kontakt hatte, aber jetzt keinen Kontakt habe. Ich habe mit einem einzigen Mädchen Kontakt, das ist XXXX . Sie steht auch oben. Wir haben auch keine ernste Beziehung. Den Kontakt mit ihr bin ich erst während der Haft eingegangen.

R: Laut Besuchsliste ist XXXX Ihre Gattin, in Österreich seit 2005 asylberechtigte Russische Staatsangehörige. Dem Bundesamt gegenüber haben Sie angegeben, dass Sie ledig sind!

BF: Ich bin mit ihr nicht verheiratet. Ich bin ledig und höre den Namen zum ersten Mal.

R: XXXX lebte vor Ihnen in der XXXX , Sie waren gemeinsam in der Wohnung am XXXX gemeldet!

BF: Sie ist die Frau meines ältesten Bruders. Sie steht nur falsch, als meine Frau in der Besucherliste.

R: Wer ist XXXX ?

BF: Mit ihr war ich tatsächlich zusammen und ich freute mich auch sehr. Leider haben unsere gemeinsamen Vorstellungen nicht dasselbe ergeben. Tatsächlich suche ich eine Frau, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen will.

R: Wer ist XXXX ?

BF: Ein Freund.

R: Wer ist XXXX ?

BF: Auch ein Freund.

R: 2019 waren Sie im Krankenhaus. Warum?

BF: Ich hatte eine OP. Es hat sich bei mir durch XXXX , durch eine XXXX bildete sich eine akute XXXX .

R: Haben Sie in der Haft einen Entzug gemacht?

BF: Ja. Ich habe, als sie mich einsperrten, da hatte ich den schlimmsten Entzug. Ich hatte die Möglichkeit in Substitution zu gehen, ich lehnte ab. Ich müsste es jeden Tag zu mir nehmen. Ich möchte aber gesund leben. Ich bin clean.

R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

BF: Ich schließe nicht aus, dass der ganze Drogenkonsum, dass ich nie etwas änderte. Es geht mir gut, hin und wieder bekomme ich aber XXXX . Auch wegen de[s] Heroinkonsum[s].

R: Welche Behandlungen und Therapien brauchen Sie?

BF: Ich würde mich freuen, wenn ich eine stationäre Therapie machen kann, mich von Experten und Psychotherapeuten behandeln lassen kann. Ich will danach ein normales Leben starten. Es ist notwendig für mich, auch wenn ich mich in Haft gut benommen habe, möchte ich kein Risiko eingehe.

R: Laut psychologischer Stellungnahme im Aberkennungsverfahren vom 13.08.2020 bemühen Sie sich derzeit, suchtmittelabstinent zu leben, das funktioniere im geschützten Setting und Sie wollen dies nach der Entlassung fortführen. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Wie ich schon sagte, ich kämpf mit mir tagtäglich, mir kamen auch die Gedanken, dass ich was nehmen will, blieb aber psychisch stark. Ich nahm nichts zu mir und werde auch weiterkämpfen.

R: Ihre bisherigen Anträge auf bedingte Entlassung wurden für die letzten vier Termine abgelehnt, das Strafende ist XXXX seit JULI 2020 sind Sie in der XXXX , zuvor waren Sie in XXXX und XXXX . Wie stellen Sie sich Ihr Leben nach der Haftentlassung vor?

BF: Als erstes möchte ich mich selbst behandeln lassen, ich würde mich sofort beim AMS melden, ein Bewerbungstermin aufsuchen, mich für die Leasingfirma anmelden. Ich würde sagen, dass ich zuerst die Therapie abschließen werde, dann arbeiten. Ich werde eine Frau finden, die zu mir passt, eine Familie gründen. Ich kann nur mit Sicherheit sagen, was in meinem Kopf und Herz abgeht, ich werde nie wieder fremden Leuten Geld aus der Tasche nehmen. Ich werde mein Geld selbst verdienen und keine Straftaten mehr begehen. Ich möchte mich ändern.

R: Ihr Bruder XXXX wurde im Zeitraum 2009 – 2015 XXXX Mal verurteilt, gegen Ihren verstorbenen Bruder XXXX wurde wegen gefährlicher Drohung ermittelt und gegen Ihren Vater und Ihre Schwägerin wegen XXXX . Zuletzt wegen Suchtmitteldelikten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von XXXX Monaten. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Mein Vater war immer gegen XXXX . Er ist gegen die Leute. Er war auch Journalist in TSCHETSCHENIEN für 25 Jahre. Mein Vater hatte in TSCHETSCHENIEN Videoaufnahmen, auch wegen dem Kriegsverbrechen von den Soldaten. Wo Leute auf offener Straße hingerichtet wurden. Er reichte auch eine Klage ein. Im Falle einer Abschiebung nach Russland, werde ich das Land nicht als freier Mann verlassen. Ich war jung und stellte in Russland und in TSCHETSCHENIEN nichts an. Aufgrund der Aktivitäten von meinem Vater, würde ich sofort festgenommen werden. Sie würden auch meinen Vater erpressen, dass er nach Russland kommt, sodass sie mich freilassen.

R: Haben Sie Verwandte oder Bekannte in Syrien oder im Irak?

BF: Nein.

R: Haben Sie Verwandte in Deutschland?

BF: Nein.

R: Hat Ihr Bruder XXXX in der Türkei die ganze Zeit bei Ihnen gelebt oder kehrte er nach TSCHETSCHENIEN zurück um zu kämpfen?

BF: Er war nicht die ganze Zeit bei uns, ich weiß, dass er weg war, aber sicher nicht wegen einem Krieg. Als er zurückkam, kam er mit seiner Frau zurück. Er ist mit ihr schon mehrere Jahre verheiratet.

R: Warum sollte er dann angegeben haben, dass er sich 2003 den Rebellen angeschlossen hat?

BF: Es kann sein, mir ist nicht alles bewusst, aber in der Hinsicht, dass er XXXX , irgendwelche XXXX , sowas tat meine Familie nie.

R: Finden Sie es nicht komisch, dass Sie so viele Sachen über Ihre Familie nicht wissen?

BF: Nein, weil ich habe auch nie alles so gefragt. Ich kann auch sagen, es hatte viel mit den Drogen zu tun. Ich war mehr mit den Drogen beschäftigt. Ich erhielt auch Besuch von meinem ältesten Bruder. Wir reden in der kurzen Zeit, was wir uns nach der Haft vorstellen.

R: Waren Sie in Österreich jemals exilpolitisch tätig?

BF: Ich habe mich nie per Video meine Meinung nach TSCHETSCHENIEN geäußert, weil ich Angst um mein Leben habe. Sowas sollte man nicht machen, es ist gefährlich, dass sie von TSCHETSCHENIEN aus agieren. Man sah es auch bei dem Verstorbenen in XXXX . Ich bin sehr vorsichtig, was ich sage.

R: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?

BF: Die sofortige Festnahme von russischen Behörden und den weiteren Verlauf kann ich mir gut vorstellen. Ich kann sagen, dass ich das Land nicht als freier Mann verlassen würde.

R: Ihr Bruder XXXX kehrte 2003 in die RF zurück. Ihr anderer Bruder hatte in der RF einen Führerschein und kehrte 2008 zurück. Warum sollten gerade Sie bei der Einreise festgenommen werden?

BF: Ich weiß nicht, wie es meine Brüder schafften. Ich bin mir sicher, dass ich das Land nicht als freier Mann verlassen werde.

R: Wer konkret sollte Ihnen warum konkret was antun wollen?

BF: In Russland, ich weiß, wenn ich mich dort aufhalten würde, würde ich ans Kadyrowregime übergeben werden.

R: Was würde passieren, wenn Sie an einen anderen Ort in der Russischen Föderation außerhalb TSCHETSCHENIENS zurückkehren müssten, zB nach MOSKAU, OMSK, STAWROPOL oder WLADIWOSTOK?

BF: Ich weiß es nicht. Ich gehe sicher davon aus, dass ich das Land nicht als freier Mann verlassen werde. Ich würde es nicht so weit schaffen.

R: Sie haben angegeben, dass Ihr Bruder 2009 erschossen wurde. Eine Anfrage über das Rote Kreuz konnte diesen Sachverhalt nicht bestätigen. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ich möchte nicht viel darüber reden.

R: Warum wurde Ihr Bruder getötet?

BF: Ich gehe davon aus, dass es mit Geld zu tun hatte. Mehr weiß ich über meinen Bruder nicht. Mir ist nicht viel bekannt. Ich weiß, wer ihn auf dem Gewissen hat, das kann nur Kadyrow durchführen, andere Zivilisten machen sowas nicht.

R: Haben Sie selbst Verbindungen zum radikalen Islam oder IS?

BF: Nein.

R: Waren Sie in Ö jemals einer Gefährdung ausgesetzt?

BF: Nein.

R: Möchten Sie sich zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation äußern?

BF: Ich kann sagen, dass auch in Russland, mit dem heutigen Jahr keine Demokratie herrscht, auch in Russland gibt es Menschenrechtsverletzungen, es wird sich nicht daran gehalten. Es muss was Neues in Russland passieren, ein anderer Präsident, für eine richtige Demokratie. Russland schweigt und sagt nichts, es sind zwei andere Welten.

R: Möchten Sie noch Beweismittel vorlegen, die Sie bisher im Verfahren noch nicht vorgelegt haben?

BF: Ich habe sonst nichts.

R: Seitens des ho. Gerichts sind keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch etwas angeben?

RV legt vor: Protokolls- und Beschlussvermerk und Therapieplatzzusicherung

RV: Wissen Sie, wie die Behandlung, wie Leute, die Drogen nehmen in Russland behandelt werden?

BF: Es gibt keine Substitution. Man hört auch viel, dass Familienangehörige mit Schocktherapien oder Elektrik behandelt werden, die die Menschenrechte verletzten. Meiner Meinung nach gibt es keine gute Behandlung in Russland und es ist gefährlich.

RV: Kann es sein, dass Ihr Bruder XXXX umgebracht wurde, weil der Vater regimekritischer Journalist war, bzw. er Beweise übermittelt hat?

BF: Ich schließe es nicht aus. Es ist alles möglich.

RV: Möchten Sie hier in Ö eine Familie gründen?

BF: Ja.

RV: Werden Sie auch versuchen den Hauptschulabschluss nachzuholen?

BF: Ich finde es ist wichtig, dass man einen Abschluss hat. Ich werde die Abendschule besuchen und auch arbeiten. Mir kann die Firma nie garantieren, dass ich dauerhaft dort bin.

RV: Sie machen Coachings in XXXX ?

BF: Ja. Sie unterstützten mich, leider ging es nicht lange, weil ich auch aus dem Alter der Jugendcoachings draußen bin. Es tat mir gut.

RV: Wenn Sie keine Drogen nehmen würden, würden Sie dann keine Taten mehr begehen?

BF: Richtig. Deshalb will ich auch die Therapie machen.

RV: Ist Ö Ihre Heimat schon für Sie?

BF: Ich sehe Ö als mein Heimatland. Ich weiß mehr über Ö und die Religionssachen, als über mein Heimatland. Es tut mir leid, was ich hier machte. In Zukunft wird alles besser aussehen, ich werde

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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