TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/8 W211 2226018-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.01.2021
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Entscheidungsdatum

08.01.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W211 2226018-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Syriens. Sie stellte am XXXX .2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei ihrer Erstbefragung am selben Tag gab die beschwerdeführende Partei an, sie gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei sunnitischen Glaubens. Sie stamme aus dem Dorf „ XXXX “ im Gouvernement Latakia. Ihr Vater und zwei Schwestern würden in Syrien leben. Zwei Brüder würden sich in Österreich aufhalten. Syrien habe sie illegal im Juli des Jahres 2016 über die Grenze zur Türkei verlassen. Als Fluchtgrund führte die beschwerdeführende Partei aus, dass sie zum Militärdienst einberufen worden sei. Sie habe die Einberufung jedoch ignoriert, da sie nicht im Krieg sterben habe wollen. Am XXXX .2015 sei sie von der syrischen Militärpolizei festgenommen und anschließend für zehn Tage in Haft genommen worden. Dabei sei sie oft geschlagen worden. Anschließend habe sie eine militärische Ausbildung erhalten und sei für eineinhalb Jahre an die Front geschickt worden. Als sie Urlaub erhalten habe, habe sie diesen genutzt um aus Syrien auszureisen. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte die beschwerdeführende Partei aufgrund ihrer Fahnenflucht mit dem Tod bestraft zu werden.

3. Bei Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX .2019 gab die beschwerdeführende Partei an, ledig und kinderlos zu sein. Ihr Vater und zwei Schwestern würden sich nach wie vor in Syrien aufhalten. Eine Schwester lebe in der Türkei. Ihren in Syrien verbliebenen Verwandten gehe es gut, sie stehe auch in regelmäßigem Kontakt mit diesen. Die beschwerdeführende Partei sei nach Österreich gekommen, da sich ihre zwei Brüder hier aufhalten würden. Sie habe in Syrien acht Jahre lang die Grundschule besucht und danach als Verkäufer in einem Haushaltswarengeschäft gearbeitet. Die beschwerdeführende Partei legte der belangten Behörde Originale eines Auszugs aus dem Personenstandsregister, ihres Familienbuchs, ihres syrischen Führerscheins und die Kopie ihres syrischen Reisepasses vor. Sie gab weiter an, in Syrien nie politisch tätig gewesen zu sein. Sie sei in Syrien auch keinen Verfolgungshandlungen durch die syrische Regierung ausgesetzt gewesen, jedoch sei sie in Latakia, das mehrheitlich von Schiiten bewohnt werde, aufgrund ihres sunnitischen Glaubens benachteiligt worden. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die beschwerdeführende Partei an, sie habe ihren Militärdienst in den Jahren von 2007 bis 2009 abgeleistet. Im Jahr 2014 habe sie jedoch einen Einberufungsbefehl als Reservist erhalten. Sie könne der belangten Behörde weder den Einberufungsbefehl, noch ihr Militärbuch vorlegen, da sich dieses bei der Militärbehörde befinde. Im Jahr 2015 sei sie von der syrischen Militärpolizei festgenommen und in Latakia für drei Tage festgehalten worden. Danach sei sie an einen Ort namens „Poloni“ gebracht worden, wo sie etwa elf Tage verbracht habe. Sodann sei an einen Ort namens „Dresch“ verbracht worden, wo sie fünfzehn Tage festgehalten worden sei, um schließlich für acht Monate an die „Front“ zu einer Einheit in XXXX im Gouvernement Damaskus-Land versetzt zu werden. Die beschwerdeführende Partei sei sowohl in Latakia, als auch in „Poloni“ gefoltert worden. In XXXX wiederum sei sie, nachdem sich ein Kollege über sie beschwert habe, von einem Untergebenen des dortigen Militärchefs regelmäßig gefoltert worden und habe schwere Übungen machen müssen. Die beschwerdeführende Partei gab weiter an, in XXXX „nicht aktiv“ gewesen zu sein und sich nicht an Kampfhandlungen beteiligt zu haben. Als sie Urlaub vom Militärdienst bekommen habe, sei sie schlepperunterstützt aus Syrien ausgereist.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.). Das Bundesamt stellte die syrische Staatsangehörigkeit und die arabische Volksgruppenzugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei fest. Eine Verfolgung durch staatliche Behörden oder Dritte in Syrien könne jedoch nicht festgestellt werden. Eine asylrelevante Verfolgung der beschwerdeführenden Partei in Syrien sei auch in Zukunft nicht zu erwarten.

5. In der gegen Spruchpunkt I. des Bescheides gerichteten und rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde ausgeführt, dass sich die beschwerdeführende Partei noch im wehrfähigen Alter befinde und ein Deserteur sei, weshalb ihr im Falle einer Rückkehr nach Syrien eine Verfolgung durch die syrische Regierung drohe. Eine solche drohe ihr auch aufgrund ihrer illegalen Ausreise aus Syrien und ihrer Asylantragstellung im Ausland. Werde im angefochtenen Bescheid argumentiert, dass sich die beschwerdeführende Partei in Syrien im Jahr 2019 keinen Auszug aus dem Personenstandregister ausstellen lassen hätte können, wenn sie von den syrischen Behörden tatsächlich gesucht worden wäre, so werde darauf hingewiesen, dass dieser dem Vater der beschwedeführenden Partei ausgestellt worden sei und dies aufgrund der in Syrien vorherrschenden Korruption auch plausibel sei.

6. Am XXXX .2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Außerdem wurde das aktualisierte Länderinformationsblatt zur Situation in Syrien aus Oktober 2019 ins Verfahren eingebracht. Die Vertretung der beschwerdeführenden Partei verzichtete auf eine Stellungnahme zu diesem. Die belangte Behörde erschien unentschuldigt nicht zur mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Syriens, die am XXXX .2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

1.1.2. Die beschwerdeführende Partei gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischen Glaubens.

1.1.3. Die beschwerdeführende Partei stammt aus dem Dorf „ XXXX “ im Gouvernement Latakia.

Die beschwerdeführende Partei besuchte acht Jahre lang die Grundschule und arbeitete dann als Automechaniker, Bauarbeiter und zeitweise als Verkäufer.

Die beschwerdeführende Partei ist ledig und hat keine Kinder.

Der Vater und zwei Schwestern der beschwerdeführenden Partei leben in Syrien. Eine Schwester der beschwedeführenden Partei lebt in der Türkei. Mit ihren in Syrien verbliebenen Verwandten steht die beschwerdeführende Partei in regelmäßigem Kontakt.

Zwei Brüder der beschwerdeführenden Partei leben als Asylberechtigte in Österreich.

Festgestellt wird, dass die beschwerdeführende Partei im Jahr 2016 illegal in die Türkei einreiste.

1.1.4. Die beschwerdeführende Partei ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur relevanten Situation in Syrien wird festgestellt wie folgt:

Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien

Seit Mai 2018 hat sich die allgemeine Sicherheitslage in den von der Regierung kontrollierten Gebieten Syriens, darunter finden sich auch die wichtigsten Städte wie Latakia, Homs, Hama, Tartous und Damaskus, deutlich verbessert. Im Allgemeinen kam es im Vergleich mit den Zahlen vor Juli 2018 zu einem signifikanten Rückgang der militärischen Auseinandersetzungen und der sicherheitsrelevanten Vorfälle in von der Regierung kontrollierten Gebieten. Die Situation bleibt in einigen Gegenden jedoch angespannt, wie im Osten der Provinz Lattakia, im Westen der Provinz Aleppo und im Norden der Provinz Hama. In Bezug auf die Art der sicherheitsrelevanten Vorfälle gibt es Berichte von Beschuss, bewaffneten Zusammenstößen, Entführungen sowie Explosionen von Kampfmittelresten (DIS/DRC 2.2019).

Die Küstenregion wurde im Großen und Ganzen vom militärischen Konflikt verschont. Der Norden sieht sich gleichwohl mit einem gelegentlichen „Spillover“ von Idlib aus konfrontiert. So gibt es aktuell im ländlichen Lattakia Auseinandersetzungen zwischen syrischer Armee und Rebellen. In den größeren Städten und deren Einzugsgebieten wie Damaskus und Homs stellt sich die Sicherheitslage als relativ stabil dar, auch wenn es immer wieder zu gezielten Anschlägen zumeist auf regierungsnahe Personen kommt (ÖB 7.2019).

Die Regierung besitzt nicht die nötigen Kapazitäten, um alle von ihr gehaltenen Gebiete auch tatsächlich zu kontrollieren. Daher greift die Regierung auf unterschiedliche Milizen zurück, um manche Gegenden und Checkpoints in Aleppo, Latakia, Tartous, Hama, Homs und Deir ez-Zour zu kontrollieren. Es gibt auch Berichte, wonach es in einigen Gebieten zu Zusammenstößen sowohl zwischen den unterschiedlichen Pro-Regierungs-Milizen als auch zwischen diesen und Regierungstruppen gekommen ist (DIS/DRC 2.2019).

In den ersten Monaten des Jahres 2018 erlebte Ost-Ghouta, nahe der Hauptstadt Damaskus, die heftigste Angriffswelle der Regierung seit Beginn des Bürgerkrieges (Presse 1.4.2018). Mitte April 2018 wurde die Militäroffensive der syrischen Armee auf die Rebellenenklave von Seiten der russischen Behörden und der syrischen Streitkräfte für beendet erklärt (DS 15.4.2018; vgl. SD 12.4.2018). Ende Mai 2018 zogen sich die letzten Rebellen aus dem Großraum Damaskus zurück, wodurch die Hauptstadt und ihre Umgebung erstmals wieder in ihrer Gesamtheit unter der Kontrolle der Regierung standen (DSO 21.5.2018; vgl. ISW 1.6.2018). Seitdem hat sich die Sicherheitslage in Damaskus und Damaskus-Umland (Rif Dimashq) deutlich verbessert (DIS/DRC 2.2019). Im Januar kam es zu zwei Bombenanschlägen in Damaskus Stadt. Einem in der Nähe eines Büros des Militärischen Nachrichtendienstes im Süden mit mehreren Todesopfern, und einem mittels einer Autobombe in der Nähe der russischen Botschaft mit Verletzten (DIS/DRC 2.2019; vgl. TN 20.1.2019). Einer internationalen humanitären Organisation zufolge ist es weniger wahrscheinlich, dass Angriffe dieser Art in Damaskus (im Gegensatz zu anderen großen Städten) passieren, weil die Hauptstadt durch Sicherheitskräfte schwer bewacht ist (DIS/DRC 2.2019).

Seit 2012 führte Israel dutzende Luftschläge auf syrischem Staatsgebiet durch, hauptsächlich auf Orte oder Konvois in der Nähe der libanesischen Grenze, die mit Waffenlieferungen an die Hizbollah in Verbindung stehen (CRS 2.1.2019), bzw. generell auf iranische Ziele und Ziele mit dem Iran verbündeter Milizen (AJ 5.2.2019). Es soll etwa ein bis zweimal im Monat zu Angriffen der israelischen Luftwaffe auf Ziele in der Provinz Damaskus kommen (Jane‘s 14.1.2019). Bis Ende Januar 2019 äußerte sich die israelische Armee nicht oder nur selten und erst nach einiger Zeit über Spekulationen zu Luftangriffen auf syrischem Staatsgebiet, für die die israelische Armee verantwortlich sein soll. Ende Januar berichteten die israelischen Streitkräfte beinahe zeitgleich über einen Angriff auf iranische Ziele in Syrien (DS 21.1.2019). Laut dem pensionierten Generalstabsschef der israelischen Streitkräfte Gadi Eisenkot hätte Israel sogar tausende Luftangriffe durchgeführt. Seit 2017 soll es nahezu täglich zu israelischen Angriffen kommen. Im Jahr 2018 wurden demnach 2.000 Bomben abgeworfen (TNYT 11.1.2019). Syrischen Staatsmedien zufolge wurden Anfang Juli 2019, bei israelischen Luftangriffen nahe der Hauptstadt Damaskus und in der Provinz Homs, vier Zivilisten getötet und 21 Personen verletzt (DS 1.7.2019).

Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Nichtsdestotrotz wenden die Sicherheitskräfte in Tausenden Fällen solche Praktiken an (USDOS 13.3.2019). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 13.3.2019, AA 13.11.2018). Sie richten sich von Seiten der Regierung insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell wahrgenommen werden (AA 13.11.2018).

NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 13.3.2019; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung soll hierbei auch auf Personen abzielen, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 13.3.2019). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 13.11.2018; vgl. AI 22.2.2018).

Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die UN Commission of Inquiry zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik. Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festhalten werden. Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt („incommunicado“) an unbekannten Orten fest (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018, SHRC 24.1.2019). Von Familien von Häftlingen wird Geld verlangt, dafür dass die Gefangenen Nahrung erhalten und nicht mehr gefoltert werden, was dann jedoch nicht eingehalten wird. Große Summen werden gezahlt, um die Freilassung von Gefangenen zu erwirken (MOFANL 7.2019).

In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines „Freilassungsabkommens“ auszutauschen (SHRC 24.1.2019).

Seit Sommer 2018 werden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe wenig glaubwürdiger amtlich festgestellter natürlicher Todesursachen (Herzinfarkt, etc.). Berichte von ehemaligen Insassen sowie Menschenrechtsorganisationen benennen als häufigste Todesursachen Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötung (AA 13.11.2018; vgl. SHRC 24.1.2019). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 17.1.2019).

Mit Stand Dezember 2018 ist der Verbleib von 100.000 syrischen Gefangenen noch immer unbekannt. Laut Menschenrechtsgruppen und den Vereinten Nationen sind wahrscheinlich Tausende, wenn nicht Zehntausende davon umgekommen (TWP 23.12.2018).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind jedoch keine Neuerung der Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).

Aktuell ist ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden, bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können. Ebenso wurden seit Ausbruch des Konflikts aktive Soldaten auch nach Erfüllung der Wehrpflicht nicht aus dem Wehrdienst entlassen (ÖB 7.2019).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte „externe Desertion“), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von „high profile“-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den „versöhnten Gebieten“ sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).

Allgemeine Menschenrechtslage

Schätzungen besagen, dass etwa eine halbe Million Menschen im syrischen Bürgerkrieg getötet wurden (BS 2018).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Ein Dekret von 2011 erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Die Regierung erlaubt nur regierungsnahen Gruppen offizielle Parteien zu gründen und zeigt wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien, auch jenen, die mit ihr verbündet sind. Parteien wie das Communist Union Movement, die Communist Action Party und die Arab Social Union werden schikaniert. Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet um Hunderte Mitglieder von Menschenrechts- und Studentenorganisationen zu verhaften. Es gibt auch zahlreiche Berichte zu anderen Formen der Belästigung von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen oder Personen, die als oppositionell wahrgenommen werden, von Reiseverboten, Enteignung und Überwachung bis hin zu willkürlichen Festnahmen, „Verschwindenlassen“ und Folter (USDOS 13.3.2019).

Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Frauen mit familiären Verbindungen zu Oppositionskämpfern werden z.B. als Vergeltung oder zur Informationsgewinnung festgenommen. Außerdem werden Personen festgenommen, die Kontakte zu Verwandten oder Freunden unterhalten, die in oppositionell kontrollierten Gebieten leben (UNHRC 31.1.2019).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik; Einsatz von Kindersoldaten sowie übermäßige Einschränkungen der Bewegungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, inklusive Zensur. Die Regierung überwacht die Kommunikation im Internet, inklusive E-Mails, greift in Internet- und Telefondienste ein und blockiert diese. Die Regierung setzt ausgereifte Technologien und Hunderte von Computerspezialisten für Überwachungszwecke ein (USDOS 13.3.2019).

Orte, die im Laufe der vergangenen Jahre wieder unter die Kontrolle der Regierung gelangt sind, erlebten organisierte und systematische Plünderungen durch die bewaffneten Einheiten der Regierung (SHRC 24.1.2019). Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zurückhaltend über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 13.3.2019).

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als „regierungsfreundlich“ oder „regierungsfeindlich“ gilt (UNHCR 11.2015).

Rückkehr

Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen. Um intern oder aus dem Ausland zurückzukehren, müssen Geflüchtete umfangreiche Formulare ausfüllen (EIP 6.2019).

Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten Personen, die illegal ausgereist sind, „bei der Einreise gut zu behandeln“. Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung „Versöhnung“ beantragen und unter anderem angeben wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein „Versöhnungsformular“ ausfüllen (DIS 6.2019).

Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle wie einem Checkpoint von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Checkpoint-Personals oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter, riskieren. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt (FIS 14.12.2018).

Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018).

Es wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen laut deutschem Auswärtigem Amt glaubwürdig, können im Einzelfall aber nicht verifiziert werden (AA 13.11.2018).

Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, exilpolitische Tätigkeiten auszuspähen und darüber zu berichten (AA 13.11.2018; vgl. ÖB 7.2019). Es gibt Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste mit Drohungen gegenüber noch in Syrien lebenden Familienmitgliedern Druck auf in Deutschland lebende Verwandte ausüben (AA 13.11.2018). Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (BFA 8.2017). Der Sicherheitssektor nützt den Rückkehr- und Versöhnungsprozess, um, wie in der Vergangenheit, lokale Informanten zur Informationsgewinnung und Kontrolle der Bevölkerung zu institutionalisieren. Die Regierung weitet ihre Informationssammlung über alle Personen, die nach Syrien zurückkehren oder die dort verblieben sind, aus. Historisch wurden Informationen dieser Art benutzt, um Personen, die aus jedwedem Grund als Bedrohung für die Regierung gesehen werden, zu erpressen oder zu verhaften (EIP 6.2019).

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren (IT 17.3.2018). Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört – inklusive Geflüchteten, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrten, IDPs aus Gebieten, die von der Opposition kontrolliert wurden, und Personen, die in durch die Regierung wiedereroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung geschlossen haben. Sie wurden gezwungen Aussagen über Familienmitglieder zu machen und in manchen Fällen wurden sie gefoltert (TWP 2.6.2019; vgl. EIP 6.2019).

1.3. Das Gouvernement Latakia steht unter Kontrolle der syrischen Regierung.

Die beschwerdeführende Partei absolvierte in den Jahren von 2007 bis 2009 den verpflichtenden syrischen Militärdienst als einfacher Soldat bzw. Chauffeur.

Es wird weder festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei im Jahr 2014 einen Einberufungsbefehl erhalten hat, noch, dass sie im Jahr 2015 von der syrischen Militärpolizei wegen des Nichtantritts des Reservedienstes verhaftet und in Latakia und einem Ort in der Nähe von Homs für mehrere Wochen festgehalten bzw. gefoltert wurde. Auch nicht festgestellt wird, dass die beschwerdeführende Partei in einem Ort in der Nähe von Damaskus eine mehrtägige militärische Ausbildung erhielt, bzw. danach in XXXX für acht Monate eingesetzt und durch ihren Vorgesetzten schikaniert wurde.

Eine Gefahr, als Reservist zum syrischen Militär eingezogen zu werden, wird nicht festgestellt.

Es wird überdies eine Gefahr, durch das syrische Regime wegen einer Wehr- oder Reservedienstverweigerung oder wegen der Verwandtschaft zu ihren Brüdern als oppositionell eingestuft zu werden, nicht festgestellt.

Ebenso wenig wird eine Gefährdung der beschwerdeführenden Partei wegen ihrer Ausreise aus Syrien und ihrer Asylantragstellung im Ausland festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität der beschwerdeführenden Partei und ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie auf die im Verfahren vorgelegten Dokumente (Kopien syrischer Reisepass (AS 41f), syrischer Führerschein (AS 103f); Auszug aus dem Personenstandsregister und syrisches Familienbuch (AS 59ff)). Die syrische Staatsangehörigkeit wurde bereits durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt; das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, daran zu zweifeln.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zum Religionsbekenntnis, zur Herkunft, zur Schulbildung und Berufserfahrung in Syrien, ihren Familienangehörigen in Syrien und der Türkei, zum Kontaktverhalten, sowie dass die beschwerdeführende Partei ledig und kinderlos ist, ergeben sich aus den nicht weiter bestrittenen und gleichbleibenden Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe des Verfahrens.

Die Feststellung, dass zwei Brüder der beschwerdeführenden Partei in Österreich Asyl erhalten haben, ergibt sich aus den im Akt befindlichen Auszügen aus dem Informationsverbundsystems des zentralen Fremdenregisters.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei basiert auf ihren Angaben im Laufe des Verfahrens und die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit auf einem entsprechenden Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellung zur illegalen Ausreise der beschwerdeführenden Partei basiert auf ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben im Laufe des Verfahrens.

2.3. Die Feststellung, dass sich das Gouvernement Latakia unter der Kontrolle der syrischen Regierung befindet ergibt sich einerseits aus den diesbezüglichen Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe der mündlichen Verhandlung am XXXX .2020 und andererseits aus dem oben angeführten Länderinformationsblatt. Am XXXX .2020 fand eine kontrollierende Nachschau unter https://syria.liveuamap.com/ statt, die keine Änderung hervorbrachte.

Dass die beschwerdeführende Partei ihren Militärdienst als einfacher Soldat bzw. Chauffeur in den Jahren von 2007 bis 2009 ableistete, gab sie glaubhaft im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020 an (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls).

Zu den eigentlichen fluchtauslösenden Ereignissen (Festnahme und mehrfache Misshandlung wegen Nichtantritts des Reservedienstes im Jahr 2015 und anschließender Einsatz in XXXX für acht Monate; befürchtete Einziehung als Reservist zur syrischen Armee im Fall einer Rückkehr nach Syrien) brachte die beschwerdeführende Partei in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020 Folgendes vor (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

„[...] R: Können Sie mir in Ihren eigenen Worten erzählen, warum Sie Syrien verlassen haben?

P: 2014 bekam ich einen Beleg, dass ich in die Reserve eingezogen worden bin. Ich bin generell gegen den Krieg. Ich wollte daran nicht teilnehmen. Ich bin dem nicht nachgekommen. Im September 2015 kam dann die Militärpolizei zu meinem Arbeitsort, damals war ich in einem Möbelgeschäft tätig. Ich wurde direkt vor Ort, im Möbelgeschäft, festgenommen. Ich wurde auch geschlagen und erniedrigt. Ich wurde auch zur Rede gestellt, warum ich mich nicht zur Reserve gemeldet hätte, drei Tage war das ungefähr. Ich wurde gequält. Nach drei Tagen bei der Militärpolizei wurde ich dann in ein Gefängnis weitergeleitet, namens Poloni (phonetisch). Dort war ich ca. elf Tage. Dort ging das weiter. Die Erniedrigungen gingen weiter, weil ich mich nicht zur Reserve gemeldet habe. Die Schläge gingen auch weiter. Das Gefängnis wurde dann gefüllt mit anderen Leuten, wie ich. Mit gefüllt war gemeint, dass eine bestimmte Anzahl von Rekruten abgewartet wird, bevor man zum Training gebracht wird. Wir wurden schließlich auch zum Training gebracht. Wir waren dann ungefähr 15 Tage in einem Trainingslager mit dem Namen Dresch (phonetisch). Nach diesen 15 Tagen wurde ich versetzt in ein Gebiet namens XXXX . Dieses Gebiet wurde umzingelt vom Regime. Zu der Zeit, wo ich dorthin versetzt wurde, gab es gerade eine Feuerpause zwischen dem Regime und der Opposition. Ich musste dort dann acht Monate verweilen, bis es mir möglich war, den ersten Urlaub zu machen. Es waren fünf Tage Urlaub. Am 4. Tag haben wir dann einen Schmuggler getroffen, von dem wir gehört haben, dass er die Leute über die Grenze bringt. Das ging alles über die Gebiete, die unter der Kontrolle der Opposition, die freie syrische Armee, stehen, über Idlib in die Türkei.
R: Sie haben 2014 die Einberufung bekommen, sind aber erst 2015 von der Militärpolizei aufgegriffen worden. Wie konnten Sie so lange dem Militär fernbleiben?

P: Es ist so, wenn man nicht beim militärischen Checkpoints vorbeigeht, läuft man nicht Gefahr, dass man erkannt wird oder mitgenommen wird. Diese Kontrollpunkte habe ich vermieden. Ich hatte auch finanziell noch nicht die Möglichkeiten, um zu diesem Zeitpunkt zu flüchten.

R: Wenn Sie einen Einberufungsbefehl bekommen, dann weiß das Militär, dass sie Sie wollen. Können Sie sich erklären, warum die Militärpolizei nicht schon viel früher zu Ihnen gekommen ist z.B. nach Hause oder eben an Ihre Arbeitsstelle?

P: Das Militär stellt die Bescheide über die Polizei aus. Die Polizei händigt sie dann aus. Die Polizei war schon bei uns. Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade nicht zuhause, als die Polizei bei uns war. Mein Vater hat behauptet, dass ich verreist sei. Er hat der Polizei versichert, dass, sobald ich wieder im Land bin, ich mich bei der Polizei melden werde.

R: Sie sagen, es gab ein Trainingslager in Dresch. Was war das für ein Training? Wie ist das abgelaufen?

P: Erstens Sport, also körperliche Ertüchtigung, Schießübungen, um genau zielen zu können. Das war es, im Prinzip.

R: Wurde irgendwie besprochen, dass Sie so eingesetzt würden, wie schon früher z.B. als Chauffeur?

P: Es hat sich einfach nicht genau ergeben. Warum genau, müsste man das Militär selbst fragen. Sie haben mich einfach in gefährliches Gebiet geschickt. Damals, als ich beim regulären Militärdienst war, habe ich einen Vorgesetzten gefragt, wenn es Krieg geben würde, was passieren würde. Er meinte, ich wäre der letzte, den man zur Reserve holen würde, und selbst wenn, dann nur für leichte Fuhrtätigkeiten.

R: Wie hat Ihr Einsatz in XXXX jetzt tatsächlich konkret ausgesehen?

P: Das war zu einem Zeitpunkt, wo es einen Waffenstillstand gegeben hat, deshalb gab es keine Auseinandersetzungen. In diesem Fall ist die Art des Dienstes, dass man als Wache tätig ist.

R: Das heißt konkret?

P: Wir haben auch Kontrollen durchgeführt. Wir haben Wache auf einer öffentlichen Straße gemacht. Normale Tätigkeiten, wie auch hier von der Polizei, z.B. auch Identitätsfeststellungen.

R: Stimmt das, XXXX liegt ca. zwischen Damaskus und der Libanesischen Grenze?

P: Ja, das ist im Grenzgebiet zum Libanon.

R: Das heißt, wer waren die Rebellen zu diesem Zeitpunkt in dieser Region?

P: Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es Oppositionelle waren, also, dass sie gegen das Regime waren.

R: In den acht Monaten, die Sie dort waren, gab es keine einzige bewaffnete Auseinandersetzung?

P: Keine.

R: Versuchen Sie mir den Stützpunkt in XXXX ein bisschen näher zu beschreiben? Wie war das z.B. organisatorisch aufgebaut, wie viele Leute waren dort?

P: XXXX liegt mittig zwischen verschiedenen anderen Gebieten, z.B. XXXX . Es gab mehrere Militärpunkte dort. Ich kann nicht sagen, wie viele Soldaten insgesamt dort waren, aber mein Punkt hatte elf Soldaten. Mein direkter Vorgesetzter hatte den Namen XXXX , und der Vorgesetzte für das ganze Gebiet hatte den Namen XXXX .

R: Wie hat das jetzt mit dem Urlaub ausgeschaut? Können Sie mir das näher erklären?

P: Ich habe mal den Urlaub bekommen und bin dann wieder nach Latakia. Ich habe mich natürlich nach meiner Familie gesehnt und war vier Tage mit ihnen. Mein Cousin kannte da eine Person, der die Leute illegal außer Land bringt.

R: Sie haben bei der Behörde gesagt: „In XXXX war ich nicht aktiv. Ich habe nicht mitgemacht.“ (AS 119). Was meinen Sie damit?

P: Es gab mehrere Feuergefechte in XXXX , aber zu dem Zeitpunkt, als ich in XXXX war, gab es eben diesen Waffenstillstand. Zum Waffenstillstand war abgemacht, dass in Bezug auf XXXX und XXXX , die vom Militär des Regimes umzingelt waren, und die Gebiete XXXX und XXXX (beides phonetisch), die von den Aufständischen umzingelt waren, dass keine Partei weiter vorrücken würde. Das war der Inhalt des Waffenstillstands. Ich wollte nur hinzufügen, wenn man auf Google schaut, schauen die Gebiete ganz anders aus, als zu meiner Zeit.

R: Sie haben das beim BFA so geschildert, dass Sie nicht „aktiv“ gewesen wären (AS117). Können Sie mir das näher erklären? Was meinen Sie mit „nicht aktiv“?

P: Das waren keine richtigen Feuergefechte, die ich gemeint habe. Es gab Schüsse, aber niemand fiel ihnen zum Opfer. Selbst bei diesen Angelegenheiten wollte ich auch nicht mitmachen. Wir waren in einem großen Haus, wie eine Villa, stationiert. Das Friedensabkommen wurde nicht gebrochen, aber manchmal kann es passieren, dass die andere Seite Schüsse abgibt oder jemand, der in der Nähe ist, Schüsse abgibt z.B. in die Luft. Ich wollte auch bei solchen Aktionen, wo man Bereitschaft zeigen muss, nicht teilnehmen.

R: Beschreiben Sie mir das konkret. Wie hat Ihre Nichtteilnahme ausgeschaut? Beschreiben Sie mir ein konkretes Bespiel, wo Sie sagen, in diesen acht Monaten in XXXX ist etwas passiert und Sie haben nicht teilgenommen.

P: Z.B. einmal war gutes Wetter. Wir haben gehört, dass bei einem Punkt in unserer Nähe Schüsse abgegeben wurden. Die Anweisungen lauten, dass, wenn man Feuer vernimmt, die anderen Punkte dann zur Unterstützung hinzukommen und Unterstützung leisten. Als das passierte, haben normalerweise immer die anderen Männer gleich zu ihren Waffen gegriffen und sind aufgestanden in ihrer Bereitschaft. Ich habe in solchen Situationen immer versucht mich davonzustehlen. Das ist eine große Villa, ich bin wo anders hingegangen. Ich wurde dann auch bestraft, weil mein Verhalten wahrgenommen wurde, auch von den Vorgesetzten. Ich sag es auch ehrlich, ich bin ein Mensch, ich habe Angst vor dem Tod. Ich habe Angst vor Schüssen. Glücklicherweise war dort Waffenstillstand. […]“

Die beschwerdeführende Partei gab zwar gleichbleibend an, sie habe im Jahr 2014 einen Einberufungsbefehl erhalten, sei diesem nicht nachgekommen und deswegen im Jahr 2015 von der syrischen Militärpolizei verhaftet, mehrere Wochen lang an verschiedenen Orten in Syrien festgehalten und misshandelt sowie schließlich, nach Absolvierung einer mehrtägigen militärischen Ausbildung nahe Damaskus in XXXX eingesetzt worden, wo sie ihr Vorgesetzter misshandelt habe, jedoch blieben ihre diesbezüglichen Schilderungen äußerst detailarm und vage.

Etwa erklärte die beschwerdeführende Partei bei ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde, einen Einberufungsbefehl erhalten zu haben, jedoch machte sie keinerlei Angaben über die Art der Zustellung und gab äußerst knapp, ohne weitere Angabe von Gründen an, sie habe einen solchen nicht und könne diesen auch nicht besorgen. Auch ein Militärbuch besitze sie nicht und ihren Militärausweis habe sie aus Angst vor der freien syrischen Armee (FSA) vernichtet (AS 119). Die beschwerdeführende Partei legte somit im Laufe des Verfahrens keine tauglichen Beweismittel vor, die für eine Einberufung als Reservist sprechen. Dabei fällt auf, dass die beschwerdeführende Partei im Zuge des Verfahrens hingegen mehrere Dokumente syrischer Behörden vorlegte, um ihre familiären Verbindungen zu belegen, darunter ein im Jahr 2019 ausgestellter Auszug aus dem Familienregister. Wenngleich in der Beschwerde darauf hingewiesen wurde, dass dieser vom Vater der beschwerdeführenden Partei in Syrien, und nicht von der beschwerdeführenden Partei selbst beantragt und entgegengenommen worden sei, ist den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zuzustimmen, dass die Ausstellung des besagten Dokuments bei einer behördlichen Suche der beschwerdeführenden Partei wohl nicht erfolgt wäre.

Überdies fällt auf, dass zwischen der angeblichen Aushändigung des Einberufungsbefehls an die beschwerdeführende Partei im Jahr 2014 und der vorgebrachten Festnahme im Oktober des Jahres 2015 ein ungewöhnlich langer Zeitraum von mindestens zehn Monaten liegt, in dem sich die beschwerdeführende Partei einer Rekrutierung durch die syrische Militärpolizei ihren eigenen Angaben nach zunächst durch die Vermeidung des Passierens von Checkpoints entziehen konnte. Dies wirkt insbesondere deshalb wenig glaubhaft, da aus dem oben angeführten Länderinformationsblatt hervorgeht, dass die Gegend um Latakia, aus der die beschwerdeführende Partei stammt, von der syrischen Regierung kontrolliert wird und, nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, die Militärpolizei nun durch die Straßen patrouilliert. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen. Es ist weiter nicht nachvollziehbar, weshalb sich die beschwerdeführende Partei, obwohl sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020 auf Nachfrage der erkennenden Richterin angab, die syrische Militärpolizei hätte ihr Wohnhaus in ihrer Abwesenheit aufgesucht und nach ihr gefragt, dieses jedoch nach Zusicherung der Eltern, sie werde sich bei der Militärbehörde melden, wieder verlassen (siehe oben zitierte Passage des Verhandlungsprotokolls), nicht umgehend aus Syrien ausreiste bzw. sich vor der Militärpolizei versteckte, sondern wie gewohnt ihren Arbeitsplatz wieder aufsuchte. Daran vermag auch die Behauptung der beschwerdeführenden Partei, sie habe nicht über die finanziellen Mittel für eine Ausreise verfügt, nichts zu ändern. Dieser Widerspruch im Vorbringen der beschwerdeführenden Partei spricht ebenfalls gegen eine tatsächlich stattgefundene Einziehung als Reservist.

Abgesehen davon muss darauf hingewiesen werden, dass das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei auch in Bezug auf den konkreten Ablauf der mehrwöchigen Festhaltung und Misshandlung durch die syrische Regierung aufgrund einer Nichtbefolgung einer Einberufung als Reservist sowie den achtmonatigen Einsatz in XXXX konstruiert und wenig glaubhaft wirkt. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass die beschwerdeführende Partei zum tatsächlichen Ablauf ihrer mehrwöchigen Festhaltung in mehreren Orten in Syrien nur sehr oberflächliche Angaben machte und keinerlei Details zu ihrer Zeit in Gefangenschaft nannte. Auch waren die Ausführungen der beschwerdeführenden Partei zu ihrem mehrtägigen militärischen Training in „Dresch“ im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020 äußerst knapp und blass. Darüber hinaus blieben auch die Angaben der beschwerdeführenden Partei zu ihrem Einsatz in XXXX bzw. der erlittenen Schikanen durch ihren Vorgesetzten oberflächlich und frei von jeglichen Details, die nahelegen könnten, dass die beschwerdeführende Partei von selbst Erlebtem berichtet. So blieb die Beschreibung des Stützpunktes in XXXX durch die beschwerdeführende Partei im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020 wenig konkret, und sie machte auch keine genauen Angaben zu den ihr zugeteilten Aufgaben, abgesehen vom gelegentlichen Einsatz als Kontrollposten auf der Straße. Weiter fällt auf, dass die beschwerdeführende Partei, trotz der Erklärung, es habe einen Waffenstillstand in XXXX gegeben, nicht angeben konnte, mit welcher konkreten Gruppierung dieser geschlossen worden sei und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020 bloß erklärte es seien Oppositionelle gewesen, die gegen die Regierung gewesen seien (siehe oben zitierte Passage aus dem Verhandlungsprotokoll). Dieses fehlende Wissen ist mit einem tatsächlichen mehrmonatigen Einsatz als Reservist in XXXX jedenfalls nicht in Einklang zu bringen.

Außerdem muss auf einen offensichtlichen Widerspruch zwischen dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei und den Aussagen ihres asylberechtigten Bruders (Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2018 (AS 125ff)) hingewiesen werden:

Die beschwerdeführende Partei behauptete im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020 nämlich zunächst, ihr Bruder sei zehn Tage nach der beschwerdeführenden Partei aufgrund der behördlichen Suche nach ihr selbst aus Syrien ausgereist. Sie könne sich überdies, obwohl sie im Jahr 2015 mit ihrem Bruder gemeinsam in einem Haus gelebt habe, nicht daran erinnern, dass ihr Bruder vor ihr einen Einberufungsbefehl erhalten habe (Seiten 9 und 10 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Vorbringen steht jedoch im Gegensatz zu jenem ihres Bruders, der angab, ihrem Vater sei zuhause im Februar oder März des Jahres 2013 ein Einberufungsbefehl als Reservist zur syrischen Armee zugestellt worden (AS 151). Nachdem die erkennende Richterin die beschwerdeführende Partei auf diesen eklatanten Widerspruch aufmerksam machte, versuchte sie ihre vorherigen Angaben zu relativieren und erklärte gänzlich konträr zu diesen, sie könne sich nicht daran erinnern, wann genau ihr Bruder seinen Einberufungsbefehl bekommen habe, sie wisse jedoch mit Bestimmtheit, dass ihr Bruder in der Vergangenheit inhaftiert gewesen sei (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Vorbringen, das in wesentlichen Teilen mit jenem ihres Bruders im Widerspruch steht, lässt erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der beschwerdeführenden Partei insgesamt aufkommen.

Aufgrund der genannten Unstimmigkeiten im Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Partei konnte weder der Erhalt eines Einberufungsbefehls als Reservist, noch eine Verhaftung im Jahr 2015 durch die syrische Militärpolizei wegen des Nichtantritts des Reservedienstes bzw. die Festhaltung und Misshandlung in Latakia und einem Ort in der Nähe von Homs für mehrere Wochen oder der achtmonatige Einsatz in XXXX und Schikane durch ihren Vorgesetzten, nach Absolvierung einer mehrtägigen Ausbildung, festgestellt werden.

Aus den Länderberichten geht hervor, dass in Syrien Reservisten bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden können, wobei einzelne Berichte vorliegen, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat. Die beschwerdeführende Partei befindet sich mit ihren 32 Jahren daher noch grundsätzlich im wehrfähigen Alter und ist Reservist.

Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können.

Aus der Funktion der beschwerdeführenden Partei beim Militärdienst oder ihrer Berufstätigkeit kann nicht abgelesen werden, dass diese früher bei ihrem regulären Militärdienst als Chauffeur eine besondere Fähigkeit erworben oder eine besondere Position eingenommen hat, noch lässt sich aus ihrer Berufstätigkeit als Automechaniker, Bauarbeiter bzw. Verkäufer ableiten, dass sie heute über wesentliche Fähigkeiten verfügt, die sie für die abermalige Musterung besonders attraktiv macht. Ihr Wehrdienst liegt zeitlich bereits lange zurück. Im Lichte der individuellen Eigenschaften der beschwerdeführenden Partei (Beruf, Rang und Funktion beim Militärdienst) sowie der Länderberichte, die eine entsprechend systematische und generelle Einberufung von Reservisten nicht dokumentieren bzw. von einem hohen Maß an Willkür dabei ausgehen, kann daher auch keine Feststellung zu einer entsprechend wahrscheinlich drohenden Einberufung als Reservist getroffen werden.

Soweit vorgebracht wird, der beschwerdeführenden Partei werde aufgrund ihrer Verwandtschaft zu ihren Brüdern, die in Österreich wegen ihrer Wehrdienstverweigerung Asyl erhalten haben, eine oppositionelle politische Gesinnung seitens der syrischen Regierung unterstellt, ist darauf hinzuweisen, dass hieraus keine konkret gegen sie gerichtete Bedrohung abgeleitet werden kann. Zwar ist den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass es in der Vergangenheit Fälle gegeben hat, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren, jedoch ist nicht anzunehmen, dass die beschwerdeführende Partei davon betroffen sein würde. Aus den Länderberichten ist nämlich ebenfalls abzulesen, dass dies insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein kann, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben. Hinweise hierzu, dass diese Situation auf die Familie der beschwerdeführenden Partei zutreffen würde, ergaben sich während des Verfahrens jedoch nicht.

Eine Gefährdung der beschwerdeführenden Partei durch die syrische Regierung aufgrund der Wehrdienstverweigerung ihrer Brüder kann daher nicht festgestellt werden.

Bezüglich der vorgebrachten Befürchtungen im Zusammenhang mit der Asylantragstellung im Ausland ist anzumerken, dass syrische Staatsbürger_innen grundsätzlich Reisefreiheit genießen; sie können Syrien verlassen, wenn sie einen gültigen Reisepass besitzen und über einen funktionierenden Grenzübergang ausreisen. Dass die beschwerdeführende Partei zu einer jener Bevölkerungsgruppen gehören würden, die eine Ausreisegenehmigung brauchen, brachte sie nicht vor und ergibt sich nicht aus dem Verwaltungsakt. Im Falle der Rückkehr einer nicht rechtmäßig ausgereisten Person drohen Geld- und Haftstrafen, die insbesondere bei Nichtbenützen eines regulären Grenzüberganges bis zu zwei Jahre sein können. Auch wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer_innen gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Journalisten und Journalistinnen, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben, sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Die beschwerdeführende Partei fällt in keine dieser Risikogruppen, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihr eine gegen das Regime eingestellte Gesinnung unterstellt wird, da es keine Hinweise darauf gibt, dass sie bereits ins Blickfeld des Regimes geraten sein könnte.

Hierfür spricht auch, dass die beschwerdeführende Partei im Laufe des Verfahrens kein Vorbringen erstattete, wonach sie in Syrien oder in Österreich regimekr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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