Entscheidungsdatum
08.01.2021Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W211 2218281-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX 1981 , StA. Syrien, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Syriens. Sie stellte am XXXX .2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei ihrer Erstbefragung am selben Tag gab die beschwerdeführende Partei an, sie gehöre der Volksgruppe der Kurden an und sei sunnitischen Glaubens. Sie stamme aus der Stadt Al Malikya im Gouvernement Al Hasaka. Ihre Mutter, ihre Ehefrau, drei Söhne, vier Töchter, sowie mehrere Geschwister würden sich in Syrien aufhalten. Zwei Brüder würden in Deutschland leben. Syrien habe sie illegal im Juni des Jahres 2018 über die Grenze zum Irak verlassen. Als Fluchtgrund führte die beschwerdeführende Partei aus, dass sie Syrien wegen des dort herrschenden Krieges verlassen habe. Sie sei als Reservist zur syrischen Armee einberufen worden, wolle aber keine Menschen töten und nicht getötet werden. Im Fall einer Rückkehr nach Syrien befürchte die beschwerdeführende Partei, dass über sie die Todesstrafe verhängt werde. Die beschwerdeführende Partei legte der belangten Behörde das Original ihres syrischen Personalausweises vor.
3. Am XXXX .2019 fand eine Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in deren Zuge die beschwerdeführende Partei soweit wesentlich angab, ihr Vater sei verstorben. Ihre Ehefrau und Kinder, ihre Mutter und mehrere Geschwister würden sich noch in Al Malikya aufhalten. Weiter verfüge sie noch über Geschwister im Irak und in Deutschland. Mit ihren in Syrien verbliebenen Verwandten stehe sie in regelmäßigem Kontakt. Die beschwerdeführende Partei habe in Syrien sechs Jahre lang die Grundschule besucht und dann in Damaskus als Hausmeister gearbeitet. Ihren Militärdienst habe sie bereits für zweieinhalb Jahre abgedient. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die beschwerdeführende Partei an, dass, als sie in Damaskus gelebt habe, ein Bekannter bei einer Rekrutierungsstelle in Erfahrung gebracht habe, dass der Name der beschwerdeführenden Partei auf einer Reserveliste stehe und ein Einberufungsbefehl für sie vorliege. Die beschwerdeführende Partei sei daraufhin nach Al Malikya zurückgekehrt. Im Jahr 2016 habe die beschwerdeführende Partei dann einen Einberufungsbefehl von ihrem Bekannten erhalten. Weiter sei ihr Bruder nach acht Monaten beim syrischen Militär desertiert. In Al Malikya wiederum sei sie selbst zweimal von Mitgliedern der kurdischen Milzen (YPG) aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen, was die beschwerdeführende Partei jedoch abgelehnt habe. Überdies erklärte sie in Syrien nie politisch tätig gewesen zu sein, jedoch im Jahr 2004 aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit verhaftet worden zu sein. Die beschwerdeführende Partei legte dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter anderem Kopien der Reisepässe ihrer Ehefrau und Kinder, die Kopie ihrer Heiratsurkunde, Kopien von Auszügen ihres Familien- und Militärbuchs sowie die Kopie ihres angeblichen Einberufungsbefehls vor.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III). Das Bundesamt stellte die syrische Staatsangehörigkeit und die kurdische Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die Identität der beschwerdeführenden Partei fest. Eine Verfolgung seitens des syrischen Staates aufgrund der Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit bzw. ihrer politischen Gesinnung wurde nicht festgestellt.
5. In der gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei als Beweismittel für eine drohende Rekrutierung als Reservist durch die syrische Regierung Kopien ihres Militärbuchs und ihres Einberufungsbefehls aus dem Jahr 2016 vorgelegt habe. Auch habe die beschwerdeführende Partei ihre Fluchtgeschichte detailreich geschildert. Die Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dass diese nicht glaubhaft sei, sei somit nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, dass die beschwerdeführende Partei, nachdem sie den Einberufungsbefehl erhalten habe, von Damaskus nach Al Malikya gezogen sei. Da dieses unter kurdischer Kontrolle gewesen sei, habe die beschwerdeführende Partei zwei weitere Jahre in Syrien verbleiben können. Dort sei die beschwerdeführende Partei jedoch zweimal von Mitgliedern der YPG aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen, weshalb sie sich dazu entschlossen habe, Syrien im Jahr 2018 zu verlassen. Wegen ihrer illegalen Ausreise aus Syrien drohe der beschwerdeführenden Partei überdies eine Gefährdung durch die syrische Regierung.
6. Am XXXX .2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die kurdische Sprache (Kurmanci) und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom XXXX .2020 für die Teilnahme an der Verhandlung.
7. Mit schriftlicher Stellungnahme der Vertretung der beschwerdeführenden Partei vom XXXX .2020 zu den in der mündlichen Verhandlung zusätzlich ins Verfahren eingebrachten Länderberichten wurde ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei zwar aus Syrien geflüchtet sei, bevor sie zum Wehrdienst herangezogen werden habe können, jedoch im Fall einer Rückkehr nach wie vor die Gefahr einer Einberufung zum syrischen Militär bestehe. Die beschwerdeführende Partei könne an jedem Checkpoint der syrischen Regierung sofort verhaftet und zum Kriegsdienst gezwungen werden. Auch die Gefahr von Repressalien durch die YPG sei nicht von der Hand zu weisen, wobei keine Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit der syrischen Behörden bestehe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:
1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein Staatsangehöriger Syriens, der am XXXX .2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
1.1.2. Die beschwerdeführende Partei gehört der Volksgruppe der Kurden an.
1.1.3. Die beschwerdeführende Partei stammt aus einem Dorf in der Nähe der Stadt Al Malikya im Gouvernement Al Hasaka. Die beschwerdeführende Partei zog mit ihrer Familie nach ihrer Heirat nach Damaskus, kehrte im Juni/Juli des Jahres 2016 jedoch wieder in ihr Heimatdorf zurück und lebte dort bis zu ihrer Ausreise aus Syrien.
Die beschwerdeführende Partei ist verheiratet und Vater von sieben Kindern. Die Ehefrau und Kinder, ihre Mutter und mehrere Geschwister halten sich noch in Syrien auf. Weitere Geschwister der beschwerdeführenden Partei leben im Irak und in Deutschland. Die beschwerdeführende Partei steht in regelmäßigem Kontakt mit ihren in Syrien verbliebenen Familienangehörigen.
Die beschwerdeführende Partei besuchte in Syrien sechs Jahre lang die Grundschule und arbeitete dann als Bauarbeiter.
Die beschwerdeführende Partei verließ Syrien illegal im Juni des Jahres 2018 über die Grenze zum Irak.
1.1.4. Die beschwerdeführende Partei ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
1.2.1. Syrien: Korruption; Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen, Wehrdienstverweigerung / Desertion; Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ); Rückkehr:
Korruption
Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für das Jahr 2018, liegt Syrien mit einer Bewertung von 13 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 178 von 180 untersuchten Ländern (je höher desto schlechter) (TI o.D.).
Korruption war bereits vor dem Bürgerkrieg weit verbreitet und beeinflusste das tägliche Leben der Syrer (FH 1.2017). Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für amtliche Korruption vor, die Regierung setzt diese jedoch nicht effektiv durch. Beamte üben häufig korrupte Praktiken aus, ohne dafür bestraft zu werden. Korruption ist weiterhin ein allgegenwärtiges Problem bei Polizei, Sicherheitskräften, Migrationsbehörden und in der Regierung (USDOS 13.3.2019).
Mitglieder und Verbündete der Herrscherfamilie sollen einen großen Teil der syrischen Wirtschaft kontrollieren oder besitzen. Auch sichert sich die Regierung durch die Bevorzugung bestimmter Firmen und Vergabe von vorteilhaften Verträgen etc. Loyalität. Sogar die grundlegendsten staatlichen Dienstleistungen sind von der demonstrierten Loyalität der Gemeinde zum Assad-Regime abhängig, womit sich Staatsangestellten zusätzliche Möglichkeiten bieten, Bestechungsgelder einzufordern. Der syrische Bürgerkrieg hat neue Möglichkeiten für Korruption in der Regierung, unter regierungstreuen bewaffneten Gruppen und im Privatsektor geschaffen (FH 1.2018).
Regierungstreue Milizen verlangen beispielsweise für das Passieren ihrer Checkpoints Bestechungsgelder. Das Fünfte Korps verlangt laut Experten von lokalen Gemeinden Gelder für die Gewährleistung von Sicherheit (FIS 14.12.2018). Milizen erpressen Unternehmen und konfiszieren privates Eigentum in unterschiedlichem Ausmaß (FH 1.2018). Auch in der syrischen Armee gibt es eine Tradition der Bestechung Ranghöherer, etwa um eine bessere Position oder einfachere Aufgaben zu erhalten, einen Einsatz an der Frontlinie zu vermeiden oder überhaupt den Wehrdienst selbst zu umgehen (FIS 14.12.2018).
Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).
Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017).
Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).
Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).
Aktuell ist ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden, bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können. Ebenso wurden seit Ausbruch des Konflikts aktive Soldaten auch nach Erfüllung der Wehrpflicht nicht aus dem Wehrdienst entlassen (ÖB 7.2019).
Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).
Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).
Wehrdienstverweigerung / Desertion
Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).
Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).
Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).
Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).
Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte „externe Desertion“), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).
Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von „high profile“-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).
Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).
In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den „versöhnten Gebieten“ sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).
Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)
Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind die bewaffneten Einheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (DZO 13.1.2019). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig (AA 13.11.2018). Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst für Männer von 18 bis 30 Jahren. Der Wehrdienst sollte sechs Monate dauern, dauerte in den letzten Monaten jedoch 12 Monate. Jene, die den Wehrdienst verweigern, müssen zur Strafe 15 Monate Wehrdienst leisten (MOFANL 7.2019).
Mehrfach ist es zu Fällen gekommen, in denen Männer von der YPG rekrutiert werden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten (Savelsberg 3.11.2017).
Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten leisten, wobei es gleichzeitig Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen gibt (AA 13.11.2018). Quellen zufolge gibt es keine Beweise für Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), jedoch kann es einzelne Fälle der Zwangsrekrutierung von Frauen in kleineren lokalen kurdischen Milizen geben, die gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) kämpfen (BFA 8.2017). Dem widersprechen andere Quellen, denen zufolge es in mehreren Fällen zur Rekrutierung bzw. Zwangsrekrutierung minderjähriger Mädchen gekommen ist. Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen kurdische Frauen, die der YPG zunächst freiwillig beitraten, daran gehindert wurden, diese wieder zu verlassen (Savelsberg 3.11.2017).
Rückkehr
Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle wie einem Checkpoint von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Checkpoint-Personals oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter, riskieren. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt (FIS 14.12.2018).
Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, exilpolitische Tätigkeiten auszuspähen und darüber zu berichten (AA 13.11.2018; vgl. ÖB 7.2019). Es gibt Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste mit Drohungen gegenüber noch in Syrien lebenden Familienmitgliedern Druck auf in Deutschland lebende Verwandte ausüben (AA 13.11.2018). Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (BFA 8.2017). Der Sicherheitssektor nützt den Rückkehr- und Versöhnungsprozess, um, wie in der Vergangenheit, lokale Informanten zur Informationsgewinnung und Kontrolle der Bevölkerung zu institutionalisieren. Die Regierung weitet ihre Informationssammlung über alle Personen, die nach Syrien zurückkehren oder die dort verblieben sind, aus. Historisch wurden Informationen dieser Art benutzt, um Personen, die aus jedwedem Grund als Bedrohung für die Regierung gesehen werden, zu erpressen oder zu verhaften (EIP 6.2019).
1.2.2. Die Rekrutierungspraxis der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG):
a) Am 14. Juli 2014 wurde in den kurdisch kontrollierten Gebieten erstmals gesetzlich eine allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Genanntes Gesetz kam erstmals im Jahr 2015 in Afrin zum Einsatz. Im Jahr 2017 wurde in der Region Jazira das Gesetz zur „verpflichteten Selbstverteidigung“ beschlossen. Zuvor genannte Gesetze wurden, nachdem sich der kurdische Nationalrat (Majlis al-‘Am) im Juni des Jahres 2019 auf das Gesetz der „Pflicht zur Selbstverteidigung“ einigte, durch dieses ersetzt. Geographisch umfasst das Gesetz den Norden und Osten Syriens, der von der kurdischen Autonomieregierung kontrolliert wird. Es besteht für Kurden ab dem Erreichen des achtzehnten Lebensjahres eine allgemeine Wehrpflicht bei der SDF (Artikel 1a, 2019) und betrifft alle Kurden syrischer Staatsangehörigkeit sowie staatenlose Kurden. Syrer aus anderen Teilen des Landes müssen ebenfalls beitreten, sobald sie sich länger als fünf Jahre in den zuvor genannten Gebieten aufgehalten haben (Artikel 1j, 2019). Der Wehrdienst muss bis zum vierzigsten Lebensjahr abgeleistet werden (Artikel 13).
b) Die englisch- und arabischsprachige syrische Zeitung Enab Baladi hält in einem Artikel vom Dezember 2019 unter anderem folgende Informationen zur Rekrutierungspraxis der SDF fest: Der Verkündung des Militärrekrutierungsgesetzes von 2014, das unter dem Namen „Pflicht zur Selbstverteidigung“ beschlossen worden sei, seien in al-Hasaka und Qamishli Verhaftungen junger Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren durch die Asayisch vorangegangen. Später, in der Phase, die auf das Ende des Kampfes in Kobane im November 2015 folgte, hätten die SDF größere Militäroperationen in Nord- und Ostsyrien durchgeführt und parallel dazu ihre Zwangsrekrutierungsoperationen in Gebieten wie Hasaka, Ayn al-Arab, Tell Abyad und Qamischli fortgesetzt, wobei auch Kinder und Minderjährige rekrutiert worden seien. Das Gesetz „Pflicht zur Selbstverteidigung“ sei bis heute (Artikel vom Dezember 2019) gültig, und der Rekrutierungsprozess gehe weiter, obwohl das Gesetz vonseiten der in den SDF-kontrollierten Gebieten lebenden Bevölkerung auf starke Ablehnung stoße. Es habe bereits mehrere Demonstrationen gegen Zwangsrekrutierungen gegeben, insbesondere auch Demonstrationen dagegen, dass ein großer Teil der jungen Männer, die die vom Regime kontrollierten Gebiete verlassen hätten, um ihrer Wehrpflicht zu entgehen, nun Zwangsrekrutierung ausgesetzt seien, die in ihrer Methodik jener des syrischen Regimes ähneln würde. (Enab Baladi, 7. Dezember 2019)
c) Die für auswärtige Angelegenheiten zuständige niederländische Regierungsbehörde Ministerie van Buitenlandse Zaken (BZ) veröffentlicht im Juli 2019 ihren Bericht zur aktuellen Sicherheitslage in Syrien. Dieser geht unter anderem auch auf die von den YPG umgesetzte Wehrpflicht ein. Seit Juli 2014 gebe es in der Demokratischen Föderation Nordsyrien (die unter kurdischer Selbstverwaltung stehende Region in Nordsyrien, die von der Partei der Demokratischen Union (PYD) und ihrem militärischen Arm, den YPG dominiert wird, Anm. ACCORD) einen verpflichtenden Militärdienst von 12 Monaten für alle Männer von 18 bis 30 Jahren, die in dieser Region leben würden. Im Falle einer Wehrdienstverweigerung oder bei einer Festnahme würde ein verpflichtender Wehrdienst von 15 Monaten als Strafmaßnahme verhängt. Dann stehe es dem Wehrdienstleistenden frei, sich einer Miliz anzuschließen. Der Wehrdienstleistende müsse seinen Dienst bei den Yekîneyên Parastina Gel (YPG), dem bewaffneten Arm der PYD, ableisten. […]
Das ägyptische Nachrichtenportal Arabi 21 berichtet im Jänner 2019, dass laut örtlichen Quellen in Nordsyrien die kurdischen Volksverteidigungseinheiten ihre Zwangsrekrutierungskampagne in der Stadt Raqqa und ihrer Umgebung ausgeweitet hätten. Dies sei vor dem Hintergrund der Drohungen der Türkei, die Region einzunehmen, geschehen. Aktivisten hätten in sozialen Netzwerken Fotos einer Kundmachung der öffentlichen Verwaltung zur Wehrdienstpflicht gepostet. Junge Männer, die im Norden der Provinz Al-Raqqa (Ain Eissa) und im Osten der Provinz Aleppo (Ain Al-Arab/Kobane) wohnhaft seien und den Jahrgängen 1986 bis 2001 angehören würden, würden darin aufgefordert, ihren Wehrdienst zu leisten. Sie müssten sich bis zum 10. Jänner bei den Rekrutierungsbüros melden, sonst würden ihnen eine Geldstrafe und eine Verlängerung des einjährigen Wehdienstes um einen Monat drohen. Gleichzeitig hätten kurdische Einheiten in der Provinz Al-Hasaka angekündigt, den Wehrdienst derer, deren Dienstzeit zu Ende gehe, „aufgrund der Notwendigkeit in der derzeitigen Lage“ um einen Monat zu verlängern. (Arabi 21, 2. Jänner 2019)
Noonpost, eine von einem Netzwerk arabischer JournalistInnen betriebene Webseite, die unter anderem Beiträge freiwilliger Bürgerjournalisten aus Syrien veröffentlicht, berichtet im Jänner 2019 ebenfalls über die von Einheiten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) durchgeführte Rekrutierungskampagne in der Provinz Al-Raqqa. Nachdem die SDF bei ihrer Offensive gegen die Gruppe Islamischer Staat (IS) viele Kämpfer verloren hätten, habe man mit dieser Kampagne die Reihen wieder auffüllen wollen. Die Bewohner der Region hätten diese Rekrutierungen abgelehnt. Junge Männer seien daher von den Einheiten zum Zweck der Rekrutierung unter anderem bei Hausdurchsuchungen festgenommen worden. Es wird ebenfalls die oben bereits erwähnte Kundmachung zur Rekrutierung der Jahrgänge 1986 bis 2001 erwähnt. (Noonpost, 29. Jänner 2019)
Watan FM, ein syrischer oppositioneller Radiosender, berichtet im Mai 2019, dass laut Angaben von lokalen Quellen Mitglieder der Sicherheitskräfte Asayish und der Militärpolizei in der Provinz Al-Hasaka eine Reihe von Personen festgenommen und sie in Rekrutierungslager gebracht hätten. Bei einer Hausdurchsuchung in einer Schule in Daradscha seien zehn Lehrer festgenommen worden. In den Tagen zuvor hätten die SDF, deren Rückgrat die kurdischen Einheiten bilden würden, in den Gebieten unter ihrer Kontrolle im Nordosten Syriens Dutzende Personen festgenommen, entweder weil man ihnen Mitgliedschaft beim IS vorgeworfen habe oder weil man sie zwangsrekrutiert habe. (Watan FM, 22. Mai 2019).
1.3. Zum fluchtauslösenden Vorbringen:
Es wird festgestellt, dass sich Al Malikya und Umgebung unter kurdischer Kontrolle befinden.
Die beschwerdeführende Partei absolvierte in den Jahren von 2000 bis 2003 den verpflichtenden syrischen Militärdienst als einfacher Soldat. Es wird nicht festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei im Jahr 2016 einen Einberufungsbefehl als Reservist zum syrischen Militär erhalten hat. Eine Gefahr, als Reservist zum syrischen Militär eingezogen zu werden, wird nicht festgestellt.
Es wird daher auch eine Gefahr, durch das syrische Regime wegen einer Wehr- oder Reservedienstverweigerung oder wegen der Verwandtschaft zu ihrem in Syrien verbliebenen Bruder als oppositionell eingestuft zu werden, nicht festgestellt.
Genausowenig wird eine Gefahr, im Fall einer Rückkehr nach Syrien durch Mitglieder der YPG zwangsrekrutiert zu werden, festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Identität der beschwerdeführenden Partei und ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie auf die im Verfahren vorgelegten Dokumente (Original des syrischen Personalausweises AS 33). Auch wurden die Feststellung zur Staatsangehörigkeit bereits durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl getroffen; das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, daran zu zweifeln.
Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen zum Religionsbekenntnis, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Herkunft, zur Schulbildung und Berufserfahrung in Syrien, sowie dass die beschwerdeführende Partei verheiratet und Vater von sieben Kindern ist, zu ihren Familienangehörigen in Syrien, im Irak und Deutschland sowie zum Kontaktverhalten ergeben sich teilweise bereits aus den - unbestritten gebliebenen - Feststellungen der belangten Behörde und aus den in diesen Punkten nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren bzw. den vorgelegten Dokumenten (Kopien der syrischen Reisepässe der Ehefrau und Kinder, Kopie der Heiratsurkunde, Kopie des Familienbuchs, AS 85ff).
Die Feststellungen zum Umzug nach Damaskus, zur Rückkehr in das Heimatdorf in der Umgebung von Al Malikya im Juni/Juli des Jahres 2016 und zum dortigen Verbleib bis zur Ausreise aus Syrien ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei basiert auf ihren Angaben im Laufe des Verfahrens, und die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit auf einem entsprechenden Auszug aus dem Strafregister.
Die Feststellungen zur illegalen Ausreise der beschwerdeführenden Partei basieren auf ihren glaubhaften Angaben im Laufe des Verfahrens.
2.3. Dass die Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei unter kurdischer Kontrolle steht, ergibt sich durch die Nachschau auf einer Website betreffend die Kontrolllage in Syrien (https://syria.liveuamap.com/) und wird auch durch die beschwerdeführende Partei so bestätigt (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls).
Die Feststellungen zur relevanten Situation in Syrien beruhen auf:
Zu 1.2.1.: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien mit Stand Oktober 2019, und darin wiederum auf den folgenden Einzelquellen:
- AA – Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018
- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/2018 – The State of the Wolrd’s Human Rights – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/1425112.html, Zugriff 12.12.2018
- AJ - Al Jazeera (5.2.2019): Iran warns Israel of ‚firm‘ response to air raids in Syria, https://www.aljazeera.com/news/2019/02/iran-warns-israel-firm-response-air-strikes-syria-190205133522150.html, Zugriff 13.3.2019
- ABC - ABC News – Australian Broadcasting Cooperation (6.10.2018): Syrians return home after years as unwelcome refugees, but there’s little cause for celebration, https://www.abc.net.au/news/2018-10-06/syria-refugees-returning-home-from-lebanon/10319154, Zugriff 5.3.2019
- BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.12.2018
- BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report – Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427445/488327_en.pdf, Zugriff 20.2.2019
- CIA - Central Intelligence Agency (3.4.2019): The World Factbook: Syria - Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 6.4.2019
- CRS - Congressional Research Service (2.1.2019): Armed Conflict in Syria: Overview and U.S. Response, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RL33487.pdf, Zugriff 7.3.2019
- DIS/DRC – Danish Immigration Service / Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_31012019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC, Zugriff 27.2.2019
- DP - Die Presse (1.4.2018): Ost-Ghouta: Rebellen und Russen einigen sich über Abzug der Zivilisten, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5398698/OstGhouta_Rebellen-und-Russen-einigen-sich-ueber-Abzug-der-Zivilisten, Zugriff 7.3.2019
- DS - Der Standard (15.4.2018): Syrische Armee verkündet Rückeroberung von Ost-Ghouta, https://derstandard.at/2000077954344/Syrische-Armee-verkuendet-vollstaendige-Rueckeroberung-von-Ost-Ghouta, Zugriff 7.3.2019
- DS - Der Standard (21.1.2019): Israels fliegende Warnung an den Iran, https://derstandard.at/2000096712048/Israel-gab-Luftangriffe-auf-iranische-Ziele-in-Syrien-bekannt, Zugriff 13.3.2019
- DS - Der Standard (1.7.2019): Syrische Zivilisten offenbar bei israelischen Luftangriffen getötet, https://www.derstandard.at/story/2000105707026/syrische-zivilisten-offenbar-bei-israelischen-luftangriffen-getoetet, Zugriff 4.7.2019
- DSO – Der Spiegel Online (21.5.2018): IS-Terroristen offenbar aus Großraum Damaskus abgezogen, http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-letzte-is-terroristen-offenbar-aus-grossraum-damaskus-abgezogen-a-1208822.html, Zugriff 7.3.2019
- EIP – European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.fln.dk/-/media/FLN/Materiale/Baggrundsmateriale/2019/06/19/07/03/Syri1040.pdf, Zugriff 4.7.2019
- FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/341821/485142_de.html, Zugriff 15.2.2019
- FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Syria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/syria, Zugriff 12.12.2018
- FIS – Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 1.2.2019
- HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/1422595.html, Zugriff 12.12.2018
- HRW – Human Rights Watch (11.9.2018): Key Steps Taken to End Use of Child Soldiers in Syria, https://www.ecoi.net/en/document/1443322.html, Zugriff 18.2.2019
- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): Annual report on the human rights situation in 2018 – Syrian Arab Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2002172.html, Zugriff 29.1.2019
- ISW – Institute for the Study of War (1.6.2018): Syria Situation Report: May 2-29, 2018, http://iswresearch.blogspot.com/2018/06/syria-situation-report-may-2-29-2018.html, Zugriff 7.3.2019
- IT – Irish Times (17.3.2018): Arrests and torture of Syrian refugees returning home reported, https://www.irishtimes.com/news/world/middle-east/arrests-and-torture-of-syrian-refugees-returning-home-reported-1.3429762, Zugriff 19.3.2019
- IT – Irish Times (19.8.2018): Return of Syrian refugees accelerates to steady flow, https://www.irishtimes.com/news/world/middle-east/return-of-syrian-refugees-accelerates-to-steady-flow-1.3601227, Zugriff 4.3.2019
- Jane‘s 360 (14.1.2019): Despite security improvements, residual elevated risk of collateral damage at Damascus Airport, mainly from Israeli airstrikes, https://www.janes.com/article/85685/despite-security-improvements-residual-elevated-risk-of-collateral-damage-at-damascus-airport-mainly-from-israeli-airstrikes, Zugriff 13.3.2019
- Landinfo (3.1.2018): Syria: Reactions against deserters and draft evaders, https://www.ecoi.net/en/file/local/1441219/1226_1534943446_landinfo-report-syria-reactions-against-deserters-and-draft-evaders.pdf, Zugriff 20.2.2019
- MOFANL - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands – Department for Country of Origin Information Reports (7.2019): Country of Origin Information Report Syria – The security situation, per E-Mail am 27.8.2019
- ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus (10.5.2019): Auskunft, per E-Mail
- ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf, Zugriff 19.8.2019
- ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus (21.8.2019): Auskunft, per Mail
- Reuters (25.9.2018): Fifty thousand Syrians returned to Syria from Lebanon this year: official, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-lebanon-refugees/fifty-thousand-syrians-returned-to-syria-from-lebanon-this-year-official-idUSKCN1M51OM, Zugriff 5.3.2019
- PAR - Webseite des Parlaments der Arabischen Republik Syrien (15.11.2017): ???????? ??? /35/ ???? 2017 ?????? ?????? ????? ???? ????? ?????? ???????? ???????? ??? /30/ ???? /2007/ http://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201&nid=18681&RID=-1&Last=10262&First=0&CurrentPage=0&Vld=-1&Mode=&Service=-1&Loc1=&Key1=&SDate=&EDate=&Year=&Country=&Num=&Dep=-1&, Zugriff 7.12.2017
- SANA - Syrian Arab News Agency (8.11.2017): ???? ????? ??? ????? ????? ????? ??? ????? ?? ??????? ?????? ????????? ???? ??? ??? ????? ????? ???????? ?? ?????? ?????? ??????? ???????? http://www.sana.sy/?p=656572, Zugriff 15.1.2019
- SD - Syria Direct (12.4.2018): Russian authorities announce government in 'full control' of East Ghouta amidst continued evacuations, http://syriadirect.org/news/russian-authorities-announce-government-in-%e2%80%9cfull-control%e2%80%9d-of-east-ghouta-amidst-continued-evacuations/, Zugriff 7.3.2019
- SD - Syria Direct (19.11.2018): A new Syria’: Law 10 reconstruction projects to commence in Damascus, backed by arsenal of demolition, expropriation legislation, https://syriadirect.org/news/%E2%80%98a-new-syria%E2%80%99-law-10-reconstruction-projects-to-commence-in-damascus-backed-by-arsenal-of-demolition-expropriation-legislation/, Zugriff 7.3.2019
- SD - Syria Direct (16.1.2019): In first ‘organized’ refugee returns from Jordan, dozens of Syrians head back to Damascus suburb, https://syriadirect.org/news/in-first-%E2%80%98organized%E2%80%99-refugee-returns-from-jordan-dozens-of-syrians-head-back-to-damascus-suburb/, Zugriff 6.3.2019
- SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 31.1.2019
- SLJ – Syrian Law Journal via Twitter (29.1.2019): Kurznachricht vom 29.1.2019, https://twitter.com/syrian_law/status/1090257282170990597, Zugriff 7.3.2019
- SLJ - Syrian Law Journal [Twitter] (10.11.2017): Kurznachricht vom 10.11.2017 08:37, https://twitter.com/syrian_law/status/929025146429624320, Zugriff 15.1.2019
- TE - The Economist (28.6.2018): The Future of Syria – How a victorious Bashar al-Assad is changing Syria, https://www.economist.com/middle-east-and-africa/2018/06/28/how-a-victorious-bashar-al-assad-is-changing-syria, Zugriff 21.12.2018
- TI – Transparency International (o.D.): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 15.2.2019
- TIMEP – The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty, https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf, Zugriff 19.2.2019
- TN - The National (10.12.2018): Uncertainty over fate of Syrian refugees who return home, https://www.thenational.ae/world/mena/uncertainty-over-fate-of-syrian-refugees-who-return-home-1.801269, Zugriff 5.3.2019
- TN - The National (20.1.2019): Fatalities reported after 'huge explosion' in Damascus, https://www.thenational.ae/world/mena/fatalities-reported-after-huge-explosion-in-damascus-1.815495, Zugriff 5.4.2019
- TNYT – The New York Times (11.1.2019): The Man Who Humbled Qassim Suleimani, https://www.nytimes.com/2019/01/11/opinion/gadi-eisenkot-israel-iran-syria.html, Zugriff 13.3.2019
- TWP – The Washington Post (23.12.2018): Syria’s once teeming prison cells being emptied by mass murder, https://www.washingtonpost.com/graphics/2018/world/syria-bodies/?noredirect=on&utm_term=.6a8815bb3721, Zugriff 14.2.2019
- TWP – The Washington Post (2.6.2019): Assad urged Syrian refugees to come home. Many are being welcomed with arrest and interrogation, https://www.washingtonpost.com/world/assad-urged-syrian-refugees-to-come-home-many-are-being-welcomed-with-arrest-and-interrogation/2019/06/02/54bd696a-7bea-11e9-b1f3-b233fe5811ef_story.html?utm_term=.e0a2c27a072f, Zugriff 3.7.2019
- UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (30.9.2018): Syria Factsheet – January-September 2018, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Syria%20Fact%20Sheet%20September%202018.pdf, Zugriff 19.12.2018
- UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees und die Republik Türkei (11.3.2019): Syria Regional Refugee Response – Durable Solutions, https://data2.unhcr.org/en/situations/syria_durable_solutions, Zugriff 19.3.2019
- UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (18.3.2019): Auskunft, per E-Mail
- USDOS – United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/1430098.html, Zugriff 12.12.2018
- USDOS – United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html, Zugriff 19.3.2019
- USDOS - United States Department of State (20.6.2019): Trafficking in Persons Report 2019 – Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2010916.html, Zugriff 21.6.2019
Zu .1.2.2.:
a) EASO, Targeting of individuals, Syria, March 2020, pp 46ff, unbeschränkt online abrufbar unter
https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/03_2020_Syria_Targeting_of_individuals.pdf
b) einer Anfragebeantwortung von ACCORD a-11189 vom 14.02.2020 (mit den oben angeführten Detailquellen)
c) einer Anfragebeantwortung von ACCORD a-11047-4 (11050) vom 09.08.2019 (mit den oben angeführten Detailquellen)
An der Aktualität, Relevanz und Richtigkeit der Informationen hat die erkennende Richterin keinen Zweifel, und ergeben sich solche auch nicht aus der Stellungnahme der Vertretung vom XXXX .2020.
2.4. Dass die beschwerdeführende Partei ihren Militärdienst in der syrischen Armee als einfacher Soldat in den Jahren von 2000 bis 2003 ableistete, gab sie glaubhaft im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020 an (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Weiter legte die beschwerdeführende Partei der belangten Behörde die Kopie eines Auszugs aus ihrem syrischen Wehrdienstbuch vor (AS 103ff).
Die beschwerdeführende Partei gab in der mündlichen Verhandlung am XXXX .2020 zu ihren Fluchtgründen (befürchtete Einziehung als Reservist zur syrischen Armee bzw. Zwangsrekrutierung durch die YPG) befragt folgendes zu Wort (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):
„[…] R: Können Sie mir in Ihren eigenen Worten erzählen, warum Sie Syrien verlassen haben?
P: Ich habe in Damaskus gelebt. Ein Freund von mir, er hieß XXXX , sagte, dass das Militär nach mir sucht. Sie wollten, dass ich wieder zum Wehrdienst gehe. XXXX hat Freunde gehabt, die wussten, wer als nächstes wieder zum Militärdienst einberufen wird. Ich habe dann meine Freunde gebeten, sie sollen mir helfen, aus Damaskus zu fliehen. Sie haben mir geholfen und ich bin zurück in meine Heimatstadt geflüchtet. Ich war ca. 1 ½ Jahre in meinem Heimatdorf. Dort haben die YPG-Leute mich aufgefordert, mich ihnen anzuschließen. Ich habe denen gesagt, dass ich Kinder habe, dass ich nicht kämpfen will. Sie sagten, dass ich keine andere Möglichkeit habe. Sie sagten: „Du wirst dich uns anschließen, du hast keine andere Möglichkeit.“ Dann habe ich beschlossen zu fliehen und bin in den Irak gereist.
R: Haben Sie den Einberufungsbefehl vom syrischem Militär 2016 bekommen?
P: Dieser Einberufungsbefehl ist in unser Dorf gekommen, zu uns nach Hause. Zu dieser Zeit war ich auch schon im Dorf.
R: Sie haben bei der Behörde gesagt, der schriftliche Einberufungsbefehl ist in Syrien, aber er ist jetzt im Akt. Haben Sie den geschickt bekommen? Wie kamen Sie zu dem?
P: Meine Familie hat ihn mir nachgeschickt.
R: Nach Österreich?
P: Ja.
R: Sie haben den Einberufungsbefehl bekommen, als Sie schon in Al-Malikya waren, richtig?
P: Ja.
R: Sie sind nach Al-Malikya zurückgegangen im Sommer 2016, ist das richtig?
P: Ja.
R: Im Einberufungsbefehl steht, dass Sie sich schon am 12.01.2016 stellen sollten in Al-Malikya?
P: Ich habe über Freunde erfahren, dass nach mir gesucht wird, damals war ich in Damaskus. Ich habe Angst bekommen und bin in meine Heimat geflüchtet. Zu dieser Zeit, 2016, war keine Militärpräsenz von der syrischen Armee in Al-Malikya, aber in Qamishli und in Hasaka.
R: Wann ist dieser Einberufungsbefehl bei Ihnen zuhause in Al-Malikya angekommen? P: Ich weiß es nicht genau, wann sie das geschickt haben.
R: Wann haben Sie den Einberufungsbefehl gesehen?
P: Meine Mutter sagte, dass ich einen Einberufungsbefehl bekommen habe, als ich im Dorf war. Ich sagte, dass ich ihn nicht sehen möchte.
R: Sie waren in Damaskus. Sie hören von Ihrem Freund, dass Sie einberufen werden. Dann am 11.01.2016 wird ein Einberufungsbefehl ausgestellt. Im Juni gehen Sie zurück nach Al-Malikya und als Sie dort waren, sagt Ihnen Ihre Mutter, dass ein Einberufungsbefehl gekommen ist. Das heißt zwischen Jänner und Juni hat niemand angerufen und gesagt, dass ein Brief der syrischen Armee gekommen ist?
P: Ja, das stimmt. Meine Familie hat mir das nicht mitgeteilt.
R: Sie haben vorher gesagt, dass es 2016 keine syrische Militärpräsenz in Al-Malikya gab, ist das richtig?
P: Ja, das stimmt.
R: Es ist dieser Einberufungsbefehl in Al-Malikya ausgestellt worden. Wer hat das ausgestellt?
P: Als Erklärung könnte gelten, dass Al-Malikya zu Hasaka gehört.
RV: Ich kann arabisch lesen und möchte mir gerne das Original ansehen:
RV nimmt Einsicht in die AS 115.
RV: Es ist richtig, dass Al-Malikya im Schreiben vorkommt, allerdings lese ich es so, dass z.B. der Abteilungsleiter für Al-Malikya unterschrieben hat und auch der Stempel sagt, Rekrutierungsabteilung für Al-Malikya und nicht in Al-Malikya.
R: Hatten Sie wegen Ihres Einberufungsbefehls zum syrischen Militär bis zur Ausreise aus Al-Malikya Probleme?
P: Ich habe mein Wohngebiet nicht verlassen und bin nicht nach Hasaka gefahren, deswegen hatte ich auch keine Probleme mit dem syrischen Militär.
R: Sie haben auch erzählt, dass Sie von der YPG angesprochen wurden. Was ist da konkret passiert?
P: Es war im Jahr 2017. Es sind vier Personen von der YPG mit einem Auto gekommen. Sie sind zu uns nachhause gekommen. Sie sagten, ich müsste als Kurde patriotisch sein und mich der YPG anschließen und gegen Feinde unseres Volkes kämpfen. Ich sagte, ich habe Kinder und ich möchte nicht kämpfen. Sie sagten, dass ich kämpfen muss und ich keine andere Möglichkeit habe. Sie sind gegangen und ca. 20 Tage später wiedergekommen. Sie waren im Militäranzug und sagten, dass ich mich jetzt anschließen muss und der YPG helfen muss. Ich habe wieder gesagt, dass ich nicht kämpfen kann und möchte. Durch die Kämpfe sind sehr viele Menschen ums Leben gekommen und viele Kinder sind zu Waisenkindern geworden. Ich habe wieder abgelehnt. Sie sind gegangen. Dieses Mal haben sie nicht gesagt, dass sie wiederkommen werden, aber ich wusste, dass sie mich das nächste Mal mit Waffengewalt mitnehmen werden. Deshalb habe ich Syrien verlassen.
R: Wieso haben Sie diese Sorgen, dass die YPG Sie mit Waffengewalt mitnehmen wird, nicht beim BFA erwähnt?
P: Ich habe es schon gesagt, aber ich weiß nicht. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich es gesagt.
R: Sie wurden extra gefragt (AS72): „Hat die PKK auch versucht Sie zu rekrutieren?“. Sie sagten: „Sie waren zwei, dreimal bei mir und wollten mich mitnehmen, aber ich sagte nein.“ Dann sagte der Behördenleiter: „Glauben Sie, dass Sie deswegen als Kurde verfolgt werden?“ Und Sie sagten: „Nein, ich meine die syrischen Behörden.“
P: Es dürfte zu einem Missverständnis gekommen sein. Meine Aussage impliziert auch eine Verfolgung durch die YPG.
R: Wieso wollen Sie nicht für die Kurden kämpfen?
P: Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht in einer kriegerischen Auseinandersetzung. Ich habe große Angst davor zu sterben. Ich bin ein einfacher Mensch, und Krieg und Ähnliches überschreiten meine Kapazitäten.
R: Ist das auch der Grund, warum Sie nicht zum syrischen Militär gehen wollen?
P: Ja.
R: Sie haben auch noch einen Bruder, der in Al-Malikya lebt?
P: Ja.
R: Ist der beim syrischen Militär oder kämpft er für die YPG?
P: Er war beim syrischen Militär, als der Krieg ausgebrochen ist. Er ist dann geflüchtet. Er ist der einzige Mann im Haus. Er kümmert sich um meine Mutter. Meine Mutter lässt nicht zu, dass die YPG ihn mitnimmt, weil er der einzige Mann im Haus ist und sie versorgt. […]“
Das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in Bezug auf eine Wiedereinberufung als Reservist durch die syrische Regierung wirkt konstruiert und wenig glaubhaft. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die beschwerdeführende Partei mehrmals im Verfahren angab, im Jahr 2016 einen Einberufungsbefehl zum syrischen Militär erhalten zu haben, wobei sie der belangten Behörde die Kopie eines als Einberufungsbefehl bezeichneten Schriftstücks (AS 115) sowie dessen Übersetzung (AS 237ff) vorlegte. Jedoch machte die beschwerdeführende Partei im Laufe des Verfahrens bezüglich des Zeitpunkts des Erhalts desselben und die Art der Zustellung widersprüchliche Angaben. Etwa erklärte die beschwerdeführende Partei gleichbleibend, unmittelbar nach ihrer Heirat nach Damaskus gezogen zu sein und behauptete im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde am XXXX .2019 dort von einem Freund von ihrer bevorstehenden Einziehung zur syrischen Armee erfahren zu haben. Dieser habe ihr sodann auch den Einberufungsbefehl gegeben, woraufhin die beschwerdeführende Partei nach Al Malikya gereist sei (AS 69). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wiederum gab die beschwerdeführende Partei konträr hierzu an, sie habe zunächst Damaskus aus Angst vor der bevorstehenden Einberufung verlassen und sei nach Al Malikiya gezogen, wo ihr ihre Mutter mitgeteilt habe, ein Einberufungsbefehl sei dort – in Al Malikiya - eingelangt (siehe oben zitierte Passage des Verhandlungsprotokolls). Allein diese Unstimmigkeit in der chronologischen Einreihung der Ereignisse lässt Zweifel am tatsächlichen Erhalt eines Einberufungsbefehls aufkommen.
Darüber hinaus ist, selbst bei Wahrunterstellung einer Zustellung eines Einberufungsbefehls in Malikya, nicht nachvollziehbar, weshalb die Mutter der beschwerdeführenden Partei diese darüber nicht informiert bzw. gewarnt haben soll, insbesondere deshalb, da die beschwerdeführende Partei gemäß der Übersetzung der Kopie des als Einberufungsbefehl bezeichneten Schriftstücks bereits im Jänner des Jahres 2016 ihren Wehrdienst antreten hätte sollen, sie sich jedoch ihren eigenen Angaben nach noch bis zumindest Juni desselben Jahres in Damaskus aufhielt (siehe oben zitierte Passage des Verhandlungsprotokolls). Dabei fällt auch auf, dass sie problemlos nach Al Malikya reisen konnte, ohne an einem der zahlreichen auf dem Weg zu passierenden Checkpoints der syrischen Regierung aufgrund einer Wehrdienstverweigerung verhaftet zu werden. Die beschwerdeführende Partei war in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020 nicht in der Lage die Inkonsistenzen in ihrem Vorbringen nachvollziehbar aufzulösen.
Weiter ist die erkennende Richterin von der Echtheit bzw. Richtigkeit der vorgelegten Kopie eines als Einberufungsbefehl bezeichneten Schriftstücks vor dem Hintergrund der Länderberichte, die besagen, dass in der syrischen Verwaltung, auch im Militär Korruption allgegenwärtig ist, nicht überzeugt, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich hierbei um ein bloßes Gefälligkeitsschreiben handelt. Überdies geht aus der im Akt befindlichen Übersetzung des vorgelegten Schreibens hervor, dass dieses vom „Rekrutierungsabteilungsleiter in Al Malikya“ (AS 241) ausgestellt wurde. Die beschwerdeführende Partei gab in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2020 jedoch selbst an, die syrische Regierung sei in ihrer Heimatregion militärisch nicht präsent gewesen. Der von der Vertretung der beschwerdeführenden Partei vorgebrachte Einwand, auf dem Schreiben sei „Rekrutierungsabteilungsleiter für Al Malikya“ zu lesen, vermag an diesem Umstand deshalb nichts zu ändern, da nach Übersetzung des Schreibens nicht nur ein Rekrutierungsabteilungsleiter „für“ Al Malikya betroffen gewesen sein soll,