TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/13 W227 1435574-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.01.2021
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Entscheidungsdatum

13.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W227 1435574-2/18E

Schriftliche Ausfertigung des am 23. Oktober 2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde des afghanischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 25. Mai 2018, Zl. 821143710-161565655/BMI-BFA_BGLD_RD, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23. Oktober 2020, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

Hinsichtlich Spruchpunkt VII. wird der Beschwerde stattgegeben und die Dauer des befristeten Einreiseverbotes auf fünf Jahre herabgesetzt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der 23-jährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger sunnitisch-muslimischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, stellte am 27. August 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, er und seine Familie seien aufgrund der Tätigkeit seines Onkels – der bei der Nationalarmee als Offizier gearbeitet habe – von den Taliban bedroht worden. Die Taliban seien bei ihnen zu Hause gewesen und hätten seinen Vater und ihn geschlagen; dabei hätten sie dem Beschwerdeführer seinen Unterarm gebrochen. In Afghanistan habe er seinen Arm nicht behandeln lassen können, deswegen hätten sein Vater und sein Onkel ihn nach Österreich „geschickt“. Er sei hier, um sich seinen Arm behandeln zu lassen.

2. Bei seiner Einvernahme vor dem (damals zuständigen) Bundesasylamt am 29. Jänner 2013 führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, sein Vater habe in der Stadt Jalalabad als Bodyguard und sein Onkel in der Provinz Kandahar als Offizier gearbeitet. Beide seien aufgrund ihrer Tätigkeit bei den Taliban „sehr unbeliebt“ gewesen. Sein Vater sei von den Taliban „ermahnt“ worden, dass er seinen Bruder aus dem Militär „herausnehmen“ solle, was sein Vater jedoch nicht getan habe. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer und seine Familie dann in Folge zu Hause überfallen. Dabei sei der Beschwerdeführer mit einem Gewehrkolben geschlagen worden, wodurch er sich seine rechte Hand gebrochen habe. Nach diesem Vorfall sei er für drei Monate nach Jalalabad geflüchtet; anschließend sei er wieder nach Hause (ins Dorf XXXX ) gekommen. Er habe jedoch nicht mehr ohne Angst außer Haus gehen können; die Taliban hätten ihn immer wieder angesprochen und gefragt, wo sich sein Onkel und sein Vater aufhalten würden. Er habe auch nicht mehr zur Schule gehen können. So habe sein Onkel dann seine Ausreise aus Afghanistan organisiert.

3. Am 13. März 2013 holte das Bundesasylamt eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ein, mit welcher die Angaben des Beschwerdeführers im Wesentlichen verifiziert werden konnten: Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers hätten tatsächlich Probleme mit den Taliban gehabt; aus diesem Grund sei die Familie auch umgezogen und der Beschwerdeführer ausgereist. Der Vater des Beschwerdeführers sei Bodyguard für ein Parlamentsmitglied; der Onkel des Beschwerdeführers arbeite beim afghanischen Militär in Nangarhar. Auch sei es wahrscheinlich, dass seine Familie den Bedrohungen der Taliban schutzlos ausgeliefert sei, weil die afghanische Regierung aufgrund des Mangels an Struktur und Personal nur Beamte in höheren Rängen schütze (wozu der Vater sowie der Onkel des Beschwerdeführers nicht gehören würden).

4. Mit Bescheid vom 22. Mai 2013, Zl. 12 11.437-BAE, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl als auch hinsichtlich der Zuerkennung von subsidiären Schutz ab und wies den Beschwerdeführers nach Afghanistan aus.

5. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19. Dezember 2014, Zl. W118 1435574-1/8E, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG statt und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zu.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus:

Der Beschwerdeführer sei in der Vergangenheit auf Grund der Tätigkeit seines Vaters sowie seines Onkels in den Fokus der Taliban geraten und bei einem Übergriff verletzt worden. Sein Vater sei auch Opfer eines Selbstmordattentates durch einen Taliban geworden. Das Attentat habe im Bezirksamt in XXXX stattgefunden, wo der Vater des Beschwerdeführers gearbeitet habe. Der Bezirksamtsleiter, der das Attentat überlebt habe, habe danach den Vater des Beschwerdeführers beschuldigt, an diesem Attentat mitgewirkt zu haben, indem dieser (angeblich) dem Attentäter Zugang zur Bezirksamtsleitung verschafft habe.

Der Beschwerdeführer laufe demnach zum einen Gefahr, weiteren Übergriffen durch die Taliban ausgesetzt zu sein, zum anderen könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer als ältester Sohn Vergeltungsmaßnahmen des Bezirksamtsleiters ausgesetzt sein könnte. Der Beschwerdeführer sei in der Vergangenheit einerseits persönlich attackiert worden, andererseits sei die Familie des Beschwerdeführers als „Faustpfand“ missbraucht worden, um den Onkel des Beschwerdeführers dazu zu bewegen, seine Tätigkeit für die afghanische Armee aufzugeben. Es liege daher eine asylrelevante Verfolgungsgefahr vor. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem Beschwerdeführer nicht offen; der Beschwerdeführer sei noch minderjährig, verfüge über keine finanziellen Mittel, keine berufliche Erfahrung und über kein familiäres Netzwerk, das es ihm ermöglichen würde, sich in einem anderen Teil Afghanistans niederzulassen. Der aktuelle Aufenthalt der Familie des Beschwerdeführers sei nicht bekannt.

6. Mit Strafurteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 22. September 2016, rechtskräftig seit 22. September 2016, wurde der Beschwerdeführer wegen des zweifachen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter und sechster Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 siebenter Fall SMG sowie des mehrfachen Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

7. Mit Aktenvermerk von 21. November 2016 leitete das BFA ein Aberkennungsverfahren ein.

8. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 19. Oktober 2017 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, seine Familie wäre nach dem Tod seines Vaters nach Jalalabad gezogen. Auch sein Onkel vs. (welcher als Offizier für die Nationalarmee gearbeitet habe) sei mittlerweile verstorben. Dieser sei von einem Dorfbewohner in der Nähe von XXXX erschossen worden. Die Polizei hätte die Täter gefunden und die Täter hätten gesagt, dass sie „alles wieder gut machen würden“, nämlich, dass „alle Jungen in der Familie Mädchen zum Heiraten bekommen sollen“. Es gebe Gerüchte, dass diese Personen auch für den Tod seines Vaters verantwortlich gewesen seien. Der Beschwerdeführer gab zudem an, er werde freiwillig nach Afghanistan zurückkehren, wenn „alles gut sei“. Er sei der Älteste in der Familie und trage demnach die Verantwortung für die ganze Familie. Er führte zudem aus, dass es in Jalalabad „sicher sei“, weswegen auch seine Familie dort wohnen könne.

9. Mit dem (hier) angefochtenen Bescheid erkannte das BFA dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG ab (Spruchpunkt.), erkannte ihm nicht den Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG zu (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) i.V.m. § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz (FPG) (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.), gewährte ihm gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für eine freiwillige Ausreise von 14 Tagen (Spruchpunkt VI.) und erließ gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht mehr vorlägen, weil ein Endigungsgrund vorliege. Dem Beschwerdeführer sei aufgrund des Umstandes, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes keine innerstaatliche Fluchtalternative vorgelegen habe und der Beschwerdeführer noch minderjährig gewesen sei, der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden. Aufgrund geänderter Umstände im Herkunftsland sowie geänderter persönlicher Umstände – der Beschwerdeführer sei nunmehr volljährig – erscheine es dem Beschwerdeführer nunmehr zumutbar, sein Leben in Afghanistan zu führen.

10. Am 23. Oktober fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher am Ende das vorliegende Erkenntnis mündlich verkündet wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zum Beschwerdeführer

Der 23-jährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er wuchs im Dorf XXXX , Provinz Nangarhar, auf, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Seine Muttersprache ist Paschtu. Er besuchte in Afghanistan zwei Jahre lang die Schule und arbeitete in der elterlichen Landwirtschaft.

Er verließ (als 14-jähriger) im Jahr 2010 Afghanistan und lebte danach ungefähr zwei Jahre in Griechenland, wo er im Obst- und Gemüsehandel arbeitete. Im Jahr 2012 verließ er Griechenland und reiste ohne gültige Reisepapiere nach Österreich ein, wo er am 27. August 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Mit Strafurteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 22. September 2016, rechtskräftig seit 22. September 2016, wurde der Beschwerdeführer wegen des zweifachen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter Fall SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter und sechster Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 siebenter Fall SMG sowie des mehrfachen Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig; er leidet an keiner hinsichtlich COVID-19 relevanten Vorerkrankung. Er wurde in Afghanistan im Zuge eines Übergriffes durch die Taliban am rechten Unterarm verletzt. Aufgrund der Verletzung wurde er in Österreich am rechten Unterarm erfolgreich operiert (Patientenbriefe des Orthopädischen Spitals Wien Speising von 2014, AS 569 – 577); die Behandlung ist mittlerweile abgeschlossen und der Beschwerdeführer hat diesbezüglich keine Beschwerden mehr (BFA, Einvernahme vom 19. Oktober 2017, S. 7; siehe auch BVwG, Verhandlungsschrift vom 23. Oktober 2020, S. 8).

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Mai 2015 nicht mehr in Grundversorgung (GVS-Auszug vom 16. September 2020) und verfügt über gute Deutschkenntnisse. Weiters spricht er Farsi, Urdu und Griechisch auf B1-Niveau. Er besuchte von Juli 2017 bis November 2017 einen Berufsvorbereitungskurs für lehrstellensuchende Jugendliche und arbeitete von November 2017 bis Mai 2020 in einem Gasthaus als Küchengehilfe bzw. Pizzakoch. Das Gasthaus musste im Mai 2020 aufgrund der COVID-19 Pandemie schließen.

Er führt seit sieben Jahren eine Beziehung mit einer tschechischen Staatsangehörigen namens XXXX , mit der er auch zusammenwohnt (Auskunft aus dem Zentralen Melderegister vom 16. September 2020).

Der Beschwerdeführer verfügt nach wie vor über Familienangehörige in Afghanistan, mit denen er regelmäßig in Kontakt ist. Seine Mutter, vier seiner Schwestern und sieben seiner Brüder leben in der Stadt Jalalabad. Eine andere Schwester ist verheiratet und lebt mit ihrer (neuen) Familie wieder im Heimatdorf XXXX . Weitere Familienangehörige befinden sich in Kabul. Sein Bruder XXXX nahm den Beruf eines Soldaten bei der afghanischen Nationalarmee an und befindet sich aufgrund einer Beinverletzung derzeit im Krankenstand.

Der Onkel des Beschwerdeführers namens XXXX arbeitete als Offizier bei der afghanischen Nationalarmee; der Vater des Beschwerdeführers arbeitete als Bodyguard für ein Parlamentsmitglied. Beide sind mittlerweile verstorben. Der Vater des Beschwerdeführers kam bei einem Selbstmordattentat im Bezirk XXXX ums Leben. Sein Onkel XXXX wurde von einem weitschichtigen Verwandten getötet.

Für den Beschwerdeführer besteht bei einer nunmehrigen Rückkehr nach Afghanistan – zumindest in den Städten Jalalabad und Mazar-e Sharif – keine Verfolgungsgefahr. Insbesondere besteht für ihn keine Gefahr aufgrund der (früheren) Tätigkeiten seines Vaters bzw. Onkels, Übergriffen durch die Taliban ausgesetzt zu sein.

1.2. Zur hier relevanten Situation in Afghanistan

Für die Länderfeststellungen wurden nachstehende Quellen herangezogen:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13. November 2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 21. Juli 2020, (LIB)

-        UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 (UNHCR)

-        EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO)

1.2.1. Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).

1.2.2. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, S. 277).

1.2.3. Religionen

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB, S. 267 ff).

1.2.4. Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).

In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses Systemfunktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).

Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von „Teehäusern“, die mit 30 Afghani (das sind ca. € 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. € 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. „Teehäuser“ werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V). Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Kapitel 4.2.).

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

1.2.5. Zur Lage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers (Provinz Nangarhar)

Nangarhar liegt im Osten Afghanistans. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen, gefolgt von Pashai, Arabern und Tadschiken. Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaft leben in der Provinz Nangarhar. Die Provinz hat 1.668.481 Einwohner (LIB, Kapitel 3.22).

Nangarhar ist eine volatile Provinz, in der die Taliban und der ISKP aktiv sind. Diese kontrollieren manche Gebiete der Provinz. Durch staatliche Sicherheitskräfte werden Luft- und Bodenoperationen durchgeführt, bei denen Talibanaufständische und ISKP-Mitglieder getötet wurden. Immer wieder kommt es auch zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Mitgliedern der Taliban und des ISKP. Im Jahr 2018 gab es 1.815 zivile Opfer. Dies entspricht einer Steigerung von 111% gegenüber 2017. Die Hauptursachen dafür waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von IEDs und Bodengefechten. Die Zahl der zivilen Opfer durch IEDs vervierfachte sich (LIB, Kapitel 3.22).

Die Provinz Nangarhar – mit Ausnahme der Stadt Jalalabad – zählt zu jenen Provinzen, wo willkürliche Gewalt ein derart hohes Ausmaß erreicht, dass erhebliche Gründe für die Annahme sprechen, dass ein in diese Provinz zurückgekehrter Zivilist allein aufgrund seiner Anwesenheit auf dem Gebiet dieser Provinz einer realen Gefahr ausgesetzt wäre, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

Die Hauptstadt von Nangarhar ist Jalalabad. Diese Stadt zählt zu jenen Landesteilen Afghanistans, in denen eine „bloße Präsenz“ in dem Gebiet nicht ausreicht, um ein reales Risiko für ernsthafte Schäden gemäß Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie festzustellen. Es wird dort jedoch ein hohes Maß an willkürlicher Gewalt erreicht, und dementsprechend ist ein geringeres Maß an individuellen Risikofaktoren erforderlich, um die Annahme zu begründen, dass ein Zivilist, der dieses Gebiet zurückgekehrt ist, einem realen Risiko eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie ausgesetzt ist (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

1.2.6. Zur Lage in der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).

Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).

Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 „minimal“ (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 „stressed“ eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1).

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 – teils öffentliche, teils private – Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).

1.2.7. Situation für Rückkehrer

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke – der Familie, der Freunde und der Bekannten – ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).

Die „Reception Assistance“ umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).

1.2.8. Situation betreffend COVID-19

Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet. 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar. Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte. Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden.

Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (LIB, S. 7 – 15).

Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen. Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert.

Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet.

Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren. Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen.

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden.

Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken.

Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (LIB, S. 7 – 15).

Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans

Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt.

Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet.

In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (LIB, S. 7 – 15).

Wirtschaftliche Lage in Afghanistan

Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird. Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen. Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind. Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete.

Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (LIB, S. 7 – 15).

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die im Rahmen der Feststellungen jeweils in Klammer angeführten Beweismittel und im Übrigen auf nachstehende Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers beruhen auf seinen insofern glaubwürdigen Angaben sowie den von ihm vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zu seiner Freundin sowie zum Aufenthalt seiner Familienangehörigen beruhen ebenfalls auf seinen Angaben.

Die Feststellungen zur Straffälligkeit des Beschwerdeführers basieren auf dem im Verwaltungsakt einliegenden Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 22. September 2016 und der am 21. Oktober 2020 eingeholten Auskunft aus dem Strafregister.

Die Feststellungen zum Tod des Vaters und des Onkels des Beschwerdeführers beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie vor dem BFA.

Dass dem Beschwerdeführer bei einer nunmehrigen Rückkehr nach Afghanistan – jedenfalls in den Städten Jalalabad und Mazar-e Sharif – (insbesondere aufgrund der [früheren] Tätigkeiten seines mittlerweile verstorbenen Vaters bzw. Onkels) keine Verfolgungsgefahr mehr droht, ergibt sich zunächst daraus, dass der Beschwerdeführer von einer solchen Gefahr sogar selbst nicht einmal mehr ausgeht: Befragt – in der mündlichen Verhandlung –, was er bei einer nunmehrigen Rückkehr nach Afghanistan befürchte, gab er (bloß) an, sich an das Leben in Europa gewöhnt zu haben und sich nicht mehr vorstellen zu können, in Afghanistan zu leben; insbesondere könne er sich nicht vorstellen, dass er dort Arbeit finden würde (BVwG, VHS vom 23. Oktober 2020, S. 8). Die Befürchtung einer allfälligen – nach wie vor bestehenden – Verfolgungsgefahr (insbesondere seitens der Taliban) äußerte er demnach nicht. Zudem gab er bereits vor dem BFA an, dass seine Familie, die mittlerweile nach Jalalabad gezogen sei, dort „sicher“ sei (BFA, Niederschrift vom 17. Oktober 2017, S. 11). Es ist somit kein Grund ersichtlich, wieso dies nicht auch für den Beschwerdeführer gelten sollte, zumal dieser in der mündlichen Verhandlung ausführte, dass sich die Angriffe seitens der Taliban in der Vergangenheit nicht „direkt“ gegen seine Familie gerichtet hätten, sondern im Zusammenhang mit der Tätigkeit seines Vaters und Onkels gestanden wären (BVwG, VHS vom 23. Oktober 2020, S. 6 f). Da der Vater und Onkel des Beschwerdeführers nunmehr verstorben sind, ist von keiner weiterbestehenden Verfolgungsgefahr mehr auszugehen. Gegenteiliges brachte der Beschwerdeführer auch nicht vor; vielmehr gab er an, dass eine „Jirga“ mittlerweile eine Aussöhnung zwischen der Person, die für den Tod seines Onkels verantwortlich sei, und seiner Familie herbeigeführt habe (vgl. BVwG, VHS vom 23. Oktober 2020, S. 7).

Auch von einer Verfolgungsgefahr seitens des Bezirksamtsleiters des Bezirkes XXXX war nicht auszugehen, zumal der Beschwerdeführer – im Zuge seine Befragung vor dem Bundesverwaltungsgericht – eine solche Gefahr zu keinem Zeitpunkt behauptete. Auch von Amts wegen kamen keine diesbezüglichen Hinweise hervor.

2.2. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan beruhen auf den genannten (im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeführten) Quellen, die schon das BFA (zum Teil) seinem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen auch die Parteien nicht entgegentraten, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A)

3.1.1. Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten abzuerkennen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt C Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) angeführten Endigungsgründe eingetreten ist. Nach Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK liegt ein Endigungsgrund unter anderem dann vor, wenn die Umstände aufgrund derer dem Fremden Asyl zuerkannt worden ist nicht mehr bestehen und der Fremde es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen.

Eine wesentliche Änderung der Umstände kann sowohl aufgrund von (objektiven) Veränderungen im Heimatstaat des Asylberechtigten als auch aufgrund von (bloß) in der Person des Asylberechtigten gelegenen Umständen vorliegen, sofern sich diese Umstände derart erheblich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass für den Asylberechtigten in seinem Heimatstaat keine Verfolgungsgefahr mehr besteht (vgl. zum Ganzen VwGH 29.06.2020, Ro 2019/01/0014; siehe auch VwGH 27.08.2020, Ro 2020/14/0014).

Voraussetzung ist allerdings, dass die Schutzbedürftigkeit nicht mehr gegeben ist. Ist zwar die ursprüngliche asylrelevante Verfolgungsgefahr weggefallen, ist jedoch zwischenzeitlich eine andere Gefahr im Sinne der GFK entstanden, so ist eine Aberkennung nicht möglich (RV 1803 XXIX. GP [Abs. 3]).

3.1.1.2. Das Bundesverwaltungsgericht begründete mit Erkenntnis vom 19. Dezember 2014 die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der Tätigkeit seines Onkels sowie seines Vaters weiteren Übergriffen seitens der Taliban oder seitens des damaligen Bezirksamtsleiters des Bezirkes XXXX ausgesetzt sein könnte, weshalb im Ergebnis – insbesondere aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur sozialen Gruppe der Familie – ein Asylgrund gegeben sei.

Wie festgestellt, sind sowohl der Vater als auch der Onkel des Beschwerdeführers nunmehr verstorben und es besteht – wie zuvor in der Beweiswürdigung ausführlich begründet – bei einer allfälligen Rückkehr für den Beschwerdeführer weder seitens der Taliban noch seitens des Bezirksamtsleiter des Bezirkes XXXX eine Verfolgungsgefahr. Die Umstände, aufgrund derer dem Beschwerdeführer Asyl zuerkannt wurde, liegen somit nicht mehr vor. Auch brachte der Beschwerdeführer keine neuen Asylgründe vor. Weiters kamen auch von Amts wegen keine diesbezüglichen Hinweise hervor. Die Aberkennung des Asylstatus nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG erfolgte somit zu Recht.

3.1.2. Zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

3.1.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG ist einem Fremden (unter anderem) bei Aberkennung des Status des Asylberechtigten der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK setzt eine Einzelfall-prüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/20/0361, m.w.N.). Dabei ist auf tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, wenn für ihn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht. Eine innerstaatliche Fluchtalternative liegt dann vor, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates sowohl die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht vorliegen. Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Es muss dem Asylwerber möglich sein im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 und auf VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).

Bei der vorliegenden Beurteilung sind auch Richtlinien bzw. Berichte des UNHCR von Bedeutung, denen nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Indizwirkung zukommt (vgl. etwa VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182, m.w.N.).

In seinen Richtlinien „zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asyl-suchender“ vom 19. April 2016 geht UNHCR davon aus, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die betroffene Person im Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe hat und davon ausgegangen wer-den kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Betroffenen auch tatsächlich zu unterstützen. Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar; diese Personen können „unter bestimmten Umständen“ ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen (siehe auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).

3.1.2.2. Beim Beschwerdeführer sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht erfüllt:

Die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers – Nangarhar – ist eine volatile Provinz Afghanistans, weshalb ihm eine dortige Rückkehr – insbesondere in sein Heimatdorf XXXX – grundsätzlich nicht zugemutet werden kann.

Davon ausgenommen ist jedoch die Stadt Jalalabad (die Hauptstadt der Provinz), in der die Sicherheitslage besser als in den übrigen Teilen der Provinz ist. Da fast die gesamte Familie des Beschwerdeführers (seine Mutter, sieben seiner Brüder sowie vier seiner Schwestern) in Jalalabad wohnt, würde der Beschwerdeführer dort über ein ausgeprägtes familiäres Unterstützungsnetzwerk verfügen. Weiters spricht der Beschwerdeführer Paschtu – eine der Amtssprachen Afghanistans –, besuchte in Afghanistan zwei Jahre lang die Schule und sammelte vor seiner Ausreise Arbeitserfahrung in der (damaligen) elterlichen Landwirtschaft. Mittlerweile ist der Beschwerdeführer auch volljährig und konnte seine Arbeitsfähigkeit durch seine mehrjährige Tätigkeit als Küchengehilfe bzw. Koch in Österreich unter Beweis stellen. Von einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit aufgrund seiner Armverletzung ist nicht auszugehen, zumal der Beschwerdeführer selbst angibt, keine diesbezüglichen Beschwerden mehr zu haben. Festzuhalten ist zudem, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könnte.

Alternativ wäre es dem Beschwerdeführer auch möglich, sich in der Stadt Mazar-e Sharif niederzulassen, welche für Normalbürger vergleichsweise sicher ist. Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein. Mazar-e Sharif ist durch einen Flughafen über den Luftweg sicher erreichbar. Hinsichtlich der Versorgungslage in Mazar-e Sharif ist festzuhalten, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, zwar häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, die Versorgung der Bevölkerung jedoch zumindest grundlegend gesichert ist.

Betreffend COVID-19 ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer keiner gesundheitlichen Risikogruppe angehört. Betreffend die Versorgungslage in Mazar-e Sharif ist festzuhalten, dass sich diese zwar aufgrund der Pandemie verschlechtert hat, jedoch nicht in einem solchen Ausmaß, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nunmehr eine lebens- bzw. existenzbedrohende Situation drohen würde. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass die Lebensmittelpreise gestiegen sind, die Bewohner einiger Distrikte in der Provinz Balkh (dessen Hauptstadt Mazar-e Sharif ist) mit Wasserknappheit sowie mit Schwierigkeiten betreffend den Zugang zu ausreichender Nahrung zu kämpfen hatten. Aus den Länderberichten ist jedoch ebenfalls zu entnehmen, dass die afghanische Regierung angekündigt hat, ein „Dastarkhan-e-Milli“ Programm zu starten, mit dem sie Haushalte, die sich in wirtschaftlicher Not befinden, unterstützen möchte. Sie plant in einer ersten Phase 86 Millionen Dollar und in einer zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitzustellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmittel zu versorgen. Weiters genehmigte die Weltbank im Juli 2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten. Aufgrund dieser Umstände ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass sich aufgrund der Pandemie die Versorgungslage in der Provinz Balkh – und somit auch in der Stadt Mazar-e Sharif – derart verschlechtert hat, dass eine die Schwelle des Art. 3 EMRK erreichende Situation vorliegt. Folglich droht dem Beschwerdeführer aufgrund der COVID-19 Pandemie in Mazar-e Sharif kein „real risk“ i.S.d. Art. 3 EMRK (siehe auch VwGH 01.10.2020, Ra 2020/19/0196; VfGH 06.10.2020, E 2406/2020).

Dem Beschwerdeführer ist somit eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz – zumindest in dessen Hauptstadt Jalalabad zumutbar. Alternativ besteht für ihn auch eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) in der Stadt Mazar-e Sharif. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz liegen demnach nicht vor.

3.1.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

3.1.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 4 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Unter den in § 57 Abs. 1 AsylG genannten Voraussetzungen ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß

§ 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze [§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG)] erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Ein-griff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG is

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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