Entscheidungsdatum
15.01.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W215 2145337-1/41E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.12.2016, Zahl 1072202401-150621466, nach Durchführung von zwei mündlichen Verhandlungen zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird stattgegeben und gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wird XXXX der Status des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bundesrepublik Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht feststeht, ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Somalia, gelangte zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet und stellte am 06.06.2015 einen Antrag auf internationalem Schutz.
Der Beschwerdeführer gab anlässlich seiner Erstbefragung am 07.06.2015 an, dass er Angst vor al-Schabaab habe. Al-Schabaab hätte den Beschwerdeführer beschuldigt für die Regierung zu arbeiten und ihn deshalb zum Tod verurteilt. Aus Angst um sein Leben sei der Beschwerdeführer geflohen.
In der niederschriftlichen Befragung am 05.12.2016 wiederholte des Beschwerdeführer dieses Vorbringen, wobei er die Vorfälle, die zu seiner Ausreise führten, ausführlich darlegte.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.12.2016, Zahl 1072202401-150621466, wurde der Antrag in Spruchpunkt I. hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. In Spruchpunkt II. wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm
§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß
§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebungen des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist. In Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 03.01.2017, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 17.01.2017 die gegenständliche Beschwerde, zitierte darin seitenweise gesetzliche Bestimmungen und aus Länderberichten aus dem Jahr 2016, wiederholte auszugsweise das Vorbringen im Asylverfahren und beantragte den Bescheid zur Gänze zu beheben und gemäß § 3 AsylG Asyl zu gewähren; in eventu für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG festzugstellen, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiären Schutzberechtigen in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zukommt; in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen (§ 66 Abs. 2 AVG;
§ 28 Abs. 3 und 4 VwGVG) sowie festzustellen, dass die gemäß § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG vorliegen und dem Beschwerdeführer daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen ist sowie eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG durchzuführen.
2. Die Beschwerdevorlage vom 18.01.2017 langte am 20.01.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.
Nachdem der Beschwerdeführer dem Beschwerdeverfahren entzogen hatte und unbekannten Aufenthaltes war, musst das Beschwerdeverfahren mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.12.2017, Zahl 2145337-1/6E, eingestellt werden.
Erst nachdem ein Antrag des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht auf Fortsetzung des Verfahren einlangte, konnte das Beschwerdeverfahren mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2018, Zahl 2145337-1/12Z, fortgesetzt werden.
Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 13.09.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen der Beschwerdeführer, sein Rechtsberater und zugleich bevollmächtigter Vertreter sowie ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan; die Parteien verzichteten auf Ausfolgung und auf die Einräumung einer Frist zur Abgabe von Stellungnahmen.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.09.2019, Zahl W215 2145337-1/17E, wurde der Beschwerde stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß
§ 3 Abs. 5 AsylG wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt und eine Revision für nicht zulässig erklärt.
Nach einer Amtsrevision wurde dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.04.2020, Ra 2019/14/0505-8, aufgehoben.
Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 18.12.2020 eine weitere öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt Es erschienen der Beschwerdeführer, sein Rechtsberater und zugleich bevollmächtigter Vertreter sowie ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan; die Parteien verzichteten auf Ausfolgung. Das Verfahren wurde zwecks Abgabe von Stellungnahmen, binnen einer Frist von zwei Wochen, nicht geschlossen.
Am 04.01.2021 langte eine schriftliche Stellungnahme samt Urkundenvorlage des Beschwerdeführers im Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
a) Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Er ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Somalia, gehört dem Clan der Abgal an, stammt aus XXXX (ca. 15 km südlich von XXXX ), in der Region XXXX und ist moslemischen (sunnitischen) Glaubens.
b) Zum bisherigen Verfahrensverlauf:
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 06.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.12.2016, Zahl 1072202401-150621466, wurde der Antrag in Spruchpunkt I. hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß
§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. In Spruchpunkt II. wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebungen des Beschwerdeführers gemäß
§ 46 FPG nach Somalia zulässig ist. In Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß
§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 13.09.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt und danach mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.09.2019, Zahl
W215 2145337-1/17E, der Beschwerde stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß
§ 3 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt und eine Revision für nicht zulässig erklärt.
Nach einer Amtsrevision wurde dieses Erkenntnis mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.04.2020, Ra 2019/14/0505-8, aufgehoben und begründend unter anderem auszugsweise ausgeführt: „…Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist demnach gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
12 Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit (VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118, mwN).
13 Hinsichtlich des bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative anzuwendenden Maßstabs sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und die persönlichen Umstände des Asylwerbers zu berücksichtigen. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (VwGH 27.6.2018, Ra 2018/18/0269, mwN).
14 Das BVwG geht offenbar davon aus, dass dem Mitbeteiligten eine asylrelevante Verfolgung durch Al Shabaab droht. Schon aus den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses ergibt sich jedoch, dass die Al-Shabaab-Miliz lediglich Teile des Herkunftsstaates Somalia kontrolliert, während Teile relevanter Größe - insbesondere Puntland und „Somaliland“ - offenbar nicht (mehr) unter deren Kontrolle stehen. Inwieweit dem Mitbeteiligten daher auch diesen Gebieten eine Gefährdung bzw. asylrelevante Verfolgung drohe, ist anhand der Begründung des BVwG nicht erkennbar. Feststellungen, ob diese Gebiete für den Mitbeteiligten allenfalls (nicht) sicher und legal erreichbar sind, wurden nicht getroffen.
15 Der Beurteilung des BVwG, im Fall des Mitbeteiligten könne keine innerstaatliche Fluchtalternative im Herkunftsstaat ermittelt werden, kann daher anhand der getroffenen Feststellungen nicht nachvollzogen werden.
16 Darüber hinaus ist der festgestellte Sachverhalt auch für die Beurteilung der Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nach
§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen, unvollständig.
17 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0094, mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Mitbeteiligte bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Mitbeteiligte im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. - im vorliegenden Fall - des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (VwGH 27.6.2019, Ra 2018/14/0274, mwN).
18 Den dazu getroffenen - oben wiedergegebenen - bloß kursorischen Feststellungen des BVwG kann weder entnommen werden, aus welchen Gründen im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK der Mitbeteiligte verfolgt wurde, noch ob ihm auch aktuell bzw. in Zukunft eine Verfolgung droht…“
Für den 18.12.2020 wurde eine weitere öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Mit Schreiben vom 04.01.2021 wurden eine Stellungnahme sowie Unterlagen vom Beschwerdeführer vorgelegt.
c) Zu den Asylgründen des Beschwerdeführers:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von al-Schabaab zum Tode verurteilt wurde, ihm der Hals durchgeschnitten werde sollte und er aus Angst um sein Leben nach Österreich reiste. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat jemals wegen seiner Clanzugehörigkeit Probleme hatte, oder im Fall seiner Rückkehr haben wird.
d) Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer war von XXXX wegen XXXX in ärztlicher Behandlung, wurde in diesem Zeitraum einmal in einer XXXX Abteilung eines Krankenhauses behandelt und nimmt aktuell das dort verordnete Medikament XXXX welches für ihn beschwerdelindernd ist.
e) Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Allgemein
In der Bundesrepublik Somalia lebten im Juli 2020 schätzungsweise mehr als 11,75 Millionen Menschen leben (CIA Factbook 09.09.2020).
Die Bundesrepublik Somalia ist eine parlamentarische Demokratie mit starker Stellung des Präsidenten Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmajo“ (AA Steckbrief Stand 30.09.2019, abgefragt am 09.09.2020).
Premierminister Hassan Ali Khaire wurde am 25.07.2020 vom Parlament durch ein Misstrauensvotum abgesetzt. Er war seit Februar 2017 im Amt. Der stellvertretende Premierminister wird vorübergehend als Premierminister fungieren, bis ein Nachfolger ernannt wird. Hintergrund des Misstrauensvotums soll ein Streit zwischen Präsident Farmajo und Khaire darüber sein, wann die im Februar 2021 anstehenden nationalen Wahlen abgehalten werden sollen (BAMF 27.07.2020).
Am 15.04.2020 gaben die Sprecher beider Parlamentskammern ihre Entscheidung bekannt, den Beginn der nächsten Parlamentssitzung, die ursprünglich für den 10.04.2020 anberaumt war, aufgrund der COVID-19-Pandemie und gemäß den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums zu verschieben, bis alternative virtuelle Vorkehrungen getroffen werden (UNSC 13.05.2020).
Somalia ist ein Staat im Osten Afrikas, am Horn von Afrika. Nach dem Sturz des autoritären Regimes Siad Barres 1991 war das Land gekennzeichnet von Staatszerfall, Bürgerkrieg, Clanrivalitäten und islamistischem Terror. Im Nordwesten Somalias beansprucht das relativ stabile Somaliland seit 1991 internationale Anerkennung als eigenständiger Staat. Die Region Puntland besitzt weitgehende Autonomie, strebt aber keine Unabhängigkeit an und hat den Status eines föderalen Gliedstaats, wie auch die anderen Bundesstaaten Jubbaland, Südwest, Galmudug und Hirshabelle. Mit der Übergangsverfassung von 2012 schreitet der Staatsaufbau voran, Somalia gilt nunmehr als fragiler Staat. 2017 wurde Mohamed Abdullahi Mohamed zum Präsidenten gewählt. Seine Regierung verfolgt eine ehrgeizige Reformagenda in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Sicherheit Offizielles Ziel der Regierung sind allgemeine Wahlen 2020 (AA politisches Porträt Stand 30.09.2019, abgefragt am 09.09.2020).
Im Hinblick auf beinahe alle in diesem Bericht zu beleuchtenden Tatsachen ist Somalia faktisch zweigeteilt:
a) Somalia
In den föderalen Gliedstaaten Süd- und Zentralsomalias herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der vom VN-Sicherheitsrat mandatierten Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Weite Gebiete stehen unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der moderaten Ahlu Sunna Wal Jama’a in Galmudug, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu. Der Gliedstaat Puntland im Norden des Landes, direkt an der Spitze des Horn von Afrika, hat sich bereits 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Puntland strebt nicht nach Unabhängigkeit von Somalia, erkennt die somalische Bundesregierung an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sogenannten „Islamischen Staats“. Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle, wenngleich sie weiterhin präsent sind. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden zu Galmudug sowie im Nordwesten zu Somaliland nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln, in den Regionen Sool und Sanaag auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.
b) Somaliland
Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wurde durch die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Al-Schabaab kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten, hier kam es vor allem im Jahr 2018 zu zum Teil heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen somaliländischen und somalischen (puntländischen) Truppen. Die Lage bleibt weiterhin angespannt.
Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen in Somalia sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden (AA 02.04.2020).
Seit dem Ende der Übergangsperiode und dem Beginn des New Deal Prozesses 2013 wurde wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet. 2016 und 2017 konnten mit der Gründung der Gliedstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus erreicht werden. In den anderen Bereichen ist die Situation nach wie vor mangelhaft. Insbesondere das Verhalten der Sicherheitskräfte, Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 02.04.2020).
ad a) Somalia
Seit Jahrzehnten haben keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder nationaler Ebene stattgefunden. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen, insbesondere Clanstrukturen, in Selektionsprozessen vergeben. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI, Behinderte sowie auch Binnenflüchtlinge sehen sich somit nicht oder nicht hinreichend vertreten. Im November und Dezember 2016 wurde von über 14.000, von Clanältesten bestimmten Wahlmännern ein 275-köpfiges Parlament gewählt. Wenngleich dieser Prozess einen bemerkenswerten demokratischen Fortschritt darstellte, war er von erheblichen Korruptions- und Manipulationsvorwürfen überschattet. Die Präsidentschaftswahl fand am 08.02.2017 statt, als Gewinner ging der frühere Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmajo“ hervor. Für Ende 2020/Anfang 2021 sind erstmals allgemeine Parlamentswahlen in den Gebieten vorgesehen, in denen die Sicherheitslage solche Wahlen erlaubt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch nicht abzusehen, ob es tatsächlich dazu kommen oder ob stattdessen erneut ein clanbasierter Selektionsprozess wie 2016 stattfinden wird (AA 02.04.2020).
(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Somalia, last update 17.08.2020, abgefragt am 09.09.2020, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/so.html
AA, Auswärtiges Amt, Somalia, politisches Porträt, Stand 30.09.2019, abgefragt am 09.09.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162
AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2020, 02.04.2020
AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Steckbrief, Stand 30.09.2019, abgefragt am 09.09.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somalia/203130
UNSC, UN Security Council, Bericht des UNO-Generalsekretärs, Bericht zur Lage in Somalia, S/2020/398, 13.05.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2030188/S_2020_398_E.pdf
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 27.07.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2034697/briefingnotes-kw31-2020.pdf)
Parteiensystem
ad a) Somalia
Es gibt keine Parteien im westlichen Sinn. Die politischen Loyalitäten bestimmen sich in erster Linie durch die Clanzugehörigkeit oder religiöse Bindung an informelle Gruppierungen. Im September 2016 verabschiedete der Präsident ein Parteiengesetz, das die Grundlage für eine Parteienbildung werden soll. Trotz vorgesehener Mechanismen, die eine breite geografische Repräsentanz in den Parteien sicherstellen sollen, manifestiert sich das Clansystem auch in den neuen Parteien. Dutzende Parteien haben sich provisorisch registriert, weisen jedoch mehrheitlich keine erkennbaren inhaltlich-programmatischen Konzepte auf. Das nächste Parlament soll Ende 2020 erstmals in einer allgemeinen und freien Wahl – dort, wo die Sicherheitslage dies erlaubt – bestimmt werden. Ob eine solche Wahl tatsächlich und im vorgegeben Zeitrahmen stattfinden wird, ist aktuell noch nicht abzusehen. Dies gilt auch für die Frage, ob sich diese Wahlen erstmals an der Parteizugehörigkeit der Kandidaten orientieren werden (AA 02.04.2020).
Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihrer Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).
(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2020, 02.04.2020
AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162)
Abgal/Abgaal
Die Abgaal, die zu Hawiye gehören, bilden einen der dominantesten und stärksten Clans in der Bundesrepublik Somalia (ARC 25.01.2018).
Die Hawiye leben hauptsächlich in Süd- und Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind die Habr Gedir und die Abgaal, die beide in und um Mogadischu großen Einfluss haben (U.K. Jänner 2019).
In Somalia gilt ferner das System von „hosts and guests“. Demnach sind Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als „Gäste“, die mit den dominanten Hawiye/Abgaal eine Vereinbarung treffen müssen (EJPD 31.05.2017).
Die Abgaal, die ebenfalls den Hawiye angehören, stellen einen der dominantesten und stärksten Clans dar. Bei den Hawiye stellen Habar Gedir und Abgaal die wichtigsten Untergruppen dar. Die Hawiye findet man in Süd- und Zentralsomalia, und insbesondere die Habar Gedir und Abgaal-Gruppen dominieren in Mogadischu. In den anderen Regionen sind die Hawiye weniger präsent, und generell begnügen sie sich mit der Kontrolle über Süd- und Zentralsomalia. „Mukulal Madow“ bezeichnet die Knüpfung von Heiratsbeziehungen zwischen Rer Hamar-Haushalten (und anderen Benadiri-Gruppen) und den mächtigen „noblen“ Clans (insbesondere den Hawiye-Gruppen Abgaal und Habr Gedir). Daher stehen Rer Hamar-Haushalte, die ihre Tochter bzw. Töchter an mächtige Clans verheiratet haben, bis zu einem gewissen Grad unter dem den Schutz dieser Clans (Accord 15.05.2009).
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass binnenvertriebene Älteste, die dem Rahanweyn-Clan angehören würden, angegeben hätten, dass der Polizeichef und seine Unterstützer den Clan im Binnenvertriebenenlager Badbaado diskriminieren würden. Der Polizeichef und seine Unterstützer würden dem Da’oud-Clan, einem Unterclan der Abgaal, angehören. Binnenvertriebene seien laut eigenen Angaben verhaftet und ihnen seien Nahrungsmittel verweigert worden (Accord 20.04.2015).
In einem im Rahmen des Projekts Conflict Early Warning and Response Mechanism (CEWARN) im September 2013 veröffentlichten Bericht der Intergovernmental Authority on Development (IGAD), einer regionalen Organisation von Staaten (Dschibuti, Eritrea, Äthiopien, Kenia, Somalia, Sudan und Uganda) mit Sitz in Dschibuti, wird erwähnt, dass in der Region Lower Shabelle die Clans der Biyamal (Dir), Digil (Rahanweyn), Koofi (Benadiri) und Wacdaan (Hawiye) als die ursprünglichen Bewohner („asal“) angesehen würden. Unterclans der Hawiye, darunter die Habar Gedir, Abgaal, Murusade und Hawadle aus Mogadischu und dem zentralen Landesteil würden als neue Siedler angesehen („farac“). Seit dem Zusammenbruch des Staates würden diese Farac-Gemeinschaften die Region militärisch, wirtschaftlich und politisch dominieren. Die Eyle (Minderheit) und die Jareer (Somali Bantu) seien Minderheitengruppen in der Region (Accord 03.02.2016).
In einem im März 2014 veröffentlichten gemeinsamen Bericht zu einer Fact-Finding-Mission nach Nairobi (Kenia) und Mogadischu (Somalia) im November 2013 führen die dänische Einwanderungsbehörde (Danish Immigration Service, DIS) und das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo an, dass eine international Behörde hinsichtlich kürzlich erfolgter Konflikte in Jowhar zwischen den Abgaal und Shiidle angegeben habe, dass es bei diesen Konflikten grundsätzlich um die Kontrolle von Wirtschaftsgütern, wie landwirtschaftliche Nutzflächen, Wasserquellen und Hafenstädte, ging. Laut einem Bericht des Danish Refugee Council (DRC) vom November 2006 hat es früher in Jowhar für die nomadischen Clans der Shiidle, eine vom Ackerbau geprägte Gruppe, die an den Ufern des Flusses Shabelle in der Region Middle Shabelle lebt, eine schlechtere Sicherheitslage - besonders für Frauen und ackerbauenden Minderheiten, die unter willkürlichen Angriffen und der Dominanz der Gruppe der Abgaal gelitten haben sollen – gegeben (Accord 12.05.2016).
Die Shiidle, die in den Flussgebieten um Jowhar und Balad Landwirtschaft betreiben sind ein Jareer Can, der in der Region beheimatet ist. Ihre Rivalen um die Macht sind in erster Linie die Viehwirtschaft beitreibenden Abgaal, die traditionell Regieruns- und Sicherheitsposten, sowohl auf Bezirks- als auch auf regionaler Ebene besetzten. Wenn es um die Kontrolle humanitärer Einsätze im Jahr 2017 ging verschob sich die Position des humanitären Koordinators. Davor stand dieser unter der Verantwortung des Bezirks Kommissars - üblicherweise Shiidle -, danach mit Bekräftigung der dominierenden Interessen unter jener des Regionalgouverneurs – Abgaal. Fast alle humanitären Einrichtungen in der Region, ob auf lokaler oder internationaler Ebene, werden auf höherer personeller Ebene von Abgaal besetzt, es gibt allerdings einige Ausnahmen. Die Abgaal sind auch der dominierende Clan in der in Jowahr und Balad stationierten somalischen Nationalarmee (SNA), wo sie die Instrumente der Regierungsgewalt monopolisieren. Im April 2017 wurden über 5000 Jareer/ Shiidle/Bare aus drei Dörfern in der Nähe von Balad nach militärischen Angriffen der Abgaal, die von Teilen der SNA unterstützt wurden, vertrieben (UNSC 02.11.2017).
Die somalischen Nationalarmee (SNA) ist eine Freiwilligenarmee. Die Rekrutierung für die SNA erfolgte bisher nicht auf faire Art und Weise. In großen Teilen ist die Truppe eine Ansammlung ehemaliger Clan-Milizen, die ausgebildet und in SNA umbenannt worden sind. Ehemalige Kommandanten von Clan-Milizen fanden sich im Offiziersstab wieder, manche wurden Oberst oder gar General. 60 Prozent der Soldaten gehören zu den Hawiye/Abgaal und Hawiye/Habr Gedir, ein weiterer großer Anteil zu den Hawiye/Murusade (BFA August 2017).
In der Middle Shabelle Region führte eine Brigade des Hawiye/Abgaal Clan Krieg gegen einen Minderheitenclan, die Shiidle, um die Kontrolle über die wertvollen Flussgebiete zu erhalten. Al-Schabaab hatte es leicht diese Angriffe zu ihrem Vorteil zu auszunützen, indem sie in den Communities für den Kampf gegen die SNA Brigaden rekrutierten (ARC 25.01.2018).
Die traditionell dominanten Clans in Mogadischu sind die Abgaal und Habr Gedir Gruppen (Hawiye). Es gibt auch Murosade (Hawiye) und Minderheiten wie die Yibr (sab) and Sheikhal.
Die ursprünglichen Einwohner von Mogadischu sind die Reer Hamar, welche laut Politikexpertin Joakim Gundel, in einem Vortrag über Somalia im Jahr 2009, als Minderheit in Bezug auf Sprache und Kultur angesehen werden. Viele von ihnen leben in den alten, historischen Bezirken Mogadischus (EASO Dezember 2017).
Es gibt keine Übersicht bezüglich der Clanzusammensetzung in Mogadischu, aber Quellen sind sich einig, dass die Stadt von Hawiye-Clans dominiert wird, insbesondere von den beiden Hawiye-Clans Abgal und Haber Gedir. Den Quellen zufolge stellen diese Clans einen bedeutenden Teil der Bevölkerung und der Regierungstruppen in Mogadischu. Nach Einschätzung von Landinfo ist es daher in erster Linie an den Hawiye-Clans Abgal und Haber Gedir, als Abschreckung für potenzielle Aggressoren in Mogadischu zu erscheinen (U.K. Jänner 2019).
(EASO, Country of Origin Information Report, Somalia, Security situation, Dezember 2017, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_Somalia_security_situation_2017.pdf
BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Sicherheitslage in Somalia, Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, August 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/5209_1502195321_ffm-report-somalia-sicherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf
EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Staatssekretariat für Migration SEM, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf
Accord, Bericht, Clans in Somalia, Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.05.2009, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe-20091215.pdf
Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zum Clan der Geledi, Zahl a-9133, 20.04.2015, http://www.ecoi.net/local_link/301433/438220_de.html
Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zu Konflikten zwischen Clans in der Stadt Merka (auch: Merca, Marka) in der Region Lower Shabelle, Zahl a-9478-2 (9479), 03.02.2016, https://www.ecoi.net/de/dokument/1393732.html
Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zum Clan der Shiidle (Shidle), Zahl a-9645, 12.05.2016, https://www.ecoi.net/de/dokument/1038892.html
U.K. Home Office, Country Policy and Information Note Somalia, Majority clans and minority groups in south and central Somalia, Version 3.0 Jänner 2019, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/773526/Somalia_-_Clans_-_CPIN_V3.0e.pdf
UNSC, UN Security Council, Report of the Secretary-General on Somalia, S/2017/924, 02.11.2017, https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924
ARC, Asylum Research Consultancy, Situation in South and Central Somalia (including Mogadishu), 25.01.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423361/90_1517484171_2018-01-arc-country-report-on-south-and-central-somalia-incl-mogadishu.pdf
UNSC, UN Security Council, Letter dated 7 November 2018 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolutions 751 (1992) and 1907 (2009) concerning Somalia and Eritrea addressed to the President of the Security Council, S/2018/1002, 09.11.2018, https://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/s_2018_1002.pdf)
XXXX al-Schabaab
Al-Schabaab teilte am 12.06.2020 mit, in Jilib, Region Middle Juba, ein Behandlungszentrum für COVID-19-Erkrankte und eine 24-Stunden-Hotline eingerichtet zu haben. Al-Schabaab fordert Menschen mit Symptomen auf, die neue medizinische Einrichtung aufzusuchen. Es liegen keine Informationen darüber vor, wie viele Coronavirus-Fälle es in den von
al-Schabaab kontrollierten Gebieten gibt (BAMF 15.06.2020).
Al-Schabaab hat schätzungsweise zwischen 7.000 und 9.000 Mitglieder AMISOM, Somali National Army (SNA) und US-Streitkräfte erhöhten das den Druck auf al-Schabaab in Teilen Somalias im Jahr 2019, vor allem in der Absicht, die Verbringung von improvisierten Sprengsätzen (Improvised Explosive Device, IEDs) in die Hauptstadt Mogadischu zu verhindern. Im April 2019 startete die Bundesregierung Somalias in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und AMISOM eine Operation zur Rückeroberung von strategisch wichtigen Gebieten in der Nähe von Mogadischu aus al-Schabaab-Kontrolle; die Bundesregierung Somalias bereitet weitere Operationen für 2020 vor. ISIS-Somalia ist weiterhin in Spendenaktionen, Einschüchterungskampagnen und Attentate in Mogadischu und im Norden Somalias involviert. Somalia ist Mitglied der Globale Koalition, um ISIS zu besiegen (USDOS Terrorismus 24.06.2020).
Ziel der al-Schabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren (EASO Februar 2016). Je höher der militärische Druck auf al-Schabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Al-Schabaab wird bei der Anwendung dieser Taktik immer besser und stärker. Dabei ist auch die al-Schabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen. Die Regionalhauptstadt Buale (Middle Juba) sowie die Bezirkshauptstädte Saakow, Jilib (Middle Juba), Jamaame (Lower Juba), Sablaale, Kurtunwaarey (Lower Shabelle), Diinsoor (Bay), Tayeeglow (Bakool), Ceel Buur, Ceel Dheere (Galgaduud) befinden sich unter Kontrolle der al-Schabaab. Alle anderen Regional- und Bezirkshauptstädte werden von anti-al-Schabaab-Truppen gehalten. Viele der Städte sind gleichzeitig auch Garnisonsstädte der AMISOM (BFA August 2017). Die Gebiete der al-Schabaab werden als relativ sicher beschrieben. Dort herrscht Frieden und eine Absenz an Clan-Konflikten (UNSOM 18.09.2017). In den von ihr kontrollierten Gebieten verfügt al-Schabaab über effektive Verwaltungsstrukturen, eine Art von Rechtsstaatlichkeit und eine effektive Polizei. Die Verwaltung der al-Schabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BFA August 2017).
Die Armee war bis vor fünf Jahren sehr chaotisch organisiert und viele Soldaten sind zwischen 2009-2011 zu al-Schabaab übergelaufen. Derzeit gibt es 1-2 gute Spezialeinheiten, welche in Kooperation mit amerikanischen Spezialeinheiten herbe/erfolgreiche Schläge gegen al-Schabaab durchführen. Aktuell ist die al-Schabaab Führung auf der „Flucht“ in Teilen Südsomalias (Stand Januar 2018) und versucht, sich von diesen Spezialeinheiten und US-Drohnenschlägen zu schützen. Außerdem wurden in letzten Jahren zahlreiche Trainings für die somalische Armee durchgeführt, die möglicherweise nicht viel „Outcome“ haben, aber zumindest eine ganz gute Ausbildung bieten. Derzeit ist die somalische Armee jedenfalls auf einem besseren Weg als vor fünf bis sieben Jahren. Die angesprochene Dominanz von AMISOM (insbesondere am Flughafen) fundiert nicht nur auf geringer Kapazität der somalischen Armee, sondern weil (militärisch und nicht politisch) im Vorrang steht, strategische Punkte zu sichern (Flughafen = „Besitztum“ von AMISOM). Auch die internationale Gemeinschaft wird von AMISOM geschützt (EU, UK etc.). Am Flughafen sieht man kaum Somalier – dies beruht nicht unbedingt auf einem Machtwunsch von AMISOM, sondern fußt auf einem Deal mit den internationalen Akteuren, die sich durch die Kontrolle von AMISOM sicherer fühlen. Die vorherrschende Erfahrung der Bevölkerung mit al-Schabaab ist, dass zwar mehr Steuern zu zahlen und strengere Regeln einzuhalten sind, sie aber keinen täglichen Repressionen durch al-Schabaab ausgesetzt sind. Es ist somit relativ friedlich und herrscht keine Kriminalität. Oft ist Somaliern die Stabilität, die mit der Herrschaft der al-Schabaab einhergeht, nicht unrecht (Professor Dr. Höhne 26.01.2018).
Al-Schabaab hat schätzungsweise zwischen 7.000 und 9.000 Mitglieder. Al-Schabaab hat die volle Kontrolle über die großen städtischen Zentren in Somalia verloren. Im September 2012 verlor die Gruppe die Kontrolle über Kismayo, einen wichtigen Hafen, den sie nutzte, um Lieferungen und Finanzierungen mithilfe von Steuern zu erhalten. Im Oktober 2014 verlor
al-Schabaab einen weiteren strategischen Hafen in Baraawe an AMISOM und somalische Truppen. Trotz dieser Verluste kontrollierte al-Schabaab im Jahr 2018 große Teile ländlicher Gebiete in den Regionen Middle Juba und Lower Juba, sowie die Regionen Gedo, Bakol, Bay und Shabelle. Al-Schabaab hielt ihre Präsenz im Norden Somalias entlang der Golis-Berge und in größeren städtischen Gebieten Puntlands aufrecht und startete 2018 mehrere Angriffe auf Ziele in den Grenzregionen Kenias (USDOS Terrorismus 01.11.2019).
Das United States Africa Command (US AFRICOM) erklärte am 03.06.2019, dass der Islamische Staat in Somalia (ISS) weiterhin rekrutiert und derzeit etwa 300 Kämpfer hat. Davon operieren die meisten in Puntland. AFRICOM hat seit April 2019 mehrere Luftangriffe gegen den ISS durchgeführt (BAMF 17.06.2019).
In Somalia berichteten die Mitgliedstaaten, dass die bisherige beunruhigende Ruhe zwischen al-Schabaab und ISIL (Islamischer Staat im Irak und der Levante) nicht lange gedauert hat. In Puntland, wo der ISIL kleinere Überfälle gemacht hatte, und in Mogadischu kam es Anfang 2019 zu Zusammenstößen. Der ISIL in Somalia geriet sowohl wegen al-Schabaab, als auch wegen fortgesetzter Einsätze der AMISOM (African Union Mission in Somalia), unter Druck. Al-Schabaab war danach in der Lage, einige ISIL-Stützpunkte in Puntland zu besetzen und den ISIL in den Untergrund zu zwingen, sogar in seiner Hochburg Ceelasha Biyaha in der Nähe von Mogadischu. Ungeachtet dieser Rückschläge gelang es dem ISIL, einige operative Stützpunkte zu erhalten und er konnte immer noch begrenzt tödliche Anschläge gegen Geschäftsleute und Regierungsbeamte in Boosaaso durchführen (UNSC 31.07.2019).
ad a) Somalia
In den von al-Schabaab befreiten Gebieten kommt es weiterhin zu Terroranschlägen durch diese islamistische Miliz. Puntland strebt nicht nach Unabhängigkeit von Somalia, erkennt die somalische Bundesregierung an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sogenannten „Islamischen Staats“. Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle, wenngleich sie weiterhin präsent sind. Die Grundsätze der Gewaltenteilung sind in der Verfassung von 2012 niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungswirklichkeit eine andere. In den unter Kontrolle der al-Schabaab-Miliz stehenden Gebieten wird das Prinzip der Gewaltenteilung gemäß der theokratischen Ideologie der al-Schabaab nicht anerkannt. Zu den anderen, weder von Regierung, noch von al-Schabaab, sondern von weiteren Clan- oder anderen Milizen kontrollierten Gebieten liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Es ist aber nach Einschätzung von Beobachtern davon auszugehen, dass Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung zumeist in der Hand einer kleinen Gruppe von Notabeln (z. B. „Clanältesten“) liegen. Von Gewaltenteilung kann so nicht gesprochen werden. In den von al-Schabaab kontrollierten Gebieten werden Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zu militärischen Zielen erklärt und zur gezielten Tötung freigegeben. In den von al-Schabaab kontrollierten Gebieten wird oppositionelles Handeln nicht geduldet. Al-Schabaab geht brutal vor und schreckt auch vor Hinrichtungen von politischen Gegnern nicht zurück. Zu den von einzelnen Clan- oder anderen Milizen kontrollierten Gebieten liegen keine ausreichenden Erkenntnisse vor. In den von al-Schabaab gehaltenen Gebieten besteht keine Versammlungsfreiheit und keine Vereinigungsfreiheit (AA 02.04.2020).
Berichten zufolge haben die Streitkräfte von SNA und AMISOM am 01.04.2019 das von
al-Schabaab kontrollierte Dorf Sabiid, 40 Kilometer südwestlich von Mogadischu in der Region Lower Shabelle, erobert (BAMF 08.04.2019).
Laut staatlichem Radio wurde Baschir Mohamed Qorgab, Anführer der al-Schabaab, bei einem Luftangriff in Sakow getötet (BBC 08.03.2020).
Truppen der Somali National Army (SNA) und AMISOM haben am 16.03.2020 die Stadt Janaale in der Region Lower Shabelle von al-Schabaab zurückerobert. AFRICOM führte zur Unterstützung der Operation Luftangriffe durch. Al-Schabaab hatte Janaale seit 2015 kontrolliert (BAMF 23.03.2020).
Neben Granatangriffen hat al-Schabaab die Fähigkeit, größere Angriffe auf Sicherheitskräfte im Süden Somalias durchzuführen. Am 19.02.2020 erfolgten in Shabelle Hoose zwei komplexe Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen gegen AMISOM und die Stützpunkte der Somalischen Nationalarmee in Qoryooley und Ceel Saliini, im Bezirk Marka. Letzterer soll mehr als 20 Opfer unter Mitgliedern der somalischen Nationalarmee gefordert haben. Am 16.03.2020 befreiten die somalische Nationalarmee und die AMISOM die Stadt Jannaale. Als Reaktion darauf verstärkte al-Schabaab ihre Angriffe in der Region, unter anderem mit indirektem Feuer und einem improvisierten Selbstmordsprengsatz in einem Fahrzeug, gegen AMISOM-Truppen am 16.03.2020, wobei Berichten zufolge mindestens fünf Soldaten ums Leben kamen. Am 24.04.2020 ließ die Gruppe auf dieselbe Weise zwei weiter Fahrzeuge detonieren, das war bei einem vereitelten Angriff auf den Stützpunkt der AMISOM-Somali National Army in Baraawe, in der Region Shabelle Hoose; beiden Selbstmordattentäter wurden dabei getötet. Während ein allgemeiner Rückgang der Zahl von zivilen Opfer durch al-Schabaab-Aktivitäten beobachtet wurde, erhöhte die Gruppe ihrer öffentlichkeitswirksamen Angriffe (UNSC 13.05.2020).
Bei Einsätzen gegen Aufständische wurden in den Regionen Lower Shabelle, Lower Juba und Bay zwischen 06. und 19.07.2020 mindestens 29 al-Schabaab-Kämpfer getötet. Bei US-Luftangriffen am 09. und 29.07.2020 wurden in den Regionen Lower Shabelle und Middle Juba zwei al-Schabaab-Kämpfer getötet. Es wurde zudem über zivile Opfer berichtet. In der Region Bari, in Puntland, wurden bei Einsätzen mit US-Luftunterstützung am 21.07.2020 27 ISIS-Kämpfer getötet (Accord 28.08.2020).
Am 04.07.2020 wurden mindestens fünf Zivilisten und Sicherheitsbeamte bei einem Bombenanschlag der al-Schabaab in der Region Bay getötet. Am 05.07.2020 entführte die Gruppe einen Parlamentsabgeordneten in der Region Middle Shabelle. Zwischen 06. und 13.07.2020 wurden bei Angriffen auf Sicherheitskräfte mindestens 17 Personen in den Regionen Lower Shabelle und Lower Juba getötet. Am 08.07.2020 wurden bei einem Bombenanschlag der al-Schabaab in Mogadischu zwei Polizisten getötet und am 27.07.2020 erschoss die Al-Schabaab einen weiteren Polizisten. Am 13.07.2020 führte die Al-Schabaab im Bezirk Hodan einen Autobombenanschlag auf den Konvoi des Chefs der Verteidigungskräfte Somalias aus. Mindestens sechs Personen wurden bei dem Anschlag getötet und zehn weitere verletzt. Am 04.07.2020 wurden bei einem Autobombenanschlag auf einen Sicherheitsposten der somalischen Polizei im Bezirk Xamar Jajab fünf Polizisten und eine unbekannte Anzahl an Zivilisten verletzt. Im Juni 2020 wurden mindestens 14 Soldaten und drei Zivilisten bei al-Schabaab-Angriffen in Hiraan, Lower Juba, Bay, Gedo, Middle Shabelle und Lower Shabelle getötet. Zwischen 07. und 27.06.2020 erschoss die
al-Schabaab vier Polizisten und einen Beamten in Mogadischu. Am 23.06.2020 wurde bei einem Selbstmordanschlag nahe einer türkischen militärischen Ausbildungseinrichtung zwei Somalier getötet. Zwischen 03. und 07.05.2020 wurden mindestens zwei Zivilisten bei Angriffen der al-Schabaab in den Regionen Lower und Middle Shabelle getötet. In den Regionen Lower Shabelle, Middle Juba und Bay wurden zwischen 24. und 31.05.2020 mindestens 14 Soldaten und 14 Zivilisten bei einer Reihe von Angriffen der al-Schabaab und bei Bombenanschlägen, zu denen sich keine Gruppe bekannte, getötet. Auf die al-Schabaab in Lower Shabelle ausgeübter Druck zwingt die Gruppe dem UNO-Sicherheitsrat zufolge offensichtlich dazu, ihre Präsenz in den Regionen Bay und Middle Shabelle auszuweiten. In Bay griff die al-Schabaab AMISOM-Konvois auf den Hauptversorgungsrouten an. Am 23. und 24.05.2020 wurden sieben Personen in Baidoa und Diinsoor bei Angriffen der al-Schabaab getötet und über 40 weitere verletzt. Am 09.05.2020 griffen IS-Kämpfer in der Stadt Bosaso in Puntland Sicherheitskräfte an. Ein Soldat und mindestens zwei Aufständische wurden dabei getötet. Während der folgenden Tage wurde in Bosaso ein IS-Kämpfer von Sicherheitskräften erschossen und vier weitere verhaftet Am 14.05.2020 wurden bei einem Angriff der al-Schabaab auf eine Militärbasis nahe Bosaso ein Soldat und drei Angreifer getötet. Am 17.05.2020 wurde der Konvoi des Gouverneurs von Mudug in Gaalkacyo zum Ziel eines Autobombenanschlags. Der Gouverneur und vier Leibwächter wurden dabei getötet (Accord 28.08.2020).
(Karte von PGN, Political Geography Now, Kontrollgebiete Stand Mai 2020, DIS Juli 2020)
Die Lage bezüglich der von al-Schabaab kontrollierten Gebiet in Süd- und Zentralsomalia bleibt unverändert. Wie in der obigen Karte dargestellt, behält al-Schabaab die Kontrolle über große Teile Süd- und Zentralsomalias. Seit Dezember 2019 hat PGN (Political Geography Now) eine leichte Änderung der Kontrollsituation in der Lower Shabelle Region im Südwestens gemeldet. Die Bundesregierung und ihre Verbündeten haben die Kontrolle über Janale und Lego in der Region Lower Shabelle von al-Schabaab übernommen. Die Internationale Migrationsorganisation (IOM) und UNHCR haben in Lower Shabelle ein Programm für Flüchtlinge, die freiwillig aus dem Flüchtlingslager Dadaab in Kenia zurückkehren (DIS Juli 2020)
Insgesamt wurden im Mai 2020 sieben Luftangriffe gegen al-Schabaab und ISIL durchgeführt. Im Juni zwei und im Juli drei. Die Luftangriffe wurden in den Regionen Gedo, Juba Dhexe, Lower Juba, Shabelle Hoose und Bari durchgeführt. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 wurden insgesamt 45 Luftangriffe durchgeführt, im Vergleich zu 47 im gesamten Jahr 2018 und 63 im Jahr 2019. Bei Einsätzen der Sicherheitskräfte wurden zwischen 06. und 26.06.2020 mindestens 67 al-Schabaab-Kämpfer in den Regionen Bakool, Lower Juba, Middle Juba und Hiraan getötet. In Puntland wurde am 06.06.2020ein al-Schabaab-Kämpfer erschossen. Bei Einsätzen gegen die al-Schabaab zwischen 10. und 31.05.2020 wurden mindestens 70 Mitglieder der Gruppe in den Regionen Middle Juba, Lower Juba, Lower Shabelle, Bay, Hiraan und Gedo getötet. Angaben lokaler Dorfältester zufolge entführten und töteten am 27.05.2020 Soldaten sieben Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und einen Zivilisten, die sie verdächtigten, mit Aufständischen in der Region Middle Shabelle zu sympathisieren. Die Armee bestritt eine Beteiligung (Accord 28.08.2020).
Bereits am 29.03.2020 wurde der Gouverneur von Nugaal in Garoowe bei einem Anschlag der al-Schabaab getötet. In Mogadischu wurden im Mai 2020 mindestens fünf Sicherheitsbeamte durch al-Schabaab-Kämpfer getötet. Im April 2020 wurden bei Angriffen der al-Schabaab in den Regionen Gedo, Lower Shabelle, Middle Shabelle, Lower Juba und Bay mindestens elf Soldaten und elf Zivilisten getötet. In Mogadischu wurden bei mehreren Angriffen im April 2020 mindestens drei Soldaten und sechs Zivilisten getötet. Etwa bei einem Granatenangriff auf ein UNO-Gelände am 26.04.2020, bei dem vier Zivilisten getötet wurden. In Galkayo, in der Region Mudug, wurden zwischen 05. und 10.04.020 zwei örtliche Beamte von al-Schabaab-Kämpfern getötet. In den südlichen und zentralen Landesteilen wurden bei Angriffen der al-Schabaab im März 2020 mindestens 22 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet. Bei einem Bombenanschlag der al-Schabaab am 25.03.2020 wurden fünf Zivilisten in Lower Juba getötet. In Middle Juba exekutierte die al-Schabaab am 31.03.2020 sechs Zivilisten, die von der Gruppe der Spionage bezichtigt wurden. In Mogadischu griff die al-Schabaab ein UNO-Gelände mit Granaten an. Bei einem Selbstmordanschlag wurden am 25.03.2020 mindestens vier Personen getötet. In Puntland töteten al-Schabaab-Kämpfer zwischen 17. Und 29.03.2020 drei örtliche Beamte (Accord 28.08.2020).
Bei US-Luftangriffen in mehreren Regionen wurden 32 al-Schabaab-Kämpfer im Zeitraum zwischen 02. und 10.04.2020 getötet, darunter ein Anführer der al-Schabaab, Yusuf Jiis. Die äthiopische Armee gab an, mindestens 17 al-Schabaab-Kämpfer bei Luftangriffen in der Region Gedo getötet zu haben. Zudem kam es am 22.04.2020 zu Kämpfen zwischen Streitkräften der föderalen Regierung und Kräften der Regierung von Jubaland nahe der Stadt Bula Hawa. Die Zahl der Opfer war vorerst nicht bekannt. In Hiraan töteten Sicherheitskräfte am 05.03.2020 acht al-Schabaab-Mitglieder. Am 16.03.2020 nahmen Sicherheitskräfte die Stadt Janaale ein. Zwischen 21. und 29.03.2020 töteten die Sicherheitskräfte mindestens 37 Aufständische in den Regionen Lower Juba und Lower Shabelle. Am 02.03.2020 kam es in der Stadt Bula Hawa erneut zu Zusammenstößen zwischen somalischen Truppen und Truppen Jubalands. Berichten zufolge wurden mindestens elf Zivilisten und Kämpfern getötet. Im Februar 2020 kam es nach den Wahlen in der Region Galmudug zur Stationierung von Truppen der somalischen Regierung. Am 04.02.2020 griffen Regierungstruppen die Städte Dolow und Bula Hawa an und nahmen diese ein (Accord 28.08.2020).
ad b) Somaliland
Al-Schabaab hält derzeit in Somaliland keine Gebiete (AA 02.04.2020).
(USDOS, U.S. Department of State, Country Report, Terrorismus 2019, al-Schabaab, 24.06.2020, https://www.state.gov/reports/country-reports-on-terrorism-2019/#AS
USDOS, U.S. Department of State, Country Report, Terrorismus 2018, Somalia, 01.11.2019, https://www.state.gov/reports/country-reports-on-terrorism-2018/#Somalia
EASO, Country of Origin Information Report, Somalia, Security situation, Februar 2016, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO-Somalia-Security-Feb2016.pdf
BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Sicherheitslage in Somalia, Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, August 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/5209_1502195321_ffm-report-somalia-sicherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf
UNSOM, United Nations Assistance Mission in Somalia, Countering AlShabaab Propaganda and Recruitment Mechanisms in South Central Somalia, 18.09.2017, https://unsom.unmissions.org/sites/default/files/countering_alshabaab_propaganda_and_recruitment_mechanisms_report_final__14_august_2017.pdf
Professor Dr. Markus Virgil Höhne, promovierter Ethnologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethnologie Universität Leipzig, Autor vieler Publikationen zur Bundesrepublik Somalia und zum Horn von Afrika, Fragebeantwortung im Rahmen eines Vortrages bzw. eines Seminars für Richter des Bundesverwaltungsgerichts zur Bundesrepublik Somalia am 26.01.2018; markus.hoehne@uni-leipzig.de
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 08.04.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010660/Deutschland___Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_08.04.2019_%28deutsch%29.pdf
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 17.06.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010680/Deutschland___Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_17.06.2019_%28deutsch%29.pdf
UNSC, UN Security Council, Berichte zur Gruppe Islamischer Staat und mit ihr verbündeter Gruppen, 31.07.2019, S/2019/612, https://undocs.org/S/2019/612
AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2020, 02.04.2020
BBC News, Al-Shabab's Bashir Mohamed Qorgab 'killed in air strike in Somalia, 08.03.2020, https://www.bbc.com/news/world-africa-51789724
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 23.03.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027822/briefingnotes-kw13-2020.pdf
UNSC, UN Security Council, Bericht des UNO-Generalsekretärs, Bericht zur Lage in Somalia, S/2020/398, 13.05.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2030188/S_2020_398_E.pdf
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 15.06.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2033945/briefingnotes-kw25-2020.pdf
USDOS, U.S. Department of State, Country Report, Terrorismus 2019, Kapitel 1, Somalia, 24.06.2020, https://www.state.gov/reports/country-reports-on-terrorism-2019/somalia
DIS, Danish Immigration Service, Süd- und Zentralsomalia, Sicherheitslage, Zwangsrekrutierung und Rückkehrsituation, Juli 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2035712/South+and+Central+Somalia++Security+Situation+Forced+Recruitment+and+Conditions+for+Returnees.pdf
Accord, Kurze Zusammenstellung der Sicherheitslage in Somalia, 28.08.2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2036627.html)
Justiz
ad a) Somalia
Die Grundsätze der Gewaltenteilung sind in der Verfassung von 2012 niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere. In den tatsächlich von der Regierung kontrollierten Gebieten sind die Richter einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt. In den unter Kontrolle der al-Schabaab-Miliz stehenden Gebieten wird das Prinzip der Gewaltenteilung gemäß der theokratischen Ideologie der
al-Schabaab nicht anerkannt. Zu den anderen, weder von Regierung, noch von al-Schabaab, sondern von weiteren Clan- oder anderen Milizen kontrollierten Gebieten liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Es ist aber nach Einschätzung von Beobachtern davon auszugehen, dass Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung zumeist in der Hand einer kleinen Gruppe von Notabeln (z. B. „Clanältesten“) liegen. Von einer Gewaltenteilung ist nicht auszugehen (AA 02.04.2020).
Der Journalist Abdiaziz Ahmed Gurbiye wurde am 29.07.2020 zu sechs Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt. Er wurde im April 2020 verhaftet, nachdem er Facebook-Einträge über das Coronavirus veröffentlichte, die auch die Regierung kritisierten. Er wurde wegen Veröffentlichung falscher Nachrichten und Beleidigung der Behörden angeklagt. Eine Berufung gegen das Urteil ist möglich (BAMF 03.08.2020).
ad b) Somaliland
Auch in Somaliland ist in der Verfassung eine horizontale Gewaltentrennung zwis