TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/22 W282 2234791-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.01.2021
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Entscheidungsdatum

22.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W282 2234791-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geboren am XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RAST & MUSLIU Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 15.12.2020 zu Recht:

A)

I. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass sich die Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 1 Z 2 FPG stützt.

III. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird teilweise stattgegeben und die Befristung des Einreiseverbots auf 3 Jahre herabgesetzt.

IV. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Zum Vorverfahren:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte am 05.06.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am folgenden Tag wurde er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, er sei ein Kriegsflüchtling aus dem Kosovo. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde dieser Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo abgewiesen und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kosovo ausgewiesen. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.05.2010 wurde dieser Bescheid behoben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das ehemalige Bundesasylamt zurückverwiesen. Das Verfahren wurde letztlich gegenstandslos, weil der BF am 25.11.2010 unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet ausreiste.

2. Nachdem der BF in Bundesgebiet zurückgekehrt war wurde er zwischen 2010 und 2017 insgesamt vier Mal strafrechtlich von Landesgerichten verurteilt. Die Verurteilungen erfolgten hierbei wegen Urkundenfälschung, Hehlerei und Verleumdnung sowie wegen Suchtmitteldelikten.

3. Mit Beschluss des LGSt Wien vom XXXX .2018 wurde gem. § 40 Abs. 1 SMG die gegen den BF mit Urteil des LGSt Wien vom XXXX .2017 verhängte Freiheitsstrafe wegen § 28a SMG in der Dauer von 2 Jahren für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen, weil sich der BF nachgewiesen ab XXXX .2017 einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gem. § 11 Abs. 2 SMG unterzogen hatte, welche uneingeschränkt erfolgreich verlaufen war.

4. Am 16.01.2019 wurde gegen den BF seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) ein Festnahmeauftrag wegen unrechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet erlassen. Der BF sei im Bundesgebiet straffällig geworden, rechtskräftig von einem inländischen Gericht verurteilt worden und unbekannten Aufenthalts. Die Festnahme konnte jedoch nicht ausgeführt werden, da der BF schon lange zuvor nach Ende der gesundheitsbezogenen Maßnahme wieder nach Serbien zurückgekehrt war.

Gegenständliches Verfahren:

5. Am XXXX .2020 wurde der BF seitens der Landespolizeidirektion Wien im Zuge einer Verkehrskontrolle wegen unrechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet angezeigt. Aufgrund des gegen ihn bestehenden Festnahmeauftrags wurde der BF festgenommen.

6. Am selben Tag wurde der BF vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen: Hierbei gab er an, er sei in Serbien selbstständig tätig, nämlich als Inhaber einer Baufirma und zweier Lokale. Er halte sich bereits seit langer Zeit wieder in Serbien auf, wo er eine Lebensgefährtin habe, die ein Kind von ihm erwarte. Hinsichtlich des Aufenthaltszwecks in Österreich gab der BF an, er habe seinen Sohn in die Slowakei gebracht, welcher in Österreich geboren sei und hier in die Schule gehe. Seine Ex-Frau sei Slowakin und lebe in Wien. Im Zuge dieser Einvernahme wurde dem BF mitgeteilt, dass gegen ihn die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung und der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verhängt werde. Der diesbezügliche Mandatsbescheid wurde ebenfalls am 03.08.2020 erlassen. Weiters wurde er darüber informiert, dass gegen ihn eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot erlassen werde, weil er im Bundesgebiet massiv straffällig geworden sei.

7. Mit angefochtene, Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gem. § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) sowie gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gem. § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) sowie einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Die Verhängung des Einreiseverbotes begründete das Bundesamt mit dem Umstand, dass der BF mehrmals straffällig und rechtskräftig verurteilt worden sei. Der BF sei demnach nicht gewillt gewesen, sich an die österreichischen Gesetze zu halten. Das seitens des BF gesetzte Fehlverhalten stelle eine erhebliche, tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, weshalb die Erlassung eines Einreiseverbotes unabdingbar sei.

8. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 03.09.2020 fristgerecht in vollem Umfang Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass einerseits die Rückkehrentscheidung wegen seiner intensiven Beziehung zu seinem in Österreich lebenden Sohn auf Dauer unzulässig erklärt hätte werden müssen und andererseits die Verhängung eines Einreiseverbotes unverhältnismäßig erscheine.

9. Am 04.09.2020 wurde die Beschwerde inklusive der mit ihr in Bezug stehenden Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

10. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.09.2020,
GZ W282 2234791-1/4Z wurde die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides) als unbegründet abgewiesen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

11. Am 15.12.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher die Ex-Frau des BF als Zeugin einvernommen wurde. Der BF und das Bundesamt blieb der Verhandlung fern, der Rechtsvertreter des BF nahm an der Verhandlung teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den im Spruch angeführten Namen, wurde am XXXX geboren und ist Staatsangehöriger Serbiens. Er hat seinen Lebensmittelpunkt in Serbien, wo er als Inhaber einer Baufirma und zweier Lokale selbstständig tätig ist. Seine nunmehrige Ehefrau hat kürzlich ein gemeinsames Kind geboren. Weiters leben sein Vater und seine zwei Schwestern in Serbien.

Die Ex-Frau des BF lebt mit dem gemeinsamen Sohn in Wien, den er regelmäßig besucht. Die Ferien verbringt sein Sohn regelmäßig in Serbien. Der BF unterhält zudem mit seinem Sohn täglich Kontakt über „WhatsApp“. Die Großeltern des BF leben ebenfalls in Österreich.

Der BF leidet an keinen die Schwelle der Art. 2 und 3 EMRK erreichenden Krankheiten, die eine Rückkehr nach Serbien unzulässig machen würden.

Der BF spricht moderat Deutsch, er war in den letzten 3 Jahren im Bundesgebiet nicht erwerbstätig. Besondere Integrationsumstände in sozialer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht sind beim BF nicht zu erkennen.

Der BF hat das österreichische Bundesgebiet spätestens im August 2018 nach Ergehen einer endgültigen Strafnachsicht (vgl. Punkt II.1.2) verlassen und hielt sich danach nur für kurze Zeiträume für Besuche im Bundesgebiet auf. Im gegenständlichen Verfahren ist der BF am XXXX .2020 nach Serbien abgeschoben worden.

1.2. Zur Straffälligkeit des Beschwerdeführers

Der BF ist im Bundesgebiet mehrfach strafrechtlich bescholten:

Mit Urteil des LGSt Wien vom XXXX .2010 wurde der BF wegen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden gem. §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Hinsichtlich der Strafbemessungsgründe wurden der ordentliche Lebenswandel und das reumütige Geständnis als mildernd, hingegen die Anzahl von zwei Vergehen als erschwerend angesehen. Demnach hatte er falsche ausländische öffentliche Urkunden, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind, im Rechtsverkehr gebraucht, indem er sich mit einem gefälschten slowenischen Reisepass anlässlich der Unterfertigung eines Gesellschaftsvertrages und der Eröffnung eines Bankkontos ausgewiesen hatte. Einer gegen dieses Urteil eingebrachten Berufung wurde mit Urteil des OLG Wien vom XXXX .2013 nicht Folge gegeben.

Mit weiterem Urteil des LGSt Wien vom XXXX .2013 wurde der BF wegen des Verbrechens der Verleumdung gem. § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB, des Vergehens der falschen Beweisaussage gem. § 288 Abs. 1 und 4 StGB und des Vergehens der Hehlerei gem. § 164 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 4 Euro verurteilt, wobei die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Hinsichtlich der Strafbemessungsgründe wurden das Zusammentreffen eines Verbrechens und zweier Vergehen sowie die Tatbegehung binnen offener Probezeit als erschwerend, hingegen kein Umstand als mildernd angesehen. Demnach hatte der BF eine andere Person dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung falsch verdächtigt hatte, obwohl er gewusst hatte, dass die Verdächtigung falsch gewesen war. Durch diese geschilderte Handlung hatte er zudem als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren vor der Kriminalpolizei zur Sache falsch ausgesagt. Weiters hatte er eine Sache, die durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt worden war, gekauft, wobei er aufgrund der äußeren Umstände davon ausgehen hätte müssen, dass diese Sache (Mobiltelefon) aus einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen gestammt hatte.

Mit Urteil des LGSt Wien vom XXXX .2014 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift gem. § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift gem. § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter und dritter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe (6 Monate) unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Hinsichtlich der Strafbemessungsgründe wurde das Zusammentreffen zweier Vergehen als erschwerend, hingegen das Geständnis als mildernd angesehen. Der BF hatte vorschriftswidrig Suchtgift, wobei er an Suchtmittel gewöhnt war und die Tat vorwiegend deshalb begangen hatte, um sich Suchtmittel oder Mittel zu seinem Erwerb zu verschaffen, gewerbsmäßig überlassen, und zwar in mehreren Angriffen insgesamt zumindest 6 Gramm Brutto Kokain (Cocain) zu einem Gesamtpreis von € 80 durch gewinnbringenden Verkauf. Zudem hatte er Kokain und Cannabiskraut zum Eigenkonsum erworben und besessen.

Mit Urteil des LGSt Wien vom XXXX .2017 wurde der BF wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels gem. § 28 Abs. 1 fünfter Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gem. § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG sowie des Vergehens gem. § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Hinsichtlich der Strafbemessungsgründe wurden zwei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit zwei Vergehen als erschwerend, hingegen die teilweise Sicherstellung von Suchtgift und das teilweise Geständnis als mildernd angesehen.

Nach dem Urteilstenor hatte der BF vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain in einer das Zwölffache der Grenzmenge übersteigenden Menge, anderen überlassen, und zwar von Sommer bis Dezember 2015 zumindest 15 Gramm von zumindest durchschnittlicher Straßenqualität durch gewinnbringenden Verkauf sowie am 24.06.2016 insgesamt 298,5 Gramm brutto durch gewinnbringenden Verkauf um € 15.000. Zudem hatte der BF vorschriftswidrig Suchtmittel erworben und besessen, und zwar 22,3 Gramm Kokain, 2,2 Gramm Marihuana sowie weitere 25 Gramm Kokain. Weiters hatte der BF, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Schusswaffe der Kategorie B, nämlich einen Revolver NHM, besessen. Bei dieser Verurteilung wurde dem BF überdies gem. § 39 Abs. 1 SMG Strafaufschub bis zum 01.01.2019 gewährt, um sich der notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme, und zwar einer ärztlichen Überwachung des Gesundheitszustandes, einer Psychotherapie und einer klinisch psychischen Beratung und Betreuung, zu unterziehen.

Der (potentielle) Aufenthalt des BF im Bundesgebiet stellt eine moderat schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

1.3 Zum Verfahren des Bundesamtes:

Das Bundesamt hat zwischen Ergehen des Urteils des LGSt Wien vom XXXX .2017 und dem anschließenden Strafaufschub nach § 39 SMG mit Ausnahme der Anforderung des Beschlusses über die Gewährung desselben, bis zum 16.01.2019 keinerlei Ermittlungs- oder sonstigen Verfahrensschritte unternommen.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers nach Serbien

Dem BF droht im Falle einer Rückkehr weder asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK noch eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK. Zudem ist Serbien als sicherer Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaatenverordnung (HStV) anzusehen.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Serbien

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Serbien vom 05.06.2020:

Politische Lage

Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen. Insbesondere in Belgrad und anderen Städten sind vereinzelt Proteste und Demonstrationen möglich, die meistens friedlich verlaufen (AA 23.9.2019b).

Tausende von Demonstranten gingen auch am 11.5.2019 auf die Straßen, um gegen Präsident Aleksandar Vu?i? und seine Regierung zu demonstrieren. Sie werfen der Regierung Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Die wöchentlichen Proteste begannen im Dezember 2018 und wurden durch einen Angriff auf einen Oppositionsführer ausgelöst (BN 13.5.2019).

Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Einige Fortschritte wurden durch die Stärkung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Erfüllung der meisten Empfehlungen des letzten Jahres erzielt. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bei der Umsetzung der integrierten Grenzschutzstrategie und des Aktionsplans hat Serbien einige Fortschritte erzielt. Die Strategie und der Aktionsplan zur Bekämpfung der irregulären Migration wurden angenommen (EK 29.5.2019).

Ein Zwischenfall mit serbischen Soldaten, denen am 7.9.2019 die Einreise zu einer Gedenkfeier in Kroatien verweigert wurde, hat zu einem Eklat zwischen den beiden Ländern geführt. Zagreb kritisierte eine "Provokation" aus Belgrad, in Serbien wurde dem Nachbarland Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Die serbische Militärdelegation hatte am 7.9.2019 in Jasenovac an einer Gedenkfeier der serbisch-orthodoxen Kirche für die Opfer des dortigen Konzentrationslagers teilnehmen wollen. Elf Militärangehörigen, die laut Medien in Zivil unterwegs waren und ihre Uniformen im Gepäck hatten, hatte die kroatische Grenzpolizei die Einreise verweigert. Laut Kroatien war die Delegation nicht angemeldet, die serbische Seite behauptet das Gegenteil. Der Delegation gehörten Berichten zufolge Offiziere der Militärakademie sowie Kadetten und Schüler des Militärgymnasiums an (Der Standard 9.9.2019).

Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil (AA 3.11.2019).

Die von serbischer Seite als politische Strafzölle empfundenen 100 %-Erhöhungen der Importzölle für Waren in den Kosovo bleiben weiterhin der Hauptgrund der erneut belasteten bilateralen Beziehungen zu Pristina (VB 29.9.2019).

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss (USDOS 11.3.2020).

Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (LIPortal 6.2019).

Serbien hat im Bereich Justiz einige Fortschritte erzielt; während die Empfehlungen des Vorjahres nur teilweise umgesetzt wurden, wurden bei der Reduzierung alter Vollstreckungsfälle und der Weiterverfolgung von Maßnahmen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis Fortschritte erzielt. Einige Änderungen der Regeln für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten und für die Bewertung der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wurden angenommen, aber das System muss nach der Annahme der Verfassungsänderungen grundlegend überarbeitet werden, um eine leistungsbezogene Stellenbesetzungen und Beförderungen von Richtern zu ermöglichen. Politische Einflussnahme im Bereich der Justiz bleibt weiterhin ein Problem. Die Verfassungsreform befindet sich im Gange (EK 25.9.2019).

Das Parlament hat am 21.5.2019 eine umstrittene Änderung des Strafrechts gebilligt, gemäß der Straftäter, die wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Minderjährigen oder einer schwangeren oder behinderten Person zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden, zukünftig keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung mehr haben. Bislang belief sich die Höchststrafe in Serbien auf 40 Jahre. Der Europarat kritisierte den Gesetzesentwurf und sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (BN 27.5.2019).

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden (VB 29.9.2019).

Sicherheitsbehörden

Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2019 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gibt keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2019 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 136 Strafanzeigen gegen 285 Personen wegen 388 Verbrechen ein; 124 waren Polizisten und 161 Zivilbeamte. In 45 der Fälle wurden die Täter zu Haftstrafen verurteilt (USDOS 13.3.2020).

Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“ (BICC 6.2019).

Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich (VB 29.9.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Wahrung der Grundrechte sind weitgehend vorhanden. Es wurden Änderungen zur Verbesserung des Rechtsrahmens für nationale Minderheiten angenommen. Eine konsequente und effiziente Umsetzung der Rechtsvorschriften und der politischen Maßnahmen muss jedoch sichergestellt werden (EK 29.5.2019).

Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. 2013 hat die serbische Regierung eine Anti-Diskriminierungsstrategie verabschiedet. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz von Serbiens zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem existieren verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme in der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit (GIZ Geschichte & Staat 6.2019).

In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.9.2019).

Bewegungsfreiheit im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie

Die Bewegungsfreiheit der Menschen in Serbien (Staatsbürger als auch Fremde) wurde mit Beendigung des Ausnahmezustandes am 7.5.2020 nach fast 2 Monaten wieder hergestellt. Der Ausnahmezustand war aufgrund der festgestellten COVID-19 Entwicklung am 15.3.2020 durch den Präsidenten verfügt worden (VB 11.5.2020).

Seit dem 22. Mai 2020 ist eine Ein- und Durchreise nach und durch Serbien wieder ohne jede Einschränkung möglich. Reisende erhalten an der Grenze ein zweisprachiges Informationsblatt über die zu beachtenden Maßnahmen (AA 3.6.2020).

Keine Einreisebeschränkungen mehr seit 22. Mai 2020 (IOM AVRR 26.5.2020).

Die Verfassung garantiert das Recht auf Reisefreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020). Die Bewegungsfreiheit wird aber nicht immer angemessen geschützt (BTI 29.4.2020).

Grundversorgung

Die Stärkung der serbischen Wirtschaft ist seit Jahren eines der innenpolitischen Hauptthemen. Als EU-Beitrittskandidat strebt Serbien nach Anpassung an die EU-Standards. Die Wirtschaftszahlen zeigen große Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung sowie eine leichte Besserung mit Blick auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung (AA 2.5.2019c).

Trotz erheblicher Reformanstrengungen und dem grundsätzlichen Umbau einer verstaatlichten, reglementierten und von starken Einbrüchen geprägten zu einer modernen Marktwirtschaft sieht sich Serbien auch nach einem Jahrzehnt grundlegenden Strukturproblemen gegenüber, welche die wirtschaftliche und Haushaltsstabilität bedrohen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).

Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote in Serbien bei rund 10,9%. Für das Jahr 2021 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 13% prognostiziert. Die Jugendarbeitslosenquote (bei 14 bis 24-jährigen) wird bei rund 32,05% geschätzt. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Serbien rund 50,5 Milliarden US-Dollar. Für das Jahr 2024 wird das BIP Serbiens auf rund 75,2 Milliarden US-Dollar prognostiziert. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien rund 7.223 US-Dollar. Im Jahr 2019 belief sich die durchschnittliche Inflationsrate in Serbien auf rund 2% gegenüber dem Vorjahr (Statista 24.4.2020).

Sozialbeihilfen

Armut in Serbien ist v.a. ein ländliches Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Zugleich ist das bisher gültige System der Sozialhilfe nicht angepasst an die Bedürfnisse der Bedürftigsten, es kommt bisher nur ein kleinerer Teil der Transferzahlungen bei Ihnen an. Mit Unterstützung der Weltbank hat die serbische Regierung in den letzten Jahren erste Schritte zu einer Reform des Sozialhilfesystems unternommen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).

Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Der Umfang der Aktivitäten, der seitens der Sozialämter angeboten wird, beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern, Familien mit drei oder mehr Kindern. Zusätzlich gibt es spezielle Unterstützung um Familiengewalt vorzubeugen. Sozialhilfe ist in Serbien kostenfrei. Das Sozialsystem ist für jeden serbischen Staatsbürger zugänglich (IOM Country Fact Sheet 2018).

Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld in Höhe von umgerechnet ca. 25 Euro ausbezahlt (AA 3.11.2019).

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist außerhalb der größeren Städte nicht überall gewährleistet (EDA 24.9.2019).

Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sind oft unzureichend. Vorwiegend in Belgrad existieren - oft private - Kliniken und Arztpraxen mit Ausstattungen, die europäischen Standards entsprechen (AA 23.9.2019b).

Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Die größten Krankenhäuser in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Um kostenlos behandelt zu werden, muss der Patient im Besitz einer staatlichen Krankenversicherung sein. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Abhängig von der Art der Krankenversicherung sowie der Anspruchsberechtigung, kann die Behandlung entweder kostenlos oder nur teilweise gedeckt sein. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der Familienmitglieder eine Krankenversicherung besitzen, sind Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente (serbische Ausweisdokumente, Geburtsurkunde und serbische Staatsbürgerschaft) beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können (IOM 1.4.2019).

Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar, auch können z.B. in Belgrad Bypassoperationen vorgenommen werden. Einsatz, Kontrolle und Wartung von Herzschrittmachern ist in Belgrad grundsätzlich möglich (nicht jedes Modell). Herz- und sonstige Organtransplantationen (mit Ausnahme der relativ häufigen Nierentransplantationen) werden gelegentlich durchgeführt, sind aber noch keine Routineoperationen. Im Juli 2018 wurde in Serbien ein Transplantationsgesetz und ein Gesetz über eine Organspenderdatenbank, welche jedoch bis heute nicht funktionsfähig ist, verabschiedet. Mehr als 1.000 Patienten warten auf eine Organtransplantation, während die Zahl der potentiellen Spender sehr gering ist (AA 3.11.2019).

Behandelbar sind in Serbien (keine abschließende Aufzählung): Diabetes mellitus (die Versorgung mit allen Arten von gängigen Insulinpräparaten ist regelmäßig und sicher), orthopädische Erkrankungen (auch kranken-gymnastische u.ä. Therapien), psychische Erkrankungen, u.a. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen (medikamentöse und psychologische Behandlung), Atemwegserkrankungen (u.a. Asthma bronchiale), Hepatitis B und C (abhängig von der Verfügbarkeit antiviraler Medikamente, die teilweise selbst gekauft werden müssen), Epilepsie, ein Großteil der Krebsformen, Nachsorge für Herzoperationen, Krebsoperationen, orthopädische Operationen etc. Dialyse wird bei Verfügbarkeit eines Platzes durchgeführt. Es gibt auch in Belgrad und Novi Sad private Zentren zur Dialyse. Diese beiden Kliniken haben Verträge mit der staatlichen Krankenversicherung abgeschlossen, wonach sie auch bei Bedarf auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung Dialysen durchführen können (AA 3.11.2019).

Psychische Krankheiten werden in Serbien vorwiegend medikamentös behandelt. Es besteht jedoch (wenn auch in begrenztem Umfang) auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, so gibt es z. B. für die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie Wartelisten. Neben dem Therapiezentrum in der Wojwodina existieren mittlerweile weitere Therapiezentren in Vranje, Leskovac und Bujanovac (Südserbien). Es gibt Kliniken für die Behandlung von Suchtkrankheiten. Schulen für Schüler mit Gehör- und Sprachschädigung sind in Serbien vorhanden. Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Spezielle (insbesondere ausländische, in Einzelfällen auch in Serbien hergestellte) Präparate sind jedoch in staatlichen Apotheken nicht immer verfügbar, können aber innerhalb weniger Tage auch aus dem Ausland bestellt werden, wenn sie für Serbien zugelassen sind. Für den Patienten fällt bei Vorlage eines vom Allgemeinarzt ausgestellten Rezeptes lediglich eine Beteiligungsgebühr von 50,- RSD an (ca. 0,50 Euro) (AA 3.11.2019).

COVID-19 Pandemie

Negative Journalistenberichte über unzureichende Gesundheitssicherheitsmaßnahmen für das eingesetzte medizinische Personal als auch die Sicherheitskräfte wurden von der Regierung umgehend zurückgewiesen. Es gab anfängliche logistische Probleme im ganzen Land die entsprechende Schutzausrüstung bereitzustellen. Zugleich hat Serbien enorme Anstrengungen mithilfe der EU, Chinas und Russlands unternommen, im medizinischen Bereich nachzurüsten, so beim Ankauf zahlreicher Beatmungsgeräte. Eine flächendeckende Versorgung mit der notwendigen medizinischen Ausrüstung scheint nach zwei Monaten COVID-19 Bekämpfung landesweit gegeben zu sein. Serbien hatte den ersten festgestellten COVID-19 Fall am 6.3.2020 im Land bestätigt und nachfolgend eine täglich ansteigende Fallzahl. Gesundheitspolitisch darf der Ausnahmezustand, welcher über 53 Tage (15.3. bis 7.5.2020) Gültigkeit hatte, als erfolgreich bezeichnet werden. Mit Stand 9.5.2020 hatte Serbien 10.032 Erkrankungsfälle und damit verbunden 213 Todesfälle (VB 11.5.2020).

Das Gesundheitsministerium der Republik Serbien hat eine Homepage bezüglich des möglichen Auftretens des Coronavirus (COVID-19) mit Informationen und Verhaltensregeln auf Englisch online gestellt, welche laufend aktualisiert wird (BMEIA 12.5.2020).

Auf dem Portal www.covid19.rs werden täglich Informationen zur Ausbreitung des Coronavirus aktualisiert und Empfehlungen zum Umgang mit der Situation sowie eine Hotline-Nummer sind dort veröffentlicht. Lockerungen seit 6.5.2020:

?        Alle Exportverbote, die während der Covid-19 Krise eingeführt wurden, sind wieder aufgehoben

?        Keine Ausgangssperren

?        Kein Einsatz von Militär für zivile Zwecke

?        Öffentliche Verkehrsmittel werden wieder den Betrieb aufnehmen

?        Handschuhe- und Schutzmaskenpflicht in öffentl. Verkehrsmitteln sowie Gaststätten

?        Kindergärten öffnen wieder, aber Schulen bleiben geschlossen (Unterricht online)

?        Kinos und Theater bleiben geschlossen

?        Abstandspflicht von 2 Metern und weiterhin Social Distancing

?        Größere Zusammentreffen (Feiern) erst ab 15. Juni erlaubt, derzeit sind Versammlungen im Innen- sowie Außenbereich bis 50 Personen unter Befolgung der Schutz- und Desinfektionsmaßnahmen zugelassen (WKO 8.5.2020).

Die Vorschriften im Zusammenhang mit dem neuen Coronavirus (COVID-19) ändern sich laufend (EDA 3.6.2020).

Die Modernisierung der Labore in Serbien wird von der EU mit 7,5 Millionen Euro unterstützt. Die EU hat insgesamt 38 Millionen Euro Soforthilfe an die sechs Nicht-EU-Staaten auf dem Balkan - etwa für Beatmungsgeräte - zur Verfügung gestellt. Das weitaus meiste Geld davon (nämlich 15 Millionen) bekam Serbien, um die fünf Flugtransporte mit den Hilfsgütern zu bezahlen. In Serbien wurden bisher etwa 26.000 Personen getestet, davon waren über 4.800 positiv, das sind etwa 5,4 %. Problematisch ist zurzeit vor allem, dass das Virus sich auch in zwölf Heimen verbreitet hat - darunter zwei Heime für Behinderte. Der serbische Präsident selbst hatte angegeben, dass Serbien von China einige Beatmungsgeräte geschenkt bekommen habe und einige von China eingekauft habe (DS 16.4.2020).

Rückkehr

Seit dem 22. Mai 2020 ist eine Ein- und Durchreise nach und durch Serbien wieder ohne jede Einschränkung möglich. Reisende erhalten an der Grenze ein zweisprachiges Informationsblatt über die zu beachtenden Maßnahmen (AA 3.6.2020).

Keine Einreisebeschränkungen mehr seit 22. Mai 2020 (IOM AVRR 26.5.2020).

(Für nähere Informationen zum Ausnahmezustand und zur Bewegungsfreiheit, siehe Abschnitt „Bewegungsfreiheit“.)

Durch das StarthilfePlus - Level D Programm, bietet IOM Serbien konkrete Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrenden an. Außerdem stellt das DIMAK Beratungszentrum (Deutsches Informationszentrum für Migration, Ausbildung und Karriere in Serbien) durch sein “Build Your Future”-Programm immaterielle Unterstützung bei der Reintegration zur Verfügung. Das Programm klärt darüber auf, welche Möglichkeiten es für die Betroffenen in Serbien gibt (inklusive Weiterbildungsmöglichkeiten) und unterstützt bei der Jobbewerbung. Zusätzlich organisiert DIMAK in Zusammenarbeit mit Firmen, die neues Personal suchen, regelmäßig Berufsmessen in Serbien. Nach der Rückkehr sollte die rückkehrende Person sich bei relevanten Behörden und Stellen (wieder) anmelden; dazu ist unbedingt der Personalausweis erforderlich - dieser kann, falls nötig, bei einer lokalen Polizeistelle beantragt werden; sich für die (staatliche) Krankenversicherung/Rentenversicherung anmelden; Sozialhilfe beantragen; Stellen kontaktieren, die bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützen; die Anmeldung bei Kinderbetreuung, Schule und weitere Bildungsinstitutionen in die Wege leiten (IOM 2019).

Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt wurden, können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u.ä. findet nicht statt, sofern nicht in Serbien aus anderen Gründen Strafverfahren anhängig sind. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Als erste Anlaufstelle für Rückkehrer dient ein Wiederaufnahmezentrum für Rückgeführte am Flughafen Belgrad, das eine Informationsbroschüre auf Deutsch, Serbisch und Romanes bereithält, die u.a. Fragen zur Registrierung und den dafür erforderlichen Unterlagen sowie Kontakttelefonnummern enthält (AA 3.11.2019).

1.5. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 11.01.2021 28.673 bestätigte Fälle von aktuell mit dem Corona-Virus infizierten Personen, 381.035 laborbestätigte Fälle, 345.660 genesene Fälle und 6.702 bestätigte Todesfälle; in Serbien wurden zu diesem Zeitpunkt 359.689 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 3.582 diesbezügliche Todesfalle bestätigt wurden.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen hinsichtlich des Namens des BF, seines Geburtsdatums und seiner Staatsangehörigkeit werden anhand der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des serbischen Reisepasses getroffen, der nicht von der serbischen Koordinationsdirektion ausgestellt worden ist.

Die Feststellungen hinsichtlich seines Lebensmittelpunktes, seiner beruflichen Selbstständigkeit, der Schwangerschaft seiner Ehefrau und seiner sonstigen familiären Anknüpfungspunkte in Serbien gründen sich auf seine eigenen Angaben im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 02.08.2020 sowie auf die Einvernahme seiner Ex-Gattin als Zeugin im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen hinsichtlich des Lebensmittelpunktes der Ex-Frau bzw. des Sohnes der BF, des regelmäßigen Kontaktes sowie der familiären Anknüpfungspunkte des BF in Österreich erfolgen einerseits anhand seiner eigenen Angaben im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 02.08.2020, andererseits anhand der Angaben seiner Ex-Frau im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.12.2020.

Die Feststellung, dass der BF an keinen die Schwelle der Art. 2 und 3 EMRK erreichenden Krankheiten, die eine Rückkehr nach Serbien unzulässig machen würden, leidet, ergibt sich daraus, dass der BF weder derartige Umstände im Zuge des Verfahrens vorgebracht hat, noch derartige Umstände amtswegig hervorgetreten sind.

Die Feststellung, dass der BF das österreichische Bundesgebiet spätestens im August 2018 verlassen hat, ergibt sich einerseits anhand des Beschlusses des LGSt Wien vom XXXX .2018, mit welchem die mit Urteil des LGSt Wien vom XXXX .2017 gegen den BF in der Dauer von 2 Jahren verhängte Freiheitsstrafe für eine Probezeit von 3 Jahren endgültig bedingt nachgesehen worden ist und in welchem der Therapieabschlussbericht mit dem XXXX 2018 datiert ist, andererseits anhand des ZMR-Auszugs, wonach der BF bis zum 01.02.2017 in Österreich gemeldet gewesen ist. Hierzu gab die Zeugin glaubwürdig an, dass sich ihr Ex-Gatte mit Ende der gesundheitsbezogenen Maßnahme wieder zurück nach Serbien begeben habe um dort ein neues Leben zu beginnen.

Die Feststellung, dass er am XXXX 2020 nach Serbien abgeschoben worden ist, erfolgt anhand des vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszugs aus dem Zentralen Fremdenregister und den Daten der Anhaltedatei des BMI.

2.2. Zur Straffälligkeit des Beschwerdeführers bzw. zur vom BF ausgehenden Gefährlichkeit

Die Feststellungen hinsichtlich der strafrechtlichen Bescholtenheit des BF werden anhand des eingeholten Strafregisterauszuges sowie der im Verwaltungsakt einliegenden Urteile des LGSt Wien getroffen.

Die Feststellung, dass der BF aufgrund seiner mehrfachen strafrechtlichen Verurteilungen eine nicht unerhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, gründet sich insbesondere auf seine letzte Verurteilung wegen Suchtgifthandels, weil es sich dabei einerseits nicht um seine erste Verurteilung nach dem SMG, andererseits auch um eine erhebliche Menge an Suchtgift gehandelt hat. Zudem ist anhand der begangenen Taten eine kontinuierliche Zunahme der Schwere der begangenen Straftaten zu beobachten.

So wurde der BF mit Urteil des LGSt Wien vom XXXX 2017 wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels gem. § 28 Abs. 1 fünfter Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gem. § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Demnach hatte der BF vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain in einer das Zwölffache der Grenzmenge übersteigenden Menge, überlassen, und zwar von Sommer bis Dezember 2015 zumindest 15 Gramm von zumindest durchschnittlicher Straßenqualität von 20% durch gewinnbringenden Verkauf sowie am 24.06.2016 insgesamt 298,5 Gramm brutto durch gewinnbringenden Verkauf um € 15.000. Zudem hatte der BF vorschriftswidrig Suchtmittel erworben und besessen, und zwar 22,3 Gramm Kokain, 2,2 Gramm Marihuana sowie weitere 25 Gramm Kokain.

Dies war jedoch nicht die erste Verurteilung des BF nach dem SMG:

Mit Urteil des LGSt Wien vom XXXX .2014 wurde er wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift gem. § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgift gem. § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter und dritter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe (6 Monate) unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Allerdings wurde der BF im Urteil des LGSt Wien vom XXXX .2017 auch wegen des Vergehens gem. § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG verurteilt, weil er, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Schusswaffe der Kategorie B, nämlich einen Revolver NHM, besessen hatte. Dieser Umstand untermauert nochmals die Annahme, dass der BF eine nicht unerhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Der unbefugte Besitz eines Revolvers zeugt jedenfalls von einem gewissen Gewaltpotenzial des BF in der Vergangenheit.

Die Verurteilung des BF mit Urteil des LGSt Wien vom XXXX .2010, mit dem er wegen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden gem. §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt wurde, weil er falsche ausländische öffentliche Urkunden, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind, im Rechtsverkehr gebraucht hatte, indem er sich mit einem gefälschten slowenischen Reisepass anlässlich der Unterfertigung eines Gesellschaftsvertrages und der Eröffnung eines Bankkontos ausgewiesen hatte, passen ebenso in dieses Bild wie seine Verurteilung mit Urteil des LGSt Wien vom 29.04.2013 wegen des Verbrechens der Verleumdung gem. § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB, des Vergehens der falschen Beweisaussage gem. § 288 Abs. 1 und 4 StGB und des Vergehens der Hehlerei gem. § 164 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 4 Euro, weil der BF eine andere Person bewusst falsch des Raubes verdächtigt, dadurch zudem als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren vor der Kriminalpolizei falsch ausgesagt und überdies ein Mobiltelefon gekauft hatte, wobei er aufgrund der äußeren Umstände davon ausgehen hätte müssen, dass dieses Mobiltelefon aus einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen gestammt hatte.

Im Gegenzug ist aber ebenso zu berücksichtigen, dass sich – was in Verfahren wie dem ggst. höchst selten vorkommt – der BF nicht nur vollständig und erfolgreich der angeordneten Psychotherapie, wegen derer er Strafaufschub gemäß § 39 SMG erhielt, unterzogen hat und im Anschluss auch ohne Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen ihn unmittelbar freiwillig in sein Heimatland zurückbegeben hat und dort auch wieder seinen Lebensmittelpunkt hat. Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der Angaben des BF und auch der Aussage der Zeugin auch durchaus den Eindruck, dass der BF Verantwortung für seine Straftaten übernommen hat und sich vor allem jenen Umständen gestellt hat, die zu seinen Straftaten geführt haben. Diese dürften vor allem auch in der Suchtmittelabhängigkeit des BF gelegen sein, die der BF nach Absolvierung der vom LGSt Wien angeordneten Therapie aber offenbar erfolgreich überwinden konnte. In Summe ist daher zwar von Fortbestehen einer gewissen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den BF auszugehen, da der Beobachtungszeitraum seit der letzten Verurteilung angesichts der Schwere der Straftat zu kurz ist, um einen vollständigen Wegfall der Gefährdung anzunehmen. Dennoch ist bei Berücksichtigung obiger Umstände nur noch von einer moderat schwerwiegenden Gefährdung durch den BF auszugehen.

2.3. Zum Vorgehen des Bundesamtes:

Dass das Bundesamt zwischen Jänner 2017 und Jänner 2019 keine nennenswerten Verfahrens- und Ermittlungsschritte setze, geht aus dem Verwaltungsakt hervor. Es überwiegt für das Bundesverwaltungsgericht vielmehr der Eindruck, das Bundesamt habe den ggst. Akt im Jänner 2017 bereits auf Jänner 2019 zur Wiedervorlage kalendiert.

Es ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, warum das Bundesamt - auch wenn eine Rückkehrentscheidung für die Dauer des Strafaufschubs nach § 39 SMG nicht durchsetzbar ist – zumindest während dieser Zeit nicht weitere Verfahrensschritte gesetzt hat, um zeitnah zum Ende des Strafaufschubs mit Ergehen des Beschlusses über die endgültige bedingte Strafnachsicht nach § 40 SMG, oder sogar schon vor dessen Ergehen eine aufenthaltsbeende Maßnahme zu erlassen.

2.4. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach Serbien

Die Feststellung, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Serbien weder asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK noch eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK droht, wird einerseits anhand des Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaatenverordnung (HStV), andererseits anhand den Feststellungen zur Person des BF, wonach er seinen Lebensmittelpunkt in Serbien hat und selbstständig erwerbstätig ist, getroffen.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Serbien

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Serbien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

2.5. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund es Corona-Virus

Die unter Pkt. II.1.4. getroffenen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen, vgl. etwa:

https://covid19-dashboard.ages.at/dashboard.html

https://covid19.who.int/region/euro/country/rs

https://orf.at/corona/daten/oesterreich

https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/

(Zugriff jeweils am 18.01.2021)

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

3.1. Zur Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und ist gemäß Z 10 leg. cit. Drittstaatsangehöriger jeder Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der BF ist aufgrund seiner serbischen Staatsangehörigkeit demnach Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gem. § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.

Gem. § 31 Abs. 1a FPG halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn kein Fall des Abs. 1 vorliegt.

Serbische Staatsangehörige, deren Reisepass nicht von der serbischen Koordinationsdirektion ausgestellt ist, und die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind sind gemäß Art. 4 Abs. 1 iVm Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.11.2018 (Visumpflichtverordnung) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der BF als serbischer Staatsangehöriger und Inhaber eines Reisepasses, der nicht von der Serbischen Koordinationsdirektion ausgestellt worden ist, womit er grundsätzlich bei der Einreise nach Österreich für die Dauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen von der Visumspflicht befreit ist. Das Bundesamt hat sich jedoch mit diesem Umstand im angefochtenen Bescheid in keinster Weise auseinandergesetzt und als zuständige Fremdenbehörde seinen Bescheid schon dadurch in diesem Punkt mit Willkür belastet, als es den vorgeworfenen unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in keiner Weise begründet hat. Viel mehr ist die Feststellung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF lediglich anhand des Umstandes erfolgt, dass der BF seit dem 02.02.2017 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet war und „dass die Landespolizeidirektion Wien den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers festgestellt habe“. Das Bundesamt bedarf an dieser Stelle daher offenbar der nachdrücklichen Erinnerung, dass es selbst als zuständige Fremdenbehörde nach dem FPG und BFA-VG die notwendigen Ermittlungen und Feststellungen über die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Fremden in den vom Bundesamt zu führenden Verfahren zu treffen hat. Die LPD Wien ist demgegenüber nicht Fremdenbehörde, eine bloße Anzeige wg. möglicher Übertretungen des FPG keine „Feststellung eines unrechtmäßigen Aufenthalts“ und unter keinen Umständen gar eine Vorfrageentscheidung iSd § 38 AVG.

Ungeachtet dieser erheblichen Begründungsmängel erweist sich der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet - wenn auch aus gänzlich anderen als jenen vom Bundesamt angenommen Gründen - als unrechtmäßig:

Gem. Art. 6 Abs. 1 lit e VO (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) gilt für einen Drittstaatsangehörigen für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, als Einreisevoraussetzung, dass der Drittstaatsangehörige keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein darf.

Nach der Rsp. des EuGH (EuGH vom 12.12.2019, C-380/18) ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) 2016/399 dahingehend auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Praxis nicht entgegensteht, nach der die zuständigen Behörden eine Rückkehrentscheidung gegenüber einem sichtvermerksfreien Drittstaatsangehörigen, der sich für einen kurzen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten befindet, erlassen können, weil dieser wegen des Verdachts der Begehung einer Straftat als Gefahr für die öffentliche Ordnung angesehen wird, sofern diese Praxis nur dann zur Anwendung gelangt, wenn diese Straftat zum einen angesichts ihrer Art und der drohenden Strafe eine hinreichende Schwere aufweist, um die sofortige Beendigung des Aufenthalts dieses Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu rechtfertigen, und zum anderen die zuständigen Behörden über übereinstimmende, objektive und eindeutige Indizien verfügen, die ihren Verdacht stützen, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

Zusammengefasst ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) des Schengener Grenzkodex dahingehend auszulegen, dass gegen einen sichtvermerksfreien Drittstaatsangehörigen, der sich für einen kurzen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten befindet, eine Rückkehrentscheidung erlassen werden kann, wenn dieser wegen des Verdachts der Begehung einer hinreichend schweren Straftat als Gefahr für die öffentliche Ordnung angesehen wird. Daraus folgt iSe Argumentum a minori ad maius, dass wenn ein Drittstaatsangehöriger sogar wegen des Verdachts der Begehung einer hinreichen schweren Straftat als Gefahr für die öffentliche Ordnung iSd zitierten Bestimmung angesehen werden kann, dies umso mehr für den Fall zu gelten hat, wenn der Drittstaatsangehörige, wie im Falle des BF, sogar rechtskräftig wegen schwerer Straftaten verurteilt worden ist, wozu Suchtgifthandel jedenfalls zu zählen ist.

Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet erweist sich daher gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 und Abs. 1a FPG iVm Art. 6 Abs. 1 lit. e) Schengener Grenzkodex als unrechtmäßig, da der Aufenthalt des BF im Schengenraum eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt (vgl. auch Punkt II.3.5).

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (§ 57 AsylG 2005):

Der in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erfolgte Abspruch in Bezug auf § 57 AsylG 2005 hat seine Grundlage in § 58 Abs. 1 Z. 5 AsylG 2005, wonach das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen hat, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt. Die BF hält sich nun zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) nicht mehr im Bundesgebiet auf.

Damit ist die Voraussetzung für die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 weggefallen, weshalb Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben war (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rz 23).

3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheindung):

Nach den Feststellungen des Bundesamtes wäre der Aufenthalt des BF, wie unter II.3.1. ausgeführt, als rechtmäßig zu qualifizieren gewesen, jedoch war der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet durch Verletzung Art. 6 Abs. 1 lit. e) des Schengener Grenzkodex von Beginn an unrechtmäßig. Nur deshalb ist die Stützung der Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG zu Recht erfolgt.

Allerdings hält sich der BF zum Zeitpunkt dieser Entscheidung in Serbien auf und befindet sich somit nicht mehr im Bundesgebiet.

In der Entscheidung vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf den relevanten Prüfumfang bei Rückkehrentscheidungen nach § 52 Abs. 1 FPG bei zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr vorliegendem Inhaltsaufenthalt des Fremden weiters folgende maßgebliche Ausführungen getroffen (Hervorhebungen nicht im Original):

„Es entspricht allgemeinen Grundsätzen, dass das BVwG im Beschwerdeverfahren bei Erlassung seines Erkenntnisses von der im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszugehen hat (siehe nur VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076, VwSlg. 18.953A, Punkt IV. B. 5.1. der Entscheidungsgründe; siehe aus jüngerer Zeit, auf das genannte Erkenntnis verweisend, auch VwGH 19.9.2017, Ra 2016/18/0381, Rn. 9;).

§ 52 Abs. 8 zweiter Satz FPG sieht das ausdrücklich ‚auch‘ für den Fall einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vor, wenn sich der Drittstaatsangehörige zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält;

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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