TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/26 W167 2193971-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.01.2021
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Entscheidungsdatum

26.01.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W167 2193971-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) 16

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am XXXX vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er in Afghanistan Hilfsarbeiten für XXXX gemacht habe. Aufgrund dieser Tätigkeiten sei der Beschwerdeführer sowie auch sein Vater von den Taliban entführt worden. Dem Beschwerdeführer sei die Flucht gelungen, der Aufenthaltsort seines Vaters sei jedoch weiterhin unbekannt. Aus Angst vor den Taliban habe der Beschwerdeführer dann beschlossen, das Land zu verlassen.

2. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: „belangten Behörde“) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst im Wesentlichen vor, in Afghanistan, in der Provinz Ghazni geboren worden und in verschiedenen Städten dieser Provinz aufgewachsen zu sein. Er habe in seiner Heimat fünf Jahre lang die Schule besucht und anschließend gemeinsam mit seinem Vater ca. 8-9 Monate XXXXgearbeitet. Er habe in seiner Heimat bereits geheiratet, seine Ehefrau halte sich weiterhin in Afghanistan bei seiner Mutter und bei seiner Schwester auf.

Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, von den Taliban entführt, bedroht und geschlagen worden zu sein, weil er für die XXXX gearbeitet habe. Die Taliban hätten zu ihm gesagt, dass sie ihn an einen anderen Ort bringen und töten würden. Dorthin unterwegs seien die Taliban jedoch von Soldaten der Armee aufgehalten und angegriffen worden. Dabei sei der Beschwerdeführer befreit worden. Der Vater des Beschwerdeführers sei ebenfalls von den Taliban entführt worden und seither nicht wiederaufgetaucht.

3. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Jedoch wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zur Nichtzuerkennung der Asylberechtigung im Wesentlichen ausgeführt, dass die angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatstaates weder asylrelevant noch glaubhaft wären. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Minderjährigkeit im Falle einer Rückkehr in eine wirtschaftliche und finanzielle Notlage geraten würde und bis zum Erreichen der Volljährigkeit eine Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK nicht ausgeschlossen werden könne.

Dem Beschwerdeführer wurde ein Rechtsberater beigegeben.

4. Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere unvollständiger Sachverhaltserhebung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung Beschwerde. Hinsichtlich der Verletzung von Verfahrensvorschriften wurde vorgebracht, dass die belangte Behörde ihren Ermittlungspflichten, welche im Falle von Minderjährigen nochmals erhöht wären, nicht nachgekommen sei. Die belangte Behörde habe sich etwa nicht mit der kinderspezifischen Verfolgung oder mit der Verfolgungsgefahr der sozialen Gruppe der Minderjährigen befasst. Weiters wären die Ermittlungen hinsichtlich der Länderberichte und im Hinblick auf das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative mangelhaft geführt worden. Der Beschwerdeführer gehöre zahlreichen Risikogruppen (Minderjähriger, Hazara, verwestlich wahrgenommene Person oder auch jemand, der mit den internationalen Streitkräften verbunden ist oder diese vermeintlich unterstützt) in Afghanistan an. Folglich seien die Feststellungen der belangten Behörde, wonach dem Beschwerdeführer lediglich aufgrund der Minderjährigkeit subsidiärer Schutz gewährt wurde, unrichtig. Die belangte Behörde habe insgesamt nicht mit der gebotenen Tiefe ermittelt und hätte bei ausreichender Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers und einer entsprechenden rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis gelangen müssen, dass der Beschwerdeführer asylrelevanter Gefahr ausgesetzt ist. Folglich hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuerkennen müssen.

5. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Dari u.a. eingehend zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil. Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Fluchtvorbringen aufrecht und brachte im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstmals vor, nunmehr von seiner Ehefrau geschieden zu sein. Die Scheidung sei auf Wunsch des Beschwerdeführers erfolgt und die Familie seiner nunmehrigen Ex-Ehefrau sei damit nicht einverstanden gewesen. Zudem sei der Beschwerdeführer mittlerweile aus dem Islam ausgetreten und derzeit ohne Religionsbekenntnis. Zusätzlich zur Bedrohung durch die Taliban habe der Beschwerdeführer daher im Falle einer Rückkehr Gefahr vom Ex-Schwiegervater aufgrund der von ihm initiierten Scheidung sowie Gefahr von anderen Menschen aufgrund seines Glaubensabfalls zu befürchten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan, in der Provinz Ghazni, XXXX geboren. Im Alter von ca. 2 Jahren ist er mit seiner Familie innerhalb der Provinz XXXX XXXX übersiedelt. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari, er spricht nach eigenen Angaben ein wenig Paschtu und mittlerweile auch Deutsch. Er ist in seiner Herkunftsprovinz im Familienverband aufgewachsen und mit den kulturellen Gepflogenheiten und Traditionen seines Herkunftsstaates vertraut. Er hat ca. fünf Jahre lang die Schule besucht und im Anschluss daran XXXX mitgearbeitet.

Neben seinen Eltern hat der Beschwerdeführer noch XXXX . Die Mutter und eine Schwester leben weiterhin an der letzten gemeinsamen Wohnadresse. Die Familie besitzt dort ein Grundstück. Der Aufenthaltsort des Vaters ist unbekannt. Ein Onkel mütterlicherseits lebt ebenfalls in Afghanistan, in XXXX . Die finanzielle Situation der Familie war nach Angaben des Beschwerdeführers sehr gut, der Lebensunterhalt wurde durch das Einkommen des Vaters, der Schwester und des Beschwerdeführers bestritten. Die Mutter des Beschwerdeführers ist Hausfrau. Der Beschwerdeführer hat zu seiner Mutter und Schwester in der Heimat regelmäßig telefonischen Kontakt.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Einreise minderjährig, ist nunmehr aber volljährig. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr XXXX aus Afghanistan aus, gelangte über die Länder Pakistan, Iran, Türkei, Griechenland und von dort über eine nicht feststellbare Route unter Umgehung der Grenzvorschriften ins österreichische Bundesgebiet und stellte am XXXX den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer war daher in Afghanistan weder wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Schiiten noch wegen seiner Volksgruppezugehörigkeit zu den Hazara konkret und individuell physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer hatte keinen Kontakt zu den Taliban, er wird von diesen auch nicht gesucht. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten und übt derzeit keine religiösen Riten, wie Beten, Fasten oder den Besuch einer Moschee aus. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vom islamischen Glauben abgefallen ist. Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan aufgrund eines auch nur unterstellten Abfalles vom islamischen Glauben keine Gefahr der physischen oder psychischen Gewalt. Er tritt nicht spezifisch gegen den Islam oder gar religionsfeindlich auf. Es ist niemandem in Afghanistan bekannt, dass der Beschwerdeführer in Österreich angegeben hat, kein Moslem mehr zu sein.

Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.

Hinweise auf sonstige dem volljährigen Beschwerdeführer individuell drohende Gefahren wurden weder substantiiert vorgebracht, noch ergaben sich solche aus den Länderberichten

1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 mit Stand 18.05.2020 (LIB),

-        UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR),

-        EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO),

-        EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Stand Jänner 2018 (EASO Netzwerke),

-        ACCORD-Anfragebeantwortung a-10159 vom 1. Juni 2017 zu Afghanistan: Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen, die Kritik am Islam äußern, 4) Per-sonen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa (jeweilige rechtliche Lage, staatliche und gesellschaftliche Behandlung, Diskriminierung, staatlicher bzw. rechtlicher Schutz bzw. Schutz durch internationale Organisationen, regionale Unterschiede, Möglichkeiten zur Ausübung des christlichen Glaubens, Veränderungen hinsichtlich der Lage der christlichen Gemeinschaft) (ACCORD)

Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen anderen gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 2). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 2).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police). Die ANA untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig, ihre primäre Aufgabe ist jedoch die Bekämpfung der Aufständischen innerhalb Afghanistans. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul (LIB, Kapitel 4).

Die Provinz Ghazni gehörte im Mai 2019 zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben Dem Verteidigungsminister zufolge, sind in der Provinz mehr Taliban und Al-Qaida-Kämpfer aktiv, als in anderen Provinzen. Dem Innenminister zufolge, hat sich die Sicherheitslage in der Provinz verschlechtert und die Taliban erlitten bei jüngsten Zusammenstößen schwere Verluste.

Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 20).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 20).

Der durchschnittliche Lohn beträgt in etwa 300 Afghani (ca. USD 4,3) für Hilfsarbeiter, während gelernte Kräfte bis zu 1.000 Afghani (ca. USD 14,5) pro Tag verdienen können (EASO Netzwerke, Kapitel 4.1).

In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5 % der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80 % der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5 % erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 16).

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9-10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild. Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan. Es bestehen keine sozialen oder politischen Stammesstrukturen (LIB, Kapitel 16.3).

Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen (LIB Kapitel 16.3). Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, dies steht im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen weiterhin zu Konflikten und Tötungen. Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen – inklusive der schiitischen Hazara – halten an (LIB, Kapitel 16.3).

Religionen

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 15).

Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 - 19% geschätzt. Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die Jafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten). 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten, die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen (LIB, Kapitel 15.1). Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25-30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (LIB, Kapitel 15.1).

Apostasie (Arabisch: ridda) wird in der klassischen Scharia als "Weggehen" vom Islam verstanden und ein Apostat (Arabisch: murtadd) ist ein Muslim, der den Islam verleugt, wobei sich der Apostat nicht unbedingt einer neuen Glaubensrichtung anschließen muss. Artikel 130 der afghanischen Verfassung ist hinsichtlich Apostasie und Blasphemie relevant. Im afghanischen Strafgesetzbuch existiert keine Definition von Apostasie sondern ermöglicht den Gerichten bei Blasphemie, Apostasie und Konversion gemäß dem Scharia-Recht der Hanafi-Rechtsschule und den sogenannten "hudud"-Gesetzen, die Vergehen gegen Gott umfassen, zu entscheiden. Auch die Scharia zählt Apostasie zu den sogenannten "hudud"-Vergehen und sieht für Apostasie wie auch für Blasphemie die Todesstrafe vor. UNHCR weist darauf hin, dass in Afghanistan Apostasie als Straftat behandelt wird, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist. Für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie vorgeworfen werden besteht nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte. Es sind allerdings nur sehr wenige Fälle von „Ungläubigen“ bzw. Apostaten bekannt. Aus dem Berichtsjahr sind keine Fälle von tätlichen Übergriffen, Inhaftierungen, Festnahmen oder Strafverfolgung wegen Apostasie bekannt. Für gebürtige Muslime ist ein Leben in der afghanischen Gesellschaft eventuell möglich, ohne dass sie den Islam praktizieren würden oder sogar dann, wenn sie „Apostaten“ bzw. „Konvertiten“ würden. Solche Personen seien in Sicherheit, solange sie darüber Stillschweigen bewahren würden. Dinge, von denen man gemeinhin annimmt, dass man sie nur tun könne, wenn man vom Islam abfällt (wie z. B. Bier trinken) sind in Afghanistan verbreitet. Es gibt viele Muslime, die nicht regelmäßig die Moschee besuchen, somit kommt jemand der nicht in die Moschee geht, nicht automatisch dadurch in den Verdacht, etwa zum Christentum übergetreten zu sein. Zu besondere Anlässen (Begräbnissen, Hochzeiten) geht ohnehin jeder in die Moschee, derlei Dinge haben dann nicht mehr unbedingt einen religiösen Charakter. Eine Person wird auch nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt, zumal es auch für strenggläubige Muslime legitime Gründe geben kann, religiösen Zeremonien fernzubleiben. Inwieweit der Verzicht auf die Befolgung religiöser Rituale und Vorschriften Aufmerksamkeit erregt, ist unterschiedlich und kann von geographischen Unterschieden aber auch von der ethnischen und religiösen Gruppe abhängen, wobei die Schiiten toleranter sind als die Paschtunen. (ACCORD, Punkte 1 und 4)

Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 10). Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1). Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2). Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer, davon rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten und der Rest ist Teil der lokalen Milizen. Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB, Kapitel 2). Die Taliban sind keine monolithische Organisation; nur allzu oft werden die Taliban als eine homogene Einheit angesehen, während diese aber eine lose Zusammenballung lokaler Stammesführer, unabhängiger Warlords sowie abgekoppelter und abgeschotteter Zellen sind (LIB, Kapitel 2). Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel – die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).

Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte. Die Taliban setzen Aktivitäten, um das Bewusstsein der Bevölkerung um COVID-19 in den von diesen kontrollierten Landesteilen zu stärken. Sie verteilen Schutzhandschuhe, Masken und Broschüren, führen COVID-19 Tests durch und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen an (LIB, Landesspezifische Anmerkungen COVID-19). Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (LIB, Landesspezifische Anmerkungen COVID-19). Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "Fehlverhalten", unter anderem Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges, oder Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer „feindlicher“ Regierungen, Kollaborateure oder Auftragnehmer der afghanischen Regierung oder des ausländischen Militärs, oder Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperationen an die Taliban zu binden. Diese Personen können einer „Verurteilung“ durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlich „feindseligen“ Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen. (Landinfo 1, Kapitel 4)

Situation für Rückkehrer*innen

Im Zeitraum vom 01.01.2019 bis 04.01.2020 kehrten insgesamt 504.977 Personen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurück: 485.096 aus dem Iran und 19.881 aus Pakistan. Seit 01.01.2020 sind 279.738 undokumentierte Afghan/innen aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 22).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen (LIB, Kapitel 22 und ACCORD Punkt 5). Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 22). Darüber hinaus sind sie damit konfrontiert, dass sie den Erwartungen der Familie durch die Rückkehr nicht entsprochen haben und werden mit Söhnen aus anderen Familien verglichen, die ihren Familien regelmäßig Geld oder Güter aus dem Ausland schicken würden. (ACCORD Punkt 5)

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Sprachkenntnissen, Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass er in seiner Heimat im afghanischen Familienverband aufgewachsen ist. Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht festgestellt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Angaben im Einleitungssatz dienen lediglich der Identifizierung im Asylverfahren. Da es sich lediglich um eine Verfahrensidentität handelt, wurde die von der belangten Behörde gewählte Schreibweise beibehalten, obwohl der Beschwerdeführer bereits bei der belangten Behörde (Einvernahme S. 4, VwAkt S. 76) sowie in der Verhandlung eine andere Schreibweise seines Namens (OZ 16, S. 5 f.) geltend machte.

Der Beschwerdeführer gab erstmals in der Verhandlung an, keinen Glauben mehr zu haben (OZ 16, S. 12 f.). Aus der vorgelegten Übernahmebestätigung der belangten Behörde vom XXXX ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Aberkennungsverfahrens eine Bestätigung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft über den Religionsaustritt vorgelegt hat. In der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich dazu befragt, weshalb er sich vom Islam abgewendet hat (OZ 16, S. 18 ff.). Der Beschwerdeführer führte u.a. aus, „Wenn man Moslem ist, glauben viele, dass man ein Terrorist ist, ich glaube einfache nicht daran, aber ich respektiere die Religionen.“ (OZ 16, S. 18). Ausgetreten sei der Beschwerdeführer nicht früher, weil er „leider die Gelegenheit nicht bekommen“ habe und er auch „immer in der Schule“ gewesen sei, „aber so habe ich nie an en Islam geglaubt“. Ausgetreten sei der Beschwerdeführer, weil er seine „Religion auch auf dem Papier“ bzw. „dem Bescheid“ ändern wollte, er habe bereits in Afghanistan nicht an den Islam geglaubt, komme aber aus einer religiösen Familie und musste dort beten. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der Beschwerdeführer erst im Rahmen des Aberkennungsverfahrens eine diesbezügliche Austrittsbestätigung vorgelegt hat. Ausschlaggebend ist allerdings, ob der Beschwerdeführer sich ernsthaft von der islamischen Religion abgewendet hat. Das hat er in der Verhandlung nicht vermitteln können, da er insbesondere keine konkreten Gründe für eine Abwendung von der islamischen Religion angeben konnte und trotz Nachfragen sehr oberflächlich blieb und sich auf die Widergabe von Stereotypen (Wahrnehmung von Muslimen als Terroristen bzw. die Verpflichtung zum Beten, Fasten und das Verbot des Konsums von Alkohol und Schweinefleisch) beschränkte, aber keine persönlichen Beweggründe angeben konnte. Auch seine Angabe, dass er seiner Mutter von seinem Religionsaustritt erzählt habe (OZ 16, S. 19), erscheint nicht glaubhaft, da kein Grund ersichtlich ist, die im Ausland lebende Mutter – welche nach Darstellung des Beschwerdeführer religös ist („Ich komme aus einer religiösen Familie …“) – darüber zu informieren. Auch wenn nicht verkannt wird, dass der Beschwerdeführer in Österreich erfahren haben wird, dass die Nichtausübung einer Religion bzw. die Abwendung davon möglich ist, so finden sich in den Aussagen des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte für eine innere Abkehr vom Islam, mag der Beschwerdeführer auch in Österreich beispielsweise im Ramadan nicht fasten. Daher ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer weiterhin als schiitischer Muslim ist bzw. im Falle einer Rückkehr als solcher wahrgenommen wird (siehe dazu auch die Ausführungen zum Fluchtvorbringen).

Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er gemeinsam mit seinem Vater XXXX gearbeitet hat (siehe dazu die Ausführungen zum Fluchtvorbringen).

Die Feststellungen zum Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen ergeben sich aus seinen glaubhaften Aussagen im gesamten Asylverfahren. Dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat traditionell geheiratet hat, wurde bereits von der belangten Behörde als lediglich bedingt glaubwürdig gewertet. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer erstmals vor, nunmehr geschieden zu sein. Da der Beschwerdeführer weder Belege für die behauptete Eheschließung noch für die Scheidung vorlegen konnte, und auch die Nachfragen der Richterin in der Verhandlung zur Ehe bzw. Beendigung (OZ 16, S. 7 ff) keine ausreichend substantiierten Angaben machte, sind die Angaben dazu nicht glaubhaft.

Dass der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt per Videotelefonie zu seiner Mutter und zu seiner Schwester hat, ergibt sich aus der Aussage des Beschwerdeführers zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Ausreise aus Afghanistan ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Aus dem verwaltungsbehördlichen Verfahren und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe bzw. die Gründe für seine Ausreise umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel oder Belege vorzulegen. Er wurde auch zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe und zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatlandes minderjährig war. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich und die Dichte dieses Vorbringens kann nicht mit „normalen Maßstäben“ gemessen werden. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ist entsprechend diesen höchstgerichtlichen Vorgaben eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung erforderlich (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0150).

Der Beschwerdeführer hat zunächst die Verfolgung durch die Taliban als Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates ins Treffen geführt. Demnach sei der Beschwerdeführer aufgrund seiner (beruflichen) Hilfstätigkeiten XXXX entführt, geschlagen und bedroht worden. Die Taliban hätten zu ihm gesagt, dass er ein „Ungläubiger“ sei und sie ihn an einen anderen Ort bringen und töten würden. Dorthin unterwegs seien die Taliban jedoch von Soldaten der Armee aufgehalten und angegriffen worden, wobei der Beschwerdeführer befreit worden sei. Der Vater des Beschwerdeführers sei ebenfalls von den Taliban entführt worden und seither verschollen. (Einvernahme S. 10, VwAkt S. 82 ff.)

Für die belangte Behörde war weder glaubhaft, dass der Beschwerdeführer XXXX gearbeitet habe, noch, dass er von den Taliban entführt worden sei.

Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht dort gearbeitet hat und daher auch nicht ins Visier der Taliban geraten ist. Zwar entspricht es der Realität in Afghanistan, dass Kinder und Jugendliche vielfach ihre Eltern bei der Arbeit unterstützen, allerdings ist die vom Beschwerdeführer geschilderte Tätigkeit aus folgenden Gründen nicht glaubhaft: Der Beschwerdeführer legte bereits bei der belangten Behörde Kopien von Bestätigungen vor, welche die von ihm angegebene Tätigkeit seines Vaters belegen sollen (VwAkt S. 97 bis 101, dazu dass diese ihm aus Afghanistan aufs Telefon übermittelt wurden Einvernahme S. 15, VwAkt S. 87). In diesen wird einer mit Vornamen angeführten Person für die Unterstützung der internationalen Truppen in den XXXX gedankt. Hier fällt zunächst auf, dass nur eine dieser Bestätigungen datiert ist und alle inhaltlich einen Zeitraum von ca. zehn bis acht Jahre vor der Ausreise des Beschwerdeführers betreffen und somit schon aufgrund der mangelnden Aktualität nicht geeignet sind, eine Tätigkeit des Vaters im vom Beschwerdeführer angegebenen fluchtrelevanten Zeitraum glaubhaft zu machen. Auch die Angaben des Beschwerdeführers über Nachfrage dazu, dass es jährliche Bestätigungen gegeben habe, die Taliban beim Beschwerdeführer zu Hause gewesen seien und diese mitgenommen hätten und lediglich die zur Vorlage gebrachten nicht gefunden hätten (OZ 16, S. 17) vermögen nicht zu überzeugen. Zwar hat der Beschwerdeführer schon bei der belangten Behörde angegeben, dass ihm die Taliban gesagt hätten, dass sie das Haus durchsucht und seinen Vater mitgenommen hätten (Einvernahme S. 10, VwAkt S. 82) – wenngleich er in derselben Einvernahme angab, dass er die Information über die Hausdurchsuchung von seiner Mutter habe (Einvernahme S. 15, VwAkt S. 87). Allerdings widerspricht es einer gründlichen Durchsuchung, wenn für die Taliban scheinbar wichtige Unterlagen nicht gefunden werden. Überdies fällt auch auf, dass dem Beschwerdeführer die Fotos der verbliebenen Unterlagen erst im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens aus Afghanistan übermittelt wurden.

Bezüglich des Vorbringens hinsichtlich der behaupteten Lieferung von Alkohol fällt auf, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung noch angab, dass er den Alkohol geliefert habe und sein Vater und er aufgrund der Tätigkeit des Beschwerdeführers von den Taliban entführt worden wären (Erstbefragung S. 6, VwAkt S. 11). In der Einvernahme bei der belangten Behörde erwähnte der Beschwerdeführer die Alkohollieferungen bei den allgemeinen Ausführungen zu seinen Fluchtgründen und der Tätigkeit, weshalb sein Vater und er in den Blickpunkt der Taliban geraten seien, nicht (Einvernahme S. 10 ff., VwAkt S. 82 ff.). Erst im Zusammenhang mit der Entführung des Vaters gab der Beschwerdeführer an, seine Mutter habe ihm erzählt, dass die Taliban bei der Hausdurchsuchung ein paar Dokumente und Alkoholflaschen gefunden hätten (Einvernahme S. 15 f., VwAkt S. 87). In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erwähnte der Beschwerdeführer den Alkoholtransport durch den Vater im Zusammenhang mit der Beschreibung der Tätigkeit seines Vaters und wies darauf hin, dass er nicht viele Informationen dazu habe (OZ 16, S. 15 f.). Dies wird jedoch als Schutzbehauptung gewertet, um Widersprüche bzw. nur rudimentäre Angaben zu erklären. In der Verhandlung steigerte der Beschwerdeführer zudem sein Vorbringen dahingehend, dass er erstmals einen Drohbrief erwähnte, den sein Vater bekommen und den er nicht ernst genommen haben soll (OZ 16, S. 14). Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Tätigkeit seines Vaters und von ihm, er hätte in Afghanistan ständig mit der Angst gelebt (OZ 16, S. 14), wird zudem durch die Aussage des Beschwerdeführers relativiert, dass er regelmäßig drei bis vier Mal die Woche im gleichen Sportclub trainiert und XXXX habe (OZ 16, S. 15), somit regelmäßig einer sportlichen Betätigung außer Haus nachgegangen ist und auch „öffentlich“ in Erscheinung getreten ist. Da die Tätigkeit des Beschwerdeführers und seines Vaters in den Monaten vor der Ausreise des Beschwerdeführers nicht glaubhaft gemacht werden konnte und der Beschwerdeführer als Grund für die Entführung durch die Taliban diese Tätigkeit angibt, ist davon auszugehen, dass weder der Vater noch der Beschwerdeführer von den Taliban entführt wurden.

Unglaubwürdig erscheint in diesem Zusammenhang darüber hinaus auch die Schilderung des Beschwerdeführers, dass er selbst von den Taliban entführt und anschließend von den Soldaten der afghanischen Armee befreit wurde. Der Beschwerdeführer beschränkte sich bei seinem diesbezüglichen Vorbringen weitgehend auf einige Eckpunkte, ohne konkrete Ausführungen zu den wesentlichen Details zu liefern. Nicht nachvollziehbar erscheint insbesondere der Umstand, weshalb die Taliban den Beschwerdeführer zunächst an einem Ort festgehalten und geschlagen hätten und ihn dann nach ein paar Tagen – um ihn zu töten – an einen anderen Ort bringen wollten. Konkret erscheint nicht plausibel, weshalb sich die Taliban für dieses Vorgehen entschieden, da die Verbringung an einen anderen Ort mit Risiken – etwa dem Zusammenstoß mit Soldaten der Armee, wie es etwa auch der Beschwerdeführer in seiner Version geschildert hat – verbunden ist.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer weiters vor, dass er sich von seiner Ehefrau habe scheiden lassen und er nunmehr auch eine Verfolgung durch den Ex-Schwiegervater zu befürchten habe (OZ 16, S. 7 ff zur Trennung/Scheidung bzw. S. 12 und 20 zum Nachfluchtgrund). Da das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass keine Ehe vorlag, ist auch das Vorbringen zu einer allfälligen Scheidung nicht glaubhaft und wird als weitere Steigerung des Fluchtvorbringens gewertet.

Als weiterer Verfolgungsgrund wurde vom Beschwerdeführer drohende Gewalt aufgrund seines westlichen Lebensstils ins Treffen geführt. Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zwar im Rahmen der mündlichen Verhandlung in glaubhafter Weise den Eindruck vermittelt hat, um eine Integration in die österreichische Gesellschaft bemüht zu sein und seine bereits vorhandenen Deutschkenntnisse weiter verbessern zu wollen (siehe dazu auch die Unterlagen betreffend seine Integration wie beispielsweise ÖSD A2 Zertifikat, diverse Teilnahmebestätigungen an Kursen und Workshops, Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung sowie über seine Berufstätigkeit) . Auf Grund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck jedoch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hat. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebensweise in einem solchen Ausmaß angenommen bzw. verinnerlicht hat, dass dies einen nachhaltigen Bruch mit in Afghanistan verbreiteten gesellschaftlichen Werten darstellt. Aus den Länderberichten zu Afghanistan lässt sich zudem nicht entnehmen, dass per se jeder Rückkehrer aus Europa, aus diesem Grund einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Ebenfalls erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten und derzeit ohne Religionsbekenntnis sei. Aufgrund seines Glaubensabfalls habe er deshalb im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung durch die anderen Menschen zu befürchten (OZ 16, S. 12 und 20 ff.)

Aus den Länderfeststellungen geht zwar hervor, dass Konversion und Blasphemie in Afghanistan mit Strafe bedroht sind und dass Verfolgung insbesondere Personen droht, die sich einer anderen Religion zuwenden oder sich in exponierter Art und Weise gegen den Islam äußern. Vom Beschwerdeführer wurde aber nicht vorgebracht, dass er sich einer anderen Religion zugewandt hat oder sich dem Islam gegenüber kritisch geäußert hätte. Vielmehr betonte der Beschwerdeführer in der Verhandlung, er respektiere alle Religionen (OZ 16, S. 18). Er bringt lediglich vor, sich nicht mehr an religiöse Riten (Beten, Fasten, Besuch der Moschee) halten zu wollen. Eine Konversion oder Blasphemie – welche nach den Feststellungen (1.3.) in Afghanistan mit Strafe bedroht sind – wurde somit nicht behauptet. Wie oben (2.1.) ausgeführt wurde die vom Beschwerdeführer behauptete Abkehr vom Islam in Afghanistan nicht bekannt. Darüber hinaus ist im Falle des Beschwerdeführers von keiner inneren Abkehr vom Islam auszugehen und es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan eines Abfalls verdächtigt werden könnte. Daher droht ihm auch diesbezüglich keine Verfolgung.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit der Hazara beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten. Weder aus dem Länderinformationsblatt noch aus der EASO Country Guidance ergibt sich, dass es systematisch zu so intensiven Übergriffen gegen schiitische Hazara kommt, dass gleichsam jeder Angehörige dieser Volksgruppe aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet mit Übergriffen rechnen muss. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt von sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierung ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden und auch, dass ethnische Spannungen weiterhin zu Konflikten und Tötungen führen, gleichzeitig ist aber auch von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sowie von deren Etablierung in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft die Rede. Auch berichtet wird von sozialer Diskriminierung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, physischer Misshandlung und Festnahme. EASO zufolge haben nicht alle Hazara nur aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Grund zur Angst vor Übergriffen. Eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers von derartigen Übergriffen wurde nicht substantiiert dargetan, eine automatische Betroffenheit aller Hazara ist wie ausgeführt nicht ersichtlich.

Der Beschwerdeführer wies außerdem darauf hin, dass er aufgrund seiner Minderjährigkeit zu mehreren Risikoprofilen zähle, wodurch etwa Zwangskinderarbeit, Gewalt, systematische Verweigerung des Zugangs zu Bildung oder auch eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohe. Dieses Vorbringen beschränkte sich jedoch weitestgehend auf die Beschwerde und enthält auch keine Konkretisierung betreffend den Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer führte diesbezügliche Befürchtungen nämlich weder in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an. Da der Beschwerdeführer zudem mittlerweile volljährig, ist das spezifische Risikoprofil von Minderjährigen nicht mehr zu prüfen.

Für eine Verfolgung aus anderen als den oben behandelten Gründen haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben und sind auch keine Umstände amtsbekannt, dass in der Person des Beschwerdeführers vereinigte Merkmale im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung nach sich ziehen würden.

2.3. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderberichte zu zweifeln.

Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf im Beschwerdefall relevanten Feststellungen aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine diesbezügliche wesentliche Veränderung eingetreten ist.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu A) Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Das Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1.         dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2.         der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

3.1.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist unter Verfolgung ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Abgesehen davon, dass einer derartigen nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH 11.06.1997, 95/01/0617; 10.03.1993, 92/01/1090) bzw. wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist (vgl. VwGH 30.06.2005, 2002/20/0205; VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551-6, VwGH-Beschluss 29.06.2006, 2002/20/0167-7).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191).

Die Voraussetzung der „wohlbegründeten Furcht“ vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

3.1.3. Für den Beschwerdefall bedeutet das:

Vorausgeschickt wird, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer subsidiären Schutz zuerkannt hat und der Beschwerdeführer lediglich gegen die Nichtzuerkennung von Asyl Beschwerde erhoben hat.

Auch wenn die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 und EASO Country Guidance von 2018 bzw. 2019 in den angeführten Risikoprofilen u.a. auch Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, als „verwestlicht“ wahrgenommene Personen und Angehörige religiöser und/oder ethnischer Minderheiten aufzählen, fordern sie die Durchführung einer individuellen Einzelfallprüfung.

Eine Einzelfallprüfung wurde durchgeführt. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines konkreten Vorbringens zu den behaupteten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zu. Dem Beschwerdeführer ist es entgegen dem Beschwerdevorbringen in der mündlichen Verhandlung insgesamt nicht gelungen, die von ihm behauptete Verfolgung glaubhaft zu machen.

Der VwGH geht unter Verweis auf Judikatur des EGMR davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0428 und VwGH 20.03.2020, Ra 2019/18/0194). Damit stehen auch die herangezogenen aktuellen Länderberichte zur Situation (schiitischer) Hazara in Einklang.

Letztlich gilt es festzuhalten, dass auch die allgemeine Lage in Afghanistan nicht dergestalt ist, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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