TE Bvwg Beschluss 2021/1/29 W142 2104951-2

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Veröffentlicht am 29.01.2021
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Entscheidungsdatum

29.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W142 2104951-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2020, Zl. 15679701/190694551, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 06.07.2001 nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Asylantrag. Nach Abweisung seines Antrages durch Bescheid des Bundesasylamtes (im Folgende: BAA) vom 30.08.2001 und seiner dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.07.2007 (nach mündlicher Verhandlung am 28.10.2004) rief der BF den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) an, der mit Beschluss vom 17.03.2011 die Behandlung der Beschwerde ablehnte.

2. Am 01.04.2011 stellte der BF einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung, der am 17.09.2013 in zweiter Instanz negativ beschieden wurde.

3. Am 06.09.2013 stellte der BF einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Ausweisung an das BAA.

4. Auf diesen Antrag erließ das nunmehr zuständige, mit Wirksamkeit 01.01.2014 eingerichtete Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Bescheid vom 18.03.2015, mit dem dem BF in Spruchpunkt I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nicht erteilt wurde. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Laut Spruchpunkt II. betrage die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im Zuge der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.06.2015 stellte sich heraus, dass der BF in der Zwischenzeit eine Rot-Weiß-Rot-Karte Plus erhalten hatte und zog der BF die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid zurück, weshalb das Verfahren mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.06.2015 gemäß §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt wurde.

6. Am 17.05.2018 stellte der BF bei der zuständigen Niederlassungsbehörde MA 35 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ und wurde dieser Antrag von der NAG-Behörde mittels Bescheid vom 25.04.2019 zurückgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs am 07.06.2019 in Rechtskraft.

7. Das BFA wurde von der NAG-Behörde von diesem Umstand in Kenntnis gesetzt und wurde der BF mit einer mit 23.07.2019 datierten Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG) aufgefordert, binnen einer Frist von 14 Tagen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Zudem wurden dem BF die Länderfeststellungen zu Indien (Stand 04.02.2019) sowie ein Fragenkatalog zu seinen persönlichen Verhältnissen übermittelt.

8. Der BF behob weder die ihm zugestellten VEB, noch brachte er eine Stellungnahme dazu ein.

9. Mit Verfahrensanordnungen vom 19.06.2020 wurden dem BF für ein etwaiges Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt; der BF darauf hingewiesen, dass er gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch bis 03.07.2020 in Anspruch zu nehmen bzw. er auf seine Ausreiseverpflichtung hingewiesen.

10. Mit dem Bescheid vom 19.06.2020 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen den BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Das BFA stellte fest, dass der BF als Staatsangehöriger Indiens Fremder bzw. Drittstaatsangehöriger sei und seine Identität aufgrund des gültigen Reisepasses feststehe. Gesundheitliche Beschwerden oder ein schützenswertes Familienleben hätte nicht festgestellt werden können. Sein Aufenthalt sei rechtswidrig. Er sei behördliche gemeldet. Der Großteil seiner Angehörigen lebe offensichtlich im Herkunftsstaat. Es habe weder ein schützenswertes Privatleben, noch eine tiefer greifende Integration in Österreich festgestellt werden können.

Dem BF sei die Möglichkeit eingeräumt worden, eine Stellungnahme abzugeben, er habe davon aber nicht Gebrauch gemacht. Da aus dem Zentralen Melderegister keine weiteren Informationen gewinnbar gewesen seien, müsse davon ausgegangen werden, dass er in Österreich keine der Ausweisung entgegenstehenden Angehörigen habe. Es sei davon auszugehen, dass der BF Angehörige in Indien habe. Er sei im Herkunftsstaat aufgewachsen und habe dort die Schule besucht. Er sei in Indien hauptsozialisiert worden.

In der rechtlichen Beurteilung wurde zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausgeführt, dass laut der Aktenlage kein schützenswertes Familienleben zum Vorschein gekommen sei, da der BF keine Stellungnahme abgegeben habe. Die individuellen Interessen iSd Art. 8 EMRK seien nicht so ausgeprägt, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der fremdenpolizeilichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen höhen zu werten seien. Die Aktenlage habe kein schützenswertes Familienleben zum Vorschein gebracht. Er gehe im Bundesgebiet weder einer Beschäftigung nach und sei unbekannt, wovon er lebe, zumal er im Verfahren nicht mitgewirkt habe. Eine Rückkehrentscheidung sei zulässig,

11. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass man ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass er gegen den abweisenden Bescheid betreffend die Neuausstellung der Rot-Weiß-Rot-Karte plus eine Beschwerde einbringen hätte können. Er lebe seit Juni 2001 durchgehend in Österreich, sohin bereits mehr als 19 Jahren. Er sei nie strafrechtlich in Erscheinung getreten, sondern habe er ständig gearbeitet, sei sozialversichert gewesen, habe er eine Unterkunft gehabt und somit seien alle Bedingungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt. Er habe auch ein A2-Sprachzertifikat vorgelegt. Er führe nunmehr seit fast 20 Jahren ein Privat- und Familienleben in Österreich, weshalb der angefochtene Bescheid auszuheben sei.

12. Mit Schriftsatz vom 06.07.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 08.07.2020. legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A):

§ 28 Abs. 1 bis Abs. 3 VwGVG lautet:

„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“

Seit seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (vgl. VwGH 20.06.2017, Ra 2017/18/0117; VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123). Die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungs-möglichkeit ist sohin als eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu betrachten, weshalb sie nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Frage kommt (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt, bloß ansatzweise ermittelt oder konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 20.06.2017, Ra 2017/18/0117; VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Im gegenständlichen Fall sind dem BFA derart schwerwiegende Ermittlungsmängel anzulasten, die ein Vorgehen gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (Hinweis E vom 28. April 2014, Ra 2014/18/0146-0149, mwN). Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (Hinweis E vom 22. Juli 2011, 2009/22/0183 und VwGH 07.09.2016, Ra 2016/19/0168).

Richtig ist zwar, dass der BF die vom BFA mit 23.07.2019 datierte Verständigung vom Ergebnis einer Beweisaufnahme nicht behob bzw. dazu keine Stellungahme einbrachte und damit seine Mitwirkungspflichten im Verfahren verletzte, die belangte Behörde hat den diesbezüglichen Bescheid (Erlassung einer Rückkehrentscheidung) aber erst am 19.06.2020 – sohin fast ein Jahr später – erlassen. Wie die belangte Behörde – nach so langer Zeit und ohne weiteres Parteiengehör (etwa VEB oder Einvernahme) – die Integrationsmaßnahmen des BF bzw. die Interessensabwägung hinreichend aktuell beurteilen konnte, erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht gänzlich nicht. Vielmehr stützte sich das BFA auf reine Vermutungen und ging – ohne den BF dazu befragt zu haben – davon aus, dass der Großteil seiner Angehörigen „offensichtlich“ im Herkunftsstaat lebe bzw. er keine der Ausweisung entgegenstehenden Angehörigen in Österreich habe. Im Bescheid wurde zwar geschlussfolgert, dass er weder ein schützenswertes Privatleben, noch eine tiefer greifende Integration in Österreich aufweise; auch dabei stützt sich das BFA aber auf reine Mutmaßungen.

Hinzu kommt weiters, dass die belangte Behörde hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des BF im Bundegebiet die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes völlig außer Acht gelassen hat.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zuletzt VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325; auch VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249; 30.08.2011, 2008/21/0605; 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; 30.06.2016, Ra 2016/21/0165).

Im gegenständlichen Fall hält sich der BF seit Juli 2001 - sohin seit über 19 Jahren - dauerhaft in Österreich auf, weshalb die belangte Behörde diese Rechtsprechung nicht einfach ignorieren hätte dürfen.

Für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung liegen somit keine tragfähigen Sachverhaltsermittlungen seitens der ersten Instanz vor. Das BFA hat letztendlich versucht, die Ermittlungsschritte an das Bundesverwaltungsgericht zu delegieren.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine ersthafte Prüfung nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Die belangte Behörde würde durch ihre Verfahrensführung die wesentlichen Ermittlungs- und Begrünungstätigkeit quasi an die Rechtsmittelinstanz delegieren (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. 2014/03/0063). Würde in diesem konkreten Fall das Bundesverwaltungsgericht - jene Instanz die zur eigentlichen Rechtskontrolle eingerichtet wurde - die Instanz sein, die im Verfahren erstmals einen begründeten Bescheid mit den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes erlässt, so wäre damit der Rechtsschutz des BF de facto eingeschränkt. Es ist in erster Linie die Aufgabe der belangten Behörde als Tatsacheninstanz zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sich sachgerecht mit dem Antrag auseinanderzusetzen, den maßgeblichen Sachverhalt vollständig festzustellen und ihre Begründung im Bescheid nachvollziehbar darzustellen.

Im fortgesetzten Verfahren wird das BFA – nach Gewährung von Parteiengehör – das aktuelle Ausmaß der Integration des BF zu beurteilen haben und – unter Berücksichtigung der oben genannten Rechtsprechung des VwGH zur Aufenthaltsdauer von Fremden – die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu beurteilen haben. Das BFA wird dabei auch aktuelle Länderfeststellungen (inklusive der aktuellen Situation betreffend die Covid-19 Pandemie) beizuziehen haben.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich zudem als klar und eindeutig. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W142.2104951.2.00

Im RIS seit

10.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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