TE Bvwg Beschluss 2021/2/1 W151 2170349-2

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Veröffentlicht am 01.02.2021
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Entscheidungsdatum

01.02.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z1

Spruch


W151 2170349-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über den Antrag auf Wiederaufnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 21.05.2019 betreffend des mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.07.2018, Zl. XXXX rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreffend XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, beschlossen:

A)       Der Antrag auf Wiederaufnahme wird abgewiesen

B)       Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich (BFA) vom 28.08.2017, Zl. XXXX wurde der Antrag des ehemaligen Beschwerdeführers (in Folge BF) auf internationalen Schutz vom 28.09.2015 abgewiesen.

2. Der BF erhob gegen den Bescheid des BFA Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 11.07.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerde des BF gegen den oben angeführten Bescheid stattgegeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

3. Das angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.

4. Mit Schreiben vom 21.05.2019 beantragte das BFA eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Mit einem Anlassbericht der PI XXXX vom 05.05.2019 sei das BFA in Kenntnis gesetzt worden, dass der BF im Asylverfahren nicht sein tatsächliches Alter angegeben habe. Laut den Ausführungen im Bericht habe der BF ein beliebiges Datum angegeben, sei tatsächlich bereits älter, nämlich 16 oder 17 Jahre. In der Einvernahme vor dem BFA am 11.08.2017 habe er angegeben 13 Jahre alt zu sein, in der mündlichen Verhandlung am 11.07.2018 habe er das Geburtsdatum XXXX bestätigt, obwohl im bewusst gewesen sei, dass dies nicht den Tatsachen entspreche, um seine Stellung im Asylverfahren zu verbessern.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Im Verfahren über den Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde der Beschwerde des BF gegen den Bescheid des BFA vom 28.08.2017, Zl. XXXX mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 11.07.2018, Zl. XXXX , stattgegeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

In der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 11.08.2017 gab der BF an, nicht zu wissen, wann er geboren sei. Er sei 13 Jahre alt, wisse jedoch nicht wie alt er bei der Einreise gewesen sei. Im Bescheid des BFA vom 28.08.2017, Zl. XXXX wurde das Geburtsdatum XXXX festgestellt. In seiner Beschwerde gegen den Bescheid bestätigte der BF das Geburtsdatum XXXX , gab jedoch an, ein genaueres Datum sei nicht bekannt. Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.07.2018, Zl. XXXX wurde das Geburtsdatum des BF mit XXXX festgestellt.

Im Rahmen einer Anhaltung der PI XXXX am 29.04.2019 gab der BF an, dass sein Alter nicht stimme und er irgendein Datum, an dem er Gefallen fand, angegeben hatte. In der darauffolgenden Einvernahme am 04.05.2019 gab er an, dass er bereits 16 oder 17 Jahre alt sein müsste. Sein genaues Geburtsdatum habe er vergessen.

Der BF hat im Asylverfahren keine wissentlich falschen Angaben zu seinem Geburtsdatum erstattet, sondern die mangelnde Kenntnis eines tatsächlichen Geburtsdatums wiederholt offengelegt. Der Umstand, dass der BF vor dem BFA am 11.08.2017 angab, 13 Jahre alt zu sein, im Zuge der Anhaltung am 29.04.2019 hingegen die Vermutung äußerte, 16 oder 17 alt zu sein, reicht nicht aus, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF im Asylverfahren durch objektiv unrichtige Angaben eine positive Entscheidung zu erschleichen versuchte.

Der BF hatte nicht die Absicht, sich im Asylverfahren durch Angabe eines falschen Alters einen Vorteil zu verschaffen, da er selbst bei Annahme eines Alters von 16 oder 17 Jahren zum Zeitpunkt des Wiederaufnahmeantrages während des gesamten Asylverfahren minderjährig gewesen wäre. Die belangte Behörde hat im Verwaltungsverfahren keine Altersfeststellung veranlasst. Das BFA hat im Wiederaufnahmeantrag auch nicht die Relevanz des Alters des BF für das Asylverfahren vorgebracht und war eine solche vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht zu erkennen.

Weitere Umstände, die auf eine „Erschleichung“ hindeuten würden, brachte die Behörde nicht vor.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem durch das BFA vorgelegten Anlassbericht des Stadtpolizeikommandos XXXX , vom 05.05.2019 sowie der Einvernahme des BFA zum Antrag auf internationalem Schutz vom 11.08.2017, sowie ferner aus dem Bescheid der belangten Behörde im Asylverfahren und der dagegen gerichteten Beschwerde.

Der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 11.08.2017 ist zu entnehmen, dass der BF zu seinem Geburtsdatum befragt angab: „[…] Ich weiß nicht wann ich geboren bin, […]“. Befragt, wie lange er in seinem Heimatdorf gelebt habe: „Ich bin jetzt 13, ich weiß nicht, wie alt ich war, als ich hier herkam […].“ (Niederschrift der Einvernahme, S. 3). Der Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des BFA ist zu entnehmen: „Betreffend meine Person wurde richtigerweise festgestellt, dass ich afghanischer Staatsangehöriger bin, ich minderjährig bin und am XXXX (ein genaueres Datum ist mir nicht bekannt) geboren wurde.“ (Beschwerdeschrift vom 06.09.2017, S. 3). Damit ist evident, dass der BF – entgegen dem Vorbringen des BFA – durch die auch in der mündlichen Verhandlung (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2018, S. 5) erfolgte Bestätigung des Geburtsdatums XXXX nicht wissentlich falsche Angaben zu Geburtsdatum erstattete, sondern die mangelnde Kenntnis eines tatsächlichen Geburtsdatums wiederholt offenlegte.

Dem Akteninhalt ist ferner nicht zu entnehmen, dass das BFA zur Frage des Alters weitere Ermittlungsschritte (etwa eine Altersfeststellung) vorgenommen hätte.

Somit ergeben sich für das erkennende Gericht zum Entscheidungszeitpunkt keine ausreichenden Hinweise darauf, dass der ehemalige Asylwerber den Status der Asylberechtigten durch falsche Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht erschlichen hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

§ 32 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen.

Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG in § 17 VwGVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei auf Grund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können. In diesem Sinne hielt der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31.08.2015, Ro 2015/11/0012 (vgl. auch VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0136), unter Verweis auf die Materialien zu § 32 VwGVG fest, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet seien und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden könne.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederaufnahme bei Fehlen der Prozessvoraussetzungen zurückzuweisen. Liegt der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund nicht vor, ist der Antrag abzuweisen (bzw. ihm nicht stattzugeben), anderenfalls zu bewilligen (bzw. dem Antrag stattzugeben) (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 32 Anm 13).

Aus dem Antrag auf Wiederaufnahme muss hervorgehen, dass die Wiederaufnahme eines näher bezeichneten Verfahrens begehrt wird. Zumindest muss aus dem Inhalt der Eingabe hervorgehen, auf welches abgeschlossene Verfahren sich der Antrag auf Wiederaufnahme bezieht (vgl. zu § 69 AVG VwGH 18.03.1993, 92/09/0212). Aus dem gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag geht hervor, dass das BFA die Wiederaufnahme des mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.07.2018, Zl. XXXX abgeschlossenen Verfahrens begehrt.

Voraussetzung für die Stellung eines Wiederaufnahmeantrages ist gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG die Parteistellung im wiederaufzunehmenden Verfahren. Das BFA hatte als belangte Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Parteistellung (vgl. § 18 VwGVG), sodass es zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrages berechtigt ist.

Der Wiederaufnahmeantrag ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst ab diesem Zeitpunkt schriftlich beim Verwaltungsgericht einzubringen. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Sowohl die zweiwöchige als auch die dreijährige Frist sind im gegenständlichen Fall gewahrt.

Der vorliegende Antrag auf Wiederaufnahme ist daher zulässig.

Er ist aber nicht berechtigt:

Zur Voraussetzung des Erschleichens eines Erkenntnisses (§ 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG)

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein "Erschleichen" eines Bescheides (nunmehr: Erkenntnisses) dann vor, wenn dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen. Wenn es die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offenstehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Parteienangaben als Erschleichen des Bescheides im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG zu werten (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 12; VwGH 29.01.2004, 2001/20/0346; 13.12.2005, 2003/01/0184; 08.06.2006, 2004/01/0470).

Mit Irreführungsabsicht hat die Partei dann gehandelt, wenn sie vorsätzlich, also wider besseres Wissen, falsche Angaben gemacht oder entscheidungswesentliche Umstände verschwiegen hat (VwGH 25.04.1995, 94/20/0779) und damit das Ziel verfolgt, daraus einen (vielleicht) sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen (VwGH 10.09.2003, 2003/18/062; 29.01.2004, 2001/20/0346; 08.06.2006, 2004/01/0470). Die Behörde hat aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen in freier Beweiswürdigung auf das eventuelle Vorliegen einer solchen Absicht zu schließen. Als Beurteilungsgrundlage dient dabei das Gesamtverhalten jener Person, der die Erschleichung vorgehalten wird (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 14 mwN).

Der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat absoluten Charakter; es kommt nicht darauf an, ob ohne das verpönte Verhalten voraussichtlich ein anders lautender Bescheid ergangen wäre (VwGH 08.06.2006, 2004/01/0470; vgl. auch VwGH 25.09.1990, 86/07/0071; siehe weiters Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 27).

Gemäß der obigen Beschreibung des "Erschleichungstatbestandes" muss den zu beurteilenden unrichtigen Angaben aber wesentliche Bedeutung zukommen (VwGH 08.06.2006, 2004/01/0470 sowie auch vom 09.08.2018, Ra 2018/22/0076).

Es müssen daher gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes drei Voraussetzungen vorliegen, um von einem "Erschleichen" eines Erkenntnisses auszugehen:

1. Objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung,

2. ein Kausalzusammenhang zwischen der unrichtigen Angabe der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde und

3. Irreführungsabsicht der Partei, nämlich eine Behauptung wider besseres Wissen in der Absicht, daraus einen Vorteil zu erlangen (VwGH 25.04.1995, 94/20/0779).

Fallbezogen folgt daraus:

Im vorliegenden Fall hätte der ehemalige Asylwerber nach Ansicht des BFA bewusst ein falsches Alter angegeben, um seine Stellung im Asylverfahren zu verbessern. Damit seien Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben. Dies macht die Behörde lediglich an dem Umstand fest, dass der BF im Zuge einer polizeilichen Anhaltung sinngemäß angegeben hatte, das Geburtsdatum XXXX habe er lediglich im Asylverfahren angenommen, tatsächlich sei er bereits 16 oder 17 Jahre alt.

Wie beweiswürdigend ausgeführt, hat der BF im Verfahren wiederholt offengelegt, keine Kenntnis zu seinem tatsächlichen Geburtsdatum zu haben und damit zum Ausdruck gebracht, das Geburtsdatum XXXX lediglich im Asylverfahren angenommen zu haben. Wenn der BF somit im Zuge der polizeilichen Anhaltung im Jahr 2019 erneut angab, das Geburtsdatum XXXX würde nicht seinem tatsächlichen Geburtsdatum entsprechen, ist darin folglich noch keine objektive Unrichtigkeit der Angaben des BF im Asylverfahren begründet. Auch der Umstand, dass der BF im Zuge der Anhaltung – knapp zwei Jahre nach der Einvernahme durch das BFA – nunmehr die Vermutung äußerte, „dass er schon 16 oder 17 alt sein müsste“, reicht nicht aus, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF im Asylverfahren durch objektiv unrichtige Angaben eine positive Entscheidung zu erschleichen versuchte.

Um eine Irreführungsabsicht des BF anzunehmen, müsste ihm vorwerfbar sein, vorsätzlich, also wider besseres Wissen, falsche Angaben gemacht oder entscheidungsrelevante Umstände verschwiegen zu haben, um damit letztendlich das Ziel verfolgt zu haben, daraus einen (vielleicht) sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Dazu müssten jedoch schon im wiederaufzunehmenden Verfahren (nicht also etwa nur im Wiederaufnahmeverfahren selbst) Handlungen oder Unterlassungen feststellbar gewesen sein, die eine Erschleichungsabsicht erkennen lassen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 14 mwN).

Das BFA legte nicht dar, welchen Vorteil der Beschwerdeführer dadurch zu erlangen versuchte, indem er vor dem BFA aussagte, 13 Jahre – statt wie nunmehr moniert 14 oder 15 Jahre – alt zu sein. Selbst bei Annahme eines Alters von 14 oder 15 Jahren zum Zeitpunkt der Einvernahme vor dem BFA wäre der BF im gesamten Asylverfahren ohne Zweifel minderjährig gewesen. Auch sonst sind keine hinreichend begründeten Anhaltspunkte für eine Irreführungsabsicht des BF gegeben, die Relevanz des Vorbringens des BFA kann somit nicht erkannt werden.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass nach der oben zitierten Judikatur auch objektiv unrichtige Parteienangaben nicht als Erschleichen des Bescheides zu werten sind, wenn es die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offenstehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Gegenständlich wäre es der Behörde im Asylverfahren ohne weiteres offen gestanden, weitere Ermittlungen zum Alter des BF vorzunehmen und etwa ein entsprechendes Gutachten einzuholen, was diese jedoch unterlassen hat.

Damit ist der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht erfüllt und dem gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens war daher nicht stattzugeben.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist, und es sich bei der Frage, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 32 Anm. 9), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das hg. Erkenntnis hält sich an die darin zitierte Judikatur des VwGH.

Schlagworte

Altersfeststellung Erschleichen falsche Angaben Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W151.2170349.2.00

Im RIS seit

10.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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