TE Bvwg Beschluss 2021/2/2 W247 2237339-1

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Veröffentlicht am 02.02.2021
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Entscheidungsdatum

02.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1

Spruch


1.) W247 2237343-1/3E

2.) W247 2237341-1/2E

3.) W247 2237339-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. HOFER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , alle StA. Russische Föderation und vertreten durch den RA XXXX , gegen die Erledigungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.10.2020, 1.) Zl. XXXX , 2.) Zl. XXXX , 3.) Zl. XXXX :

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Begründung:

Die beschwerdeführenden Parteien (BF1-BF3) sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und dem muslimischen Glauben zugehörig. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) ist die Mutter der mittlerweile volljährigen Zweitbeschwerdeführerin (BF2) und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers (BF3) sowie die gesetzliche Vertreterin des BF3.

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien (BF1-BF3) reisten gemeinsam einem weiteren, mittlerweile volljährigen Sohn der BF1, XXXX , geb. XXXX , spätestens am 18.09.2009 illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz.

Mit Bescheiden vom 07.04.2010, AZ XXXX , XXXX und XXXX , wurden die Anträge der BF1-BF3 auf internationalen Schutz vom 18.09.2009 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihnen der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und den BF1-BF3 eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 07.04.2011 erteilt (Spruchpunkt III.).

2. Die befristeten Aufenthaltsberechtigungen der BF1-BF3 wurden mehrfach gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verlängert. Zuletzt wurden sie mit Bescheiden vom 21.03.2018 bis zum 07.04.2020 verlängert.

Am 05.03.2020 stellte die BF1 für sich und als gesetzliche Vertreterin für ihre beiden, zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Kinder, Anträge auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigungen.

3. Mit den angefochtenen, als Bescheiden bezeichneten Erledigungen der belangten Behörde (BFA) vom 08.10.2020 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigungen vom 05.03.2020 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihnen der mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 07.04.2010, AZ XXXX , XXXX und XXXX zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt II.). Die ihnen zuletzt mit Bescheiden vom 21.03.2018 erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigungen als subsidiär Schutzberechtigte wurden gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (VI.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VII.). Gegen die BF1 wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von 2 Jahren erlassen (Spruchpunkt VIII).

4. Mit Verfahrensanordnung vom 09.10.2020 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

5. Mit für alle Beschwerdeführer gleichlautendem fristgerecht am 06.11.2020 eingebrachten Schriftsatz vom 05.11.2020, wurde durch ihren gewillkürten Vertreter für die BF1-BF3 Beschwerde gegen die gegenständlichen Bescheide des BFA, in vollem Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, mangelhaftem Ermittlungsverfahren, mangelhafter Bescheidbegründung und mangelhafter Beweiswürdigung, erhoben.

6. Die Beschwerdevorlagen vom 26.11.2020 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsgericht am 30.11.2020 ein.

II. Feststellungen:

Mit Schriftsatz vom 01.07.2020 gab der gewillkürte Vertreter der BF1-BF3 bekannt, die BF1 im Verfahren rechtsfreundlich zu vertreten. Weder dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, noch dem Bundesverwaltungsgericht wurde bis zum Entscheidungszeitpunkt die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt gegeben.

Mit den angefochtenen, als Bescheiden bezeichneten Erledigungen der belangten Behörde vom 08.10.2020 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigungen vom 05.03.2020 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen und ihnen gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 der mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 07.04.2010, AZ XXXX , XXXX und XXXX zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt. Die ihnen zuletzt mit Bescheiden vom 21.03.2018 erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigungen als subsidiär Schutzberechtigte wurden gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen und gemäß § 57 AsylG kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt und gegen die BF1 gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von 2 Jahren erlassen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verfügte die postalische Zustellung dieser Erledigungen an die BF1 als Asylwerberin und als gesetzliche Vertreterin für die damals noch minderjährige BF2 und den minderjährigen BF3 mittels RSa-Sendung. Diese wurden, nach einem erfolglosen Versuch einer persönlichen Aushändigung, am 14.10.2020 bei ihrem Wohnsitzpostamt hinterlegt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Inhalt der vorliegenden Verfahrensakten. Die Bekanntgabe des Vollmachtsverhältnisses zum Rechtsanwalt der BF1-BF3 erfolgte in klarer Weise durch den Schriftsatz vom 01.07.2020 (AS 17). Den Verfahrensakten ist keine Erklärung zu entnehmen, dass dieses Vertretungsverhältnis mittlerweile aufgelöst worden wäre. Der festgestellte Zustellvorgang hinsichtlich der Bescheide vom 08.10.2020 ergibt sich unzweifelhaft aus der Zustellverfügung des Bundesamts vom 09.10.2020, sowie dem ebenso im Akt aufliegenden, ausgefüllten Rückschein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Die BF1 begründete zu ihrem Rechtsanwalt ein Vollmachtsverhältnis, über welches das BFA mit dem, bei ihm eingebrachten, Schriftsatz vom 01.07.2020 in Kenntnis gesetzt wurde. Zum Zeitpunkt der Antragstellung der Verlängerung ihrer befristeten Aufenthaltsberechtigung, sowie zum Zeitpunkt der Erlassung gegenständlicher Erledigungen vom 08.10.2020 und zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung waren die BF2 und der BF3 minderjährig, weshalb sie durch ihre Mutter im Verfahren gesetzlich vertreten wurden, die ihrerseits durch einen Rechtsanwalt vertreten wurde.

Dessen ungeachtet adressierte die belangte Behörde die angefochtenen, als Bescheide bezeichneten Erledigungen vom 08.10.2020 mit Verfügung vom selben Tag an die BF1 persönlich, worauf die Sendungen für die BF1 hinterlegt wurden. Die Verfügung der Zustellung an den Rechtsanwalt der BF1 erfolgte hingegen nicht.

2. Voraussetzung für das rechtliche Zustandekommen eines Bescheids ist dessen Erlassung. Erlassen wird ein schriftlicher Bescheid durch rechtswirksame Zustellung oder durch Ausfolgung (vgl. VwGH vom 18.05.1994, 93/09/0115).

2.1. Gemäß § 21 AVG und § 1 Zustellgesetz (im Folgenden: ZustG) sind Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen. Gemäß § 5 ZustG hat die Behörde in geeigneter Form den Empfänger und dessen Identität möglichst eindeutig zu bezeichnen. "Empfänger" ist die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll (§ 2 Z 1 ZustG). Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Bezeichnet die Behörde hingegen eine falsche Person als "Empfänger", so ist dies ein Mangel, der nicht nach § 7 ZustG etwa dadurch heilen kann, dass das Dokument (Schriftstück) jener Person zukommt, die als Empfänger zu bezeichnen gewesen wäre (vgl. zB VwGH vom 18.05.1994, 93/09/0115; vom 27.06.1995, 94/04/0206; vom 22.03.2001, 97/03/0201; vom 24.03.2015, 2014/05/0013).

Bezeichnet also die Behörde fälschlich nicht den zustellbevollmächtigten Vertreter einer Verfahrenspartei, sondern die Partei selbst als Empfänger eines Schriftstücks (Dokuments), so liegt ein Mangel des Zustellvorgangs vor, der keiner Heilung zugänglich ist. Auf ein Verschulden der belangten Behörde kommt es dabei nicht an.

2.2. Im vorliegenden Fall sahen die Zustellverfügungen vom 09.10.2020 nur die BF1, und nicht den bevollmächtigten Rechtsanwalt als Empfänger der bekämpften Entscheidungen vor. Es folgte daher eine fehlerhafte Zustellung, die auch nicht dadurch zu heilen vermochte, dass die Erledigung der Behörde zu einem späteren Zeitpunkt dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers zugegangen sein mag. Die Entscheidung des BFA ist daher nie erlassen worden und damit rechtlich nicht zustande gekommen.

Das Erreichen der Volljährigkeit der BF2 am XXXX ändert daran nichts, zumal sie zum Zeitpunkt der Erlassung der Erledigung am 08.10.2020 und zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung minderjährig und die BF1 ihre gesetzliche Vertreterin war.

3. Ist ein Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so ist es der Berufungsbehörde verwehrt, meritorisch über die Berufung abzusprechen. Ihre Zuständigkeit reicht in solchen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 09.03.1982, 81/07/0212; vom 30.05.2006, 2005/12/0098). Dies hat auch für das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz in Anwendung des § 28 VwGVG zu gelten.

Mangels Erlassung der (als solche lediglich bezeichneten) Bescheide vom 08.10.2020 sind die Beschwerden dagegen also zurückzuweisen.

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Beschwerden wegen (noch) nicht erlassenen Bescheiden zurückzuweisen sind.

Schlagworte

Mangelhaftigkeit Rechtswidrigkeit Zustellmangel Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W247.2237339.1.00

Im RIS seit

12.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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