TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/5 W195 2178576-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2021
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Entscheidungsdatum

05.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W195 2178576-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch die XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.11.2017, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.02.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 31.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.01.2016 führte der BF zu seinen Fluchtgründen soweit wesentlich aus, er habe sein Land verlassen, weil es Familienprobleme wegen Grundstücksstreitigkeiten gegeben habe.

Er sei der Partei BNP zugehörig und sei von Mitgliedern der gegnerischen Awami League grundlos geschlagen, entführt und mit dem Tod bedroht worden, den Grund dafür kenne er aber nicht.

Im Falle seiner Rückkehr nach Bangladesch würden seine Familienmitglieder ihn umbringen, weil er in Armut lebe.

I.2. Am 05.01.2017 erfolgte die Einvernahme vor dem BFA. Eingangs wurde festgehalten, dass der BF im Jahr 2016 am XXXX am Innenohr operiert wurde, weil er angeblich auf Grund von Verletzungen durch Schläge in Bangladesch schlecht höre. Der ärztliche Entlassungsbrief wurde vorgelegt.

Der BF, ein Muslim, stamme aus dem Dorf XXXX , in Bangladesch. Er hat dort seit seiner Geburt gelebt, gemeinsam mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder. Seine Eltern hätten in Bangladesch einen Bauernhof, der nunmehr verpachtet sei und seine Mutter würde regelmäßig den Pachtzins abholen. Sein Bruder lebe nunmehr in Saudi-Arabien; seine Eltern würden sich bei verschiedenen Verwandten in Nachbardörfern verstecken, weil es Probleme mit einem Onkel gäbe, welcher seinen Vater im Bazar geschlagen habe. Deshalb habe der Vater den Bruder und den BF ins Ausland geschickt.

Der BF habe telefonischen Kontakt zu seiner Familie.

Der Vater sei von Mitgliedern der Awami-League angezeigt worden, weil er Mitglied der BNP sei, mehr – nämlich den Grund dafür - wisse der BF nicht, es sei „Rivalität“ gewesen.

Die Anzeige habe ihm der Cousin geschickt, welcher sie vom Vater erhalten hätte; dieser habe die Anzeige von der Polizei.

Der BF selbst sei „ein normales Mitglied“ der BNP, ohne Funktion, gewesen und habe an insgesamt drei Treffen teilgenommen. Er sei von April 2015, vielleicht zwei Monate lang, Mitglied der BNP Studentenorganisation gewesen. Aber er sei bereits am XXXX aus Bangladesch ausgereist. Er habe die 8. Schulstufe in Bangladesch abgeschlossen.

Europa sei seit seiner Kindheit das Ziel seiner Reise gewesen, er habe von der Kultur und der Sicherheit gehört. Der BF habe Österreich ausgesucht, weil er hier ein sicheres Leben führen könne. In Bangladesch sei er psychisch belastet gewesen, dort hätte er keine Ruhe mehr gefunden.

In Bangladesch habe er keine Strafdelikte begangen, es würde auch kein Haftbefehl gegen ihn bestehen.

Sein Onkel habe ihn, den Vater und den Bruder wegen einer Grundstücks- und Erbschaftsstreitigkeit angezeigt; nach einem Gerichtsverfahren hätten sie aber – mit Unterstützung eines Anwaltes - Recht bekommen und das Grundstück erhalten. „Somit hatte sich das erledigt“, führte der BF aus. Jedoch würde der Onkel deshalb „ab und zu“ noch Streitereien anfangen.

Eines Tages habe es eine Schlägerei gegeben, bei der der BF am Ohr verletzt wurde. Es sei dies des Abends auf dem Weg zu Verwandten gewesen, es war dunkel, der BF wisse daher nicht, wer ihn überfallen habe. Man habe ihm seine Uhr und sein Handy entwendet. Der BF habe die Personen, die ihn überfielen, nicht erkannt. Deshalb sei er bald danach geflohen. Freunde des Onkels, welche bei der Awami League waren, hätten Streit gesucht. Es sei dann dieses Grundstück im Jahr 2011 dem Vater des BF zugesprochen worden, der Onkel wollte aber die Entscheidung des Gerichtes nicht akzeptieren und hätte gemeint, er würde die Neffen umbringen, wenn er sie erwische. Wann genau der Onkel gedroht habe, wisse der BF nicht mehr.

Sonst habe es keine Vorfälle gegeben.

Der BF wurde nach seinen eigenen Angaben nicht von staatlicher Seite bedroht oder verfolgt, auch nicht wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religionszugehörigkeit.

Nach Ansicht des BF wäre es ihm aber nicht möglich gewesen, in einem anderen Teil von Bangladesch auszuweichen, um den Belästigungen des Onkels auszuweichen, er hätte nirgends Sicherheit gefunden und wäre umgebracht worden.

In Österreich lebe er von der Grundversorgung, er wohne in XXXX . Er habe keine Verwandten in Österreich, ist in keinem Verein Mitglied und habe den Deutsch-Grundkurs wegen der Operation unterbrochen. Viele Freunde habe er hier nicht gefunden, aber Bekannte, die er Grüße, wenn er spazieren oder zum Deutschkurs ginge.

Der BF legte diverse Unterlagen (Anzeige gegen den Vater des BF; Deutschkursbesuch, Arztbrief, BNP-Mitgliedschaft) vor.

I.3. Mit Bescheid vom 02.11.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, die Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Bangladesch für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Im Wesentlichsten zusammengefasst führte das BFA in seiner Begründung aus, das Gesamtvorbringen wäre nicht geeignet, ein asylrelevantes Vorbringen darzulegen. Im Mittelpunkt des Fluchtvorbringens stünde eine Erb- und Grundstücksstreiterei zwischen dem Vater des BF und dem Onkel des BF. Der Onkel habe im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsstreites verloren und sei ein Grundstück dem Vater zugesprochen worden; dennoch habe der Onkel wiederholt Streitereien vom Zaun gebrochen.

Nach einer Schlägerei mit Personen, die dem BF nicht bekannt waren, habe dieser das Land verlassen, wozu er und sein Bruder vom Vater aufgefordert worden seien. Die Eltern selbst würden sich bei verschiedenen Verwandten „verstecken“, die Mutter würde regelmäßig den Pachtzins der mittlerweile verpachteten Landwirtschaft im Dorf einheben.

Aus all diesen Fakten ergäbe sich kein asylrelevanter Verfolgungsgrund; auch Gründe für einen subsidiären Schutz wären nicht gegeben. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen im Inland könne ebenso nicht abgeleitet werden, weshalb die Abschiebung und eine Rückkehrentscheidung zu treffen war.

I.4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, in der der BF den angefochtenen Bescheid vollumfänglich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften anficht. Der zum damaligen Zeitpunkt vom XXXX unterstützte BF führte in der Beschwerde aus, dass der BF auf Grund seiner Mitgliedschaft bei der BNP von Anhängern der Awami League verfolgt worden sei. Darüber hinaus sei der BF von einer Personengruppe überfallen worden, wobei der BF die begründete Vermutung hat, dass diese im Auftrag des Onkels gehandelt habe; der Onkel, selbst Mitglied der Awami League, würde wegen Grundstücksstreitigkeiten dem BF nach dem Leben trachten. Des Weiteren werden die Integrationsbemühungen des BF hervorgehoben, welche jedoch zeitlich durch die Operation am Innenohr beeinträchtigt waren.

Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem BF Asyl zu gewähren, in eventu, Spruchpunkt II. zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu, Spruchpunkt III. aufzugeben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt werde und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde, in eventu die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung das BFA zurückzuverweisen.

I.5. Mit Schreiben vom 29.11.2017 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.6. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch (Stand Dezember 2020) zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 04.02.2021 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.7. Am 28.01.2021 langte die Vertretungsvollmacht der XXXX im BVwG ein.

I.8. Am 04.02.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Eingangs legte der BF Lohn-/Gehaltsabrechungen der Fa. XXXX vor, denen zufolge der BF zwischen € 1.140 und 2.280 netto monatlich verdiente; dazu kam noch freie Logis und Kost. Darüber hinaus legte der BF auch einen ärztlichen Entlassungsbrief des XXXX aus Dezember 2019 vor.

Gesundheitlich ginge es dem BF soweit gut, er habe eine Ohren- und eine Nasenoperation gehabt. Der BF führte dazu aus, dass er die Ohrenprobleme seit einem Überfall in Bangladesch habe.

Er habe monatlichen Kontakt zu seiner Familie, seinen Eltern in Bangladesch. Der jüngere Bruder lebe in Saudi-Arabien. Die Eltern leben von Mieteinnahmen, welche die Mutter alle Monate aus dem Heimatdorf hole; der Vater halte sich versteckt und könne dies nicht tun.

Der BF habe Bangladesch im Jahr 2015 verlassen; er sei mit einem Flugzeug von XXXX nach XXXX geflogen, von dort weiter in den XXXX . Er hatte einen Reisepass, ausgestellt vom Passamt in XXXX Er habe keine Probleme bei der Ausreise am Flughafen XXXX gehabt.

Gefragt, wie es der Familie finanziell ginge, antwortete der BF: „Ich möchte nicht lügen. In Wirklichkeit ganz schwach. Deswegen auch der Grund, warum ich ins Ausland kam. Ich hatte das Ohrenproblem. Ich hatte für die Behandlung des Ohrs nicht genügend Geld. Deswegen haben meine Eltern gesagt: ‚Wir sind alt, geh du und rette dich, dein Leben ist Dings‘. Wäre ich länger verblieben, hätte ich in einigen Tagen den Tod erlebt, das war‘s.“

Der BF hat keine Verwandten in Österreich, keine Kinder und keine Beziehung.

Festgestellt wurde, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache möglich ist, der Sprachwortschatz ist für eine Basisunterhaltung ausreichend. Der bemühte BF gab jedoch seine Antworten nicht in vollständigen Sätzen. Er würde in seiner Freizeit Deutsch lernen.

Der BF arbeitet und bringt zwischen € 1.140 und 2.280 netto monatlich ins Verdienen, wie den vorgelegten Lohnzetteln zu entnehmen war. Erst im weiteren Verlauf der Verhandlung stellte sich heraus, dass der BF seit Jänner 2021 nicht mehr arbeitet, aber auch keine Sozialunterstützung oder Grundversorgung erhalte, weil er nicht darum ansuchte; der Vertreter der XXXX sagte nach Aufforderung zu, dass er dem BF entsprechende Informationen geben werde.

Neben seinem Gehalt habe der BF vom Dienstgeber „Kost und Logis“ gratis erhalten. Der BF betonte das gute Einvernehmen mit dem Chef und der Chefin, welche auch zur Verhandlung mitgekommen sei, um als Zeugin auszusagen. In der Arbeit würde er in deutscher Sprache sprechen, bei Verständigungsschwierigkeiten würde ein Bengale, der auch im gleichen Betrieb arbeitet, dolmetschen. Er habe verschiedene Freunde, die er jedoch wegen Corona nur telefonisch kontaktiere.

Über Befragung des BFV nahm der BF nochmals zu seinen Operationen Stellung; die letzte sei 2019 gewesen.

Nach seiner Schul- und Ausbildung befragt gab der BF an, dass er „bis zur 8. oder 9.“ gelernt habe, gearbeitet habe er danach nicht. Er hätte vom Vater gelebt, welcher in der Stadt XXXX als Reinigungskraft in einem Büro beschäftigt war, ca. vier, fünf Stunden vom Heimatdorf entfernt.

Zum Beweis seiner derzeitigen Lebenssituation in Österreich wurde die vom BF namhaft gemachte Zeugin, XXXX , befragt. Sie sei die Unterkunftgeberin und bis Dezember 2020 auch die Arbeitgeberin des BF (gewesen). Der Betrieb bestünde aus einem Gastronomiebetrieb, einem kleinen Hotel, einem Heurigenrestaurant sowie dem landwirtschaftlichen Weinbau. Sie wolle bezeugen, dass der BF wieder im Betrieb arbeiten dürfe, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben wären. Der BF sei sehr zuverlässig, fleißig und pünktlich.

Der BF hatte keinen einzigen Krankenstandstag zu verzeichnen.

Derzeit sei der BF nicht beschäftigt. Der BF war als landwirtschaftliche Hilfskraft angestellt. Er hat neben seinem Lohn zusätzlich gratis gewohnt und wurde verköstigt.

Man würde sich mit dem BF bei der Arbeit im gebrochenen Deutsch unterhalten, durch Zeigen und den Vorführeffekt. Außerhalb der Arbeit bestünde „eher wenig“ Kontakt, der BF sei introvertiert.

Der BF habe ein eigenes Fahrrad und konnte damit im nahegelegenen XXXX einen Deutschkurs besuchen, hinsichtlich der sonstigen Möglichkeiten sei es im ländlichen Raum schwierig.

Zu den Fluchtgründen des BF könne die Zeugin nichts sagen, weil sie nichts darüber wisse.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF – zusammengefasst – an, dass es wegen Grundstücken mit dem Onkel väterlicherseits nach dem Tod des Großvaters Streitigkeiten gab. Eine gerichtliche Auseinandersetzung habe zu Gunsten des Vaters des BF entschieden, der Onkel würde diese gerichtliche Entscheidung aber nicht akzeptieren wollen. Es gäbe Drohungen und die Polizei wäre auf Seiten des Onkels, weil dieser angeblich ein Mitglied der Awami League sei, im Gegensatz zur seiner Familie, die die oppositionelle BNP unterstütze. Das betreffende Grundstück sei im Besitz seiner Familie, seine Familie könne es aber nicht nutzen.

Zu seiner politischen Aktivität gab der BF an, dass er „Mitglied“ der BNP gewesen sei, er sei „auf Ebene des Polizeiverwaltungsbezirks stellvertretender Sekretär“ gewesen. Er sei seit „2015“ Mitglied gewesen, er wisse nicht mehr, seit wann genau. Nach Eintritt in die Partei hätten alle Funktionen erhalten. Eine „votar-card“, welche für die Teilnahme an Wahlen erforderlich sei, hätte er nicht gehabt. Befragt, wann es die letzte Wahl gegeben hätte, als er noch in Bangladesch war, meinte der BF, die Wahl habe es „vor 10 bis 12 Jahren“ gegeben.

Der BF sei nie inhaftiert gewesen und sei „gegen mich … keine Anzeige erstattet [worden]. Soweit ich weiß, wurde gegen mich keine Anzeige erstattet.“.

Zu dem von ihm vorgebrachten Überfall befragt meinte der BF, er wisse nicht mehr, an welchem Tag er stattgefunden habe. Es sei 2013 oder 2014 gewesen, er könne sich nicht mehr erinnern, nachgefragt „aber am Nachmittag herum“. Es seien „sieben oder acht Personen“ gewesen, Mitglieder der Awami League; nachgefragt, woher er wisse, dass es Mitglieder der Awami League waren, meinte der BF: „Ich kenne sie“. Er habe keine Anzeige gemacht, denn die Polizeistation „gehört ja ihnen, weil sie an der Macht sind“.

Im abschließenden Statement – nach Hinweis auf die Länderberichte und den ergänzenden Ausführungen des vorsitzenden Richters zur Corona-Pandemie – gab der engagierte Vertreter des BF eine Stellungnahme ab, welche nochmals die asylrelevante Verfolgung des BF, die Auseinandersetzungen mit dem Onkel, seinen Integrationsgrad in Österreich sowie seinen gesundheitlichen Status thematisierte.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist im XXXX , wohnhaft. Er hat in seinem Heimatland für acht (oder neun) Jahre die Schule besucht.

Der BF ist ledig, hat keine Beziehung und keine Kinder.

Die Eltern befinden sich in Bangladesch, ein Bruder lebt in Saudi-Arabien. Der BF hat regelmäßigen, monatlichen Kontakt zur Familie.

Der BF ist zu Silvester 2015 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Er war in die staatliche Grundversorgung einbezogen, hat einen Großteil des Jahres 2020 als landwirtschaftliche Hilfskraft mit einem monatlichen Einkommen von ca. € 1.150 bis 2.300 netto, sowie bei freier „Kost und Logis“ gearbeitet und ist seit Jänner 2021 ohne Beschäftigung. Festgestellt wird, dass sein früherer Arbeitgeber sich für den BF einsetzt und für ihn eine Einstellungszusage abgibt. Der BF ist nicht bei Vereinen oder gemeinnützig tätig.

Der BF hat an einem Sprachtraining teilgenommen. Der BF verfügt über einen deutschen Basissprachwortschatz. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF wurde 2016 im XXXX am Innenohr sowie 2019 in der Nase operiert und ist sein Hörvermögen eingeschränkt. Eine lebensbedrohliche Erkrankung wurde nicht festgestellt.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete politische oder sonstige Verfolgung des BF in Bangladesch.

Festgestellt werden Grundstücks- und Erbschaftsstreitigkeiten zwischen dem Vater des BF und seinem Onkel väterlicherseits. Diese wurden in Bangladesch auf Gerichtsebene zu Gunsten des Vaters des BF im Jahr 2011 gelöst (AS 105; ähnlich nach mehrfacher Nachfrage vor BVwG).

Festgestellt wird, dass der BF einmal von ihm unbekannten Personen überfallen und beraubt wurde. Bei diesem Überfall wurde der BF auch am (Innen-)Ohr schwer verletzt.

Festgestellt wird, dass der BF im Zusammenhang mit dem Überfall unterschiedliche Angaben macht, die seine Glaubwürdigkeit einschränken: während er in der Befragung vor dem BFA angab, dass dieser Überfall „abends“ von „4 oder 5“ Personen, ausgeübt wurde (AS 105) gab der BF vor dem BVwG an, der Überfall sei „am Nachmittag“ von „7 oder 8“ Personen erfolgt (BVwG 19f); er „habe die Personen, die mich überfallen haben, nicht erkannt“ (AS 105), während er gegenteilig und widersprüchlich beim BVwG auf die Frage, woher er wisse, dass es Mitglieder der Awami-League gewesen seien (was der BF unmittelbar zuvor behauptete), angab: „Ich kenne sie“ (BVwG 20).

Festgestellt wird, dass es sehr zweifelhaft ist, ob der BF überhaupt Mitglied der BNP war; ausgeschlossen wird, dass der BF ein politischer Funktionär der BNP war; festgestellt werden folgende widersprüchliche, seine Glaubwürdigkeit schwer erschütternde Angaben zu seiner „politischen Aktivität“:

-        Er sei Mitglied der oppositionellen BNP „seit vor 2015“ (BVwG S 18)

-        Er sei Mitglied der BNP „von April 2015, vielleicht zwei Monate lang“ (AS 97)

-        Eine Bestätigung über die Mitgliedschaft habe er am „07.04.2015“ einfach so bekommen. (AS 98f); Vorhalt, dass die Bestätigung aus „Juli“ sei: „keine Erinnerung“ dazu (AS 99).

-        Der BF gab an, dass er „ein normales Mitglied“ war (AS 97)

-        „Nach Eintritt in die Partei erhielten wir alle Funktionen“ (BVwG S 19)

-        Der BF hatte nach seiner Aussage „keine Funktion“ (AS 97)

-        Der BF hat keine Ahnung darüber, wann Wahlen in Bangladesch stattfanden: „vor 10 bis 12 Jahren“ bevor er Bangladesch verließ (BVwG 19)

-        Der BF besitzt keine „votar card“ (mehrfache Angabe), welche zur Stimmabgabe bei Wahlen erforderlich ist; es ist unglaubwürdig, dass ein Parteimitglied bzw. ein Funktionär einer politischen Partei keine votar card besitzt.

Festgestellt wird, dass der BF weder angezeigt noch inhaftiert war; es gibt kein schriftliches Dokument über Anzeigen oder Haft (mehrfache übereinstimmende Angabe vor BFA und BVwG). Der BF legte lediglich eine Anzeige gegen seinen Vater vor.

Festgestellt wird, dass eine behauptete Anzeige gegen den Vater des BF erst deutlich nach der Ausreise des BF aus Bangladesch erfolgte und in keinem Zusammenhang damit steht.

Festgestellt wird, dass der BF angab, dass die wirtschaftliche Situation der Familie „ganz schwach“ gewesen sei und ihm die Eltern geraten habe, das Land zu verlassen. Dies deshalb, weil der BF „das Ohrenproblem“ hatte, er hatte „für die Behandlung des Ohrs nicht genügend Geld“.

Festgestellt wird, dass der BF einen Reisepass der Volksrepublik Bangladesch problemlos vom Passamt in XXXX erhielt (mehrfache Aussage vor BFA und BVwG), mit dem er – ebenfalls problemlos – Bangladesch legal per Flugzeug verlassen hat (BVwG VS).

Der BF wurde – nach seinen eigenen Angaben - in Bangladesch weder inhaftiert oder von staatlicher Seite (Gericht, Polizei) mittels Anzeige oder Haftbefehl gesucht oder verfolgt (mehrfache Angaben vor BFA und BVwG).

Allfälligen Behelligungen, etwa durch den Onkel, kann der BF durch eine Niederlassung in anderen Landesteilen ausweichen, auch dann, wenn der Onkel ein Mitglied der Awami League sein sollte.

II.1.2. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

COVID-19:

Letzte Änderung: 11.11.2020

Die COVID-Krise trifft Bangladesch sehr hart, nachdem am 8.3.2020 die ersten Fälle nachgewiesen wurden. Die Regierung verhängte ab dem 22.3.2020 einen umfassenden Lockdown, der jedoch de facto immer brüchig war und einmal mehr und einmal weniger eingehalten wurde. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020). Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Mio. Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Mio. rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).

Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Durch die Coronakrise gerät das seit Jahrzehnten unterfinanzierte staatliche Gesundheitswesen in Bangladesch enorm unter Druck und die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen (GTAI 21.9.2020b). So sind landesweit nur etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar (GTAI 21.9.2020; vgl. WKO 4.2020). Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020).

Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens dar. Auf Grund der beengten Arbeits- und Lebensverhältnissen in den Gastländern sind diese Arbeiter besonders von Ansteckungen mit dem Virus betroffen. Darum, aber auch wegen des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs, schicken vor allem die Staaten des Nahen Osten tausende Arbeiter wieder zurück nach Bangladesch. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (25.4.2020): Coronavirus: Situation in Bangladesch, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-bangladesch.html, Zugriff 8.5.2020

Politische Lage:

Letzte Änderung: 16.11.2020

Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 4.11.2020; vgl. GIZ 5.2020, AA 6.11.2020).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 492 Polizeidistrikte (Thana/Upazila), mehr als 4.500 Gemeindeverbände (Unions) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 9.2020). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019).

Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 31.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden rund 20 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet und Tausende verletzt (ÖB 9.2020; vgl. Reuters 1.1.2019). Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen (ÖB 9.2020).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).

Im Vorfeld der elften Parlamentswahl in Bangladesch wurden nach Angaben der Opposition seit Anfang November 2018 bis zu 21.000 ihrer Mitglieder und Aktivisten verhaftet. Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses, wie Mainul Hosain wegen krimineller Diffamierung und Dr. Zaffrullah Chowdhury wegen Verrats, Erpressung und Fischdiebstahls (FIDH 9.1.2019). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit Zia auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).

Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird. Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.11.2020): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 10.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 11.11.2020

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (4.11.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 10.11.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020

?        DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse . Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.11.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 10.11.2020

?        Guardian, The (31.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 10.11.2020

?        Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 10.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020

?        NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch, per E-Mail

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 10.11.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 10.11.2020

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 16.11.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 6.8.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 12.11.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 6.8.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna (UKFCO 12.11.2020b). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt. Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019). Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 12.11.2020a). Auch wenn sich die dortige Lage zeitweise etwas entspannt, bleibt sie grundsätzlich labil (EDA 14.8.2020).

Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2018 insgesamt 135 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2019 wurden 104 solcher Vorfälle, bis zum 8.11.2020 wurden im Jahr 2020 insgesamt 82 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 8.11.2020).

Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) verzeichnet im Berichtzeitraum 2019 insgesamt 1.713 Konfliktvorfälle (angeführt werden beispielsweise Demonstrationen, Ausschreitungen, Kampfhandlungen, Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen u.a.) bei denen 337 Personen getötet wurden (ACCORD 29.6.2020). 2020 wurden bis Ende Oktober in insgesamt 1.189 Konfliktvorfällen 244 Personen getötet (ACLED 4.11.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (29.6.2020): Bangladesh, year 2019: Update on incidents according to the Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2032553/2019yBangladesh_en.pdf, Zugriff 5.11.2020

?        ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (4.11.2020): South Asia Regional Overview: Bangladesh, https://acleddata.com/2020/11/04/regional-overview-south-asia25-31-october-2020/, Zugriff 5.11.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 5.11.2020

?        AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 13.11.2020

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 13.11.2020

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (6.8.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 16.11.2020

?        EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (14.8.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 10.11.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 16.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 16.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (8.11.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 10.11.2020

?        TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 16.11.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (12.11.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 16.11.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (12.11.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 16.11.2020

Rechtsschutz / Justizwesen:

Letzte Änderung: 11.11.2020

Die Justiz ist überlastet. Überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindern die Unabhängigkeit. Presseberichten zufolge kommt es in ländlichen Gebieten zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem „Scharia Recht“. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019). Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Die erstinstanzlichen Gerichte bestehen aus „Magistrates“, die der Exekutive zuzurechnen sind, sowie Session und District Judges, die der Judikative angehören. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen
Entscheidungen alle übrigen Gerichte, einschließlich des High Court, binden. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 9.2020).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 9.2020). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage des „Public Safety Act“, des „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, „Women and Children Repression Prevention Act” sowie des „Special Powers Act“ wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen – es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Speedy Trial Tribunals haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zu Tode verurteilt (ÖB 9.2020).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom Dezember 2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch

Allgemeine Menschenrechtslage:

Letzte Änderung: 16.11.2020

Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 9.2020; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 9.2020). Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend (AA 21.6.2020).

Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen sowie Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2.000 Mitglieder der RABs (Rapid Action Battalion (RAB), Spezialkräfte für u.a. den Antiterrorkampf) wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 9.2020, siehe auch Abschnitt 4).

Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).

Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Verleumdungsdelikten juristisch zu verfolgen (USDOS 11.3.2020).

Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 2020). Internationale Organisationen behaupten, dass einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte an der Erleichterung des Handels mit Rohingya-Frauen und -Kindern beteiligt waren. Formen der Unterstützung von Menschenhandel reichen dabei von „Wegschauen“ über Annahme von Bestechungsgeldern für den Zugang der Händler zu Rohingya in den Lagern, bis hin zur direkten Beteiligung am Handel (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        EEAS - European External Action Service (1.1.2019): Statement by the Spokesperson on parliamentary elections in Bangladesh, https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/56110/node/56110_es, Zugriff 13.11.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat, Zugriff 10.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 10.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch

?        UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN, Zugriff 11.11.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 10.11.2020

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition:

Letzte Änderung: 16.11.2020

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird von der Verfassung garantiert, von der Regierung für oppositionelle politische Parteien jedoch beschnitten. Proteste und Demonstrationen müssen vorab genehmigt werden. Die Regierung hat das Recht Versammlungen von mehr als vier Personen zu verbieten (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 21.6.2020).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 wurden vermehrt unter dem Vorwand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 144 Strafprozessgesetz Demonstrationen der Opposition durch Aufhebung der Versammlungsfreiheit verboten. Die Regierung beendete in der Vergangenheit verbotene Versammlungen auch gewaltsam (AA 21.6.2020). Bei politischen Versammlungen oder Demonstrationen kann es zu gewalttätigen Übergriffen seitens rivalisierender Parteiaktivisten oder der Sicherheitskräfte kommen (ÖB 9.2020). Im Jahr 2018 wurden mehrere Versammlungen von verschiedenen politischen Parteien verboten und angegriffen (ODHIKAR 8.8.2019). Durch Verhaftungen von Parteiaktivisten versucht die Regierung Kundgebungen zu verhindern. Oft werden Demonstranten bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften verletzt, gelegentlich sogar getötet (FH 2020).

Die Gründung von Gewerkschaften wurde aufgrund einer Gesetzesreform 2015 erleichtert, jedoch sehen sich Gewerkschaftsführer Entlassungen und körperlicher Einschüchterung ausgesetzt. Ebenso sehen sich Arbeitsrechtsorganisationen, wie das „Bangladesh Center for Workers’ Solidarity“, Belästigung ausgesetzt. Beschwerden wegen unsicherer Arbeitsbedingungen, besonders in der Bekleidungsindustrie, führen immer wieder zu Protesten (FH 2020).

Die gewalttätigen Hartals (Streik

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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