TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/11 W254 2219350-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.02.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W254 2219350-1/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Wolfgang AUNER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit §§ 3, 8, 10, 57 Asylgesetz 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52, 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in Folge: beschwerdeführende Partei), eine iranische Staatsangehörige, stellte am XXXX .2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen ihrer Erstbefragung brachte sie u.a. vor, dass sie Muslimin in schiitischer Glaubensausrichtung sei und der türkischen Volksgruppe angehöre. Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab sie an, dass sie ihre Glaubensrichtung gewechselt habe, früher sei sie schiitische Muslimin gewesen, nun sei sie zu der Glaubensrichtung der Bahai konvertiert. Aufgrund ihres Glaubenswechsels würde sie nun von ihrer Familie, aber auch von der Gesellschaft verfolgt werden. Sie könne ihren Glauben im Iran nicht ausüben.

2. Im Rahmen ihrer Einvernahme führte sie zu ihren Fluchtgründen befragt näher aus, dass sie seit ihrem zehnten Lebensjahr einen Tschador tragen habe müssen, da hätten ihre Probleme begonnen, weil sie dies nicht gewollt habe. Ihre Eltern hätten sich dauernd dafür verantworten müssen und wären zur Schule geladen worden. An der Universität sei von ihr eine Aufnahme – in welcher sie getanzt habe - verbreitet worden, weshalb sie sich vor der Disziplinkommission der Universität verantworten habe müssen. Dies habe sie in den „Wahnsinn“ getrieben, sodass sie sich umbringen habe wollen. Im letzten Semester habe ihre Familie sie zur Heirat gezwungen. Sie habe einen Onkel in XXXX , der sich wie die „altmodischen Araber“ anziehe, seine Frau müsse sogar eine Burka tragen. Nach der Eheschließung sei die beschwerdeführende Partei mit einer Bahai-Familie in Kontakt gekommen, welche in XXXX gewohnt habe. Einmal habe ihr Ehemann eine Nachricht gesehen, welche sie der Bahai-Familie geschickt habe, auch die Familie des Onkels habe davon erfahren. Sie habe mit dem Mann nicht mehr länger leben können und sei nach drei Jahren Ehe nach Hause zurückgekehrt. Im Jahr 2015 habe sie sich über ein Studium in Österreich erkundigt, sie habe Österreich gewählt, weil es dort keinen Rassismus gebe und es ein friedliches Land sei. Im Bahaitum würden Friede, Antirassismus und Gleichberechtigung von Frauen und Männern betont werden. Nach drei Jahren habe sie ihr Visum erhalten sowie ihre Eltern überreden können, nach Österreich zu ziehen, um dort weiter zu studieren, die Bildung sei für ihre Familie sehr wichtig. Nachdem ihr Onkel von ihrem Vorhaben erfahren habe, habe er angefangen ihre Familie zu schikanieren. Nach vier Monaten habe sie Herrn XXXX kennengelernt, dieser sei einer der Vorgesetzten des XXXX und unterrichte die beschwerdeführende Partei. Sie habe hier das Bahaitum besser kennengelernt und den Glauben angenommen. Die Belästigungen ihrer Familie hätten zugenommen und es sei viel herumgeredet worden, man habe gesagt, dass sie zurückkehren solle. Die beschwerdeführende Partei habe einen Videoclip gemacht, welcher auch auf Facebook und Youtube zu sehen sei, in welchem sie getanzt habe. Sie habe daraufhin viele Anrufe bekommen und sei unter Druck gesetzt worden. Die wirtschaftliche Lage im Iran sei schlimm, sie habe für das zweite Semester zurückmüssen, um ein paar Sachen zu verkaufen und sich auch Geld zu organisieren. Ihr sei gesagt worden, dass kein Geld mehr auf ihrem iranischen Konto sei, sie solle zurückkommen und ein paar Sachen verkaufen. Sie habe aber nicht gewusst, dass es sich um einen Trick gehandelt habe. Am 22.02.2019 sei der Rückflug gewesen, dies habe sie aber ihrer Familie nicht mitgeteilt. Sie habe geahnt, dass da ein Problem entstehen könne, dies wäre auch der Fall gewesen. Ihr Onkel habe jemanden geschickt, der um ihre Hand angehalten habe, diese Person sei vom Geheimdienst gewesen. Sie hätten die beschwerdeführende Partei mit diesem Mann verheiraten wollen, damit sie nicht mehr nach Österreich zurückkehre. Nach ein paar Tagen wäre die Familie dieses Mannes gekommen, um um ihre Hand „anzuhalten“. Die Trauungsfeier wäre für den 21.02.2019 angesetzt gewesen, ihr Rückflug sei am 22.02.2019 um 04:10 gewesen. Am 21.02.2019 habe sie ihre Wohnung verlassen, um angeblich zum Frisör zu gehen und sich auf die Feier vorzubereiten. Sie habe ihr Handy ausgeschaltet und sei gegen 24:00 am Flughafen gewesen. Eine Stunde vor dem Abflug habe sie das Handy wieder eingeschaltet und von ihrer Familie Anrufe bekommen. Sie habe ihnen mitgeteilt, dass sie zum Bahaitum übergetreten sei und sie diesen Mann nicht heiraten würde. Ihr Onkel habe ihr per Anruf mitgeteilt, dass dieser Mann vom Geheimdienst gewesen sei. Ihre Familie habe gesagt, dass zwei Personen bei ihnen gewesen wären und nach der beschwerdeführenden Partei gesucht hätten, es wären „sicher“ Leute vom Geheimdienst in Zivil gewesen. Sie sei sich sicher, dass ihr Onkel dahinterstecke, denn er habe sie am Telefon bedroht. Die beschwerdeführende Partei legte folgende Beweismittel (OZ 1 AS 109 ff) vor: iranischer Reisepass in Original, österreichisches Visum in Original, Schreiben der Chefin bezüglich Arbeit, Führerschein in Original einschließlich einer beglaubigten Übersetzung, Ausbildungszertifikat bezüglich Apothekentechnikerin, diverse Integrationsbescheinigungen.

3. Mit im Spruch bezeichneten Bescheid wurde der gegenständliche Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass deren Abschiebung nach Iran zulässig sei sowie eine Frist für deren freiwillige Ausreise bestimmt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es der beschwerdeführenden Partei vor dem BFA nicht gelungen sei, asylrelevante Fluchtgründe glaubhaft zu machen. Auf Grund dessen habe nicht festgestellt werden können, dass sie den Iran aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführende Partei aus innerer Überzeugung zum Bahaitum konvertiert sei.

4. Der Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei am 03.05.2019 durch persönliche Übergabe zugestellt.

5. Mit am 24.05.2019 bei der Behörde einlangendem Schriftsatz wurde gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die belangte Behörde in ihren Feststellungen zum Teil auf veraltete Länderberichte stütze, bzw. habe die von ihr selbst in das Verfahren eingebrachten Länderberichte nur unzureichend ausgewertet bzw. völlig ignoriert. Die Länderberichte würden festhalten, dass selbst Mitglieder anerkannter religiöser Minderheiten diskriminiert würden, die Konversion vom Islam sei verboten und würde streng geahndet werden. Apostasie sei im Iran verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Zur Lage der Baha´i würden die Länderberichte festhalten, dass der Glaube der Baha´i nicht zu den anerkannten Religionen gehöre und die Mitglieder des Baha´i Glaubens deshalb systematisch verfolgt würden, da sie als abtrünnige Moslems gelten würden. Das LIB führe weiter aus, dass in den letzten Jahren rund 850 Baha´is willkürlich verhaftet worden wären. Die Baha´i hätten als religiöse Minderheit den schwierigsten Stand in der Gesellschaft. Dieses verheerende Bild über die menschenrechtliche Lage im Iran spiegle sich jedoch zu keinem Zeitpunkt im angefochtenen Bescheid wider. Die der beschwerdeführenden Partei im Iran drohenden Gefahren ließe die Behörde zur Gänze unberücksichtigt. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die von ihr selbst ins Verfahren eingebrachten Länderberichte entsprechend zu berücksichtigen, schon allein deshalb habe keine mängelfreie Beweiswürdigung erfolgen können. Alle geschilderten Vorfälle würden zeigen, dass die beschwerdeführende Partei aufgrund ihrer westlichen Lebenseinstellung und ihres Wunsches ihr Leben nicht nach den rigiden Vorstellungen des Islams auszurichten, schon in jungen Jahren mit großen Problemen in ihrem Herkunftsland konfrontiert gewesen wäre. Die beschwerdeführende Partei habe ihre Fluchtgeschichte sehr ausführlich geschildert und diesbezüglich auch ausführlich und glaubhaft das Interesse am Baha´itum dargelegt. Beantragt wurde zudem die zeugenschaftliche Einvernahme des Herrn XXXX , zum Beweis dafür, dass sich die beschwerdeführende Partei dem Baha´itum zugehörig fühle und jeden Freitag Unterricht bei diesem nehme. Der beschwerdeführenden Partei drohe in ihrem Herkunftsstaat Iran Verfolgung aus dem Grund der religiösen Überzeugung sowie der unterstellten politischen Gesinnung aufgrund ihrer westlichen Orientierung. Außerdem wurden mit dem Beschwerdeschriftsatz eine Gewerbeanmeldung beim Magistrat der XXXX , ein Unterstützungsschreiben, ein Kontoauszug und Erklärungen zum Kontoauszug der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, ein iranischer Zeitungsartikel über Verhaftungen von Baha´is im Iran in den Jahren 2015-2018 sowie eine Bestätigung des nationalen XXXX in Österreich.

6. Die Beschwerde wurde samt dem bezugnehmenden Verwaltungsakt am 27.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Mit Schreiben vom 21.08.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Mitteilung über die Ermittlung der Ehefähigkeit der beschwerdeführenden Partei vorgelegt.

8. Mit Schreiben vom 10.09.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Gewerbeanmeldung der beschwerdeführenden Partei übermittelt.

9. Mit Schreiben vom XXXX wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Korrektur der Mitteilung über die Ermittlung der Ehefähigkeit der beschwerdeführenden Partei vorgelegt.

10. Per Dokumentenvorlage vom 16.10.2019 übersandte die beschwerdeführende Partei eine Heiratsurkunde, eine Trauungsurkunde der XXXX sowie eine Teilnahmebestätigung an einem Kurs des Trainingsinstituts der XXXX .

11. Mit Schreiben vom XXXX wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Gewerbeanmeldung der beschwerdeführenden Partei übermittelt.

12. Mit Schreiben vom 29.01.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine beglaubigte Übersetzung der Lenkerberechtigung der beschwerdeführenden Partei nachgereicht.

13. Mit Beweismittelvorlage vom 03.07.2020 übermittelte die beschwerdeführende Partei eine Kursbestätigung über die Absolvierung des Vorstudienlehrganges der XXXX .

14. Am XXXX 2020 wurde vom Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der rechtsfreundlichen Vertretung der beschwerdeführenden Partei, einer Vertrauensperson und unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi durchgeführt. Aufgrund von Schmerzen der beschwerdeführenden Partei und ihrem Verdacht einer Schwangerschaft, wurde die Verhandlung vertagt.

Der beschwerdeführenden Partei wurde aufgetragen, Belege für die vergangene Schwangerschaft sowie Belege für den Grund der gegenständlichen Vertagung innerhalb einer Frist von zwei Wochen vorzulegen.

15. Mit Schreiben vom 17.09.2020 legte die beschwerdeführende Partei medizinische Unterlagen sowie einen Kontoauszug vor.

16. Mit Urkundenvorlage vom 24.09.2020 übersandte die beschwerdeführende Partei medizinische Unterlagen.

Am selben Tag wurde dem Bundesverwaltungsgericht zudem eine Gewerbeanmeldung der beschwerdeführenden Partei nachgereicht.

17. Per E-Mail vom 24.11.2020 ersuchte die beschwerdeführende Partei für ihre mündliche Verhandlung um eine neue Dolmetscherin.

18. Am XXXX 2020 wurde vom Bundesverwaltungsgericht erneut eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Vertretung der beschwerdeführenden Partei, des stellig gemachten Zeugen und unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi durchgeführt, in welcher die beschwerdeführende Partei angab, dass sie physisch und psychisch in der Lage sei, der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu folgen und nicht schwanger sei. Sie habe keinen Einwand gegen die Dolmetscherin. Sie wurde ausführlich zu ihren Fluchtgründen, den persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und der aktuellen Situation in Österreich befragt. Die beschwerdeführende Partei legte eine Anmeldung für den Vorstudienlehrgang vor, die als Beilage ./A zum Akt genommen wurde. Weiters legte sie einen Bescheid über die Zulassung zum Studium vor, der als Beilage ./B zum Akt genommen wurde. Zudem legte sie eine Versicherungsbestätigung der XXXX und eine Teilnahmebestätigung der XXXX vor, die als Beilage ./C bzw. Beilage ./D zum Akt genommen wurden.

Die erkennende Richterin brachte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 19.06.2020 als Beilage I., die Kurzinformation der Staatendokumentation, Zone Russische Föderation, Kaukasus und Iran, Covid-19 Information vom 15.07.2020 als Beilage II. und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Iran, Meldung von Religionsaustritten, Social Media vom 14.07.2018, als Beilage III. in das Verfahren ein und händigte der Rechtsvertretung der beschwerdeführenden Partei die Beilage III. aus.

Der beschwerdeführenden Partei wurde eine Frist von zwei Wochen eingeräumt, zu den Länderberichten eine Stellungnahme abzugeben. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

19. Am 10.12.2020 legte die beschwerdeführende Partei per E-Mail eine Studienbestätigung zum Vorstudienlehrgang für das Wintersemester XXXX , ein Studienblatt für das Wintersemester XXXX , eine Zahlungsbestätigung für das Wintersemester XXXX sowie ein Foto vor.

20. Mit Schreiben vom 10.12.2020 und 21.12.2020 ersuchte die rechtsfreundliche Vertretung der beschwerdeführenden Partei jeweils um eine Fristerstreckung.

21. Am 28.12.2020 erstattete die beschwerdeführende Partei eine Stellungnahme, in welcher sie im Wesentlichen vorbrachte, dass sie eine selbstständige und an der Bahai-Religion interessierte junge Frau sei, dies sei auch entsprechend durch den Zeugen bestätigt worden. Darüber hinaus beantragte sie die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens und/oder der Beiziehung eines Vertrauensanwalts aus dem Iran. Unter Verweis auf diverse Medienberichte - darunter ein auszugsweise wiedergegebener Artikel der XXXX - mache die Covid-19-Situation die Repressionen der Angehörigen der Bahai-Religion im Iran noch schlimmer. Zudem wurden eine Bestätigung der XXXX von der Aufnahme der beschwerdeführenden Partei und Bestätigungen der XXXX , welche die beschwerdeführende Partei betreffen, vorgelegt.

22. Am 08.01.2021 legte die beschwerdeführende Partei ein den Datenschutz betreffendes Schreiben der XXXX vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens folgende Beweismittel der Beurteilung zugrunde gelegt:

-        Der Akt der Behörde, insbesondere darin die Erstbefragung vor der Polizei, die niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde,

-        die in der mündlichen Verhandlung vom XXXX 2020 eingebrachten Länderberichte, auf die bereits teilweise mit der Ladung hingewiesen wurde, welche im Verfahrensgang beschrieben sind,

-        der Inhalt der mündlichen Verhandlungen am XXXX 2020 und am XXXX 2020,

-        sämtliche vorgelegte Beweismittel

-        Einsichten in den Datenbanken (Zentrales Melderegister, Grundversorgungs-Informationssystem, Strafregisterauskunft etc.).

1.1. Die beschwerdeführende Partei ist eine volljährige iranische Staatsangehörige, deren Identität feststeht und die in Österreich strafrechtlich unbescholten ist.

Die beschwerdeführende Partei ist legal mit einem Visum am 01.06.2018 nach Österreich eingereist. Im Februar 2019 reiste sie für kurze Zeit zurück in den Iran. Schließlich kehrte sie am 22.02.2019 zurück nach Österreich.

Am XXXX heirateten die beschwerdeführende Partei und XXXX (dieser war Beschwerdeführer im Asylverfahren zu XXXX ) standesamtlich. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom XXXX 2012 kommt diesem der Status des Asylberechtigten zu.

Die beschwerdeführende Partei war von XXXX bis XXXX sowie von XXXX bis XXXX aufgrund von Unterbauchschmerzen und vaginalen Blutungen sowie des Verdachts auf Tubaria in stationärer Behandlung im Spital. Unter Schmerztherapie verbesserte sich ihr Zustand, sodass sie am XXXX in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden konnte, in weiterer Folge nahm sie noch zwei Kontrolltermine wahr. Am XXXX suchte sie eine Ambulanz aufgrund von Ovulations- und Unterbauchschmerzen auf. Dazu wurde ihr das Medikament Metagelan verschrieben, eine darüber hinausgehende Behandlungsnotwendigkeit bestand nicht, auch der Laborbefund war unauffällig. Abgesehen davon ist sie gesund und arbeitsfähig.

1.2. Die beschwerdeführende Partei hat Iran aus Sicht der iranischen Behörden legal verlassen, sie stammt aus XXXX und hat dort bis zu ihrer Ausreise gemeinsam mit ihren Eltern gelebt.

Sie hat für zwölf Jahre die Schule besucht und mit „Matura“ abgeschlossen. Danach studierte sie vier Jahre Agrarwirtschaft und erlangte hierzu einen Masterabschluss. Weiters arbeitete sie für zwei Jahre in einer Düngerproduktionsfirma. Zudem betrieb sie fünf Jahre lang ein Bekleidungsgeschäft. Außerdem spielte sie dreizehn Jahre lang professionell Volleyball.

Für ihren Lebensunterhalt ist sie selbst aufgekommen. Sie war zudem im Iran einmal verheiratet.

Die beschwerdeführende Partei verfügt über Familienangehörige im Iran. Sie steht mit ihren Eltern auch in Kontakt.

Das Herkunftsgebiet der beschwerdeführenden Partei wird von den iranischen Behörden kontrolliert, es liegen dort keine kriegs- oder bürgerkriegsähnliche Zustände vor. Im Herkunftsgebiet der beschwerdeführenden Partei ist die Grundversorgung und die medizinische Versorgung gesichert.

Der beschwerdeführenden Partei droht wegen der legalen Ausreise aus dem Iran, der gegenständlichen Antragstellung bzw. dem Aufenthalt im Ausland nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine behördliche Verfolgung.

1.3. Die beschwerdeführende Partei hat am XXXX .2019 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit im Spruch bezeichneten Bescheid hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung der Genannten in den Iran zulässig sei. Schließlich wurde über die Frist für die freiwillige Ausreise entschieden.

1.4. Die beschwerdeführende Partei ist in Iran vor ihrer Ausreise religiös unauffällig gewesen und wurde bzw. wird in diesem Zusammenhang auch nicht von den iranischen Behörden gesucht.

Die beschwerdeführende Partei wurde mit Schreiben vom XXXX .2020 in die österreichische XXXX aufgenommen. Sie ist aber nicht ernstlich und aus innerem Entschluss zum Bahaitum konvertiert; bei der vorgebrachten Konversion handelt es sich um eine Scheinkonversion. Da Glaubenslehren des Bahaitums kein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden sind, hat sie in diesem Zusammenhang im Falle einer Rückkehr in den Iran keine Verfolgungshandlungen zu befürchten.

Die iranischen Behörden wissen von den festgestellten Aktivitäten um das Bahaitum der beschwerdeführenden Partei in Österreich nicht Bescheid.

Ihre Familie bzw. ihr Onkel haben nicht versucht, sie gegen ihren Willen mit einem Mann, der beim Geheimdienst beschäftigt ist, zu verloben.

1.5. Weder die Familie der beschwerdeführenden Partei noch andere Verwandte – mit Ausnahme des Ehemannes - befinden sich in Österreich.

Die beschwerdeführende Partei besucht aktuell als außerordentliche Studentin einen Vorstudienlehrgang an der XXXX , um in weiterer Folge zum Bachelorstudium der Pharmazie zugelassen zu werden. Im Rahmen des Vorstudienlehrganges besucht sie auch Deutschkurse, sie verfügt über Deutschkenntnisse auf A2 Niveau.

Sie war selbstständig in einem Nagelstudio tätig, darüber hinaus arbeitete sie auch als Frisörin.

Die beschwerdeführende Partei ist nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen in Österreich und auch nicht gemeinnützig tätig.

Die beschwerdeführende Partei nahm an Kursen des XXXX teil. In diesem Rahmen lernte sie auch XXXX kennen, welcher sie unterrichtete.

Ihre wichtigsten Bezugspersonen in Österreich sind ihr Ehemann und XXXX . Die beschwerdeführende Partei lernte ihren nunmehrigen Ehemann im Februar 2019 kennen. Zusätzlich zu ihrer standesamtlichen Eheschließung, ließen sich die beiden auch im Rahmen einer Bahai-Trauung vermählen. Seit August 2020 leben sie in einem gemeinsamen Haushalt. Der Ehemann unterstützt die beschwerdeführende Partei finanziell, ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden besteht allerdings nicht. Ebenso weist ihr Eheleben keine besondere Beziehungsintensität auf.

Darüber hinaus verfügt sie über weitere freundschaftliche Kontakte. Diese Beziehungen haben sich jedenfalls zu einem Zeitpunkt entwickelt, zu dem die Beteiligten um den prekären aufenthaltsrechtlichen Status der beschwerdeführenden Partei wussten.

1.6. Zur Lage im Iran:

1.6.1.  Aus dem aktuellen LIB (Beilage I.):

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch- irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen: […]

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Dennoch sind seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft, insbesondere in politischen Fällen, durchaus üblich (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020, DIS 7.2.2020). Dies betrifft vorrangig nicht registrierte Gefängnisse, aber auch „offizielle“ Gefängnisse, insbesondere den berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt (AI 18.2.2020; vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.3.2020). Zahlreiche Personen wurden wegen Diebstahls oder Überfällen zu Peitschenhieben verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche Beziehungen, Alkoholkonsum oder Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Frauen als auch Männer anwesend waren. (AI 18.2.2020).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 10.2019). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen

– teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018; vgl. US DOS 11.3.2020).

Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase (HRC 8.2.2019; vgl. DIS 7.2.2020), um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidigern und jugendlichen Straftätern (HRC 8.2.2019). Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019; vgl. HRW 14.1.2020, HRC 28.1.2020). Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.3.2020).

Quellen: […]

Allgemeine Menschenrechtslage

Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene „Hohe Rat für Menschenrechte“ untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten „Pariser Prinzipien“ (AA 26.2.2020).

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

-        Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

-        Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte - Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

-        Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht)

-        Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie

-        Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

-        Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

-        UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen

-        Konvention über die Rechte behinderter Menschen

-        UN-Apartheid-Konvention

-        Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 26.2.2020) Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:

-        Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

-        Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention

-        Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe

-        Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

-        Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

-        Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (AA 26.2.2020).

Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 10.2019). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition (GIZ 2.2020a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen und ohne einen fairen Prozess, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (US DOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, Gewalt gegen ethnische Minderheiten, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Die Regierung unternahm wenige Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 11.3.2020).

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte, insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2019). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (HRW 14.1.2020; vgl. BTI 2020).

Quellen: […]

Meinungs- und Pressefreiheit

Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht „schädlich“ für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die „Rechte der Öffentlichkeit“ sind (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020, AI 18.2.2020, US DOS 11.3.2020) und Behörden nutzen das Gesetz, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen (US DOS 11.3.2020). Der staatliche Rundfunk wird streng von Hardlinern kontrolliert und vom Sicherheitsapparat beeinflusst. Nachrichten und Analysen werden stark zensiert (FH 4.3.2020). Die iranischen Justiz- und Sicherheitsbehörden verwenden weiterhin vage definierte Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, um Aktivisten wegen freier Meinungsäußerung zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen (HRW 14.1.2020).

Die iranische Presselandschaft spiegelt eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, geprägt wird sie dennoch von einer Vielzahl höchst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter „roter Linien“ des Revolutionsführers, die in erheblichem Maß auch zu Selbstzensur führen. Bei Verstößen gegen ungeschriebene Regeln drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen „Propaganda gegen das System“ bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten als auch von konservativen Zeitungen (AA 26.2.2020). „Propaganda gegen den Staat“ ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei „Propaganda“ nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder für hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden – dies gilt auch für Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet (ÖB Teheran 10.2019). Mitarbeiter von ausländischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabhängige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzögerungen bei der Gewährung der Presselizenz durch die iranischen Behörden, Verhaftungen, körperlicher Züchtigung sowie Einschüchterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, FH 4.3.2020). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein verstärktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverhältnismäßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa „regimefeindliche Propaganda“ verhängt (ÖB Teheran 10.2019).

Für Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausländischer Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Behörden versuchen, dies durch den Einsatz von Störsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Polizei durchsucht regelmäßig Privathäuser und beschlagnahmt Satellitenschüsseln (FH 4.3.2020). Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber „gefiltert“ bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen „Cyber- Krieg“ gegen das Land führen zu wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist ohne Gerichtsanordnung grundsätzlich verboten. Wenn die nationale Sicherheit bedroht zu sein scheint, wird hiervon jedoch abgesehen (AA 26.2.2020).

Die Behörden gestatten es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren (US DOS 11.3.2020).

Die 1997 unter Khatami gegründete „Association of Iranian Journalists“ wurde 2009 unter Staatspräsident Ahmadinedschad von den Sicherheitskräften geschlossen und hat seitdem trotz pressefreundlicher Wahlkampfversprechen von Rohani ihre Tätigkeit nicht wieder aufgenommen. Im Ausland lebende Journalisten von BBC Farsi berichten von gezielter Verfolgung und Einschüchterungsversuchen. Maßnahmen wie Überwachung, wiederholte Befragungen und das Einfrieren von Konten erstrecken sich dabei auch auf Familien der Betroffenen. Familienangehörige werden unter Druck gesetzt, auf die Beendigung der journalistischen Tätigkeit für BBC Farsi hinzuwirken. Inhaftierte Journalisten sind in Iran – wie alle politischen Gefangenen – besorgniserregenden Haftbedingungen ausgesetzt. Unter politischen Gefangenen und Journalisten kommt es regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen, unter anderem gegen die hygienischen Bedingungen und die mangelhafte medizinische Versorgung (AA 26.2.2020). Auch gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wird massiv vorgegangen. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr sowie Internet-Cafés (obligatorische Personenidentifikation und Überwachungskameras) stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder

„islamfeindliche“ Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, getätigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer geäußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (ÖB Teheran 10.2019).

Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Künstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als „unislamisch“ oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausländische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland aufführen (dazu wurde eine Genehmigungspflicht verhängt). Über zahlreiche Künstler wurden Strafen wegen zumeist

„regimefeindlicher Propaganda“ und anderen Anschuldigungen verhängt. Viele sind regelmäßig in Haft bzw. zu langjährigen Tätigkeits- und Interviewverboten verurteilt (ÖB Teheran 10.2019).

Präsident Rohani hatte in seiner Wahlkampagne eine Lockerung der Zensurpolitik versprochen. Zeitweise wurden einige soziale Netzwerke wieder freigegeben. Rohani bezeichnete den Zugang zum Internet als „Bürgerrecht“ und ist selbst auf Twitter und Facebook aktiv (beide aktuell in Iran gesperrt, wobei dies durch viele Iraner mittels VPN umgangen wird). Trotz seiner vielversprechenden Aussagen und einer (teils heftig geführten) öffentlichen Diskussion insbesondere zum Thema „Cyberspace“ hat sich die Situation aber nicht signifikant verbessert, im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2018 wurde die überaus beliebte Messenger App „Telegram“ gesperrt. Es gibt weiterhin Polizeiaktionen gegen auf Instagram erfolgreichen Frauen, die „unsittliche“ Inhalte (Fotos ohne Kopftuch, Make-up-Videos, Tanzvideos, usw.) teilen (ÖB Teheran 10.2019). Die Messenger App Telegram hatte in Iran mehr als 40 Millionen Nutzer. Auch Facebook und Twitter bleiben blockiert, genauso wie hunderte andere Webseiten (HRW 17.1.2019).

In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um sechs Plätze verschlechtert und liegt nun an Position 173 (2019: 170) von 180. Reporter ohne Grenzen bezeichnet Iran als eines der größten Gefängnisse für Journalisten. Verhaftungen von professionellen Journalisten und nicht professionellen Journalisten, vor allem solche, die in sozialen Netzwerken posten, haben sich im Jahr 2018 gesteigert (ROG 2019).

Nahezu jede iranische Familie besitzt eine Satellitenantenne, auch wenn diese offiziell verboten sind. Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafés (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist eine Art Volkssport unter jungen Iranern. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iranern hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind (GIZ 12.2019c).

Quellen: […]

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit steht für öffentliche Versammlungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Demonstrationen der Opposition sind seit den Wahlen 2009 nicht mehr genehmigt worden, finden jedoch in kleinem Umfang statt. Demgegenüber stehen Demonstrationen systemnaher Organisationen, zu deren Teilnahme Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sowie Schüler und Studenten teilweise verpflichtet werden. Ebenfalls ist eine unabhängige gewerkschaftliche Betätigung nicht möglich, denn auch gewerkschaftliche Aktivitäten werden zum Teil mit dem Vorwurf der „Propaganda gegen das Regime“ und „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ verfolgt. Das Streikrecht hingegen ist prinzipiell gewährleistet (AA 26.2.2020), jedoch können streikende Arbeiter von Entlassung und Verhaftung bedroht sein. Mehrere inhaftierte Arbeiteraktivisten wurden 2019 zu schweren Haftstrafen von 14 Jahren oder mehr verurteilt (FH 4.3.2020). Nach den Ende Dezember 2017 ausgebrochenen Protestdemonstrationen im ganzen Land nahmen Behörden zahlreiche Menschen fest. Berichten zufolge gingen Sicherheitskräfte mit Schusswaffen und anderer exzessiver Gewaltanwendung gegen Protestierende vor und verletzten und töteten unbewaffnete Demonstrierende. Zahlreiche friedliche Regierungskritiker (Oppositionelle, Journalisten, Blogger, Studierende etc.) wurden aufgrund von vage formulierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert (AA 12.1.2019). Seit diesen Protesten im Dezember 2017 haben die Behörden das Recht auf friedliche Versammlung systematisch verletzt (HRW 17.1.2019). Die Sicherheitskräfte, insbesondere die Geheimdienstorganisation der Revolutionsgarden (IRGC), unterdrücken weiterhin Aktivisten der Zivilgesellschaft und behalten friedliche Versammlungen, besonders arbeitsbedingte Proteste fest im Griff (HRW 14.1.2020).

Vereinigungen auf Arbeitnehmerseite werden misstrauisch beobachtet. Es gibt keine Betätigungsmöglichkeit für unabhängige Gewerkschaften (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Erlaubt sind nur „Islamische Arbeitsräte“ unter der Aufsicht des „Haus der Arbeiter“ (keine unabhängige Institution). Mitglieder und Gründer unabhängiger Gewerkschaftsgruppierungen wie etwa die Teheraner Busfahrergewerkschaft, die Zuckerrohrarbeitergewerkschaft oder die Lehrergewerkschaft wurden in den letzten Jahren zunehmend häufig verhaftet, gefoltert und bestraft. Proteste gegen zu geringe oder gar nicht ausbezahlte Löhne mehren sich seit Anfang 2018, auch dabei kommt es immer wieder zu Festnahmen. Es kommt auch vermehrt zu Protesten im Zusammenhang mit zunehmendem Wassermangel in manchen Teilen des Landes. Seit Anfang 2018 sind auch Umweltaktivisten von Verfolgung bedroht. Unter dem Vorwurf der (mitunter

„unbewussten“) Spionage im Umfeld von atomaren Einrichtungen wurden seit Jänner 2018 mehrere Dutzend Personen inhaftiert (ÖB Teheran 10.2019).

Die iranischen Behörden unterdrückten brutal landesweite Proteste, die nach dem Anstieg der Kraftstoffpreise am 25. November 2019 ausbrachen. Videomaterial und Augenzeugenberichte, die nach einer fast vollständigen Schließung des Internets durch die Regierung im Land entstanden waren, zeigen Sicherheitskräfte, die sich direkt gegen Demonstranten richteten. Es sollen über 200 Menschen bei diesen Protesten getötet worden sein und laut Schätzungen ca. 7.000 Personen verhaftet worden sein (HRW 14.1.2020; vgl. DIS 7.2.2020).

In Iran gibt es keine politischen Parteien mit vergleichbaren Strukturen westlich-demokratischer Prägung (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a). Auch im Parlament existiert keine, mit europäischen Demokratien vergleichbare, in festen Fraktionen organisierte parlamentarische Opposition. Bei Wahlen (sowohl bei Präsidenten- als auch Parlamentswahlen) nimmt der Wächterrat die Auswahl der Kandidaten vor. Kandidaten werden unter fadenscheinigen Gründen aussortiert – dabei wurden auch schon ehemalige Präsidenten als „nicht geeignet“ ausgeschlossen. Die entscheidenden Konfliktlinie im iranischen Parlament liegt oft zwischen den Rohani-Loyalen (Reformern und Moderaten) einerseits und den Anhängern der Revolutionstreuen (Parlamentspräsident Ali Larijani, Oberster Führer Khamenei) andererseits, bisweilen kommen aber auch andere Gegensätze zum Tragen. Der Spielraum für die außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen Überwachungsstaat eingeschränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschränkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetüberwachung, Spitzelwesen, Omnipräsenz von Basij-Vertretern u.a. in Schulen, Universitäten sowie Basij-Sympathisanten im öffentlichen Raum, etc.) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Viele Anhänger der Oppositionsbewegungen wurden verhaftet, haben Iran verlassen oder sind nicht mehr politisch aktiv. Ohne entsprechende Führung und angesichts umfassender Überwachung der Kommunikationskanäle spielen die verbleibenden Oppositionellen kaum eine Rolle. Das Fehlen oppositioneller Führungspersonen zeigte sich auch bei den Unruhen zum Jahreswechsel 2017/18 und den Protesten im November 2019 (AA 26.2.2020). Die Verfassung lässt die Gründung politischer Parteien, von Berufsverbänden oder religiösen Organisationen so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souveränität des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regierungssystems in Frage stellen. Hinzu kommen immer wieder verhängte drakonische Strafen aufgrund diffuser Straftatbestände („regimefeindliche Propaganda“, „Beleidigung des Obersten Führers“ etc.). Darüber hinaus werden Angehörige der außerparlamentarischen Opposition immer wieder unter anderen Vorwürfen festgenommen. An sich gäbe es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Eine markante Führungspersönlichkeit fehlt bei sämtlichen oppositionellen Gruppierungen (ÖB Teheran 10.2019).

Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Ehefrau Zahra Rahnavard stehen noch immer ohne Anklage oder Gerichtsverfahren unter Hausarrest, der 2011 gegen sie verhängt worden war (AI 18.2.2020; vgl. BTI 2020, ÖB Teheran 10.2019, AA 26.2.2020).

Quellen: […]

Todesstrafe

Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.4.2020, AA 26.2.2020). Des weiteren terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin (AA 26.2.2020). Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 26.2.2020).

Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020) und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt (ÖB Teheran 10.2019) und auch (selten) gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, HRW 14.4.2020, FH 4.3.2020, HRC 28.1.2020, AI 18.2.2020). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018; vgl. AA 26.2.2020) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. 2018 wurden mindestens vier zur Tatzeit minderjährige Täter/innen hingerichtet. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht aktuell die Hinrichtung. 2019 wurden erstmals auch zwei zum Zeitpunkt der Hinrichtung Minderjährige verzeichnet (AA 26.2.2020). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 10.2019). Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen, die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 26.2.2020). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 4.3.2020).

Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder zwei Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 10.2019). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 4.3.2020) und die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen sank (AI 10.4.2019; vgl. HRW 14.1.2020, FH 4.3.2020, HRC 8.2.2019). Das neue Gesetz gilt rückwirkend, sodass dadurch etwa 2.000 bis 5.000 bereits zum Tode Verurteilte von der Todesstrafe verschont bleiben könnten (AA 26.2.2020). Nichtsdestotrotz hat Iran im Laufe des Jahres 2019 fast 300 Menschen hingerichtet, darunter mindestens zwei jugendliche Straftäter (FH 4.3.2020).

Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet, insbesondere bei „politischen“ oder die „nationale Sicherheit“ betreffenden Fällen. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom

„Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der „Steinigungsliste“. Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen: […]

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).

Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2019). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 4.3.2020).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2019).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 18.2.2020).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).

Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt (US DOS 21.6.2019).

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 34 wegen „Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini“ und 20 wegen „Korruption auf Erden“ (US DOS 21.6.2019).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 18.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen: […]

Baha‘i

Nicht zu den anerkannten Religionen gehört der Baha‘i Glaube, weshalb Baha‘i juristisch gesehen unter der iranischen Verfassung und dem Strafgesetzbuch benachteiligt werden können. Die etwa 300.000 Anhänger werden systematisch verfolgt, weil sie Propheten nach Mohammed akzeptieren und damit als abtrünnige Muslime gelten. Die Baha‘i haben als religiöse Minderheit den schwierigsten Stand in der Gesellschaft. Dazu kommt, dass die Baha‘i wegen des Bestehens ihrer Zentrale in Haifa/Israel von offizieller iranischer Seite besonders misstrauisch beobachtet und oft als israelische Spione angesehen werden. Es gibt häufig Berichte über Verhaftungen von Baha‘i. Die Begründung der Verhaftung oder der Gerichtsurteile beinhalten meist „Verbreitung von Propaganda gegen die Islamische Republik“ und Gründung von, oder Beteiligung an „Gruppen, die eine Bedrohung für die nationalen Sicherheitsinteressen darstellen“. Zudem schüren staatliche Stellen den Hass gegen Baha‘i. Gewaltakte gegen Mitglieder werden kaum geahndet (ÖB Teheran 10.2019; vgl. USCIRF 10.2019). Baha‘i sind also wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Damit stellen sie derzeit die am stärksten in ihren Rechten eingeschränkte Mi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten