TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/16 L515 2230496-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.02.2021
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Entscheidungsdatum

16.02.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L515 2230496-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch VertretungsNetz – Erwachsenenvertretung, Linz, gegen den Behindertenpass des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 07.10.2019, Zl. OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die beschwerdeführende Partei (nachfolgend "bP") beantragte am im Akt ersichtlichen Datum beim Sozialministeriumservice als belangte Behörde ("bB") unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass.

I.2. Die bP wurde am 26.06.2019 einer Begutachtung durch eine medizinische Sachverständige (Allgemeinmedizin) zugeführt und darüber ein Gutachten erstellt. Im Gutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung vom 50 v.H festgestellt.

I.3. Mit Schreiben vom 19.08.2019 wurde der bP das eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Die bP gab innerhalb der eingeräumten Frist keine Stellungnahme ab.

Mit Schreiben vom 04.10.2019 ersuchte die bP um Fristverlängerung für die Einbringung einer Stellungnahme. Dies wurde von ihr damit begründet, dass sie weitere Befunde vorlegen wolle, in deren Besitz sie noch nicht sei. Welche Art von Befunden bzw. auf welche konkrete Beweisthema sich diese beziehen würden, nannte gab die bP nicht an. Ebenso wurde –ohne nähere Begründung- angeführt, dass sich der Gesundheitszustand der bP verschlechtert hätte.

Das Ersuchen langte bei der bB am 7.10.2019 ein.

I.4. Der bP wurde in weiterer Folge mit 07.10.2019 ein bis 30.06.2020 befristeter Behindertenpass (im Scheckkartenformat) übermittelt. Das Gutachten der medizinischen Sachverständigen vom 29.07.2019 wurde dem Bescheid beigelegt.

I.5. Gegen diesen Behindertenpass erhob die bP mit Schriftsatz vom 22.11.2019 Beschwerde, in welcher sie sich mit dem festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärte und ein Befundkonvolut nachreichte.

I.6. In einem von der bB eingeleitenen Verfahren zur Erlassung einer Beschwerde-vorentscheidung wurde ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Anästhesie und Allgemeinmedizinerin eingeholt. Dieses Gutachten vom 11.04.2020 (Begutachtung am 26.02.2020) ergab wiederum zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H und bestätigte im Wesentlichen inhaltlich das auf die Untersuchung vom 26.6.2019 basierende Gutachten.

I.7. Da das Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht abgeschlossen wurde, wurde die Beschwerdeakte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 23.04.2020 zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerdevorlage langte am 24.04.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.8. Mit Schreiben des BVwG vom 17.07.2020 wurde der bP das Ergebnis des unter Pkt. I.6. angeführten Sachverständigengutachtens mitgeteilt und eine Frist zu einer Stellungnahme von zwei Wochen gewährt. Innerhalb der gewährten Frist wurde seitens der bP keine Stellungnahme abgegeben.
Am 24.08.2020 langte eine Fachärztliche Stellungnahme eines Facharztes f. Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin ein, auf welches im gegenständlichen Erkenntnis noch näher eingegangen wird.

I.9. Die Rechtssache wurde der Gerichtsabteilung L517 zugewiesen. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des ho. Gerichts vom 12.10.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung L517 abgenommen und der Gerichtsabteilung L515 zur Erledigung zugewiesen.

I.10. Im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung am 25.1.2021 beschloss der erkennende Senat die Beschwerde abzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der bP ist österreichischer Staatsangehöriger und an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft. Die bP wird durch einen gerichtlich bestellten Erwachsenenverteter vor Ämtern, Behörden und Gerichten vertreten.

1.2. Das am 28.07.2019 von einer ärztlichen Sachverständigen (Allgemeinmedizin) erstellte Gutachten kam zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H.

1.3. Mit Schriftsatz vom 22.11.2019 erhob die bP Beschwerde und monierte die ihrer Ansicht nach zu geringe Einschätzung. Gesundheitsbeschwerden seien überhaupt nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden. Vorgelegt wurde ein CT-Befund vom 14.11.2019, ein Lungenärztlicher Befund vom 12.11.2019, Konvolut der Röntgenordination vom 15.10.2019, Arztbriefe des K-Universitätsklinikums von 2010 – 2012 samt aktueller Befunde, Behandlungsbestätigung Exit vom 22.10.2019. Die zahlreichen körperlichen und psychischen Leiden würden negativ zusammenwirken. Soweit der Sachverständige davon ausgeht, dass der bP in der Lage sei, trotz seiner Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, sei dies nicht richtig. Die bP beziehe ab 1.1.2020 eine Invaliditätspension. Das diesbezügliche Gutachten und der Bescheid der PVA befinden sich im Anhang.

1.4. Das am 11.04.2020 (Begutachtung am 26.02.2020) - im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - von einer ärztlichen Sachverständigen (Fachärztin für Anästhesie und Allgemeinmedizinerin) erstellte Gutachten weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„…

Derzeitige Beschwerden:

Es sei nichts besser geworden, nur schlechter. Jetzt auch I-Pension durchgegangen.

Depressio schwanke trotz der Medikamente. Psychotherapie monatlich. Bzgl. Wirbelsäule nehme er derzeit fast täglich Schmerzmittel. Lunge habe sich nicht verändert, keine Medikamente. Ebenso Sodbrennen, ab und zu vorhanden, keine Medikamente.

[…]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Rahmensätze:

1) Depressive Störung.

maßgebliche soziale Beeinträchtigung, allerdings weiterhin nur milde medikamentöse Therapie, einmal monatlich Psychotherapie, d.h. Therapieoptionen nicht ausgeschöpft.

Pos. Nr. 03.06.01, GdB 40 %

2) Erblindung am linken Auge nach Trauma

Erblindung links, rechts voller Visus cc mit 1,0.

Pos. Nr. 11.02.01, GdB 30 %

3) Osteopenie/verminderte Knochendichte.

laut letztem Densitometriebefund Osteopenie beschrieben mit erhöhtem Frakturrisiko/Risiko einer Knochenbruchgefährdung, bisher milde Medikation - Therapieoptionen nicht ausgeschöpft.

Pos. Nr. 02.02.01, GdB 20 %

4) Wiederkehrende Wirbelsäulenbeschwerden.

Keine Bewegungseinschränkungen, keine neurologischen Defizite, keine aktuellen Befunde.

Pos. Nr. 02.01.01, GdB 10 %

5) Vorbekannte interstitielle Lungenerkrankung,

unverändert, keine Therapie, kein fachspezifischer Befund, radiolog. Befund einem Restzustand nach Entzündung entsprechend. Klinisch unauffällig.

Pos. Nr. 06.07.01, GdB 10 %

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Führend ist Pos 1.

Pos 2 wirkt im Alltag verschlechternd, daher Erhöhung um eine Stufe.

Die übrigen Positionen geringfügig und daher nicht stufenerhöhend.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Refluxkrankheit - keine Therapie, keine Befunde, daher aus der Einschätzung genommen.

Adipositas/Übergewicht.

Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen - keine Bestätigung in den fachspezifischen Befunden (es wird unspezifisch von einem V.a.= Verdacht auf Erkrankung aus schizophrenem Formenkreis gesprochen).

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Ehem. Pos 5 aus der Einschätzung genommen, sonst unverändert.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Gesamt-GdB unverändert mit 50%.

Dauerzustand

[…]“

1.5. Mit Schreiben des ho. Gerichts vom 17.07.2020 wurde der bP das Ergebnis des unter Pkt. 1.4. angeführten Sachverständigengutachtens mitgeteilt und eine Frist zu einer Stellungnahme von zwei Wochen gewährt. Eine entsprechende Stellungnahme langte nicht ein.

1.6. Mit Schreiben vom 21.08.2020 übermittelte die bP eine Fachärztliche Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 18.08.2020, der zu Folge bei der bP eine chronische seelische Erkrankung aus dem affektiven (F33.I) und schizophrenen (F22.0) Formenkreis bestehe. Auf Grund der Diagnosen bestehe eine frühzeitige Berufsunfähigkeit und eine Erwachsenenvertretung.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in den sonstigen relevanten Unterlagen, insbesondere den durch die bP in Vorlage gebrachten ärztlichen Bescheinigungsmittel, das der Entscheidung zu Grunde liegende Gutachten, dem Parteienvorbringen sowie der Stellungnahme des leitenden Arztes der bB.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).

Das seitens der belangten Behörde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Anästhesie und Allgemeinmedizin vom 11.04.2020 zeigt den aktuellen Gesundheitszustand der bP im Lichte des BBG bzw. der Einschätzungsverordnung in nachvollziehbarer Weise auf, ist ausführlich begründet, schlüssig und weist keine Widersprüche auf. Die vorliegenden Funktionseinschränkungen wurden von der Sachverständigen im Rahmen der klinischen Untersuchung am 26.02.2020 unter Berücksichtigung der zuletzt im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde erhoben und den entsprechenden Positionsnummern der Einschätzungsverordnung zugeordnet. Das zitierte Gutachten kommt zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. Führendes Leiden stellt die Funktionseinschränkung „depressive Störung“ mit einem GdB von 40 % dar. Die Erblindung am linken Auge (Pos. Nr. 11.02.01) wurde mit 30 % eingeschätzt und auf Grund dessen, dass sie sich im Alltag verschlechternd auswirkt, erhöhte sie den GdB um eine Stufe auf 50 %.

Im Gutachten erläutert der Sachverständige ausführlich die Einschätzung der depressiven Störung unter die Pos. Nr. 03.06.01 mit einem GdB von 40 %, wobei die Einschätzung von 40 % mit der maßgeblichen sozialen Beeinträchtigung begründet wurde. Die Sachverständige berücksichtigte in ihrer Einschätzung auch, dass die bP weiterhin nur mit einer milden medikamentösen Therapie und mit einer monatlichen Psychotherapie behandelt wird, und damit nicht alle Therapieoptionen ausschöpft. Bei der Einschätzung wurde auch die im Zuge der Beschwerde übermittelte Bestätigung vom Ambulatorium für Sozialpsychiatrie, wonach die bP am 27.09.2019 im Psychosozialen Zentrum in Linz anwesend war, sowie, dass sich die bP in fachärztlicher Behandlung befindet und regelmäßig seine Termine wahrnehme, berücksichtigt.

Die vorgelegte fachärztliche Stellungnahme vom 18.08.2020, in der der bP seitens eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin eine chronische seelische Erkrankung aus dem affektiven (F33.1) und schizophrenen (F22.0) Formenkreis sowie ein regelmäßiger Ambulanzbesuch, bescheinigt wird, unterliegt gem. § 46 3. Satz BBG dem Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren, womit festzuhalten ist, dass innerhalb jener Zeitspanne, in welcher die bP zulässigerweise Bescheinigungsmittel einbringen konnte, keine weiteren als die in den genannten Gutachten beschriebenen Erkrankungen bzw. Leidenszustände bescheinigt bzw. nachgewiesen wurden.

Die Sachverständige wies darauf hin, dass mangels Bestätigung in den fachspezifischen Befunden (es wird unspezifisch von einem V.a. = Verdacht auf Erkrankung aus schizophrenen Formenkreis gesprochen) eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen nicht festgestellt werden konnte.

Die Erwachsenenvertretung der bP monierte eine Unterbewertung der Wirbelsäule und der Lungenerkrankung der bP. Außerdem liege eine verminderte Knochendichte vor allem in der linken Hüfte und deutlich ausgeprägter in der Wirbelsäule vor. Die bP leide dadurch an Schmerzen.

Die klinische Untersuchung der Wirbelsäule ergab einen leichten Rundrücken und eine diskrete Skoliose. Der Finger-Boden-Abstand betrug 20 cm. Das Aufrichten wurde mit lumbaler Schmerzangabe frei durchgeführt; neurologische Defizite wurden nicht festgestellt. Die Sachverständige hat die Wirbelsäulenbeschwerden unter die Pos. Nr. 02.01.01 mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades mit einem GdB von 10 % eingestuft. Auch die im Zuge der Beschwerde vorgelegten Bilddiagnostischen Befunde vom 14.11.2019 sowie vom 15.10.2019, welche bei der Einschätzung berücksichtigt wurden, widersprechen nicht der klinischen Untersuchung.

Die monierte verminderte Knochendichte in der linken Hüfte und in der Wirbelsäule wurde nunmehr von der Sachverständigen auf Grund des letztem Densitometriebefund vom 15.10.2019, in welchem eine Osteopenie mit erhöhtem Frakturrisiko/Risiko einer Knochenbruchgefährdung beschrieben wird, unter die Pos. Nr. 02.02.01 mit einem GdB von 20 % eingeschätzt. Auch hier hat die Sachverständige festgestellt, dass auf Grund der bisher milden Medikation die Therapieoptionen noch nicht ausgeschöpft sind.

Die in der Beschwerde monierte Unterbewertung der Lungenerkrankung wurde von der Sachverständigen als leichte Form der interstitiellen Lungenerkrankung unter die Pos. Nr. 06.07.01 mit einem GdB von 10 % eingeschätzt, zumal die bP diesbezüglich keine Therapie in Anspruch nimmt. Die Lungenfachärztliche Untersuchung vom 12.11.2019 ergab keine relevante oder obstruktive Funktionsminderung der Lungenfunktion. Diagnostiziert wurde eine Herdsetzung bd. Lungen unklarer Genese. Die am 14.11.2019 durchgeführte Low-dose-CT der Lungen zeigen einen bei der durchgeführten Voruntersuchung vom April 2011 weitgehend stationären Kontrollbefund. Der Restzustand nach Entzündung sei entsprechend. Die Lunge ist klinisch unauffällig.

Hinsichtlich der Wirbelsäulenbeschwerden und der vorbekannten interstitiellen Lungenerkrankung wurden seitens der bP keine aktuellen Befunde vorgelegt. Der Pflicht der Behörde zur amtswegigen Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ist jedoch die Mitwirkungspflicht der Partei gegenübergestellt, der insbesondere dort Gewicht zukommt, wo ihr eine bessere Kenntnis der Sachlage zuzumuten ist (vgl. VwGH vom25.05.2005, 2004/09/0030). Die bP ist dieser Mitwirkungsverpflichtung hinsichtlich der Wirbelsäulenbeschwerden und der interstitiellen Lungenerkrankung nicht nachgekommen.

Sofern die bP in der Beschwerde davon ausgeht, dass aus den der Beschwerde beigelegten Befunden (CT-Befund MRT S. vom 14.11.2019, lungenärztlicher Befund vom 12.11.2019, Konvolut der Röntgenordination vom 15.10.2019, Arztbriefe des K. Universitätsklinikums in den Jahren 2010 - 2012 sowie der Behandlungsbestätigung Exit vom 22.10.2019 und der fachärztlichen Stellungnahme eines FA f. Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 18.08.2020) die Gebrechen der bP hervorgehen würden, ist ihr nicht entgegen zu treten. Jedoch können den oa angeführten Befunde die Gründe für die vorgenommene Einschätzung der unter der lfd. Nr. 1 – 5 angeführten Leiden dagegen nicht entnommen werden, zumal keine Befundung aufscheint und die Funktionseinschränkungen weder einer Positionsnummer der Einschätzungsverordnung zugeordnet noch im Einzelnen begründet bewertet wurden; es mangelt sohin an Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit und stellen die die oa Befunde keine taugliche Grundlage für eine Entscheidung dar.

Abschließend ist festzuhalten, dass der in Beschwerde gezogene Behindertenpass mit 30.06.2020 befristet wurde und somit bereits ungültig ist.

Wenn die Beschwerde moniert, dass die bP nicht auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann, weil sie ab 1.1.2020 eine Invaliditätspension bezieht, ist dies nicht miteinander zu vergleichen. Die Feststellung, dass jemand auf einem geschützten Arbeitsplatz tätig sein kann, erfolgt nach rein medizinischen Gesichtspunkten bezogen auf das allgemeine Erwerbsleben, also unabhängig von den konkreten Beschäftigungsverhältnissen, während sich die Minderleistungsfähigkeit nach der Produktivität der Arbeitsleistung des Behinderten an seinem Arbeitsplatz richtet. So können Schwerbehinderte, die keinen Anspruch auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit haben und die meist wegen ihres fortgeschrittenen Alters und den stärkeren Auswirkungen ihrer Behinderung nicht mehr in der Lage sind, ihrer Beschäftigung auf dem offenen Arbeitsmarkt nachzugehen, dennoch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Die bP hat zudem keine Ungereimtheiten oder Widersprüche aufgezeigt, die ein substantiiertes Entgegentreten auch ohne einem Entgegentreten auf gleichem fachlichen Niveau ermöglicht hätten (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108). Das Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der Sachverständigen zu entkräften bzw. eine weitere Beweisaufnahme zu bedingen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Es wird daher – zumal es mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht - in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF

- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1.       gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs. 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2. ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs. 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Gemäß § 2 Abs. 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

Gemäß § 2 Abs. 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gemäß § 3 Abs. 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs. 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktions-beeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs. 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs. 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

Gemäß § 4 Abs. 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a VwGH vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH 21. 8. 2014, Zl. Ro 2014/11/0023-7).

Das angeführte Sachverständigengutachten und die Angaben der bP im Verfahren sowie die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Das zitierte Gutachten erfüllt sämtliche der in der Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.

Die von der ärztlichen Sachverständigen erfolgte Bewertung der angegebenen Beschwerden und Krankheitszustände entspricht der Einschätzungsverordnung sowohl hinsichtlich Position, als auch Prozentsatz. Festlegungen innerhalb eines Rahmensatzes wurden schlüssig begründet.

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 – also die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren) zu überprüfen, ist also daran gebunden.

Die Einwendungen der bP in der Beschwerde - ihre Leiden seien zu gering bewertet worden, der Gesamtgrad der Behinderung müsse 60 % betragen - erwies sich demnach als unrichtig, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.

Soweit die bB dem Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist vom 4.10.2019 (bei der Behörde am selben Tag eingelangt, mit dem der Bescheid datiert ist) nicht entsprach, ist festzuhalten, dass diese Eingabe ca. 1 Monat nach Ablauf der Stellungnahmefrist einlangte. Dies macht sie zwar nicht per se unbeachtlich, zumal die Behörde auch Eingaben nach Ablauf der Stellungnahmefrist zu berücksichtigen hat, sofern im Verfahren noch nicht entschieden wurde (vgl. VwGH 1.2.2017, Ra 2016/04/0033) und der bP, stand jedoch eine ausreichend lange Frist (faktisch ca. 6 Wochen) zur Verfügung stand, um sich zu dem ihr zur Kenntnis gebrachten Gutachten umfassen zu äußern oder entsprechend ausführlich darzulegen, welche Fragen für sie noch offen sind und welche konkreten Schritte sie zu unternehmen gedenkt um diese Fragen zu klären und warum ihr dies innerhalb der bisher verstrichen Frist noch möglich ist. Der pauschale Verweis auf lange Wartezeiten bei Ärzten reicht hier nicht aus. Zum Zeitpunkt, wann sich die bP zum von der bB eingeräumten Parteiengehör erstmals äußerte, wird auch auf die Bestimmung des § 39 Abs. 2a verwiesen, wonach jene Partei ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten hat, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann.

Aufgrund der in den beiden Vorabsätzen dargelegten Ausführungen kann im Umstand, dass die bB mit der Entscheidungsfindung nicht weiter zuwartete, kein Fehlverhalten erblickt werden. Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass selbst dann, wenn man entgegen der Überzeugung des ho. Gerichts in der beschriebenen Vorgangweise der Behörde eine Rechtsverletzung erblicken würde, wäre diese durch die Möglichkeit der bP, die entsprechenden Unterlagen noch gemeinsam mit der Beschwerdeschrift (§ 46 3. Satz BBG) einzubringen, saniert gewesen und wurde in der Beschwerdeschrift nicht vorgebracht, dass der bP innerhalb der sechswöchigen Beschwerdeschrift eine Nachholung dieser Schritte nicht möglich gewesen wäre.

Gem. § 46 3. Satz BBG dürfen im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden. Der entsprechenden Regierungsvorlage ist Folgendes zu entnehmen: „In der Praxis hat sich gezeigt, dass neu vorgelegte medizinische Befunde und die oftmals erforderliche Beiziehung von neuen Sachverständigen häufig einen zeitnahen Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich erschweren. Es soll daher die derzeit für Beschwerdevorentscheidungen vorgesehene zweimonatige Entscheidungsfrist auf zwölf Wochen verlängert werden. Hierdurch bleibt es einerseits Menschen mit Behinderung unbenommen, im Verfahren vor dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw. in einer allfälligen Beschwerde gegen einen www.parlament.gv.at 527 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen 5 von 5 Bescheid alle Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Außerdem wird es dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ermöglicht in erster Instanz eine fundierte Entscheidung zu treffen, sodass die Menschen mit Behinderung durch eine gesamt zu erwartende kürzere Verfahrensdauer schneller zu ihrem Recht kommen. Im Gegenzug soll eine auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung geschaffen werden. Die Neuerungsbeschränkung soll nur für jene Verfahren gelten, in welchen nach dem Inkrafttreten der vorliegenden Novelle gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Beschwerden eingebracht werden.“

Aus den im Vorabsatz genannten ergibt sich, dass die von der bP vorgelegte fachärztliche Stellungnahme vom 18.8.2020 im gegenständlichen Verfahren nicht zu berücksichtigen war, dies insbesondere einerseits aufgrund der eindeutigen Anordnung durch den Gesetzgeber in § 46 3. Satz BBG, sowie im Rahmen der Erkundung des Willens des Gesetzgebers (siehe die Ausführungen aus der Regierungsvorlage), aber auch bei entsprechender verfassungskonformer Auslegung der leg. ct., zumal die bP in keinster Weise vorbrachte, dass ihr eine frühere Vorlage eines entsprechenden Beweismittels zu einem vor dem in § 46 3. Satz genannten Zeitpunkt nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre. So kam im Verfahren insbesondere nicht hervor, dass sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung der bB maßgeblich geändert hätte, das Verfahren vor der bB in für in dem Sinne rechtswidrig gewesen wäre, dass dies für den nunmehrigen Zeitpunkt der Vorlage kausal gewesen wäre, der bP das Bescheinigungsmittel zu einem früheren Zeitpunkt in dem nicht zugänglich gewesen wäre, dass sie keine frühere Ausstellung bewirken konnte, oder nicht in der Lage war, dieses vor der bB vorzulegen.

Neben den oa. Ausführungen wird auch auf § 39 Abs. 2a AVG verwiesen, wonach die bP ihr Vorbringen nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt nach eigenen Gutdünken, sondern so rechtzeitig und vollständig zu erstatten hat, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann (Verfahrensförderungspflicht). Auch hier ergibt sich kein Hinweis, dass es der bP nicht möglich gewesen wäre, die entsprechenden Vorbringen innerhalb des in § 39 Abs. 2a genannten Zeitraumes zu erstatten und ergeben sich hieraus die zu Lasten der bP angeführten Umstände.

Im gegenständlichen Fall ist im Lichte der vorausgegangenen Ausführungen auch darauf hinzuweisen, dass die bP von einer in Rechts- und Vertretungsfragen besonders versierten Organisation vertreten wird, von welcher im Rahmen der Setzung entsprechender Vertretungshandlungen ein hohes Maß an Sorgfalt und Kompetenz erwartet werden kann, welches weit über jenes Maß hinausgeht, welches von einem unvertretenen rechtlichen Laien erwartet werden kann und die Handlungen des Vertreters der bP zuzurechnen sind.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung der Leidenszustände nach dem in § 46 3. Satz genannten Zeitpunkt ein neuer Antrag der bP beim Sozialministeriumservice und damit eine neuerliche Prüfung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

3.5. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, Zl. 2013/08/0153).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie im gegenständlichen Erkenntnis ausgeführt wurde, wurde das hierfür eingeholte – auf Basis einer klinischen Untersuchung erstellte - Gutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet und zeigt die bP weder Widersprüche, Ungereimtheiten noch Mängel auf. Der auf sachverständiger Basis ermittelte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist sohin geklärt, nicht ergänzungsbedürftig und wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind für das Absehen einer mündlichen Verhandlung wegen geklärten Sachverhalts folgende Kriterien beachtlich vgl. Erk. d. VwGH vom 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, Beschluss des VwGH vom 25.4.2017, Ra 2016/18/0261-10):

-        Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde von der bB vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und weist dieser bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das ho. Gericht noch immer die gebotene Aktualität und Vollständigkeiten auf.

-        Die bB musste die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das ho. Gericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.

-        In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der bB festgestellten Sachverhalts ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, welches gegen das Neuerungsverbot gem. § 46 BBG verstößt.

-        Auf verfahrensrechtliche Besonderheiten ist Bedacht zu nehmen.

Da die oa. Kriterien im gegenständlichen Fall erfüllt sind, und für es im Rahmen der Gewährung des schriftlichen Parteiengehörs im Beschwerdeverfahren auf den persönlichen Eindruck nicht ankam, da die Leiden der bP nicht in Zweifel gezogen wurden, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben.

3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Feststellung des GdB anhand der entsprechenden zitierten Rechtsvorschriften, sowie der zitierten verfahrensrechtlichen Bestimmungen. Hier wird auf den eindeutigen Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen, sowie auf die bereits zitierte einheitliche höchstgerichtliche Judikatur verwiesen. Im Rahmen der Frage des Umfanges der Ausnahme von der Verhandlungspflicht orientierte sich das ho. Gericht ebenfalls an der Judikatur des VwGH.

Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG waren somit nicht gegeben.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L515.2230496.1.00

Im RIS seit

11.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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