TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/17 G313 2237284-1

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Veröffentlicht am 17.02.2021
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Entscheidungsdatum

17.02.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwGVG §35

Spruch


G313 2237284-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Algerien, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 22.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben und der Schubhaftbescheid aufgehoben.

II.     Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III.    Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde nach illegaler Einreise zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt und einer Asylantragstellung im Jänner 2014 im Bundesgebiet mehrmals rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar im Mai 2014 zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat unbedingt und sieben Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, im Juli 2014 zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten unbedingt, im November 2015 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten unbedingt und fünf Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, im April 2019 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten unbedingt und, nachdem die negative Asylentscheidung des BVwG vom 31.05.2019 mit Zustellung der Entscheidung mittels Hinterlegung im Akt rechtskräftig erlassen worden war, wegen neuerlicher strafbarer Handlungen im Bundesgebiet im Oktober 2019 zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten unbedingt.

2. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 20.02.2020 wurde dem in Strafhaft befindlichen BF ein schriftliches Parteiengehör zur nach Strafhaftentlassung beabsichtigten Schubhaftverhängung gewährt bzw. am 27.02.2020 zugestellt.

3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, vom 22.10.2020, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den BF die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet, und ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Entlassung des BF aus der derzeitigen Strafhaft eintreten.

Im Verfahrensgang wurde unter anderem auf ein dem BF eingeräumtes schriftliches Parteiengehör des BFA und eine Verfahrensanordnung vom 11.08.2020, womit dem BF ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Verfügung gestellt wurde, hingewiesen.

4. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben, auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt ist, und der belangten Behörde Kostenersatz bzw. Ersatz des Schriftsatzaufwandes in Höhe von EUR 737,60 aufzuerlegen.

5. Am 27.11.2020 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

Mit Beschwerdevorlage teilte das BFA unter anderem mit, dass trotz des für 27.03.2022 geplanten Strafhaftendes eine bedingte Entlassung des seit 07.08.2019 in Gerichtshaft befindlichen BF zum 2/3 Stichtag am 18.03.2021 möglich sei, würden doch in der Regel die meisten Insassen einer Justizanstalt zu diesem Zeitpunkt aus der Strafhaft entlassen. Die Ansuchen auf bedingte Entlassungen würden zu einem feststehenden Zeitpunkt dem zuständigen Gericht vorgelegt, was im gegenständlichen Verfahren nach Rücksprache mit dem Strafvollzug der zuständigen Justizanstalt im Dezember 2020 erfolge. In der Regel würden diese Ansuchen auf bedingte Entlassung zum 2/3 Stichtag immer gewährt und liegt es wenn nur im Verhalten des Insassen selbst, wenn eine Entlassung abgelehnt werde.

Das BFA bezeichnete eine „Zusammenarbeit mit der hiesigen Vertretungsbehörde“ als gut und führte diesbezüglich weiter Folgendes an:

„Grundsätzlich finden regelmäßige Interviewtermine an der Botschaft statt. Die Rückmeldungen (zwecks finaler Identifizierung) aus Algier lassen mitunter auf sich warten. Durch die derzeitige Situation (COVID-19) kommt es allerdings zu Verzögerungen in der Identifizierung aus Algier. Positive Identifizierungen erfolgen dennoch und werden auch Heimreisezertifikate (HRZ) ausgestellt. Aufgrund des Corona bedingten eingeschränkten Flugverkehrs kam es in den letzten Monaten auch zu entsprechend wenigen HRZ-Ausstellungen.“

Daraufhin wurde seitens des BFA Folgendes mitgeteilt:

„Die Behörde ist aber bemüht, im Falle einer tatsächlichen Strafhaftentlassung die Schubhaft so kurz wie möglich zu halten und wurden auch jetzt schon die notwendigen Schritte eingeleitet bzw. unternommen. Eine Untätigkeit wie in der Beschwerde angeführt, liegt somit eindeutig nicht vor. Vielmehr erschwert das Verhalten des Fremden – Nichtmitwirkung an der HZ-Beschaffung – die Feststellung seiner Identität.“

Die belangte Behörde verwies zudem auf eine bestehende Fluchtgefahr und darauf, dass sich der BF in der Vergangenheit und auch nunmehr während seiner Anhaltung in Strafhaft als nicht vertrauenswürdig erwiesen und durch seine massiven mehrfachen Straftaten eindeutig gezeigt habe, dass er nicht bereit sei, die jeweilige Anordnung der österreichischen Gerichte und Verwaltungsbehörden zu akzeptieren.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 01.12.2020, Zl. G313 2237284-1/3Z, wurde die belangte Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihr unter Vorhalt der Beschwerde die Möglichkeit gewährt, innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens zu allen Beschwerdepunkten, insbesondere auch zur Frage des HRZ-Verfahrens unter Dokumentation aller Veranlassungen, schriftlich Stellung zu nehmen.

7. Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 01.12.2020, Zl. G313 2237284-1/4Z, wurde die zuständige Justizanstalt um ehestmögliche Auskunft ersucht, ob der BF bei Erhalt des Parteiengehörs den dortigen sozialen Dienst kontaktiert gehabt oder in anderer Weise in seiner Landessprache vom Inhalt des Schriftstückes erfahren habe.

8. Mit Schreiben vom 03.12.2020, eingelangt beim BVwG am 04.12.2020, langte eine Stellungnahme des BFA zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme ein. In dieser wurde auf ein bereits am 03.09.2019 eingeleitetes HRZ-Verfahren und nachfolgende Urgenzen vom 12.11.2019, 09.12.2019, 30.01.2020, 26.03.2020, 08.05.2020, 24.08.2020, 22.10.2020 und 03.12.2020 verwiesen und teilte die belangte Behörde – gleichlautend mit ihrer diesbezüglichen Bekanntgabe mit Beschwerdevorlage – mit, dass die Zusammenarbeit mit der hiesigen Vertretungsbehörde als gut bezeichnet werden dürfe, und setzte diesbezüglich ihre Ausführungen wie folgt fort:

„Grundsätzlich finden regelmäßige Interviewtermine an der Botschaft statt, die wie bereits festgehalten, durch die aktuelle Corona Pandemie heuer eingeschränkter waren. Auch die Rückmeldungen (zwecks finaler Identifizierung) aus Algier lassen mitunter auf sich warten. Durch die derzeitige Situation (Covid-19) kommt es auch zu Verzögerungen in der Identifizierung aus Algier. Positive Identifizierungen erfolgen dennoch und werden auch HRZ ausgestellt.

Die Behörde ist aber bemüht, im Falle einer tatsächlichen Strafhaftentlassung die Schubhaft so kurz wie möglich zu halten und wurden deshalb auch wie oben beschrieben die notwendigen Schritte zeitgerecht eingeleitet bzw. unternommen.

Eine Untätigkeit wie in der Beschwerde angeführt, liegt somit eindeutig nicht vor.“

Es folgten weitere Ausführungen über eine bestehende Fluchtgefahr und Nichtvertrauenswürdigkeit des BF.

Die belangte Behörde betonte „massive mehrfache Straftaten“ des BF im Bundesgebiet und gab Folgendes bekannt:

„Auch jetzt während seiner Strafhaft in der Justizanstalt (…) trat er schon mehrfach negativ in Erscheinung. Er weist dort bereits 5 Ordnungsstrafen auf und sind derzeit auch noch zwei weitere anhängige Gerichtsverfahren offen. Diesbezüglich findet im Dezember 2020 eine neuerliche Hauptverhandlung – gem. § 83 Abs. 1 StGB – statt. Ein weiteres Verfahren – Erpressung eines Mitinsassen – ist noch bei der Staatsanwaltschaft (…) anhängig.

Betreffend des dzt. feststehenden ev. bedingten Entlassungstermins zum 2/3 Stichtag ist auszuführen, dass in der Regel die meisten Insassen einer Justizanstalt zu diesem Zeitpunkt aus der Strafhaft entlassen werden. So war auch bei der Entlassung des gg. Bescheides damit zu rechnen, dass ev. eine bedingte Entlassung zum 2/3 Stichtag erfolgen könnte.

Die Ansuchen auf bedingte Entlassungen werden zu einem feststehenden Zeitpunkt dem zuständigen Gericht vorgelegt. Im gg. Verfahren erfolgt dies nach Rücksprache mit dem Strafvollzug der JA (…), im Dezember 2020. Ob auf Grund seines in der Justizanstalt gezeigten Verhaltens nun von einer bedingten Entlassung auszugehen ist, kann dzt. nicht gesagt werden, da dies das Wohlverhalten des Insassen während des Vollzuges voraussetzt.

(…).“

9. Im Dezember 2020 folgte eine wegen einer während aufrechter Strafhaft begangenen Straftat erneute – sechste – rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des BF zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten unbedingt.

10. Mit Schreiben des BVwG vom 07.12.2020, Zl. G313 2237284-1/6Z, wurde der Rechtsvertretung des BF die Stellungnahme des BFA vom 03.12.2020 vorgehalten und ihr die Möglichkeit gegeben, innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu schriftlich Stellung zu nehmen.

11. Am 16.12.2020 langte beim BVwG zu dem an die Justizanstalt gestellten Auskunftsersuchen eine schriftliche Stellungnahme des Leiters der zuständigen Justizanstalt vom 10.12.2020 samt einer dieser Stellungnahme beigelegten schriftlichen Stellungnahme des Sozialen Dienstes der Justizanstalt ein. In dieser wurde mitgeteilt, nach am 20.02.2020 erfolgter Überstellung in die Justizanstalt habe der BF am 27.02.2020 erstmals mit dem Sozialen Dienst in der Justizanstalt Kontakt gehabt. Dabei sei ein Zugangsgespräch geführt sowie die Therapieeinrichtung (…) kontaktiert worden. Am 04.03.2020 habe der BF neuerlich Kontakt zum Sozialen Dienst aufgenommen. Bei diesem Mal habe der BF ein Schreiben des BFA bei sich gehabt und Kontakt zur Diakonie aufnehmen wollen. An diesem Tag sei die Diakonie vom Sozialen Dienst per E-Mail darüber informiert worden, dass der BF einen dringenden Besuch in der Justizanstalt, in welcher er sich aufhalte, wünsche. Am 10.03.2020 habe der BF neuerlich den Sozialen Dienst kontaktiert und mitgeteilt, noch keinen Besuch von der Diakonie erhalten zu haben. Diese sei dann telefonisch kontaktiert worden, wobei seitens der Diakonie mitgeteilt worden sei, dass die E-Mail vom 04.03.2020 eingelangt und ein Besuch am 12.03.2020 geplant sei. Daraufhin wiederum sei seitens der Diakonie mit E-Mail vom 16.03.2020 mitgeteilt worden, es liege keine Verfahrensanordnung für einen Besuch vor und sei aufgrund der derzeitigen Situation bzw. der Covid-19 Maßnahmen ein Besuch gar nicht möglich.

Der Leiter der Justizanstalt berichtete abschließend davon, dass der BF am 05.11.2020 von der Diakonie besucht worden ist.

12. Mit Schreiben des BVwG vom 17.12.2020, Zl. G313 2237284-1/8Z, wurde dem BF bzw. seiner Rechtsvertretung die Stellungnahme des Leiters der betreffenden Justizanstalt vorgehalten und dem BF bzw. seiner Rechtsvertretung eine Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme dazu bis 23.12.2020 gewährt.

13. Mit Schreiben vom 21.12.2020 nahm der BF über seine Rechtsvertretung schriftlich Stellung dazu. Dabei wurde mitgeteilt, die Stellungnahme der Justizanstalt decke sich mit den Aufzeichnungen der Rechtsvertretung des BF, welche am 04.03.2020 vom Sozialen Dienst per E-Mail davon verständigt worden sei, dass der BF ein Schreiben des BFA erhalten habe. Am 16.03.2020 sei auf die fehlende Verfahrensanordnung, den BF zu besuchen, und auf einen aufgrund der Anordnung der Vollzugsdirektion zur Verhinderung einer Ausbreitung des Covid-19-Virus unmöglichen Besuch in der Justizanstalt verwiesen worden.

Der BF verfüge über ausreichend Deutschkenntnisse, um seinen Alltag im Gefängnis zu bewältigen und um einfachen Gesprächen zu folgen beziehungsweise diese zu führen. Eine rechtlich relevante schriftliche Stellungnahme zu verfassen übersteige jedoch seine Kenntnisse.

Entgegen der Ausführungen der belangten Behörde sei die Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG mit 22.10.2020 datiert und diese der Rechtsvertretung des BF an diesem Tag weitergeleitet worden. Der Schubhaftbescheid sei ebenso mit 22.10.2020 datiert. Am 05.11.2020 habe der BF von seiner Rechtsvertretung in Haft einen Besuch erhalten.

14. Am 21.12.2020 langte per Telefax folgende weitere schriftliche Stellungnahme des rechtlich vertretenen BF ein:

„Sofern die belangte Behörde vorbringt zielgerichtet an der Erlassung eines HRZ für den BF arbeitet wird entgegnet, dass diese Bemühungen seit nunmehr über einem Jahr ergebnislos verliefen und eine weitere Fortführung des Verfahrens nicht zu einem anderen Ergebnis führen würde. Die genannten Urgenzen bei der zuständigen Vertretungsbehörde beschränken sich darauf Listen mit Namen von Personen per Email zu übermitteln. Ein individualisierter auf die Person des BF gerichteter Versuch das Verfahren zu beschleunigen wurde nicht unternommen. Auch aufgrund der neuerlichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund der COVID-19 Pandemie scheint der avisierte Vorführtermin bei der Vertretungsbehörde im Dezember/Jänner nicht mehr sehr wahrscheinlich.“

15. Am 23.12.2020 langten beim BVwG eine aktuelle Vollzugsinformation und eine Strafkarte bzw. Verständigung von der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des BF von Dezember 2020 ein.

16. Am 19.01.2021 langte beim BVwG betreffend die strafrechtliche Verurteilung des BF von Dezember 2020 eine gekürzte Urteilsausfertigung ein, aus welcher hervorgeht, dass bei der Strafbemessung fünf gerichtliche Vorverurteilungen und eine Tatbegehung während des Strafvollzuges erschwerend berücksichtigt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Die im Spruch angeführte Identität des BF steht nicht fest und dient nur der gegenständlichen Verfahrensführung. Eine Identifizierung des BF in dem mit der algerischen Botschaft geführten HRZ-Verfahren konnte noch nicht erfolgen.

1.2. Der BF wurde nach illegaler Einreise zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt und einer Asylantragstellung im Jänner 2014 im Bundesgebiet mehrmals rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar im Mai 2014 zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat unbedingt und sieben Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, im Juli 2014 zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten unbedingt, im November 2015 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten unbedingt und fünf Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, im April 2019 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten unbedingt und, nachdem die negative Asylentscheidung des BVwG vom 31.05.2019 mit Zustellung der Entscheidung mittels Hinterlegung im Akt rechtskräftig erlassen worden war, wegen neuerlicher strafbarer Handlungen im Bundesgebiet im Oktober 2019 zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten unbedingt.

1.3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 22.10.2020 wurde über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung angeordnet und ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Entlassung des BF aus seiner derzeitigen Haft eintreten.

1.4. Im Dezember 2020 wurde der BF wegen einer während aufrechter Strafhaft begangenen Straftat zum sechsten Mal im Bundesgebiet rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, wobei vom Strafgericht bei der Strafbemessung dieses Urteils die fünf gerichtlichen Vorverurteilungen des BF, darunter zwei Verurteilungen wegen Aggressionsdelikten, und die Tatbegehung des BF während des Strafvollzuges erschwerend berücksichtigt wurden.

1.5. Nach der fünften rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des BF von Oktober 2019 hatte der BF voraussichtlich noch eine Strafhaft bis 27.03.2022, 11:18 Uhr, zu verbüßen. Das vormalige Ansuchen des BF auf bedingte Strafhaftentlassung wurde mit Gerichtsbeschluss von September 2020 abgelehnt.

Der BF ist nunmehr nach seiner sechsten rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung von Dezember 2020 voraussichtlich noch – verlängert – bis 27.10.2022, 11:18 Uhr, in Strafhaft.

1.6. Die im Verfahrensgang wiedergegebenen Stellungnahmen des BFA über eine mit der zuständigen Vertretungsbehörde gut funktionierende Zusammenarbeit hinsichtlich Erlangung eines HRZ für den BF werden nunmehr ebenso in den Stand der Feststellungen erhoben wie die schriftliche Auskunft des Leiters der zuständigen Justizanstalt vom 10.12.2020 über eine bezüglich eines Schreibens des BFA erfolgte Kontaktaufnahme des BF mit dem Sozialen Dienst am 04.03.2020, die Weiterleitung des Besuchswunsches des BF an die Diakonie mit E-Mail des Sozialen Dienstes vom 04.03.2020, das E-Mail der Diakonie vom 16.03.2020 hinsichtlich einer für einen Besuch fehlenden Verfahrensanordnung und eines aufgrund der Covid-19 Maßnahmen ohnehin unmöglichen Besuches sowie einen erst am 05.11.2020 stattgefundenen Besuch des BF durch seine Rechtsvertretung.

Die im Verfahrensgang erwähnte über seinen Rechtsvertreter zur schriftlichen Stellungnahme des Leiters der Justizanstalt eingebrachte schriftliche Stellungnahme des BF vom 21.12.2020 wird zudem ebenso in den Stand der Feststellungen erhoben wie die zur schriftlichen Stellungnahme des BFA abgegebene schriftliche Stellungnahme der Rechtsvertretung des BF, in welcher auf sich mit der Stellungnahme der Justizanstalt deckende Aufzeichnungen verwiesen wurde.

1.7. Zum Verfahren des BFA vor Erlassung des Schubhaftbescheides vom 22.10.2020 wird Folgendes festgestellt:

1.7.1. Nachdem der BF am 07.08.2019 in Strafhaft genommen worden war, wurde seitens des BFA am 02.09.2019 bei der zuständigen Vertretungsbehörde bzw. algerischen Botschaft ein HRZ-Verfahren zur Erlangung eines HRZ für den BF eingeleitet.

Daraufhin folgten bis zur Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides vom 22.10.2020 mehrere Urgenzen – am 12.11.2019, 09.12.2019, 30.01.2020, 26.03.2020, 08.05.2020, 24.08.2020 und am 22.10.2020.

1.7.2. Der in Strafhaft befindliche BF hat vor Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides vom 22.10.2020 ein schriftliches Parteiengehör des BFA erhalten, in der Justizanstalt jedoch weder mit seinen eigenen, weil dafür unzureichenden, Deutschkenntnissen noch mithilfe anderer Personen eine schriftliche Stellungnahme dazu abgeben können. Die vom BF bezüglich des schriftlichen Parteiengehörs des BFA am 04.03.2020 über den Sozialen Dienst der Justizanstalt ersuchte Kontaktaufnahme mit der Diakonie kam nicht zustande. Die Diakonie verwies mit E-Mail vom 16.03.2020 auf eine fehlende Verfahrensanordnung zur Besuchserstattung und auf einen aufgrund der Covid-19 Maßnahmen ohnehin nicht möglichen Besuch.

Nachdem vom BF zum Schreiben des BFA mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme keine Stellungnahme abgegeben worden war, wurde der im Spruch angeführte Schubhaftbescheid erlassen.

1.8. Fest steht, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides nirgends außer im Verfahrensgang auf die bestehende Strafhaft des BF Bezug genommen worden ist, und da auch nur insofern, als auf das Schreiben des BFA mit Verständigung von der beabsichtigten „Verhängung der Schubhaft nach der Haftentlassung“ Bezug genommen worden ist.

Es finden sich im angefochtenen Schubhaftbescheid keine näheren Ausführungen zur Strafhaft des BF, geschweige denn zu einem bestimmten dem BF bevorstehenden Strafhaftentlassungszeitpunkt.

1.9. Erst mit Beschwerdevorlage wurde unter Verweis auf die der Beschwerdevorlage beigelegte Vollzugsinformation vom 27.11.2020 über eine für 27.03.2022, 11:18 Uhr, geplante Strafhaftentlassung und über einen möglichen Termin für eine bedingte Strafhaftentlassung zum 2/3 – Stichtag am 18.03.2021 und darauf, dass der BF in Strafhaft mehrfach negativ in Erscheinung getreten ist und es zwei anhängige Strafverfahren mit einer im Dezember 2020 anberaumten Strafverhandlung und einem weiteren noch bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Verfahren gibt, nur mutmaßend von einer eventuell zum 2/3 Stichtag am 18.03.2021 möglichen bedingten Strafhaftentlassung des BF ausgegangen und diesbezüglich Folgendes ausgeführt:
„Betreffend des dzt. feststehenden ev. bedingten Entlassungstermin zum 2/3 Stichtag ist auszuführen, dass in der Regel die meisten Insassen einer Justizanstalt zu diesem Zeitpunkt aus der Strafhaft entlassen werden.

Die Ansuchen auf bedingte Entlassungen werden zu einem feststehenden Zeitpunkt dem zuständigen Gericht vorgelegt. Im gg. Verfahren erfolgt dies nach Rücksprache mit dem Strafvollzug der JA (…), im Dezember 2020.

In der Regel werden diese Ansuchen auf bedingte Entlassung zum 2/3 Stichtag immer gewährt und liegt es wenn nur im Verhalten des Insassen selbst, wenn eine Entlassung abgelehnt wird.“

2.       Beweiswürdigung:

2.1. Der Verfahrensgang beruht auf dem diesbezüglichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Die im Spruch angeführte Identität des BF konnte nicht festgestellt werden und dient nur der gegenständlichen Verfahrensführung, konnte der BF doch keine unbedenklichen Identitätsdokumente zur Vorlage bringen und ist er im Bundesgebiet unter mehreren Alias-Identitäten aufgetreten, was aus der Vollzugsinformation der Justizanstalt im Akt hervorgeht, und worauf auch die belangte Behörde in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 03.12.2020 Bezug genommen hat.

2.3. Die im Verfahrensgang angeführten in den Stand der Feststellungen erhobenen Stellungnahmen der beiden Parteien und der Justizanstalt, in welcher sich der BF aufhält, beruhen auf dem diesbezüglichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.4. Die Feststellungen zu den insgesamt sechs rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt, wobei sich die zu seiner letzten rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung getroffenen Feststellungen aus der beim BVwG am 19.01.2021 eingelangten diesbezüglichen gekürzten Urteilsausfertigung ergab.

2.5. Dass sich der BF wegen im Bundesgebiet begangener strafbarer Handlungen seit 07.08.2019 in Strafhaft befindet und seitens des BFA am 02.09.2019 ein HRZ-Verfahren bei der algerischen Botschaft eingeleitet worden ist und in diesem HRZ-Verfahren bis zur Erlassung des Schubhaftbescheides mehrere Urgenzen stattgefunden haben, beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt. Aus dem Fremdenregisterauszug im Akt geht die festgestellte Einleitung des HRZ-Verfahrens am 02.09.2019 und aus der diesbezüglich glaubhaften Stellungnahme des BFA vom 03.12.2020 gehen die festgestellten bis zur Erlassung des Schubhaftbescheides im HRZ-Verfahren ergangenen Urgenzen vom 12.11.2019, 09.12.2019, 30.01.2020, 26.03.2020, 08.05.2020, 24.08.2020 und 22.10.2020 hervor.

Dem in Strafhaft befindlichem BF wurde im HRZ-Verfahren keine Möglichkeit zur Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität gewährt.

Seitens des BFA wurde mit Stellungnahme vom 03.12.2020 auf eine für Dezember 2020 bzw. Jänner 2021 vorgemerkte Vorführung des BF vor die algerische Vertretungsbehörde, auf wegen der aktuellen Corona-Pandemie jedoch nur sehr eingeschränkt mögliche Vorführungen vor die Vertretungsbehörde, und ihr Bemühen, dass eine Vorführung im Dezember bzw. Jänner stattfindet, hingewiesen.

2.6. Aus dem mit Beschwerdevorlage vorgelegten Vollzugsinformationsauszug vom 27.11.2020 geht eine für 27.03.2020 errechnete Strafhaftentlassung und eine für 18.03.2021 errechnete mögliche bedingte Strafhaftentlassung des BF hervor.

Das BFA hielt „eventuell“ eine bedingte Strafhaftentlassung des BF zum 2/3 – Stichtag für möglich und führte diesbezüglich Folgendes aus:

„Betreffend des dzt. feststehenden ev. bedingten Entlassungstermin zum 2/3 Stichtag ist auszuführen, dass in der Regel die meisten Insassen einer Justizanstalt zu diesem Zeitpunkt aus der Strafhaft entlassen werden.

Die Ansuchen auf bedingte Entlassungen werden zu einem feststehenden Zeitpunkt dem zuständigen Gericht vorgelegt. Im gg. Verfahren erfolgt dies nach Rücksprache mit dem Strafvollzug der JA (…), im Dezember 2020.

In der Regel werden diese Ansuchen auf bedingte Entlassung zum 2/3 Stichtag immer gewährt und liegt es wenn nur im Verhalten des Insassen selbst, wenn eine Entlassung abgelehnt wird.“

2.7. Wie aus der auf dem Vollzugsinformationsauszug vom 23.12.2020 im Akt aufscheinenden Eintragung „Entlassungszeitpunkt: 27.10.2022, 11:18 Uhr (errechnet)“ ersichtlich, wird die Strafhaft des BF voraussichtlich noch bis 27.10.2022 andauern.

Dass in nächster Zeit keine bedingte Strafhaftentlassung des BF geplant ist, ging auch aus dem in der Vollzugsinformation vom 23.12.2020 eingetragenen Gerichtsbeschluss von September 2020, womit die vom BF – vormals – angesuchte bedingte Strafhaftentlassung vom Strafgericht abgelehnt worden ist, hervor.

Die dem BVwG nachgereichte Vollzugsinformation vom 23.12.2020 über eine für 27.12.2022, 11:18 Uhr vorgesehene Strafhaftentlassung wurde nach einer per E-Mail vom 26.01.2021 an die zuständige Justizanstalt gestellten Anfrage seitens dieser mit einer dem Antwortmail vom 27.01.2021 beigefügten Haftauskunft ausdrücklich bestätigt, geht doch auch aus dieser ein voraussichtliches Haftende am 27.10.2022, 11:18 Uhr, bzw. wörtlich eine „Anhaltung: von 07.08.2019, 13:15 Uhr bis voraussichtl. 27.10.2022, 11:18 Uhr“ hervor.

2.8. Dass nach Erhalt des schriftlichen Parteiengehörs des BFA diesbezüglich am 04.03.2020 über den Sozialen Dienst der Justizanstalt mit der Diakonie Kontakt aufgenommen, seitens dieser mit E-Mail vom 16.03.2020 dann bekannt gegeben worden ist, dass mangels entsprechender Verfahrensanordnung und aufgrund bestehender Covid-19 Maßnahmen ein Besuch nicht möglich sei, und der BF nach Erlassung des Schubhaftbescheides vom 22.10.2020 am 05.11.2020 von seiner Rechtsvertretung in Haft einen Besuch erhalten hat, konnte aufgrund sich diesbezüglich deckender Angaben in den Stellungnahmen des Leiters der betreffenden Justizanstalt und der Rechtsvertretung des BF festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Spruchteil A):

3.1.1. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

3.1.2. Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Insgesamt wurde der BF sechsmal in Österreich rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilungen befindet sich der BF derzeit in Strafhaft. Der BF befindet sich voraussichtlich noch bis zum errechneten Strafhaftende am 27.10.20.22, 11:18 Uhr in Strafhaft.

Die belangte Behörde hat mit gegenständlich angefochtenem Schubhaftbescheid vom 22.10.2020 ausgesprochen, dass gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet wird und die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Entlassung des BF aus der derzeitigen Haft eintreten.

Da die Verhängung von Schubhaft nach ständiger Rechtsprechung des VwGH nur "ultima ratio" sein kann, ist die Behörde für den Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden angehalten, ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann (vgl. VwGH 15.10.2015, Ro 2015/21/0026 mit Verweis auf E vom 25.04.2014, 2013/21/0209).

Im Fall von Strafverfahren gegen Fremde wegen vorsätzlich begangener Straftaten sowie Auslieferungs- und Übergabeverfahren haben gemäß § 30 Abs. 5 BFA-VG
1.         das Strafgericht über die Verhängung und die Aufhebung der Untersuchungs-, Auslieferungs- oder Übergabehaft sowie über die rechtskräftige Entscheidung im Straf-, Auslieferungs- oder Übergabeverfahren unter Anschluss der das Verfahren abschließenden Entscheidung,
2.         die Staatsanwaltschaft über die Einbringung der Anklage, den Rücktritt von der Verfolgung und die Einstellung des Ermittlungsverfahrens und
3.         die Justizanstalt über den Antritt und die Entlassung aus der Freiheitsstrafe

das Bundesamt zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu verständigen, wobei nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten diese Mitteilung durch elektronische Übermittlung dieser Daten an das Bundesamt zu erfolgen hat (§ 15b Abs. 1 StVG) und dem Bundesamt die Weiterleitung der Information an eine allenfalls zuständige weitere Instanz obliegt.

Im gegenständlichen Fall geht aus der zusammen mit der Beschwerdevorlage vorgelegten Vollzugsinformation vom 27.11.2020 ein für 27.03.2020, 11:18 Uhr errechneter Strafhaftentlassungstermin hervor und konnte die belangte Behörde mit Beschwerdevorlage nicht hinreichend begründend von einer zum 2/3 – Stichtag möglichen bedingten Strafhaftentlassung des BF am 18.03.2021 ausgehen, sondern diesbezüglich nur eine Mutmaßung aufstellen.

Die belangte Behörde sprach mit Beschwerdevorlage ausdrücklich nur von einer eventuell zum 2/3 – Stichtag am 18.03.2021 möglichen Entlassung und konnte begründend dafür keinen maßgeblichen Anhaltspunkt anführen, im Gegenteil, hat sie doch im Beschwerdevorlage-Schreiben vom 27.11.2020 nach ausdrücklichem Hinweis auf die dagegensprechenden Anhaltspunkte, dass der BF in Strafhaft mehrfach negativ in Erscheinung getreten ist und es zwei anhängige Strafverfahren mit einer im Dezember 2020 anberaumten Strafverhandlung und einem weiteren noch bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Verfahren gibt, zunächst allgemeingehalten zwar noch angeführt, in der Regel würden die meisten Insassen einer Justizanstalt zum 2/3 – Stichtag aus der Strafhaft entlassen werden, dann nach Verweis auf eine im Dezember 2020 anstehende Vorlage des Ansuchens des BF um bedingte Haftentlassung – allgemeingehalten und sich offenbar nicht sicher über den Ausgang der Gerichtsentscheidung über dieses Ansuchen – jedoch angeführt, in der Regel würden diese Ansuchen auf bedingte Entlassung zum 2/3 – Stichtag immer gewährt und liege es, wenn, nur im Verhalten des Insassen selbst, wenn eine Entlassung abgelehnt wird.

Gemäß § 30 Abs. 5 Z. 3 BFA-VG hat die Justizanstalt das Bundesamt über den Antritt und die Entlassung aus der Freiheitsstrafe zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu verständigen.

Die belangte Behörde hat im Wissen von dem aus der Vollzugsinformation vom 27.11.2020 hervorgehenden voraussichtlichen Strafhaftentlassungszeitpunkt am 27.03.2022, 11:18 Uhr, unter nur mutmaßlicher Annahme einer möglichen bedingten Haftentlassung des BF zum 2/3 Stichtag am 18.03.2021, den gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheid vom 22.10.2020 erlassen.

Zum Ausfertigungsdatum des Schubhaftbescheides am 22.10.2020 war bis zum vormals vorgesehenen Strafhaftentlassungszeitpunkt am 27.03.2022, 11:18 Uhr, noch ein Jahr und rund fünf Monate offen. Nunmehr nach der sechsten rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des BF von Dezember 2020 sind bis zum nach hinten verschobenen für 27.10.2022, 11:18 Uhr geplanten Strafhaftentlassungszeitpunkt sogar noch rund zwei Jahre offen.

Sollte bezüglich des geplanten Strafhaftentlassungszeitpunktes eine Änderung eintreten, würde das BFA aufgrund der in § 30 Abs. 5 BFA-VG gesetzlich verankerten Mitteilungsverpflichtung zum frühestmöglichen Zeitpunkt davon erfahren.

Zum Zeitpunkt der Ausfertigung des gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheides war die belangte Behörde jedenfalls von keinem Termin für eine bedingte Strafhaftentlassung in Kenntnis gesetzt worden. Die belangte Behörde ging, wie aus ihren diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerdevorlage ersichtlich, nur mutmaßlich von einer zum 2/3 – Stichtag am 18.03.2021 möglichen Strafhaftentlassung des BF aus, und zweifelte, wie aus ihren Ausführungen mit Beschwerdevorlage, der BF sei in Strafhaft mehrfach negativ in Erscheinung getreten und die Haftinsassen hätten, wenn es ausnahmsweise zu einer Ablehnung ihrer Ansuchen auf bedingte Haftentlassung kommt, dies aufgrund ihres Verhaltens selbst zu verantworten, hervorgehend, offenbar selbst daran.

Die belangte Behörde hätte mangels zuvor erhaltener Mitteilung bezüglich einer demnächst geplanten bedingten Haftentlassung des BF nicht mutmaßlich von einer bedingten Strafhaftentlassung zum 2/3 – Stichtag am 18.03.2021 ausgehen dürfen, sondern von einem laut Vollzugsinformation vom 27.10.2011 für 27.03.2022, 11:18 Uhr errechnetem Strafhaftentlassungszeitpunkt und damit von einer voraussichtlichen Strafhaftentlassung in einem Jahr und rund fünf Monaten auszugehen gehabt.

Aus der Legaldefinition der Fluchtgefahr in § 76 Abs. 3 FPG ist ersichtlich, dass die Beurteilung der Fluchtgefahr stets eine Prognoseentscheidung der Behörde im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft erfordere. (VwGH vom 16.07.2020, Ra 2020/21/0188).

Die in § 76 Abs. 3 1. Satz FPG normierten "bestimmten Tatsachen" konnten zum Zeitpunkt der Ausfertigung des Schubhaftbescheides am 22.10.2020 nicht in dem Ausmaß angenommen werden, welche auch zum Zeitpunkt der vormals für 27.03.2022, 11:18 Uhr errechneten Strafhaftentlassung "die Annahme erheblicher Fluchtgefahr rechtfertigen" würden, sodass in diesem Sinne dem aktuellen Schubhaftbescheid die Tatsachengrundlagen entzogen sind.

Gemessen an der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere, dass die Anordnung der Schubhaft stets als „ultima ratio“ erfolgen darf, erscheint die Erlassung des Schubhaftbescheides vom 22.10.2020, dessen Rechtsfolgen erst nach voraussichtlicher Strafhaftentlassung nach einem Jahr und rund fünf Monaten am 27.03.2022, 11:18 Uhr eintreten sollten, als unbegründet und unverhältnismäßig, da zum Zeitpunkt der Ausfertigung des Schubhaftbescheides am 22.10.2020 noch keine ausreichende abschließende Prognose über das Bestehen von (erheblicher) Fluchtgefahr zum Strafhaftentlassungszeitpunkt abgegeben werden konnte.

Hingewiesen wird ergänzend darauf, dass der zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides vom 22.10.2020 festgestandene voraussichtliche Strafhaftentlassungstermin nach sechster rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilung des BF von Dezember 2020 von 27.03.2022, 11:18 Uhr, auf 27.10.2022, 11:18 Uhr, nach hinten verschoben worden ist und ab dem Datum der Ausfertigung des Schubhaftbescheides am 22.10.2020 bis zum für 27.10.2022 errechneten Strafhaftentlassungstermin sogar noch rund zwei Jahre vergehen.

Gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 FPG ist die Schubhaft schriftlich mit Bescheid anzuordnen und ist dieser gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

Da sich der BF zum Zeitpunkt der Einleitung des Schubhaftverfahrens bzw. zum Zeitpunkt der Zustellung des Schreibens des BFA mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am 27.02.2020 nicht bloß kurzfristig in Haft befand, sondern ihm nach fünfter rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilung von Oktober 2019 eine – nicht bloß kurzfristige – bis 27.03.2022, 11:18 Uhr, dauernde Strafhaft bevorstand, war gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 FPG über den BF keine Schubhaft anzuordnen.

Es war daher die Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Schubhaftbescheid vom 22.10.2020 stattzugeben und der angefochtene Bescheid als rechtswidrig zu beheben.

Darauf hingewiesen wird zudem, dass sich in dem im Spruch angeführten Schubhaftbescheid weder in den Feststellungen noch in der Beweiswürdigung noch in der Rechtlichen Beurteilung Ausführungen zu einer Strafhaft, geschweige denn zu einer möglichen Strafhaftentlassung des BF finden. Dass es um eine Anordnung der Schubhaft für die Zeit nach Strafhaftentlassung geht, ging nur aus dem diesbezüglichen Spruch des Schubhaftbescheides und aus dem im Bescheid angeführten Verfahrensgang mit Anführung des schriftlichen Parteiengehörs des BFA über die beabsichtigte Schubhaftverhängung nach Strafhaftentlassung hervor.

Die belangte Behörde hat in der Rechtlichen Beurteilung unter den rechtlichen Bestimmungen unter anderem auf § 76 Abs. 4 Satz 1 FPG, wonach die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen ist und dieser gemäß § 57 AVG zu erlassen ist, es sei denn der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung nicht bloß kurzfristig in Haft, Bezug genommen, sich dann jedoch nicht näher mit dieser Bestimmung auseinandergesetzt, sondern die Schubhaft aufgrund bestehender Fluchtgefahr und gegebener Verhältnismäßigkeit als ultima – ratio-Maßnahme bezeichnet.

„Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit“ der Schubhaft wurde im angefochtenen Bescheid – an den BF gerichtet – kurzgehalten angemerkt, „dass von der zuständigen Behörde mit Hochdruck an der Erlangung eines Heimreisezertifikates gearbeitet wird und Ihre Abschiebung in Ihr Heimatland innerhalb der gesetzlichen Schubhaftdauer möglich sein wird“.

Welche konkreten Schritte die belangte Behörde zur Erlangung eines HRZ gesetzt hat und warum sie zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides von einer innerhalb der gesetzlichen Schubhaftdauer möglichen Abschiebung des BF in sein Heimatland ausgehen konnte, wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht festgehalten.

Insgesamt war somit von einem nicht hinreichend begründeten Schubhaftbescheid auszugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher auch deshalb wegen Rechtswidrigkeit zu beheben.

3.1.3. Ergänzend wird bezüglich des seitens des BFA durchgeführten Ermittlungsverfahrens noch auf Folgendes hingewiesen:

Der BF wurde erst nach Erlassung des gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheides vom 22.10.2020 am 05.11.2020 von seinem für das nunmehrige Beschwerdeverfahren bestellten Rechtsvertreter besucht. Dafür bestand eine entsprechende Verfahrensanordnung nach § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG. Ob es sich dabei um eine mit 11.08.2020 datierte Verfahrensanordnung, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid anführt, oder um eine mit „22.10.2020“ datierte Verfahrensanordnung nach § 52 Abs. 1 BFA-VG handelt, wie seitens der Rechtsvertretung des BF in ihrer Stellungnahme vom 21.12.2020 angeführt wurde, ist im gegenständlichen Fall nicht relevant für die Frage, ob der BF nach Erhalt des schriftlichen Parteiengehörs im Verfahren vor dem BFA rechtliche Unterstützung erhalten hat.

Die bezüglich des in Haft erhaltenen schriftlichen Parteiengehörs des BFA von ihm am 04.03.2020 über den Sozialen Dienst der Justizanstalt ersuchte Kontaktaufnahme mit der Diakonie hat nicht stattgefunden. Bezüglich des vom BF geäußerten Besuchswunsches teilte die Diakonie mit E-Mail vom 16.03.2020 mit, es liege keine Verfahrensanordnung für einen Besuch vor und sei ein Besuch aufgrund der derzeitigen Situation bzw. der Covid-19 Maßnahmen zudem ohnehin nicht möglich.

Der BF hatte im Verfahren vor dem BFA keine Rechtsberatung erhalten, worauf nach § 49 Abs. 1 Satz 3 BFA-VG grundsätzlich auch kein Rechtsanspruch besteht, und mit seinen dafür unzureichenden Deutschkenntnissen zu dem in Haft erhaltenen schriftlichen Parteiengehör des BFA keine schriftliche Stellungnahme abgeben können.

Das Vorbringen des BFA mit Beschwerdevorlage, „gerade während seiner Anhaltung in Strafhaft, hätte er jederzeit die Möglichkeit gehabt sich bei etwaigen Problemen an den do. Sozialen Dienst zu wenden und um Hilfe zu ersuchen“, geht insofern ins Leere, als sich der BF nach Erhalt des schriftlichen Parteiengehörs des BFA in der Justizanstalt zwar sofort an den Sozialen Dienst gewandt hat und noch an demselben Tag seitens des Sozialen Dienstes sein Besuchswunsch per E-Mail an die Diakonie weitergeleitet worden ist, seitens der Diakonie mit E-Mail vom 16.03.2020 dann jedoch mitgeteilt worden ist, mangels vorliegender entsprechender Verfahrensanordnung und aufgrund der Covid-19-Maßnahmen dem BF keinen Besuch abstatten zu können, und der BF über den Sozialen Dienst in der Justizanstalt keine Unterstützung bzw. keinen Dolmetscher, der ihm bei der Verfassung einer schriftlichen Stellungnahme zum schriftlichen Parteiengehör des BFA behilflich gewesen wäre, erhalten konnte.

Mit Beschwerdevorlage stützte sich die belangte Behörde zudem auf eine im vorangegangenen aufenthaltsbeendenden Verfahren erfolgte Zurücklegung der Vollmacht des Rechtsberaters des BF und führte sie bezüglich des Verfahrens vor Erlassung der negativen Asylentscheidung des BVwG samt durchsetzbarer Rückkehrentscheidung vom 31.05.2019 Folgendes an:

„Am 07.05.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, wobei der BF unentschuldigt nicht erschienen ist. Es wurde mit der Rechtsvertretung des BF die allgemeine Lage im Herkunftsstaat erörtert und dem BF die Möglichkeit eingeräumt, über die herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie zu den von der erkennenden Richterin in der Verhandlung dargelegten Feststellungen binnen einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Schreiben vom 09.05.2019 gab die Rechtsberatung des BF bekannt, dass aufgrund der unterlassenen Kooperation des BF auf die eingeräumte Frist zur Abgabe einer Stellungnahme bezüglich der Länderberichte zum Herkunftsstaat sowie zur Anfragebeantwortung bezüglich Substitutionstherapie bei Opioid Abhängigkeit in Algerien ausdrücklich verzichtet werde. Dem Schreiben wurde auch eine Zurücklegung der Vollmacht seitens der Vollmachtnehmerin, Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, beigelegt.“

Die mit Beschwerdevorlage fettgedruckt angeführte Zurücklegung der Vollmacht seitens der Diakonie betrifft das dem gegenständlichen Schubhaftverfahren vorangegangene aufenthaltsbeendende Verfahren vor dem BVwG. Bezüglich dieser im Beschwerdevorlage-Schreiben fettgedruckten Bekanntgabe wird im Bewusstsein, dass Fremde im Verfahren vor dem BFA grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Rechtsberater haben, darauf hingewiesen, dass es sich im gegenständlichen Schubhaftverfahren um ein eigenständiges Verfahren handelt, in welchem die Zurücklegung der Vollmacht seitens der Diakonie im vorangegangenen aufenthaltsbeendenden Beschwerdeverfahren keine negative Auswirkung für den BF haben kann.

Fest steht, dass dem in Strafhaft befindlichen BF im Schubhaftverfahren vor dem BFA kein Rechtsberater beigestellt worden ist und der BF über den Sozialen Dienst in der Justizanstalt keine Hilfe erhalten hat, um zum schriftlichen Parteiengehör des BFA eine schriftliche Stellungnahme abgeben zu können.

Dem BF wurde zudem in dem vom BFA – nach Inhaftnahme des BF am 07.08.2019 – am 02.09.2019 eingeleiteten HRZ-Verfahren, in welchem seitens der belangte Behörde wiederholt, auch am Tag der Ausfertigung des Schubhaftbescheides am 22.10.2020, urgiert wurde, keine Möglichkeit zur Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität bzw. bei Erlangung eines HRZ iSv § 46 Abs. 2a FPG gewährt.

3.1.4. Der Schubhaftbescheid war jedenfalls bereits aus den unter Punkt 3.1.2. angeführten Gründen als rechtswidrig aufzuheben.

Es war somit der Beschwerde stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.5. Zum Kostenersatz:

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Den Ersatz von Aufwendungen im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) regelt § 35 VwGVG, wonach die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Als Aufwendungen gelten die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, geregelt (zur Zulässigkeit des Kostenzuspruchs siehe auch VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten.

§ 35 VwGVG, der in seinem Abs. 1 einen Aufwandersatzanspruch für die obsiegende Partei vorsieht, gilt im Wege des § 22a Abs. 1a BFA-VG 2014 auch in der Konstellation einer Beschwerde gegen einen die Schubhaft anordnenden Bescheid, der im Entscheidungszeitpunkt noch nicht in Vollzug gesetzt wurde (vgl. VwGH 13.11.2018, Zl. Ra 2018/21/0086).

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Dem BF als obsiegender Partei steht nach den angeführten Bestimmungen somit der Ersatz seiner Schriftsatzaufwendungen zu, welche Kosten dem BFA als unterliegender Partei spruchgemäß aufzuerlegen waren.

3.1.6. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

3.2. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aufwandersatz Behebung der Entscheidung Kostenersatz Mangelhaftigkeit Schubhaft Schubhaftbeschwerde Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G313.2237284.1.00

Im RIS seit

12.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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