TE Bvwg Beschluss 2021/2/19 W282 2172162-3

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Veröffentlicht am 19.02.2021
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Entscheidungsdatum

19.02.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W282 2172162-3/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2021, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, folgenden Beschluss:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Vorverfahren

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 21.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am folgenden Tag wurde er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, dass er im Alter von 6 Monaten mit seiner Familie nach Pakistan gezogen sei, wo er bis 2014 illegal gelebt habe. Das letzte Jahr und 5 Monate vor seiner Ausreise habe er illegal im Iran verbracht. Seine Eltern und vier Schwestern würden in Quetta, Pakistan, leben, eine Schwester lebe in Kandahar, Afghanistan. Der BF gab an, dass auch in Pakistan Krieg herrsche und er dort keine Möglichkeit gehabt habe, sich weiterzubilden oder einen Beruf zu erlernen. Das Leben in Afghanistan kenne er nicht, da er als Baby weggezogen sei.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) vom XXXX .2017 abgewiesen. Zudem wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung für zulässig erklärt. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.08.2019, GZ W272 2172162-1/16E als unbegründet abgewiesen.

Anschließend begab sich der BF nach Deutschland und stellte erneut einen Asylantrag. Nach seiner Rückführung am 06.02.2020 brachte er am 07.02.2020 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich ein. In der am selben Tag durchgeführten polizeilichen Erstbefragung wurde im Befragungsprotokoll unter „persönlichen Daten“ die Religionszugehörigkeit des BF mit „Islam“ angegeben. Im Zuge seiner Befragung gab der BF jedoch an, dass er vor ca. vier Monaten ungläubig geworden sei, weshalb sein Leben in Afghanistan in großer Gefahr sei. Seine Mutter und seine Schwester seien mittlerweile aus Pakistan geflüchtet und seit sechs Monaten vermisst.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zudem wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.08.2020, GZ W165 2172162-2/6E als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF während des gesamten vorangegangenen Asylverfahrens, zu seiner Religionszugehörigkeit befragt, angegeben habe, Schiit zu sei. Auch im Erstbefragungsprotokoll über den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 07.02.2020 sei unter den persönlichen Daten zur Religionszugehörigkeit des BF „Islam“ vermerkt worden. Erst in weiterer Folge in der Erstbefragung dazu befragt, was sich seit rechtskräftigem Abschluss des letzten Verfahrens geändert habe, habe der BF erklärt, dass er jetzt - seit ca. vier Monaten - ungläubig geworden sei. Abweichend davon habe der BF am 20.02.2020 vor dem Bundesamt allerdings auf Frage, wann die Abkehr vom Glauben erfolgt sei, „Seit ca. 6,5 Monaten. Nein ca. 5 bis 5,5 Monate“ angegeben. Auf die Frage, woher er das wisse, habe der BF dezidiert erklärt, dies sei vor der negativen Entscheidung gewesen. Daher habe der BF eine verfahrensrelevante bzw. wesentliche Neuerung des Sachverhalts nicht vorgebracht, sondern vielmehr mit seinem Vorbringen bestätigt, dass die behaupteten Veränderungen schon vor Rechtskraft der letzten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eingetreten wären.

Mit 08.09.2020 war der BF aus seiner Unterkunft abgängig und wurde von der Grundversorgung abgemeldet. Am selben Tag versuchte er, nach Italien auszureisen, was ihm auch gelang, allerdings wurde er von den italienischen an die österreichischen Behörden rückübergeben. Daraufhin wurde gegen den BF gem. § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG ein Festnahmeauftrag erlassen.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 09.09.2020 wurde über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung erlassen. Der BF wird aktuell im AHZ Vordernberg angehalten und ist für eine Sammelabschiebung am 23.02.2021 nach Afghanistan vorgesehen.

2. Gegenständliches Verfahren

Am 05.02.2021 stellte der BF einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, er wisse nicht, was er in Afghanistan machen solle. Als er 6 Monate alt gewesen sei, habe er das Land nach Pakistan verlassen. In Afghanistan habe er weder Familie noch Unterkunft bzw. Arbeit. Da er in Afghanistan kein Leben habe, möchte er auch nicht dorthin. Er habe sein Leben in Pakistan verbracht, weshalb er um Asyl ansuche. Sein Vater sei vor 8 Jahren gestorben, seine Mutter und seine 4 Schwestern hätten in Pakistan gelebt und seien dann in den Iran gekommen, jedoch wisse der BF nicht, wo sie genau sind. Er sei auf sich allein gestellt und wisse nicht, wie er sein Leben in Afghanistan beginnen solle. Zudem sei er Atheist, weshalb er bei einer Rückkehr nach Afghanistan umgebracht werde. Wenn er seine Schwestern und seine Mutter finden und sich auf den Weg nach Pakistan machen sollte, wüsste er nicht, was er den Taliban sagen sollte, wenn sie ihn erwischen würden. Wenn diese wüssten, dass der BF ohne Bekenntnis sei, würden sie ihn umbringen. Seit 18 Monaten seien seine Schwester und seine Mutter verschollen, sie seien zwischen Pakistan und dem Iran unterwegs gewesen.

Am 11.02.2021 wurde der BF vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Auf die Fragen, ob seine Angaben aus dem Vorverfahren stimmen würden und ob es noch weitere bzw. andere Gründe gebe, die er in diesem Verfahren geltend machen wolle, gab der BF an, dass seine Angaben aus dem Vorverfahren stimmen würden und er diese Fluchtgründe nach wie vor aufrechterhalte. Der BF gab weiters an, dass es für ihn im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan sehr schwer werden würde, da er sich dort nicht auskenne. Die Taliban seien überall, er wisse nicht, wohin er gehen solle. Anschließend wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben. Dem BF wurde zudem zur Kenntnis gebracht, dass er nach einer Frist von mindestens 24 Stunden im Zuge einer niederschriftlichen Befragung im Beisein eines Rechtsberaters die Möglichkeit habe, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen.

Am 12.02.2021 wurde der BF erneut vor dem Bundesamt, allerdings unter Beiziehung eines Rechtsberaters, niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben. Dazu gab der BF an, er habe sehr viel zu sagen, es gehe jedoch um seine alten Vorbringen, er würde diese gerne nochmals ausführen und wiederholen. Der BF bekräftigte, dass er auf keinen Fall zurück nach Afghanistan wolle, zumal er ohne Religion sei. Daraufhin wurde ihm vorgehalten, dass er im Zuge seiner Erstbefragung angegeben habe, dem Islam anzugehören. Auf die Frage des Rechtsberaters, ob der BF ausführen könne, seit wann er keine Religion mehr habe, gab dieser an, er habe seit ca. 1,5 Jahren keine Religion mehr und dies auch schon im Vorverfahren angegeben.

Am Ende dieser Einvernahme wurde mit dem verfahrensgegenständlichen mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes vom 12.02.2021 der faktische Abschiebeschutz des BF nach § 12 AsylG 2005 gem. § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.

In der rechtlichen Begründung wurde ausgeführt, dass gegen den BF eine aufrechte Rückkehrentscheidung bestehe, er über kein Aufenthaltsrecht verfüge und sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen sei. Der BF habe im gegenständlichen Verfahren keine neuen Fluchtgründe vorgebracht, ebenso wenig habe sich die allgemeine Lage in Afghanistan entscheidungswesentlich geändert. Weiters verfüge der BF über kein schützenswertes Familien- bzw. Privatleben in Österreich. Im Falle des BF sei schließlich ein reales Risiko der Verletzung von Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht erkennbar, woran auch die COVID-19-Pandemie nichts ändere.

Am 16.02.2021 wurde die Beschwerde inklusive der mit ihr in Bezug stehenden Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der BF führt den Namen XXXX , wurde am XXXX geboren und ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an.

Der BF stellte am 21.07.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2017 abgewiesen wurde. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.08.2019 als unbegründet abgewiesen.

Am 07.02.2020 brachte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich ein, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Zudem wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.08.2020 als unbegründet abgewiesen.

Der BF bezieht sich im gegenständlichen Verfahren ausschließlich auf Fluchtgründe, über die bereits im Erstverfahren rechtskräftig negativ abgesprochen worden ist. Seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens ist daher kein entscheidungsrelevanter neuer asylrelevanter Sachverhalt eingetreten.

In Bezug auf den BF besteht kein hinreichend schützenswertes Privat- und Familienleben im österreichischen Bundesgebiet. Der BF leidet zudem an keinen die Schwelle des Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK erreichenden Krankheiten, die eine Rückkehr nach Afghanistan unzulässig machen würden.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat ist seit der letzten Entscheidung über den vorhergehenden Antrag des BF auf internationalen Schutz bzw. der letzten Rückkehrentscheidung nicht eingetreten. Die aktuelle Situation hinsichtlich der COVID-19-Pandemie begründet ebenso keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat Afghanistan.

Es ist daher zusammenfassend nicht ersichtlich, dass eine bervorstehende Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es liegen keine (geänderten) Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet entgegenstünden. Gegen den BF liegt keine maßgebliche Bedrohung vor.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen hinsichtlich des Namens des BF, seines Geburtsdatums, seiner Staatsangehörigkeit sowie seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit werden anhand seiner eigenen Angaben im Zuge seiner Erstbefragung vom 05.02.2021 getroffen. Der behauptete Atheismus des BF ist nach den Ausführungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.08.2020 bereits zum Zeitpunkt des rechtskräftig negativ abgeschlossenen Erstverfahrens vorgelegen (Erkenntnis W165 2172162-2/6E, S 39), weshalb er in diesem Verfahren nicht weiter zu berücksichtigen ist.

Die Feststellungen hinsichtlich der bisherigen Anträge des BF auf internationalen Schutz und der dazugehörigen Verfahren ergeben sich anhand des unzweifelhaften Akteninhalts.

Die Feststellung, dass sich der BF im gegenständlichen Verfahren ausschließlich auf Fluchtgründe, über die bereits im Vorverfahren rechtskräftig negativ abgesprochen worden ist, bezieht, erfolgt anhand seiner eigenen Angaben im Zuge seiner Einvernahmen vor dem Bundesamt am 11.02.2021 und 12.01.2021. So gab der BF auf die Fragen, ob seine Angaben aus dem Vorverfahren stimmen würden und ob es noch weitere bzw. andere Gründe gebe, die er in diesem Verfahren geltend machen wolle, an, dass seine Angaben aus dem Vorverfahren stimmen würden und er diese Fluchtgründe nach wie vor aufrechterhalte (AS 117 f).

Auf diese Ausführungen gründet sich auch die Feststellung, dass seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens kein entscheidungsrelevanter neuer asylrelevanter Sachverhalt eingetreten ist.

Die Feststellung, dass der BF in Österreich weder über ein hinreichend schützenswertes Privat- noch Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt, wird anhand seiner eigenen Angaben im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 11.02.2021 getroffen, wonach weder Familienmitglieder noch sonstige nahe Angehörige von ihm in Österreich leben würden (AS 117). In diesem Zusammenhang ist zudem darauf hinzuweisen, dass der BF trotz eines aufrechten Einreiseverbotes nach Österreich zurückgekehrt ist und seinen unrechtmäßigen Aufenthalt prolongieren will, was die Schutzwürdigkeit eines allfälligen Privatlebens nochmals mindert.

Die Feststellung, dass der BF an keinen die Schwelle des Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK erreichenden Krankheiten, die eine Rückkehr nach Afghanistan unzulässig machen würden, leidet, erfolgt anhand seiner eigenen Angaben im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 11.02.2021, wonach er Schlaftabletten wegen Schlafstörungen einnehme und kurzzeitig Herz- bzw. Rückenprobleme habe, weitere Arzttermine seien jedoch nicht vereinbart (AS 115). Diese Beschwerden sind somit keinesfalls als lebensbedrohlich zu qualifizieren.

Die Feststellung, dass eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat seit der letzten inhaltlichen Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz nicht eingetreten ist und auch die aktuelle Situation hinsichtlich der COVID-19-Pandemie keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat Afghanistan begründet, ergibt sich anhand der Ausführungen des dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes vom 11.02.2021 zugrunde gelegten Länderinformationsblattes der Staatendokumentation über Afghanistan vom 16.12.2020 und den allgemein zugänglichen Informationen in Bezug auf die COVID-19-Pandemie (siehe etwa https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/UebertragbareKrankheiten/Infektionskrankheiten-A-Z/Neuartiges-Coronavirus.html, https://covid19-dashboard.ages.at/, https://covid19.who.int/region/emro/country/af).

Anhand dieser Quellen ist zudem ersichtlich, dass COVID-19 eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung ist, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Mit Stichtag vom 16.02.2021 gibt es in Österreich 20.935 aktive Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen, 432.469 laborbestätigte Fälle, 403.370 genesene Fälle und 8.164 bestätigte Todesfälle. In Afghanistan liegen zum selben Stichtag 55.518 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen vor, wobei 2.428 Todesfälle bestätigt wurden.

Eine spezielle Gefährdung des BF im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK hinsichtlich der COVID-19-Pandemie ist allerdings nicht ersichtlich. Er fällt weder in die Risikogruppen der älteren Personen noch in jene der Personen mit spezifischen relevanten physischen Vorerkrankungen, sodass keine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus zu gewärtigen hätte.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

Der mit „Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen“ betitelte § 12a AsylG 2005 idgF lautet:
㤠12a.

(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1.       gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2.       kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3.       im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1.       gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2.       der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3.       die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1.       gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2.       der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist (§ 58 Abs. 2 FPG) und

3.       darüber hinaus

a)       sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b)       gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c)       der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.
(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1.       der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2.       sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.
(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht.“

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.“

Der mit „Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes“ betitelte § 22 BFA-VG lautet:

„(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.“

Zu den Voraussetzungen des § 12 a AsylG 2005 im gegenständlichen Fall ist festzustellen, dass gegen den BF mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 bzw. dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.08.2020 eine aufrechte Rückkehrentscheidung inklusive einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot vorliegt.

Aus dem Vorbringen des BF zum Folgeantrag ergibt sich, wie in der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt, weil sich der BF explizit auf seine im Vorverfahren vorgebrachten Fluchtgründe stützt, über die jedoch bereits rechtskräftig negativ abgesprochen worden ist.

Auch die für den BF maßgebliche Ländersituation in Afghanistan ist im Wesentlichen (schon aufgrund der nur kurzen Zeitspanne seit August 2020) gleichgeblieben und hat sich auch durch die aktuell vorliegende Pandemie aufgrund des Corona-Virus nicht entscheidungsrelevant verändert, zumal diese auch bereits im Erkenntnis vom 24.08.2020 Berücksichtigung gefunden hat.

Im Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 bzw. im, die Entscheidung bestätigenden, Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.08.2020 wurde ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson als ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Im gegenständlichen Verfahren sind vor dem Bundesamt keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die für eine maßgebliche Änderung des für diesen Abspruch relevanten Sachverhaltes und/bzw. im Sinne der vorzitierten Bestimmungen gegen eine Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat Afghanistan sprechen würden.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt, wie oben dargestellt, auch die Ansicht der belangten Behörde, dass beim BF kein schützenswertes Familien- oder Privatleben in Österreich erkennbar ist und auch sein Gesundheitszustand nicht dazu Anlass gibt, eine Rückkehr nach Afghanistan unzulässig erscheinen zu lassen.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12 a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG idgF für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, erweist sich der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 12.02.2021 als rechtmäßig.

Zu B):

Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 133 Abs. 4 V-BVG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag non-refoulement Prüfung Pandemie Risikogruppe Vorerkrankung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W282.2172162.3.00

Im RIS seit

12.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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