TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/22 W231 1433090-3

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Veröffentlicht am 22.02.2021
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Entscheidungsdatum

22.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W231 1433090-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.02.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.02.2013 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Der BF wurde gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 nach Afghanistan ausgewiesen.

3. Der Beschwerde gegen diesen Bescheid gab das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 18.02.2015, W117 1433090-1, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 statt und erkannte dem BF der Status des Asylberechtigten zu. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wurde festgestellt, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Im Falle des BF sei aufgrund der Sachverhaltslage davon auszugehen, dass er aufgrund der von ihm glaubwürdig dargebrachten Verfolgungs- und Bedrohungssituation Afghanistan (aus Furcht vor Verfolgung durch die Hezb-e Islami wegen einer ihm unterstellten politischen Gesinnung infolge seiner Weigerung, mit ihnen zusammen zu arbeiten) verlassen habe, und im Falle der Rückkehr immer noch dieser Verfolgungssituation ausgesetzt ist. Es hätten zwar noch keine Verfolgungshandlungen seitens der politischen Gruppe stattgefunden, da der BF binnen weniger Wochen nach Erhalt des zweiten Drohbriefs, worin ihm eine Frist zur Zusammenarbeit eingeräumt bzw. mit dem Tod gedroht wurde, sein Heimatdorf verlassen habe, jedoch müsse er davon ausgehen, dass ihm infolge der Verweigerung der Zusammenarbeit im Fall seiner Rückkehr seitens (Mitglieder) der Hezb-e Islami eine oppositionelle politische Gesinnung zumindest unterstellt werde. Der BF habe daher den Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention verlassen und der afghanische Staat sei auch aktuell nicht in der Lage bzw. willens ist, ihm ausreichend Schutz davor zu bieten. Dem BF steht nach den Länderfeststellungen auch in bei seinen Verwandten in Kabul keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, weil die Hezb-e Islami über operationale Kapazitäten verfüge, Personen im ganzen Land ausfindig zu machen.

4. Der BF wurde am 05.12.2016 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 Z 1 SMG) und wegen Besitz einer verbotenen Waffe (§ 50 Abs. 1 Z 2 WaffG) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

5. Am 11.10.2019 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

6. Am 27.01.2020 wurde der BF durch die belangte Behörde zu seinen privaten und familiären Verhältnissen in Österreich, zu seinen Familienmitgliedern in Afghanistan und zu seinen ursprünglichen und allfälligen neuen Fluchtgründen einvernommen.

7. Mit Bescheid vom 29.01.2020 wurde der dem BF mit Erkenntnis vom 18.02.2015 zuerkannte Status des Asylberechtigten gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt. Gem. § 7 Abs. 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist zur Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI). Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der BF in der Einvernahme am 27.01.2020 keine aktuelle und individuelle Gefährdungslage glaubhaft vorgebracht habe. Der BF habe nur vage und unzusammenhängende Aussagen getätigt. Rechtlich wurde zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten argumentiert, dass § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die zwingende Aberkennung des Status des Asylberechtigten vorsehe, wenn einer der in der GFK genannten Endigungsgründe eingetreten sei. Ein Endigungsgrund liege unter anderem dann vor, wenn die Umstände, aufgrund derer der Fremde als Flüchtling anerkannt worden sei, nicht mehr bestünden und dieser es daher nicht ablehnen könne, sich unter den Schutz des Herkunftsstaates zu stellen. Die behaupteten Gründe für eine Gefährdungslage des BF seien nur in den Raum gestellt und nicht glaubhaft. Es bestehe demnach kein Grund für die Gewährung des Asylstatus, da keine Gründe für eine wohlbegründete Furcht aus einem der in der GFL genannten Gründe ersichtlich seien. Daher sei dem BF der Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 AsylG 2005 abzuerkennen.

9. Am 09.06.2020 wurde der BF wegen Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt.

10. Mit Erkenntnis des BVwG vom 29.09.2020, Zl. W241 1433090-2/8E wurde der Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.01.2020 stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Es sei fallbezogen festzuhalten, dass die belangte Behörde valide Argumente, die das nunmehrige Nichtvorliegen einer bereits zuvor als mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im asylrelevanten Ausmaße vorliegenden asylrelevanten Gefährdung thematisieren sollten, nicht dargelegt habe. Die durch das BFA angeführten Begründungen betreffend das nunmehrige Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aberkennung beruhten zur Gänze auf einer neuerlichen Beweiswürdigung über einen bereits rechtskräftig durch das BVwG entschiedenen Sachverhalt auf Grundlage einer Einvernahme des BF am 27.01.2020. Zusammenfassend könnten sämtliche Ausführungen des BFA unter besonderer Berücksichtigung des Ergebnisses des Beweisverfahrens vor dem BVwG, in dem eine asylrelevante Bedrohung des BF im Zusammenhang mit einer versuchten Zwangsrekrutierung des BF als glaubhaft erkannt wurde, nicht darlegen, dass nunmehr eine diesbezüglich wesentliche und nachhaltige Veränderung eingetreten ist, die eine diesbezügliche neue Beurteilung zulassen könnte. Vielmehr habe das BFA auf Grundlage einer neuerlichen Einvernahme des BF eine neue Beurteilung eines bereits rechtskräftig festgestellten Sachverhalts vorgenommen. Die Voraussetzungen für die Aberkennung von Asyl lägen nicht vor.

11. Am 01.12.2020 wurde der BF durch das BFA erneut zu einer allfälligen Gefährdungslage in Afghanistan, zu seinen Familienverhältnissen und Privatleben, und zu seinen in Österreich begangenen Straftaten einvernommen. Der BF legte zahlreiche Dokumente (Dienstzettel für Arbeitgeber, Abrechnungsbelege, Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft, Mietvertrag, Fotos, Termin über Eheschließung) vor.

12. Mit Bescheid vom 03.12.2020 wurde der dem BF mit Erkenntnis vom 18.02.2015 zuerkannte Status des Asylberechtigten gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 von der Behörde erneut aberkannt. Gem. § 7 Abs. 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG wurde gem. § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF eine Aufenthaltsberechtigung gem. § 55 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde – teilweise wortident und über wesentliche Passagen mit gleichen Argumenten wie schon im Bescheid vom 29.01.2020 – argumentiert, dass der BF in den Einvernahmen am 27.01.2020 und am 01.12.2020 keine aktuelle und individuelle Gefährdungslage glaubhaft vorgebracht habe. Der BF habe nur vage und unzusammenhängende Aussagen getätigt.

Rechtlich wurde zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ausgeführt, dass § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die zwingende Aberkennung des Status des Asylberechtigten vorsehe, wenn einer der in der GFK genannten Endigungsgründe eingetreten sei. Ein Endigungsgrund liege unter anderem dann vor, wenn die Umstände, aufgrund derer der Fremde als Flüchtling anerkannt worden sei, nicht mehr bestünden und dieser es daher nicht ablehnen könne, sich unter den Schutz des Herkunftsstaates zu stellen. Da der BF straffällig geworden sei, könne die Aberkennung auch nach fünf Jahren geprüft werden. Die behaupteten Gründe für eine Gefährdungslage des BF seien nur in den Raum gestellt und nicht glaubhaft. Es bestehe demnach kein Grund für die Gewährung des Asylstatus, da keine Gründe für eine wohlbegründete Furcht aus einem der in der GFL genannten Gründe ersichtlich seien. Daher sei dem BF der Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 AsylG 2005 abzuerkennen.

13. Dagegen erhob der BF fristgerecht die zulässige Beschwerde. Die Asyl-Aberkennung sei zu Unrecht erfolgt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist an dem im Spruch genannten Datum geboren, Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen sunnitisch-moslemischen Glaubens. Er stellte am 09.02.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dem BF wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 18.02.2015, W117 1433090-1, aufgrund versuchter Zwangsrekrutierung durch Mitglieder der Hezb-e Islami der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Im Falle des BF sei aufgrund der Sachverhaltslage davon auszugehen, dass er aufgrund der von ihm glaubwürdig dargebrachten Verfolgungs- und Bedrohungssituation Afghanistan (aus Furcht vor Verfolgung durch diese politische Gruppe wegen einer ihm unterstellten politischen Gesinnung infolge seiner Weigerung, mit ihnen zusammen zu arbeiten) verlassen habe, und im Falle der Rückkehr immer noch dieser Verfolgungssituation ausgesetzt ist. Es hätten zwar noch keine Verfolgungshandlungen stattgefunden, da der BF binnen weniger Wochen nach Erhalt des zweiten Drohbriefs, worin ihm eine Frist zur Zusammenarbeit eingeräumt bzw. mit dem Tod gedroht wurde, sein Heimatdorf verlassen habe, jedoch müsse er davon ausgehen, dass ihm infolge der Verweigerung der Zusammenarbeit im Fall seiner Rückkehr seitens der Hezb-e Islami eine oppositionelle politische Gesinnung zumindest unterstellt werde. Der BF habe daher den Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention verlassen und der afghanische Staat sei auch aktuell nicht in der Lage bzw. willens ist, ihm ausreichend Schutz davor zu bieten (vgl. VwGH 28.11.2014, Ra 2014/01/0094). Dem BF stehe nach den Länderfeststellungen auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, weil die Hezb-e Islami über operationale Kapazitäten verfüge, Personen im ganzen Land ausfindig zu machen.

Es kann nicht festgestellt werden, welche nachhaltigen und wesentlichen Änderungen der rechtskräftig und glaubwürdig bereits durch das BVwG als asylrelevant festgestellten Situation des BF nunmehr eingetreten seien.

Der BF wurde in Österreich mehrmals straffällig:

Er wurde am 05.12.2016 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 Z 1 SMG) und wegen Besitz einer verbotenen Waffe (§ 50 Abs. 1 Z 2 WaffG) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Dem liegt der Sachverhalt zugrunde, dass der BF Suchtgift erworben, besessen und anderen zum Gebrauch überlassen hatte, wobei er die Straftaten teils ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging, sowie, dass er (fahrlässig) eine verbotene Waffe, nämlich einen Schlagring, besaß.

Am 11.10.2019 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Dem liegt der Sachverhalt zugrunde, dass der BF an mehreren Orten Suchtgift und Amphetamine erworben und zum persönlichen Gebrauch besessen sowie konsumiert hatte.

Am 09.06.2020 wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) zu einer zusätzlichen Geldstrafe von insg. 600 EUR verurteilt, weil er einen anderen durch Faustschläge vorsätzlich verletzt hatte (Schädelprellung, Zerrung der Halswirbelsäule, Missempfindlichkeiten der Haut im Schädelbereich, Erbrechen und Schwindel).

II.2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus den Angaben des BF im Verfahren, wobei diese nur Identifizierung des BF im Verfahren gelten. Zur Straffälligkeit des BF beruhen die Feststellungen auf dem Akteninhalt (Strafurteilen der Gerichte, AS 105, 361, 403, Auszug aus dem Strafregister OZ 2).

Die Feststellungen zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten beruhen auf der eindeutigen Aktenlage. Das BVwG erachtete es nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung für glaubwürdig, dass der BF in Afghanistan versuchter Zwangsrekrutierung durch die Partei Hezb-e Islami ausgesetzt war, und dass er Verfolgung durch diese Gruppierung wegen einer ihm unterstellten politischen Gesinnung infolge seiner Weigerung, mit ihnen zusammen zu arbeiten, zu befürchten hätte. Es stehe dem BF auch keine IFA zur Verfügung, da die Hezb-e Islami über operationale Kapazitäten verfüge, Personen im ganzen Land ausfindig zu machen (AS 298).

Im gegenständlichen Verfahren hat die belangte Behörde erneut und über wesentliche Passagen wortident bzw. mit gleichen Argumenten wie schon im Bescheid vom 29.01.2020 behauptet, dass die Gründe für die Zuerkennung von Asyl nicht (mehr) vorlägen: Der BF habe in seinen Einvernahmen am 27.01.2020 und am 01.12.2020 keine aktuelle Gefährdungslage glaubhaft machen können, er habe vergeblich versucht der Behörde glaubhaft zu machen, dass er (nach wie vor) eine Person von Interesse der Hezbe-Islami sei, habe aber auf Nachfrage keinerlei konkreten Anhaltspunkte oder gar stichhaltige Argumente für diese Behauptung nennen können. Er habe lediglich behauptet, dass seine Mutter einmal nach seiner Ausreise aufgesucht worden sei, seit Jahren aber niemand mehr Kontakt mit der Familie aufgenommen habe. Wenn der BF tatsächlich eine Person von Interesse sein sollte, würden die Feinde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehr Aufwand betreiben, um den BF zu finden oder unter Druck zu setzten. Der BF habe mehrfach betont, dass er nicht wisse, warum er von Interesse für diese Gruppe wäre. Er habe auch auf Nachfrage keine bestimmte Person nennen können, die an ihm Interesse hätte. Er hätte zumindest ein paar konkrete Namen nennen können müssen, zumindest die Namen der ortsansässigen Führungspersönlichkeiten. Dass er von Mitgliedern der Partei überall gefunden werden könnte, sei eine reine Schutzbehauptung. Auch dass er trotz Wissen um die Einleitung seines Aberkennungsverfahrens (in Afghanistan) keinerlei Informationen über eine allfällige Gefährdungslage eingeholt habe spreche für die fehlende Gefährdung des BF. Selbst wenn er bei einer Rückkehr in seine Heimatprovinz einer Bedrohung ausgesetzt sei sollte, da es sehr wohl denkbar sei, dass die damaligen Gefährder den BF wiedererkennen würden und erneut versuchen würden, den BF unter Druck zu setzen, stehe dem BF eine IFA in Mazar-e-Sharif zur Verfügung.

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass sämtliche Ausführungen des BFA unter besonderer Berücksichtigung des Ergebnisses des Beweisverfahrens vor dem BVwG, in dem eine asylrelevante Bedrohung des BF im Zusammenhang mit einer versuchten Zwangsrekrutierung und einer ihm unterstellten politischen Gesinnung durch eine politische Gruppierung als glaubhaft erkannt wurde, nicht darlegen können, dass nunmehr eine wesentliche und nachhaltige Veränderung eingetreten ist, die eine diesbezügliche neue Beurteilung zulassen könnte. Dies auch, zumal die belangte Behörde es durchaus als denkbar erachtet, dass die damaligen Gefährder den BF wiedererkennen und erneut versuchen würden, den BF unter Druck zu setzen, wenn er in seine Heimatprovinz zurückkehrt. Wenn die belangte Behörde dann mit der Möglichkeit einer IFA argumentiert, ist dem das Erkenntnis des BVwG vom 18.02.2015, W117 1433090-1, entgegenzuhalten, dem eindeutig zu entnehmen ist, dass dem BF nach den Länderfeststellungen keine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht, weil die politische Gruppierung über operationale Kapazitäten verfüge, Personen im ganzen Land ausfindig zu machen.

Insgesamt beruht damit die vom BFA angeführte Begründung zu fehlenden Gefahrenlage des BF in Afghanistan erkennbar auf einer neuerlichen Beweiswürdigung eines bereits rechtskräftig entschiedenen Sachverhalts, ohne dass die belangte Behörde ihren Behauptungen aktuelle, valide Beweismittel zugrunde legen konnte. Insgesamt wurde durch die Ausführungen der Behörde eine wesentliche, nachhaltige und dauerhafte Änderung der persönlichen oder allgemeinen asylrelevanten Situation des BF nicht aufgezeigt.


II.3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Ersatzlose Behebung des Bescheides

II.3.1. Rechtslage:

Gem. § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

(2) In den Fällen des § 27 Abs. 3 Z 1 bis 4 und bei Vorliegen konkreter Hinweise, dass ein in Art. 1 Abschnitt C Z 1, 2 oder 4 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführter Endigungsgrund eingetreten ist, ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, sofern das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist. Ein Verfahren gemäß Satz 1 ist, wenn es auf Grund des § 27 Abs. 3 Z 1 eingeleitet wurde, längstens binnen einem Monat nach Einlangen der Verständigung über den Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung gemäß § 30 Abs. 5 BFA-VG, in den übrigen Fällen schnellstmöglich, längstens jedoch binnen einem Monat ab seiner Einleitung zu entscheiden, sofern bis zum Ablauf dieser Frist jeweils der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht. Eine Überschreitung der Frist gemäß Satz 2 steht einer späteren Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht entgegen. Als Hinweise gemäß Satz 1 gelten insbesondere die Einreise des Asylberechtigten in seinen Herkunftsstaat oder die Beantragung und Ausfolgung eines Reisepasses seines Herkunftsstaates.

(2a) Ungeachtet der in § 3 Abs. 4 genannten Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn sich aus der Analyse gemäß § 3 Abs. 4a ergibt, dass es im Herkunftsstaat des Asylberechtigten zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist. Das Bundesamt hat von Amts wegen dem Asylberechtigten die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten formlos mitzuteilen.

(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.

Der mit „Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten“ überschriebene § 6 AsylG 2005 lautet:

㤠6 (1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt.“

Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) lautet:

„Eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutrifft, fällt nicht mehr unter dieses Abkommen,

1. wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, unterstellt; oder

2. wenn sie nach dem Verlust ihrer Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat; oder

3. wenn sie eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie erworben hat, genießt; oder

4. wenn sie freiwillig in das Land, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen sie sich befindet, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat; oder

5. wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Hierbei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt;

6. wenn es sich um eine Person handelt, die keine Staatsangehörigkeit besitzt, falls sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem sie ihren gewöhnlichen Wohnsitz hat. Dabei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in das Land abzulehnen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.“

II.3.2. Das BFA stützte seine Entscheidung zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten im konkreten Fall auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, sohin auf das Eintreten einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Endigungsgründe.

Art. 1 Abschnitt C Z 5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention), zufolge wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

Ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Art. 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention rechtfertigende relevante Änderung der persönlichen Verhältnisse des BF eingetreten ist, hat die Behörde von Amts wegen zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten (VwGH 19.12.2001, Zl. 2000/20/0318).

Betrachtet man die Begründung der belangten Behörde zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten, geht sie erneut davon aus, dass die Gründe hinsichtlich der Zuerkennung des Asylstatus aktuell nicht bestehen, weil sie in Wahrheit schon nie vorgelegen haben, bzw. dass dem BF auch eine IFA zur Verfügung stehe. Der BF habe in seinen Einvernahmen am 27.01.2020 und am 01.12.2020 keine aktuelle Gefährdungslage glaubhaft machen können, er habe vergeblich versucht der Behörde glaubhaft zu machen, dass er nach wie vor eine Person von Interesse der Hezbe-Islami sei, habe aber auf Nachfrage keinerlei konkreten Anhaltspunkte oder gar stichhaltige Argumente für diese Behauptung nennen können. Er habe lediglich behauptet, dass seine Mutter einmal nach seiner Ausreise aufgesucht worden sei, seit Jahren aber niemand mehr Kontakt mit der Familie aufgenommen habe. Wenn der BF tatsächlich eine Person von Interesse sein sollte, würden die Feinde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehr Aufwand betreiben, um den BF zu finden oder unter Druck zu setzten. Der BF habe mehrfach betont, dass er nicht wisse, warum er von Interesse für diese Gruppe wäre. Er habe auch auf Nachfrage keine bestimmte Person nennen können, die an ihm Interesse hätte. Er hätte zumindest ein paar konkrete Namen nennen können müssen, zumindest die Namen der ortsansässigen Führungspersönlichkeiten. Dass er von Mitgliedern der Partei überall gefunden werden könnte, sei eine reine Schutzbehauptung. Auch dass er trotz Wissen um die Einleitung seines Aberkennungsverfahrens (in Afghanistan) keinerlei Informationen über eine allfällige Gefährdungslage eingeholt habe spreche für die fehlende Gefährdung des BF. Selbst wenn er bei einer Rückkehr in seine Heimatprovinz einer Bedrohung ausgesetzt sei sollte, da es sehr wohl denkbar sei, dass die damaligen Gefährder den BF wiedererkennen würden und erneut versuchen würden, den BF unter Druck zu setzen, stehe dem BF eine IFA in Mazar-e-Sharif zur Verfügung.

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheids zusammengefasst davon aus, dass der BF in Afghanistan keiner Gefährdung wegen einer ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung infolge seiner Weigerung, mit der Gruppierung zusammen zu arbeiten, ausgesetzt wäre, bzw. ihm selbst bei Gefährdung in seiner Heimatprovinz eine IFA zur Verfügung stehe. Wie oben bereits beweiswürdigend ausgeführt, kann das BVwG allerdings nicht erkennen, und wurde auch vom BFA erneut nicht aufgezeigt, welche nachhaltigen und wesentlichen Änderungen der rechtskräftig und glaubwürdig bereits durch das BVwG asylrelevant festgestellten Situation des BF nunmehr eingetreten seien. Das Erkenntnis vom 18.02.2015, W117 1433090-1, mit dem dem BF Asylstatus zuerkannt wurde, ist rechtskräftig. Eine Durchbrechung der Rechtskraftwirkung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich nach Erlassung der Entscheidung des BVwG der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften hinreichend belegt nachhaltig und wesentlich geändert hätten, also eine wesentliche Veränderung der subjektiven bzw. objektiven Bedrohungssituation des BF eingetreten ist bzw. eine diesbezüglich neue Sache vorgelegen wäre, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gelten würde. Von einer nachträglichen Änderung der Sache wäre aber der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden (vgl. etwa VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496).

Im konkreten Fall stützt sich der angefochtene Bescheid aber auf eine neue Beurteilung desselben Sachverhalts (versuchte Zwangsrekrutierung bzw. Verfolgung aufgrund der Weigerung des BF, mit einer bestimmten politischen Gruppierung zusammenzuarbeiten), ohne dass eine Änderung des Sachverhalts eingetreten wäre. Dieser Neubeurteilung steht jedoch die Rechtskraft der Entscheidung vom 18.02.2015 entgegen, sodass eine Aberkennung des Asylstatus fallbezogen nicht auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, sohin auf das Eintreten einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Endigungsgründe, gestützt werden kann.

II.3.3. Zum Vorliegen allfälliger weiterer Aberkennungsgründe:

Im konkreten Fall ist der BF straffällig geworden. So ist im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vom BVwG auch das Vorliegen allfälliger anderer (weiterer) Aberkennungstatbestandes zu prüfen, da die „Sache“ des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens sämtliche in § 7 AsylG 2005 vorgesehene Aberkennungsgründe umfasst (Ro 2019/01/0014 von 29.06.2020).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 leg. cit. vorliegt.

Nach § 6 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten auch dann ausgeschlossen, wenn aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3); oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet (Z 4).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fallen unter den Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522; ebenso in den Gesetzesmaterialien in RV 952 BlgNR XXII. GP, S. 36). Der Verwaltungsgerichtshof hat aber auch bereits festgehalten, dass es sich dabei um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten handelt (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109).

Für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein: Der Betroffene muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden sein, drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen viertens die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die Interessen des Betroffenen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. bereits VwGH 03.12.2002, 99/01/0449; VwGH 06.10.1999, 99/01/0288).

Bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, kommt es nicht auf die Strafdrohung allein an. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als „schwer“ einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522). Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (vgl. VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626).

Auch im Fall einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und insofern verhängter, beträchtlicher und überwiegender unbedingter Freiheitsstrafen können verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als „besonders schweres Verbrechen“ qualifiziert werden (vgl. zuletzt VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522).

Im Rahmen einer Gefährdungsprognose ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014).

Im konkreten Fall hat der BF die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 Z 1 SMG) und des Besitzes einer verbotenen Waffe (§ 50 Abs. 1 Z 2 WaffG) begangen und wurde deswegen zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Dem liegt der Sachverhalt zugrunde, dass der BF Suchtgift erworben, besessen und anderen zum Gebrauch überlassen hatte, wobei er die Straftaten teils ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging, sowie, dass er (fahrlässig) eine verbotene Waffe, nämlich einen Schlagring, besaß. Als mildernd wurde gewertet, dass der BF teilweise geständig war, seine Unbescholtenheit und die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes bzw. des Schlagringes. Er hat weiters das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG) begangen und wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Dem liegt der Sachverhalt zugrunde, dass der BF an mehreren Orten Suchtgift und Amphetamine erworben und zum persönlichen Gebrauch besessen sowie konsumiert hatte. Mildernd wurde das Geständnis, erschwerend die einschlägige Vorstrafe und die Tatwiederholung gewertet. Er wurde schließlich wegen des Vergehens der Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) zu einer zusätzlichen Geldstrafe von insg. 600 EUR verurteilt, weil er einen anderen durch Faustschläge vorsätzlich verletzt hatte (Schädelprellung, Zerrung der Halswirbelsäule, Missempfindlichkeiten der Haut im Schädelbereich, Erbrechen und Schwindel). Mildernd wurde das Geständnis, erschwerend eine einschlägige Vorstrafe gewertet.

Die Verurteilungen des BF betrafen sohin allesamt nur Vergehen und war der BF (teilweise) geständig; er wurde zu einer bedingten Freiheitsstrafe, bzw. zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, bzw. zu einer Geldstrafe verurteilt. Angesichts dieser Umstände und der zugrundeliegenden Taten kann in den Strafhandlungen des BF – auch in ihrer Zusammenschau – nicht erkannt werden, dass sich diese - für sich genommen oder insgesamt - als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen. Ein Aberkennungsgrund nach § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist somit ebenfalls – noch – nicht gegeben. Ebenso wenig kann aus stichhaltigen Gründen angenommen werden, dass der BF eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt. Eine Aberkennung aus Gründen der §§ § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 3 oder Z 4 AsylG 2005 kommt im Entscheidungszeitpunkt ebenfalls nicht in Betracht.

Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos zu beheben.

II.3.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Der Beschwerdeführer hat einen solchen Antrag gestellt. Die belangte Behörde hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erweist jedoch nicht für erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien und daher durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.

Da somit keine Fragen der Beweiswürdigung auftraten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall liegen die tragenden Elemente der Entscheidung in der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, die auf den umfassenden und aktuellen Feststellungen der Behörde über die Lage im Vertragsstaat beruht, sowie in der Bewertung der Intensität des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.


Schlagworte

Asylaberkennung Asylausschließungsgrund asylrechtlich relevante Verfolgung Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Körperverletzung Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung behoben strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt unterstellte politische Gesinnung Vergehen wesentliche Änderung Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W231.1433090.3.00

Im RIS seit

12.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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