TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/24 W153 2237539-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.2021
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Entscheidungsdatum

24.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W153 2237539-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kamerun, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2020, Zl. 1266525701-200632573, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF) stellte am 22.07.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am selben Tag statt, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) fand am 03.11.2020 statt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.). Es wurde der BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Kamerun zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA aus, dass die BF in Kamerun weder von privater noch von staatlicher Seite verfolgt worden sei. Eine Gruppenverfolgung der anglophonen Minderheit in Kamerun liege nicht vor. Eine Verfolgung der BF durch das Militär habe nicht festgestellt werden können.

Die BF erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde. Sie halte ihre Angaben zu den Fluchtgründen aufrecht. Die Angaben und Befürchtungen der BF würden auch mit den Länderinformationen übereinstimmen.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Zur Person der BF:

Die BF ist Staatsangehörige Kameruns, Christin und gehört der Volksgruppe der XXXX an. Ihre Muttersprache ist Englisch. Sie ist ledig und hat eine minderjährige Tochter. Sie gab an, die beiden minderjährigen Kinder ihrer verstorbenen Schwester adoptiert zu haben.

Die BF wurde in der Stadt XXXX , im Nordwesten Kameruns, geboren. Sie wuchs dort gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern (zwei Brüder und zwei Schwestern) auf. Die BF gab an, dass eine Schwester bereits verstorben sei.

Die Mutter, die Tochter, die Geschwister und Kinder der Schwester der BF sind weiterhin im Heimatdorf der BF, im Eigentumshaus der Mutter, wohnhaft. Die Mutter der BF besitzt landwirtschaftliche genutzte Grundstücke im Heimatdorf der BF und lebt von den Einnahmen der Bewirtschaftung dieser Grundstücke. Die BF hat regelmäßigen Kontakt zu ihrer Mutter.

Die BF besuchte 14 Jahre die Grundschule und eine weiterführende Schule in Kamerun. Sie lebte vor ihrer Ausreise alleine in einer Mietwohnung in der Stadt XXXX und war dort als Verkäuferin in ihrem eigenen Kiosk erwerbstätig.

Die BF reiste im Februar 2020 nach Nigeria und von dort mittels eines gekauften nigerianischen Passes per Flugzeug nach Deutschland. Nach viermonatigem Aufenthalt in Deutschland stellte die BF am 22.07.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Die BF ist gesund und arbeitsfähig.

Zu den Fluchtgründen der BF:

Die BF konnte ihr Fluchtvorbringen, durch das kamerunische Militär verfolgt zu werden, nicht glaubhaft machen. Insbesondere gibt es aktuell keine glaubwürdigen Hinweise, dass die BF mit hoher Wahrscheinlichkeit einer diesbezüglichen Verfolgung ausgesetzt ist.

Die BF hat Kamerun weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Entgegen ihrem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass sie in Kamerun aufgrund der Zugehörigkeit zur anglophonen Minderheit eine individuelle Verfolgung zu befürchten hätte.

Es kann darüber hinaus nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle ihrer Rückkehr nach Kamerun eine Verfolgung aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus ihrer politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Zum (Privat)Leben der BF in Österreich:

Die BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich seither durchgehend in Österreich auf. Sie ist nach ihrem Antrag auf internationalen Schutz vom 22.07.2020 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Die BF hat keine Deutschkurse in Österreich besucht. Sie lebt von der Grundversorgung, ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Sie verfügt über keine verbindliche Arbeitszusage.

Die BF verfügt in Österreich über keine relevanten schützenswerten familiären oder privaten Bindungen. Sie verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen, wie Ehemann oder Kinder, in Österreich.

Die BF ist weder ehrenamtlich tätig noch hat sie gemeinnützige Tätigkeiten geleistet. Sie ist weder Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.

Die BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Zu einer möglichen Rückkehr der BF in den Herkunftsstaat:

Die BF muss im Falle ihrer Rückkehr mit keinem gänzlichen Entzug ihrer Lebensgrundlage rechnen und würde nicht in eine existenzbedrohende oder medizinische Notlage geraten.

Sie ist jung, gesund und im arbeitsfähigen Alter. Die BF verfügt über eine Schulausbildung und war in Kamerun als Verkäuferin in einem Kiosk selbsterhaltungsfähig. Es liegen daher keine Anhaltspunkte vor, dass die BF in ihrem Heimatland nicht in der Lage wäre, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten, notfalls auch über Gelegenheitsjobs oder wenig attraktive Hilfstätigkeiten.

Zudem wohnen in Kamerun noch Familienangehörige und Freunde (Mutter, Geschwister, leibliche Tochter, Kinder der verstorbenen Schwester) der BF, deren Unterstützung sie sich erforderlichenfalls bedienen könnte. Der Mutter der BF gehört im Heimatdorf der BF ein Eigentumshaus und eine Landwirtschaft. Derzeit versorgt die Mutter der BF die Familie mit den Einkünften aus der Bewirtschaftung der familieneigenen Grundstücke.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Kamerun für die BF eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Staatliche Repressionen im Falle der Rückkehr nach Kamerun allein wegen der Beantragung von Asyl können nicht festgestellt werden.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie kein Rückkehrhindernis darstellt. Die BF fällt nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren und der Personen mit Vorerkrankungen. Ein bei einer Überstellung der BF nach Kamerun vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK ist hierzu nicht erkennbar.

Zur Lage im Herkunftsstaat

Zur Situation in Kamerun werden auszugsweise die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen aus dem BFA-Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.05.2019 (letzte Aktualisierung vom 22.07.2020) zitiert:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 22.7.2020: Update zur Sicherheitslage (Relevant für Abschnitt 3/ Sicherheitslage).

Mit der Verschärfung der Angriffe von Boko Haram im Norden, einem gewalttätigen Konflikt im englischsprachigen Westen und der zentralafrikanischen Flüchtlingskrise sieht sich Kamerun mit drei verschiedenen Notlagen konfrontiert. Im zweiten Jahr in Folge steht das Land an erster Stelle auf der Liste der am meisten vernachlässigten Krisenherde weltweit (MO 3.7.2020; vgl. DS 19.6.2020).

Die ursprünglich aus Nigeria stammende islamische Boko Haram hat die Covid-19-Pandemie zum Anlass genommen, ihre Aktivitäten im Vierländereck zwischen Nigeria, dem Niger, dem Tschad und Kamerun zu verstärken (DS 19.6.2020). Sie hat Kamerun öffentlich mit Angriffen und weiteren Entführungen gedroht, da Kamerun in den regionalen Kampf gegen Boko Haram verwickelt ist (HRW 4.6.2020). Die Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge ist insbesondere in der Region des hohen Nordens gegeben. Als gefährdet gelten Restaurants, Bars, Märkte, Hotels, Einkaufszentren und Gotteshäuser. Die Terrorgruppen Boko Haram und der Islamische Staat Westafrika (ISWA) sind in dieser Region aktiv. Auch in der Region Adamawa (Kamerun) gab es in der Vergangenheit Geiselnahmen und schwere Schießereien. In Nordkamerun besteht zudem ein erhöhtes Entführungsrisiko (HRW 4.6.2020).

Am 30.5.2020 kam es bei einem Angriff auf Entwicklungshelfer durch bewaffnete Separatisten in der Nord-West Region des Landes auch zu Entführungen. Am selben Tag entführten Separatisten auch sieben Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes der Kameruner Baptistenkonvention, einer auf Glauben basierenden gemeinnützigen Organisation im Nordwesten. Sie wurden zwei Tage später wieder freigelassen (HRW 4.6.2020). Die Angriffe gegen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen unterbrechen die Bereitstellung lebensrettender Hilfe und Dienstleistungen für Menschen in Not (BBC 10.5.2020).

Die anglophonen Regionen Kameruns sind mit einer ernsten humanitären Krise konfrontiert. Über 650.000 Menschen sind IDPs und 1,8 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter 1,4 Millionen Menschen, die keinen zuverlässigen Zugang zu Nahrungsmitteln haben (HRW 4.6.2020).

Am 2.6.2020 explodierte ein improvisierter Sprengsatz im Damas-Viertel von Yaoundé. Es kam zu Fahrzeugkontrollen und Hausdurchsuchungen. In diesem Gebiet kommt es zu einer verstärkten Polizei- und Militärpräsenz. Am 20.6.2020, wurden erneut zwei improvisierte Sprengsätze in den Vierteln Melen und Emana in Yaoundé gezündet. Die Polizei- und Sicherheitsbehörden verstärkten ihre Präsenz in diesen Vierteln, einschließlich der Durchführung von Fahrzeugkontrollen (FCO 15.7.2020). Da es auch am 7.3.2020 zu einem Angriff auf eine Ortschaft namens Galim (Westliche Region Kameruns) kam, empfiehlt das französische Außenministerium, das Grenzgebiet zwischen den nordwestlichen/südwestlichen Provinzen aber auch die Provinzen Nordwest (rot auf der Sicherheitskarte) und die Südwest, sowie den Rest des Landes zu meiden (FD 17.7.2020).

Angesichts der Corona-Krise rief UN-Generalsekretär António Guterres Anfang April 2020 zu einem weltweiten Waffenstillstand auf. Für einigen Wochen hat sich die Zahl der Attacken in den zwei anglophonen Regionen des Landes deutlich verringert. Dort kämpfen seit 2016 verschiedene separatistische Bewegungen gegen Regierungstruppen für einen eigenen Staat. Dies liegt wahrscheinlich nur zum Teil daran, dass das öffentliche Leben durch Covid-19 auch in diesen Regionen größtenteils zum Erliegen gekommen ist. Bereits seit einigen Monaten häufen sich die Hinweise, dass die separatistischen Gruppen nach fast vier Jahren bewaffneten Kämpfen militärisch stark geschwächt sind und die Separatisten zunehmend in verschiedene Gruppierungen zerfallen (Vorwärts.de 7.5.2020). Trotz der einseitigen Forderung am 29.3.2020 der separatistischen Gruppen, der Southern Cameroons Defence Forces (SCDF), nach einem Waffenstillstand aufgrund von Covid-19, haben die Kämpfe in den anglophonen Regionen nicht nachgelassen (HRW 4.6.2020; vgl. Vorwärts.de 7.5.2020; BBC 10.5.2020). Allerdings hat die kamerunische Regierung nicht zum Waffenstillstand aufgerufen (BBC 10.5.2020; vgl. Vorwärts.de 7.5.2020). Etwa 300 Regierungstruppen führten Ende Juni 2020 eine sechstägige Operation gegen die Separatisten durch. Das Militär gab an, 15 Kämpfer getötet und zwei ihrer Militärlager im Nordwesten zerstört zu haben (BBC 10.5.2020).

Denn statt in einen Dialog mit den Separatisten zu treten, will Präsident Biya das Problem mit militärischen Mitteln lösen. Erst im Feber 2020 tötete die Armee im Dorf Ngarbuh 23 Zivilisten, darunter 15 Kinder und zwei schwangere Frauen. Das Massaker löste einen derartigen internationalen Aufschrei aus, dass sich Yaoundé gezwungen sah, eine Untersuchung einzuleiten. Sie machte tatsächlich drei Soldaten für die Ermordung der Frauen und Kinder verantwortlich: Sie müssen jetzt mit einer Mordanklage rechnen. Der Bürgerkrieg geht unterdessen weiter: Seit April 2020 nehmen die Kämpfe wieder zu, sämtliche humanitären Flüge in die Unruheprovinzen wurden gestoppt (DS 19.6.2020). Zuletzt hat sich ein Regierungsvertreter mit mehreren anglophonen Separatistenführern getroffen, um nach einer friedlichen Lösung für den Konflikt zu suchen (BBC 4.7.2020).

Im Jahr 2019 kam es an mehreren Orten in den Regionen Nordwest und Südwest zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen den kamerunischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen. Einschränkungen wie nächtliche Ausgangssperren und ein Verbot öffentlicher Versammlungen, die bereits im Jahr 2017 verhängt wurden, bleiben bestehen. Es besteht weiterhin ein hohes Risiko von Gewaltverbrechen, insbesondere nachts (HRW 4.6.2020).

Zudem gibt es Berichte über Kriminalität, darunter durch größere bewaffnete Banden und Straßenräuber, die Reisende anhalten, Geiseln nehmen und Zahlungen fordern, insbesondere im Osten Kameruns nahe der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Häufig kommt es zu Gewalttätigkeiten in der Zentralafrikanischen Republik, die über die Grenze nach Kamerun ausstrahlen. Auch nigerianische Militäroperationen in den nigerianischen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa können sich über die Grenze hinweg in Kamerun auswirken (HRW 4.6.2020).

Kameruns Militär gibt an, die Sicherheit auf der wichtigen Handelsstraße zwischen Westkamerun und Nigeria wiederhergestellt zu haben. Das Militär habe im Juni 2020 mindestens 13 Separatisten getötet, welche die Straße zwischen Bamenda und Enugu, die täglich von mehreren hundert Lastwagen aus beiden Ländern befahren wird, zwei Monate lang blockiert und illegale Mautgebühren gefordert hatten. Die Rebellen machen dafür hingegen andere bewaffnete Gruppen verantwortlich (VOA 18.6.2020).

KI vom 11.2.2020: Parlaments- und Kommunalwahlen in angespannter Atmosphäre (Relevant für Abschnitt 2/ Politische Lage; Abschnitt 3/ Sicherheitslage; Abschnitt 5/ Sicherheitsbehörden; Abschnitt 6/ Folter und unmenschliche Behandlung; Abschnitt 8/ Nichtregierungsorganisationen (NGOs); Abschnitt 11/ Allgemeine Menschenrechtslage; Abschnitt 13/ Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit; Abschnitt 13.1/ Opposition; Abschnitt 20/ Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge; Abschnitt 21/ Grundversorgung/Wirtschaft).

Im Kamerun fanden unter hohen Sicherheitsvorkehrungen am Sonntag, den 9.2.2020 Parlaments- und Kommunalwahlen statt (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020; JA 9.2.2020). Das Land wird von gewaltsamen Konflikten geplagt - im englischsprachigen Westen von Separatisten und im Norden durch Dschihadisten (JA 9.2.2020). In den vergangenen Monaten verüben die islamistische Terrorgruppe Boko Haram immer wieder Anschläge in Kamerun (JA 9.2.2020; vgl. DW 9.2.2020; RW 30.1.2020).

Die große landesweit aktive Oppositionspartei Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) sowie die Separatisten in den beiden englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest hatten zu einem Wahlboykott aufgerufen (BAMF 10.2.2020; vgl. DW 9.2.2020). Die militante Separatistengruppe Ambazonia Defence Force (ADF) befahl der Bevölkerung eine Ausgangssperre für den Zeitraum 7. bis 12.2.2020 und drohte zudem jeden als Feind anzusehen und so zu behandeln, der ihre Anordnung nicht befolge (BAMF 10.2.2020; vgl. TNH 6.2.2020). Die Wahlbeteiligung blieb niedrig (JA 9.2.2020).

Die anhaltende Gewalt behinderte die Wahlen. In der Stadt Kumba und anderen Teilen des Landes mussten die Menschen wegen Unruhen und Schusswechseln zu Hause bleiben. An anderen Orten war der Wahlgang demnach nur durch eine starke Militärpräsenz möglich (DW 9.2.2020).

Aufgrund der Unruhen war die zunächst für 2018 angesetzte Abstimmung zwei Mal verschoben worden (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020). Im November 2019 setzte Präsident Paul Biya ein Datum für die Wahlen fest, was zu beispielloser Gewalt, Zerstörung und Menschenrechtsverletzungen in den beiden westlichen Regionen führte - die von den Separatisten gemeinsam als Südkamerun oder Republik Ambazonien bezeichnet werden. Die Separatisten haben die sonntäglichen Wahlen für illegal erklärt und ihre Operationen intensiviert (THN 6.2.2020). Berichten zufolge haben Separatisten im Dezember 2019 40 Kandidaten der Partei Social Democratic Front (SDF) entführt, da diese eine Abspaltung der anglophonen Regionen von Kamerun ablehnt (BAMF 10.2.2020; vgl. THN 6.2.2020) und ließen die Entführten erst nach den Wahlen wieder laufen. Dies hatte zur Folge, dass etliche Kandidaten der SDF ihre Kandidaturen zurückzogen (BAMF 10.2.2020). Im Jänner 2020 steckten Separatisten ein Wahlbüro der Regierungspartei in Brand. Humanitäre Organisationen wurden aufgefordert, ihre Aktivitäten auszusetzen (TNH 6.2.2020), bzw. wurden sie beschuldigt, für die Regierung zu arbeiten (AI 6.2.2020). Aber auch die Sicherheitskräfte der Regierung, haben unrechtmäßig Zivilisten getötet, Häuser niedergebrannt und willkürlich Menschen verhaftet und gefoltert, die im Verdacht stehen, Verbindungen zu den verschiedenen separatistischen Gruppen zu haben (AI 6.2.2020;vgl. TNH 6.2.2020). Kämpfe, aber auch die von beiden Seiten begangenen Missbräuche und Verbrechen haben nach Angaben von NGOs seit 2017 mehr als 3.000 Todesopfer gefordert und mehr als 700.000 Menschen zur Flucht gezwungen (JA 9.2.2020). Die Gewalt führt zu einem Anstieg der Zahl an Vertriebenen (AI 6.2.2020; vgl. RW 30.1.2020). Es kommt zu schweren Menschenrechtsverletzungen (AI 6.2.2020). Mit der Präsenz islamistischer Gruppen in der Region, kommt es zur Plünderung von Ernten und zu Viehraub, was sich negativ auf die Lebensgrundlage der Bevölkerung auswirkt. Die humanitäre Hilfe wird aufgrund der Gewalt unterbrochen und einige Menschen sind akuter Ernährungsunsicherheit ausgesetzt (RW 30.1.2020).

Der seit 37 Jahren autoritär regierende Präsident Paul Biya will mit der Abstimmung die Dominanz der Einheitspartei Rassemblement Democratique du Peuple Camerounais/Cameroon People Democratic Movement (RDPC/CPDM) festigen (DW 9.2.2020). Das Staatsoberhaupt ist fast sicher, die Wahl wieder zu gewinnen – da die Regierungspartei bereits über eine überwältigende Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt: 148 von 180 Sitzen und sie mit ihrem Vorsprung bei den Wahlen noch weiter ausbauen wird (BAMF 10.2.2020; vgl. JA 9.2.2020). Die Oppositionspartei die Sozialdemokratische Front (SDF), hat derzeit 18 Abgeordnete. Aber die SDF, die eher im englischsprachigen Raum etabliert ist, steht unter dem Druck der Unabhängigkeitsbewegungen, die ihr vorwerfen, eine föderalistische Lösung zu bevorzugen, die Paul Biya ablehnt, und an den Wahlen teilzunehmen (JA 9.2.2010).

Politische Lage

Kamerun ist eine Präsidialrepublik. Zwar kann die Staatsform als semipräsidentiell bezeichnet werden, d.h. es gibt neben dem Präsidenten als zweite Exekutivgewalt den Regierungschef (Premierminister), dessen Regierung dem Parlament verantwortlich ist, aber die Verfassung sichert dem Staatspräsidenten – seit 1982 ist dies Paul Biya – eine überragende Stellung (GIZ 4.2019a; vgl. USDOS 13.3.2019). Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild. Der in der Verfassung vorgesehene Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel) wurde im Januar 2018 eingerichtet. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer effizient austarierten Balance verharren. Dezentralisierungsbemühungen wurden von der Regierung Kameruns bislang nur halbherzig durchgeführt (AA 15.1.2019).

Das Land wird seit 1966 von der Partei „Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais“ (RDPC, bis 1985 „Union Nationale Camerounaise“) regiert. Staatspräsident Paul Biya regiert seit 1982. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht ganz regulär (AA 15.1.2019).

Biya wurde bei den Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 erneut für weitere sieben Jahre in seinem Amt bestätigt (AA 15.1.2019; AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a). Dabei war die Wahlbeteiligung insgesamt gering (ca. 54 %), die Bevölkerung der anglophonen Provinzen machte von ihrem Wahlrecht kaum Gebrauch (5 bzw. 17 %). Das Ergebnis, 71 % für Paul Biya, überraschte nicht wirklich. Einige Gegenkandidaten legten wegen Wahlmanipulation Beschwerde ein (GIZ 4.2019a). Die Anhänger des, laut offiziellem Ergebnis mit 14 % der Stimmen, zweitplatzierten Präsidentschaftskandidaten und Vorsitzenden des Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a), Maurice Kamto, protestieren seit der Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses im In- und Ausland. Es kam zu Verhaftungen (BAMF 4.2.2019). Eine durch seine politischen Verbündeten eingereichte Berufung mit dem Antrag auf Freilassung, wurde am 9.4.2019 in Yaoudé abgelehnt. Zudem wurden 17 Aktivisten vor dem Gerichtsgebäude verhaftet (JA 9.4.2019).

Zum Premierminister und Regierungschef wurde, im Rahmen einer Kabinettsumbildung nach den Präsidentschaftswahlen vom Oktober 2018 am 7.1.2019, Joseph Dion Ngute ernannt (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 3.2019a).

Die jetzt gültige Verfassung ist die 3. seit dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Diese 3. Verfassung wurde unter Biya inzwischen dreimalig einer Revision unterzogen: 1984, in der Phase der Machtkonsolidierung Biyas, wurde der Staat in "Republik Kamerun" umbenannt und die Provinzgrenzen neu gezogen. 1996 wurden die Weichen für eine moderate Dezentralisierung gestellt. So wurde die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer (Senat) beschlossen und die Amtszeit des Staatspräsidenten auf sieben Jahre, mit einmaliger Möglichkeit der Wiederwahl, festgesetzt. 2008 kam es zur vorläufig letzten Verfassungsänderung: die RDPC /CPDM nutzte ihre breite Parlamentsmehrheit und beschloss sowohl eine unbeschränkte Amtszeit des Präsidenten, als auch dessen Immunität über die Zeit der Präsidentschaft hinaus (GIZ 4.2019a).

Parlaments- und Kommunalwahlen werden zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen abgehalten und wurden von der Regierungspartei RDPC gewonnen. Nach wiederholter Wahlterminverlegung (die Opposition hatte immer wieder Reformen des Wahlverfahrens angemahnt) fanden am 30.9.2013 die bislang letzten Parlaments- und Kommunalwahlen statt - mit wenig überraschendem Ergebnis: Die RDPC/CPDM behauptete sich mit Abstand (GIZ 4.2019a). Ihr gehören 148 (zuvor 152) der 180 Abgeordneten an. Als größte Oppositionspartei stellt die SDF (Mitglied der Sozialistischen Internationale) 18 Abgeordnete, während 5 kleinere Parteien insgesamt 14 Sitze erhielten. Die Kommunalwahlen entschied die RDPC ebenfalls klar für sich: Sie kann in 305 Kommunen allein regieren, die Oppositionsparteien lediglich in 24. Sowohl die Parlaments- als auch die Kommunalwahlen, die beide turnusgemäß im Jahr 2018 hätten stattfinden sollten, wurden auf Herbst 2019 verschoben (AA 15.1.2019).

Die Verfassungsänderung von 1996 sah die Schaffung einer zweiten parlamentarischen Kammer, des Senats, vor. Die indirekten Wahlen zum Senat fanden erstmals im April 2013 statt (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a). Am 25.3.2018 wurden wieder Senatswahlen durchgeführt, die von der Regierungspartei RDPC mit überwältigender Mehrheit gewonnen wurde (AA 15.1.2019). Der Verfassungsrat wurde am 7.2.2018 offiziell eingerichtet. Nach den Wahlen und der Ernennung der übrigen 30 Senatoren durch den Staatspräsidenten, stellt die Regierungspartei 87 Senatoren, während 7 der oppositionellen SDF und 6 Senatoren kleinen Parteien angehören (AA 21.3.2019a; vgl. AA 15.1.2019).

Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen: Die meisten Oppositionsparteien, so auch die SDF, kranken an ähnlich überkommenen Strukturen wie die Regierungspartei RDPC. Parteigründer sind oftmals gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei in autokratischem Stil. Zudem stützen sich die meisten Oppositionsparteien auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). So auch die SDF: 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang sie in der anglophonen Region Nordwest, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (77 Jahre) stammt (AA 15.1.2019).

Sicherheitslage

Es gibt keine Bürgerkriegsgebiete. Allerdings gibt es seit Ende 2017 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppen in den beiden anglophonen Regionen North West und South West (AA 15.1.2019). Die Konflikte zwischen Staatssicherheitskräften und Separatisten haben sich 2018 in den anglophonen Regionen verschärft (FH 4.2.2019). Für den Großteil des Staatsgebiets Kameruns wird seitens des französischen Außenministeriums bzgl. Reisen nicht abgeraten, allerdings wird zu verstärkter Wachsamkeit aufgerufen (FD 6.5.2019). Die Sicherheitslage bleibt in der gesamten Sahelzone kritisch (EDA 6.5.2019). Abgeraten wird von Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria, dem Tschad und der zentralafrikanischen Republik; in die Provinz Extrême-Nord und den nördlichen Teil der Provinz Nord (FD 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; AA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Reisen in die Provinzen Nord und Adamaoua sollten nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind; hier ist das Terrorismusrisiko geringer als in der Provinz Extrême-Nord (FD 6.5.2019; vgl. AA 6.5.2019).

Vor Reisen in die englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest wird aufgrund der angespannten Sicherheitslage gewarnt (AA 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Immer wieder kommt es zu politisch bedingten Unruhen, vor allem in Bamenda (EDA 6.5.2019). Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen mit Toten und Verletzten dauern in beiden Regionen an (AA 6.5.2019; vgl. EDA 6.5.2019). Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften sowie bewaffnete Überfälle auf Sicherheitskräfte haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 6.5.2019).

Die prekäre Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik wirkt sich auch auf das Grenzgebiet zu Kamerun aus. Es besteht ein hohes Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie die Gefahr von Entführungen zwecks Lösegelderpressung. Von Reisen in das Grenzgebiet zur Zentralafrikanischen Republik wird abgeraten (EDA 6.5.2019).

Zudem muss aufgrund der allgemein sehr schwierigen Lebensbedingungen der Bevölkerung mit Straßenprotesten gerechnet werden. Ausschreitungen und gewalttätige Zusammenstöße kommen vor. Zum Beispiel sind Ende Januar 2019 bei politischen Protesten in Douala mehrere Personen durch Schüsse verletzt worden (EDA 6.5.2019).

Obwohl die internationale Krisenwahrnehmung sich momentan eher auf die anglophone Region Kameruns fokussiert wird der Krieg im Norden weiter geführt. Trotz inzwischen veränderter Strategien der Kriegsbeteiligten führten und führen die Aktivitäten von Boko Haram zu einer zunehmenden Destabilisierung der Nordregionen Kameruns (GIZ 4.2019a). Die Kämpfer der terroristischen Gruppierung Boko Haram, sind weiterhin im Grenzgebiet zu Nigeria aktiv. Im ganzen Land besteht das Risiko von Anschlägen (EDA 6.5.2019). Übergriffe auf nordkamerunische Dörfer mit Toten und Entführten sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Die kamerunischen Streitkräfte im Norden wurden verstärkt und es kommt immer wieder zu größeren Gefechten (GIZ 4.2019a).

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Rechtssystem Kameruns ist uneinheitlich. Neben der traditionellen Rechtsprechung, die für jede Volksgruppe spezifisch ist, existiert das moderne Recht, das bis vor kurzem, sowohl von der britischen (common law) als auch von der französischen Rechtskultur (Code Napoléon) bestimmt worden war, bis das Parlament 2006 eine Harmonisierung des Strafgesetzbuchs verabschiedete. Moderne Gerichte gibt es auf Arrondissements-Ebene (tribunal de première instance) und Départements-Ebene (tribunal de grande instance), Berufungsgerichte auf Provinzebene (cour d´appel) (GIZ 4.2019a). Militärgerichte können auch die Zuständigkeit für Zivilpersonen wegen Straftaten ausüben (USDOS 13.3.2019).

Die Verfassung und das Gesetz sehen eine unabhängige Justiz vor. Die Justiz wird jedoch oft vom Präsidenten, seinem Stellvertreter und/oder von der regierenden Partei kontrolliert (USDOS 13.3.2019). Die Justiz ist dem Justizministerium unterstellt, und politischer Einfluss und Korruption schwächen die Gerichte (FH 4.2.2019). Die Verfassung und das Gesetz sehen das Recht auf eine faire und öffentliche Verhandlung vor. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aber die Behörden respektieren dies nicht immer. Angeklagte haben das Recht einen Anwalt ihrer Wahl zu konsultieren, aber dieses Recht wird in den meisten Fällen nicht respektiert; insbesondere in Fällen von Komplizenschaft mit Boko Haram oder anglophonen Separatisten (USDOS 13.3.2019).

Die Einmischung der Exekutive kann das Gerichtsverfahren beeinflussen: Staatsanwälte wurden unter Druck gesetzt, die Verfolgung von Korruptionsfällen gegen einige hochkarätige Beamte einzustellen, während Kritiker behaupten, dass mit Korruptionsvorwürfen Beamte bestraft wurden, die beim Regime in Ungnade gefallen sind (FH 4.2.2019). Probleme bereiten der absolute Mangel an Gerichten, die Bestechlichkeit von Richtern (AA 15.1.2019; vgl. GIZ 3.2019a; USDOS 13.3.2019), die Konzentration der Rechtsanwaltsbüros auf Douala und Yaoundé, die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte von der Exekutive und die Blockierung der Gerichte in Douala und Yaoundé aufgrund von Richtermangel (GIZ 4.2019a). Sippenhaft ist nicht vorgesehen. Der Justizapparat ist in Kamerun schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft; dies gilt auch bei Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen (AA 15.1.2019).

Trotz der partiellen Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive und der Legislative ist der Präsident zur Ernennung zahlreicher Posten in der Justiz berechtigt - einschließlich des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, und er kann dort Personal nach Belieben entlassen. Das Gerichtssystem ist dem Justizministerium unterstellt, das wiederum dem Präsidenten untersteht. Die Verfassung bestimmt den Präsidenten als "Ersten Richter", also als "Oberster Richter" der Justiz, und macht ihn zum gesetzlichen Schiedsrichter für alle Sanktionen gegen die Justiz. Die Verfassung legt weiters fest, dass der Präsident für die Unabhängigkeit der Rechtsordnung garantiert. Er ernennt alle Richter auf Anraten des Obersten Justizrats (USDOS 13.3.2019).

Die gravierenden Schwächen des Rechtssystems betreffen alle Bürger gleichermaßen und sind vor allem in Korruption, mangelhafter Aus- und Fortbildung sowie Überlastung begründet. Das Justizsystem ist überlastet; manche Richter und Staatsanwälte sind unterqualifiziert und/oder bestechlich. Rechtsstaatliche Verfahren sind nicht durchgängig gewährleistet. Allerdings hat sich der Justizminister in den vergangenen Jahren mit Informationskampagnen und Fortbildungsseminaren um die Weiterbildung der Richter bemüht. In der Praxis wird das neue Strafprozessrecht jedoch von den Behörden zumeist nur angewendet, wenn die Betroffenen dies einfordern. Dies setzt einen gewissen Kenntnisstand der Gesetzeslage voraus, den jedoch nur eine Minderheit der Bevölkerung aufweist (AA 15.1.2019).

Die vor allem in den ländlichen Gegenden praktizierte Justiz traditioneller Autoritäten ist weder verfassungsrechtlich legitimiert, noch unterliegen die daraus folgenden Entscheidungen und Handlungen einer staatlichen Kontrolle. Dieses traditionelle Rechtssystem benachteiligt vor allem Frauen und Kinder. Häufig gibt es Machtmissbrauch der traditionellen Autoritäten (Clanchefs usw.). Im Norden des Landes unterhalten einige „Könige“ („Lamido“) Privatgefängnisse, in denen mutmaßliche Kriminelle bis zum Abtransport in staatliche Gefängnisse in Haft genommen und dabei mitunter misshandelt werden. Diese „Könige“ sind zudem traditionelle Gerichtsherren, die auch eine körperliche Bestrafung anordnen können (AA 15.1.2019).

Sicherheitsbehörden

Die Gendarmerie Nationale hat militärischen Charakter und ist Teil der Streitkräfte. Sie interveniert im nichtstädtischen Bereich. Dagegen untersteht die Police Nationale dem Innenministerium (GIZ 4.2019a). Verhaftungen werden von der Gendarmerie und den verschiedenen Untergliederungen der Polizei ausgeführt: allgemeine Polizei (Sécurité publique), Inlandsgeheimdienste (Renseignements Généraux, Surveillance du Territoire), Kriminalpolizei (Police Judiciaire), Grenzpolizei (Police des Frontières) sowie von der Spezialeinheit GSO (Groupement Spécial d'Opérations) (AA 15.1.2019). Letztere ist eine Eliteeinheit der Polizei. Es gibt auch Spezialeinheiten zur Bekämpfung von Straßenräubern, wie die im März 1998 gegründete Brigade Anti-Gang (auch: Groupement Mobile d’Intervention GMI, unités antigangs), das 2000 gegründete Commandement Opérationnel (CO, auch: special oder operational command) oder die seit 2006 im Einsatz befindliche Brigade d'Intervention Rapide (BIR) (GIZ 3.2019a). Auch die Militärpolizei darf Verhaftungen durchführen, wenn sie im Rahmen von Unruhen eingesetzt wird. Der Auslandsgeheimdienst DGRE, der auch im Inland eingesetzt wird, nimmt in Einzelfällen ebenfalls Verhaftungen vor (AA 15.1.2019).

Probleme der Polizeikräfte sind zunehmende Gewalt und Banditentum auf der einen, Korruption, willkürliche Verhaftungen und Folter auf der anderen Seite (GIZ 4.2019a). Die Sicherheitskräfte sind zum Teil schlecht ausgebildet, bezahlt und ausgerüstet (AA 15.1.2019). Zudem haben zivile Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte, einschließlich der Polizei und der Gendarmerie (USDOS 13.3.2019).

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz vom 10.1.1997 hat den Straftatbestand Folter mit Todes- oder Gesundheitsfolgen in das Strafgesetzbuch eingeführt (Art. 132 ff). Unmenschliche und erniedrigende Strafen sind weder im Strafgesetzbuch vorgesehen, noch werden sie verhängt bzw. vollstreckt (AA 15.1.2019).

In der Praxis kommen Misshandlungen (AA 15.1.2019) und Folter (USDOS 13.3.2019) vor. Dabei handelt es sich meist um Schikanen durch Gefängniswärter, Polizisten oder Angehörige der Geheimdienste und der Gendarmerie (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In schwer verifizierbaren Einzelfällen soll es zu Misshandlungen zwecks Erpressung von Geständnissen gekommen sein. Über ein derartiges systematisches Vorgehen der Sicherheitsbehörden oder des Gefängnispersonals liegen keine Erkenntnisse vor (AA 15.1.2019). Nach anderen Angaben sind die katastrophalen Zustände in den Gefängnissen berüchtigt, Folter und Misshandlung durch die Sicherheitskräfte sind üblich. In einem Bericht der kamerunischen Menschenrechtsorganisation ACAT (Action des Chrétiens pour l'abolition de la Torture) wird Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam als "Routine" bezeichnet (GIZ 4.2019a).

Es kommt zu willkürlicher und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Übergriffe der Sicherheitskräfte werden in der Regel nicht angemessen verfolgt. Systematische Gewaltanwendung gegen bestimmte Gruppen ist allerdings nicht feststellbar (AA 9.12.2016). Auch wenn die Regierung einige Schritte ergriffen hat, um Täter zu verfolgen und zu bestrafen, so agieren diese auch weiterhin meist ungestraft (USDOS 13.3.2019).

Die soziopolitische Krise, die Ende 2016 in den Regionen Nordwest und Südwest begann, entwickelte sich zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Regierungstruppen und separatistischen Gruppen. Der Konflikt führte zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen durch Regierungstruppen und anglophone Separatisten (USDOS 13.3.2019). Sicherheitskräfte der Regierung haben außergerichtliche Hinrichtungen begangen, Eigentum verbrannt, willkürliche Festnahmen durchgeführt und Gefangene gefoltert. Eine Reihe von Misshandlungen auf beiden Seiten in den anglophonen Regionen, darunter Brandanschläge auf Häuser und Schulen, sind dokumentiert. Nach Angaben der International Crisis Group haben Regierungstruppen und bewaffnete Separatisten seit der Eskalation 2017 über 420 Zivilisten in den Regionen getötet. Ein im Juli 2018 in der Region Far North entstandenes Video zeigt, wie Männer in Uniform zwei Frauen und zwei Kinder hinrichten. Erst nach einer von Amnesty International durchgeführten Untersuchung, teilte die Regierung mit, dass die Soldaten verhaftet wurden (HRW 17.1.2019).

Auch im Rahmen des Kampfes gegen Boko Haram werden den kamerunischen Sicherheitskräften massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (AA 15.1.2019; vgl. FH 4.2.2019). Der sichtbare Mangel an Rechenschaftspflicht scheint jedoch zu Missbrauch wie Brandstiftung und Folter beigetragen zu haben, anstatt diese zu beenden (HRW 17.1.2019).

Korruption

Seit Ende der 90er-Jahre erscheint Kamerun immer wieder an prominenter Stelle in Berichten von Transparency International (GIZ 4.2019a). 1998 und 1999 galt Kamerun als korruptestes Land der Welt. In den letzten Jahren wurde Kamerun durch andere Länder von dieser Stelle verdrängt (GIZ 3.2019a). 2018 lag Kamerun am Korruptionswahrnehmungsindex auf Platz 152 von 180 (TI 2019; vgl. AA 21.3.2019b).

Korruption ist allgegenwärtig, z.B. bei Polizei, Justiz, in der Verwaltung, an Schulen und Universitäten, in der Privatwirtschaft (GIZ 4.2019a; vgl. USDOS 13.3.2019). Es herrscht systematische Korruption. Bestechung ist in allen Sektoren und Ebenen gängig. Der Justiz steht es nicht immer frei, Korruptionsfälle unabhängig zu untersuchen und zu verfolgen (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Zwar gibt es Gesetze gegen Korruption, diese werden aber weder effektiv noch einheitlich umgesetzt (USDOS 13.3.2019). Korruption bzw. deren Bekämpfung bleibt nach wie vor Thema in Kamerun. Die nach diversen Anti-Korruptionskampagnen 2006 gegründete Commission Nationale Anti-Corruption (CONAC) tut ihre Arbeit und veröffentlicht jährliche Berichte (GIZ 3.2019a). Die Initiativen zur Korruptionsbekämpfung bleiben jedoch unzureichend. Obwohl eine Reihe ehemaliger hochrangiger Regierungsbeamter erfolgreich wegen Korruption verfolgt und inhaftiert wurden (FH 4.2.2019). Im Laufe des Jahres führte die CONAC eine gebührenfreie Nummer ein, um die Bürger zu ermutigen, Korruptionsdelikte, deren Opfer oder Zeugen sie waren, zu melden (USDOS 13.3.2019). Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, aber die Regierung setzt das Gesetz nicht effektiv um und es wird oft genutzt, um politische Probleme zu lösen (USDOS 13.3.2019).

Angehörige der Sicherheitskräfte missbrauchen in vielen Fällen ihre Machtposition zum persönlichen Vorteil. Die Bevölkerung hat zu wenig Vertrauen in das Gerichtswesen, um den Rechtsweg gegen solche Übergriffe zu beschreiten. Symptomatisch ist das Vorgehen von Straßenverkehrspolizisten, die von vielen Verkehrsteilnehmern an Kontrollpunkten und Straßensperren wegen tatsächlicher oder angeblicher Vergehen Bestechungsgelder kassieren. Willkürliche Polizeiaktionen bis hin zu Verhaftungen zwecks Erpressung von Bestechungsgeldern und unverhältnismäßige Gewaltanwendung kommen weiterhin vor (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die General Delegation of National Security (DGSN) - die unter der direkten Autorität des Präsidenten steht - sowie das Verteidigungsministerium und das Justizministerium erklärten, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte 2018 wegen Missbrauchs sanktioniert wurden, aber es sind nur wenige Details über Untersuchungen oder eine spätere Rechenschaftspflicht bekannt (USDOS 13.3.2019).

Die Regierung setzte die 2006 gestartete Operation Sparrow Hawk zur Bekämpfung der Korruption, einschließlich der Veruntreuung öffentlicher Gelder, fort. Wie im Vorjahr hat der Sonderstrafgerichtshof (SCC) neue Korruptionsverfahren eröffnet und über einige anhängige Verfahren entschieden. Die Behörden beschuldigten Beamte aus den Finanzministerien der Manipulation staatlicher Gehaltsabrechnungen, einschließlich der Zahlung fiktiver Gehälter und anderer Zulagen, die zu Verlusten in Höhe von Hunderten von Millionen CFA-Francs (mehrere tausend Dollar) führten (USDOS 13.3.2019).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Es existiert eine Vielzahl von unabhängigen kamerunischen Menschenrechtsorganisationen (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019), die jedoch zumeist am finanziellen Tropf der internationalen Geber hängen (AA 15.1.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Gesetzlich sind Organisationen nicht zulässig, die sich gegen die Verfassung, die Gesetze, die Moral richten; oder sich gegen die territoriale Integrität, die nationale Einheit, die nationale Integration oder die Republik stellen (USDOS 13.3.2019). Die Bestimmungen zur Gründung einer NGO sind komplex, und nicht alle Antragsteller werden gleich behandelt. Daher entscheiden sich die meisten Menschenrechtsorganisationen für die Gründung gemeinnütziger Vereine, wodurch sie sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen. Dies gilt insbesondere für Menschenrechtsorganisationen, die sich für Rechte sexueller Minderheiten einsetzen (AA 15.1.2019). Letztere wurden auch schon von Strafverfolgungsbehörden ins Visier genommen: Mitglieder der NGO AJO, die sich für Prostituierte und Angehörige sexueller Minderheiten engagiert, wurden wegen Homosexualität verhaftet und eine Woche festgehalten, bevor die Anklage wieder fallen gelassen wurde (FH 4.2.2019).

Internationale Menschenrechtsbeobachter können weitgehend unabhängig agieren und ermitteln. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) konnte seiner Tätigkeit im Land nach den üblichen Standards nachgehen und auch unangekündigte Besuche in Gefängnissen durchführen (AA 15.1.2019). NGO-Vertreter berichteten wiederholt von Drohungen, willkürlichen Verhaftungen, vereinzelt auch von Folter und menschenunwürdiger Behandlung (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die Regierung kritisierte die Berichte von internationalen Menschenrechtsorganisationen (USDOS 13.3.2019).

Menschenrechtsverteidiger beklagen, dass Sicherheitskräfte nicht auf Anzeigen (z. B. wegen Drohungen, Einbrüchen) reagieren (AA 15.1.2019).

Im Jahr 2010 hat sich mit Hilfe der EU-Mitgliedstaaten ein Netzwerk zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern zusammengeschlossen, im Jahr 2011 konnte dieses Netzwerk weitere Mitglieder gewinnen und sich auch regional stärker vernetzen. Mit Hilfe des United Nations Development Programme (UNDP) haben sich ebenfalls 2010 etwa 50 Menschenrechtsorganisationen zu einem nationalen Netzwerk der Menschenrechtsvereine zusammengeschlossen, das vor allem in der Hauptstadt präsent ist. In Kamerun besteht ein zentraler Bedarf an Aufklärung über Menschenrechte insbesondere bei Frauen und Kindern, die sich ihrer Rechte oft gar nicht bewusst sind (AA 15.1.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

2018 wurde Kamerun mit Gewalt und schweren Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Das Bewusstsein für Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen ist in der Gesellschaft nur eingeschränkt ausgeprägt, obwohl sich zahlreiche Menschenrechtsorganisationen für eine Sensibilisierung von Bevölkerung und Regierung in diesem Bereich engagieren. Der Justizapparat ist schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft. Dies gilt auch bei Ermittlungen bezüglich Menschenrechtsverletzungen und beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern (AA 15.1.2019).

Dabei garantiert die Verfassung von 1996 die Grundrechte im Sinne der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), der Charta der Vereinten Nationen (1945) und der Banjul Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981). Außerdem ist Kamerun an folgende Menschenrechtsabkommen gebunden:

?        Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1966, ratifiziert 1971);

?        Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966, ratifiziert 1984);

?        Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966, ratifiziert 1984);

?        Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979, ratifiziert 1994); und Fakultativprotokoll (ratifiziert 2005);

?        Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1989, ratifiziert 1993);

?        Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (1984, ratifiziert 1986); (AA 15.1.2019).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte, vor allem von Häftlingen; Mangel an fairen und schnellen Gerichtsverfahren und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Andere bedeutende Menschenrechtsmissachtungen sind willkürliche Festnahmen, überlange Untersuchungshaft und Verstöße gegen die Privatsphäre. Die Regierung belästigt Journalisten und Separatisten und schränkt die Bewegungs-, Meinungs- und Pressefreiheit ein (USDOS 13.3.2019).

Meinungs- und Pressefreiheit

Obwohl das Gesetz Meinungs- und Pressefreiheit vorsieht schränkt die Regierung diese Freiheiten ein. Regierungsbeamte schikanieren Einzelpersonen oder Organisationen, die Kritik ausüben oder Ansichten äußerten, die im Widerspruch zur Regierungspolitik stehen. Personen, die die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, sehen sich häufig mit Vergeltungsmaßnahmen konfrontiert. Die Regierung versucht, Kritik zu verhindern, indem sie politische Treffen überwacht (USDOS 13.3.2019).

Im kamerunischen Strafrecht findet sich bei bestimmten Straftatbeständen ein für Journalisten verschärftes Strafmaß, das aber selten zur Anwendung kommt. Ein systematisches Vorgehen des Staates gegen die Pressefreiheit ist nicht festzustellen (AA 15.1.2019). Journalisten werden teilweise in ihrer Arbeit behindert. Einschüchterungsversuche sind schwer einer Person oder Institution zuzuordnen, werden aber von den Betroffenen häufig im Umfeld der Regierungspartei RDPC oder im Präsidialamt verortet. Bei der Berichterstattung über bestimmte Themen, etwa Spekulationen über den Gesundheitszustand des Präsidenten oder seine sexuelle Orientierung, laufen Journalisten Gefahr, wegen Diffamierung vor Gericht gebracht zu werden (AA 15.1.2019; vgl. FH 4.2.2019). Journalisten berichten von Selbstzensur, die Behörden haben Medienschaffenden ein Klima der Angst und Selbstzensur aufgezwungen (USDOS 13.3.2019).

Trotzdem ist die kamerunische Medienlandschaft vielfältig. Regierungskritische und oppositionelle Meinungen werden veröffentlicht. Der staatliche Rundfunk und die über 70 lokalen privaten Radiosender sind von vorherrschender Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. In den großen Städten laufen die drei privaten Fernsehsender dem staatlichen Fernsehsender CRTV den Rang ab. Sie befassen sich zunehmend mit sensiblen Themen wie Korruption und Arbeitslosigkeit, bei denen Versäumnisse der Regierung deutlich werden. Zeitungen haben in Kamerun einen geringeren Einfluss auf die öffentliche Meinung, erreichen jedoch Multiplikatoren wie Journalisten, Funktionsträger und Intellektuelle (AA 15.1.2019).

Es gibt keine glaubwürdigen Berichte, dass die Regierung die private Online-Kommunikation ohne rechtliche Befugnisse überwacht. Die Regierung hat jedoch wiederholt den Zugang zum Internet unterbrochen (USDOS 13.3.2019). Die Behörden haben auch regelmäßig den Zugang zu sozialen Netzwerken blockiert oder verlangsamt, um Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen und die Mobilisierung von Oppositionskräften zu verhindern. Im Oktober 2018, als die Regierung bereit war, die Wahlergebnisse bekannt zu geben, wurde der Zugang zu Social Media Plattformen wie Facebook, Twitter und WhatsApp durch Internet Service Provider verlangsamt (FH 4.2.2019).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die durch die Verfassung geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird in der Praxis immer wieder eingeschränkt (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 15.1.2019; FH 4.2.2019). Die Regierung nutzt ein Gesetz, welches Genehmigungen für Demonstrationen vorschreibt. Viele Organisationen der Zivilgesellschaft und der Politik berichteten von erhöhten Schwierigkeiten bei der Einholung der Genehmigung öffentlicher Versammlungen (USDOS 13.3.2019). Es kommt mitunter zu Verboten oppositionsnaher Veranstaltungen mit der Begründung, dass diese eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten (AA 15.1.2019).

Versammlungen werden zum Teil nicht genehmigt bzw. gewaltsam aufgelöst. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu vorübergehenden Festnahmen. Im Rahmen der anglophonen Krise ist es zu massiven Einschränkungen in diesem Bereich gekommen (AA 15.1.2019). Die Behörden unterdrückten auch 2018 die Proteste in den anglophonen Regionen weiter (FH 4.2.2019).

Vor dem "Unabhängigkeitstag" der anglophonen Separatisten (1.10.) wurde in deren Regionen eine 48-stündige Ausgangssperre verhängt, und Versammlungen von mehr als vier Personen waren verboten. Im November 2018 verhafteten die Behörden 20 Demonstranten in Yaoundé (FH 4.2.2019).

Organisatoren von öffentlichen Versammlungen, Demonstrationen oder Prozessionen sind gesetzlich dazu verpflichtet, Behördenvertreter vorab darüber zu informieren. Gesetzlich ist eine vorherige Zustimmung der Regierung jedoch nicht vorgesehen. Amtsträger behaupten dennoch regelmäßig, dass das Gesetz implizit eine behördliche Bewilligung von öffentlichen Veranstaltungen erfordert. Folglich verweigert die Regierung häufig die Bewilligung von Veranstaltungen bzw. wendet Gewalt an, um nicht genehmigte Veranstaltungen zu unterbinden (USDOS 13.3.2019).

Opposition / Anglophone

Trotz Mehrparteiensystems - Kamerun weist einen außerordentlichen Parteienreichtum auf - und mehr oder minder ordentlichen Wahlen, wird die kamerunische Politik durch den Präsidenten und 'seine' Partei, die RDPC/CPDM, die ehemalige Einheitspartei, dominiert. Politische Auseinandersetzungen finden kaum im parlamentarischen Rahmen statt, da die Assemblée Nationale/National Assembly inzwischen weitgehend von der RDPC/CPDM beherrscht wird (GIZ 4.2019a). Systematische politische Verfolgung findet aber nicht statt, jedoch können sich Oppositionsparteien nur schwer entfalten. Angesichts der Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 wurden Veranstaltungen regierungskritischer Organisatoren und politischer Parteien (Podiumsdiskussionen, Pressekonferenzen) in der Regel wegen des Vorwurfs der Gefährdung der öffentlichen Ordnung verboten und vereinzelt gewaltsam aufgelöst. Demonstrationen der Oppositonspartei MRC gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen wurden untersagt, Teilnehmer an diesen verbotenen Demonstrationen festgenommen (AA 15.1.2019). Einige Anhänger des zweitplatzierten Präsidentschaftskandidaten und Vorsitzenden des Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a), wurden Ende Januar 2019 gemeinsam mit Maurice Kamto verhaftet (GIZ 4.2019a). Etwa 50 von ihnen wurden am 27.1.19 wieder freigelassen (BAMF 4.2.2019).

Kamerun hat seit Ende der deutschen Kolonialzeit einen anglophonen und einen frankophonen Teil. Die Frankophonen machen 80 % der Bevölkerung aus und dominieren die Regierung. 1994 wurde der separatistische Southern Cameroons National Council (SCNC) gegründet. Der SCNC setzt sich aus mehreren Splitterfraktionen zusammen, die das Ziel eint, den anglophonen Teil Kameruns vom frankophonen Teil abzuspalten. Gemeinsam mit der Cameroon Anglophone Civil Society (CACS) wurde er am 17.1.2017 für illegal erklärt (AA 15.1.2019).

Seit Oktober 2016 kommt es in der anglophonen Region zu verschiedensten Protestaktionen. Was mit Streiks von Rechtsanwälten und Lehrern begann wuchs sich zu einer allgemeinen Bewegung von anglophonen Bürgerprotesten aus. Präsident Biya erklärte die anglophone Sezessionsbewegung kurzerhand zur "Terrorbande" und lieferte damit den Vorwand für ein noch härteres Vorgehen beider Seiten. Der Staat schickte Militär und Polizei, sperrte die Internetleitungen in den anglophonen Provinzen und verhängte Ausgangssperren (GIZ 4.2019a). Seit Oktober 2016 kommt es in den beiden anglophonen Regionen Südwest und Nordwest immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen, die zu hunderten von Todesopfern und Verletzten geführt haben. Seit Beginn der anglophonen Krise wird mit strafrechtlicher Verfolgung gegen Teilnehmer an den gewaltsamen Protesten und Mitglieder der verbotenen CACS und de SCNC vorgegangen. In einigen Fällen ist es vereinzelt und vorübergehend zu Festnahmen oder Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle, in der Regel im Zusammenhang mit der Planung bzw. Durchführung von nicht genehmigten Demonstrationen gegen die Regierung, gekommen (AA 15.1.2019).

Im französischsprachigen Teil Kameruns leben rund 500.000 Anglophone. In der Hauptstadt gibt es u.a. eine (anglophone) presbyterianische Kirchengemeinde (VOA 10.12.2018). Im April 2019 kam es in Yaoundé zu einer (Friedens-)Demonstration von u.a. anglophonen Frauen (VOA 19.4.2019).

Im Verlauf dieses Konfliktes ist es nach Zahlen der UN zu ca. 437.000 Binnenflüchtlinge gekommen (AA 15.1.2019); darüber hinaus sind ca. 27.000 Menschen in das benachbarte Nigeria geflohen (AA 15.1.2019; vgl. GIZ 4.2019a).

Es gibt außerparlamentarische Winkelzüge von staatlicher Seite gegen Versammlungen oder Aktionen der englischsprachigen Separatistenbewegung SCNC und deren Sympathisanten.

Der kamerunische Staat widmet den Aktivitäten der Exilorganisationen wenig Aufmerksamkeit. Im Gefolge der anglophonen Krise interessiert sich der kamerunische Staat jedoch zunehmend für exilpolitische Aktivitäten der anglophonen Opposition. Eine staatliche Verfolgung kamerunischer Staatsangehöriger wegen oppositioneller Tätigkeit im Ausland ist aus den letzten Jahren nicht bekannt (AA 15.1.2019).

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in kamerunischen Gefängnissen sind sehr schlecht (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019) und lebensbedrohlich (USDOS 13.3.2019) bzw. unhaltbar (GIZ 4.2019a), unterscheiden sich aber nach Einkommen bzw. Vermögen der Inhaftierten (AA 15.1.2019). Sie sind durch Mangel an sauberem Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Hygiene und medizinischer Versorgung geprägt (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019), wodurch es auch zu Todesfällen kommt (USDOS 13.3.2019). Die Gefängnisse sind zum Teil um ein Vielfaches ihrer eigentlichen Kapazität überbelegt (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Zwei Drittel der Insassen sind Untersuchungshäftlinge (AA 15.1.2019).

Folter und Misshandlung durch die Sicherheitskräfte sind üblich. In einem Bericht der kamerunischen Menschenrechtsorganisation ACAT (Action des Chrétiens pour l'abolition de la Torture) wird Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam als "Routine" bezeichnet (GIZ 4.2019a).

In kleineren Gefängnissen drohen Unterernährung und mangelnde medizinische Versorgung. Die Unterbringung ist dort jedoch insgesamt besser als in den größeren Zentralgefängnissen (AA 15.1.2019). Allerdings sind in den kleineren Gefängnissen Frauen und Jugendliche nicht von den übrigen Gefangenen getrennt untergebracht; dies kann auch in großen Gefängnissen vorkommen (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Misshandlungen und Vergewaltigungen von Häftlingen – in der Mehrzahl der Fälle durch Mithäftlinge, jedoch auch durch das Gefängnispersonal – kommen immer wieder vor. Frauengefängnisse, wie etwa in Nfou, sind manchmal mit mehr Männern als Frauen unter den Häftlingen fehl-, immer jedoch überbelegt. Für die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln sind die Familienangehörigen verantwortlich (AA 15.1.2019).

Darüber hinaus unterhalten einige „Könige“ („Lamido“) Privatgefängnisse im Norden des Landes, in denen mutmaßliche Kriminelle bis zum Abtransport in staatliche Gefängnisse in Haft genommen und dabei mitunter misshandelt werden. Diese „Könige“ sind zudem traditionelle Gerichtsherren, die auch eine körperliche Bestrafung anordnen können (AA 15.1.2019).

Anders als im Vorjahr beschränkte die Regierung den Zugang internationaler humanitärer Organisationen zu Gefangenen in offiziellen Gefängnissen. Zum Beispiel hatten die Behörden dem IKRK seit Juni 2018 keinen Zugang zu Ggefängnissen und Haftzentren gewährt. Die Nationale Kommission für Menschenrechte und Freiheiten (NCHRF) und die Gerechtigkeits- und Friedenskommissionen der katholischen Erzdiözesen führten ebenfalls Gefängnisbesuche durch, aber ihnen wurde der Zugang zu einigen Haftanstalten verweigert (USDOS 13.3.2019).

Todesstrafe

Mord (Artikel 276) sowie drei Staatssicherheitsdelikte (Artikel 102: Feindseligkeiten gegenüber der Republik; Artikel 103: Spionage, Anstacheln zum Krieg gegen Kamerun; Handlungen, die die Sicherheit oder den Bestand der Republik gefährden; Verrat militärischer Geheimnisse; Artikel 112: Anstacheln zum Bürgerkrieg) sind mit der Todesstrafe belegt, die auch verhängt wird (AA 15.1.2019).

Der Präsident begnadigt allerdings regelmäßig alle zum Tode Verurteilten. Laut Angaben von Amnesty International und Menschenrechtsverteidigern ist 1997 das letzte Jahr, in dem die Vollstreckung einer Todesstrafe bekannt wurde (AA 15.1.2019).

Religionsfreiheit

In Kamerun gibt es keine Staatsreligion (GIZ 4.2019c). Die kamerunische Verfassung garantiert ihren Bürgern Religionsfreiheit (GIZ 4.2019c; vgl. USDOS 29.5.2018) und in aller Regel respektiert der Staat dieses Grundrecht (GIZ 4.2019c; vgl. AA 15.1.2019; vgl. FH 2016). Die Verfassung verbietet zudem Schikanen oder Diskriminierungen aus religiösen Gründen (USDOS 29.5.2018). Es gibt keine Berichte über gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit, dem Glauben oder der Religionsausübung (USDOS 29.5.2018). Das Verhältnis und der Umgang der Religionen untereinander war lange Zeit von gegenseitigem Respekt und Toleranz geprägt. Der interreligiöse Dialog funktionierte ganz gut. Zwar wurden Anhänger traditioneller Religionen im muslimischen Norden oft verächtlich angesehen, auch wurde vereinzelt von kleineren Konflikten zwischen Christen und Moslems berichtet, aber Kamerun kannte bisher, im Gegensatz zu den Nachbarländern, keine religiöse Gewalt (GIZ 4.2019c).

Die Regierung intervenierte mehrmals in langwierigen Führungskrisen innerhalb christlicher Gruppen, wie der Evangelischen Kirche Kameruns (KEK) und der Presbyterianischen Kirche Kameruns (EPC). Dazu gehörten interne Streitigkeiten innerhalb christlicher Gemeinschaften über die Schaffung neuer kirchlicher Bezirke und die Wahl von Kirchenführern, die die Regierung veranlassten, gewählte Führungskräfte auszuschließen und in einigen Gemeinden provisorische Verwaltungen einzurichten (USDOS 29.5.2018).

Im Jahr 2018 gab es im Zusammenhang mit dem Konflikt in den anglophonen Regionen gewalttätige Angriffe auf römisch-katholische Geistliche, Gläubige und Einrichtungen. Dazu gehörten die Morde und Verhaftungen von Priestern sowie die Verbrennung einer katholischen Grundschule in Bamessing. Unabhängig davon hat die Regierung gelegentlich Kirchen geschlossen, um Lösungen für Konflikte in Führungsfragen zu ermöglichen (FH 4.2.2019).

Die Religionsfreiheit ist in den nördlichen Gebieten, die von der Präsenz der militanten Gruppe der Boko Haram betroffen sind, welche gewalttätige Angriffe auf Kultstätten verübt hat, etwas eingeschränkt (FH 4.2.2019). Nachdem, aufgrund der letzten Anschläge, die islamische Ganzkörperverschleierung in den Regionen Extreme-Nord, Nord, Ost und Littoral verboten wurde, kommt es immer wieder zu Übergriffen gegenüber Musliminnen, selbst wenn diese nur ein Kopftuch tragen (GIZ 4.2019c). Die Behörden haben das Verbot von Ganzkörperverschleierung vom Juli 2015 weder durchgesetzt, noch aufgehoben (USDOS 29.5.2018; vgl. FH 4.2.2019).

Die Aktivit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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