Entscheidungsdatum
25.02.2021Norm
ASVG §67 Abs10Spruch
W126 2230651-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der der Burgenländischen Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, vom 30.09.1997, Zl. BE 106/97, betreffend Haftung als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG:
A)
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid der Burgenländischen Gebietskrankenkasse (im Folgenden: BGKK) vom 30.09.1997 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet ist, der BGKK die auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin XXXX rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Beitrag von S 1.830.272,78 zuzüglich Verzugszinsen zu bezahlen.
Dieser Bescheid wurde am 01.10.1997 vom Beschwerdeführer persönlich übernommen. Am 01.10.1997 Tag sprach der Beschwerdeführer in Begleitung eines Rechtsanwalts auch bei der BGKK vor und vereinbarte im Zuge dessen eine Anerkennung des Haftungstatbestandes gemäß § 67 Abs. 10 ASVG im Umfang des Bescheides vom 30.09.1997 und einen Verzicht auf die Einbringung eines Rechtsmittels. Im Zuge der Vorsprache wurde zudem eine Ratenzahlung der Haftungssumme vereinbart, welche in der Folge vom Vorstand der BGKK stattgegeben wurde.
Von Februar bis Juli 1998 wurden vom Beschwerdeführer Ratenzahlungen in Höhe von S 1.195.000 geleistet; weitere Ratenzahlungen erfolgten nicht.
Am 27.06.2019 übermittelte die BGKK ein Ansuchen auf Aufrechnung gemäß § 103 ASVG an die Sozialversicherungsanstalt der Bauern, bei welcher der Beschwerdeführer eine Pension bezieht. Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 04.07.2019 wurde dem Ersuchen entsprochen.
Am 23.09.2019 brachte der Beschwerdeführer bei der BGKK eine als „Einspruch“ bezeichnete Beschwerde ein und führte darin im Wesentlichen aus, dass ihm der Bescheid am 03.09.2019 übermittelt worden und ihm dieser zuvor nie, insbesondere nicht im Jahr 1997, zugegangen sei.
Mit Schreiben der BGKK vom 29.04.2020 wurde der Verwaltungsakt samt Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der gegenständlich angefochtene Bescheid der BGKK vom 30.09.1997 wurde dem Beschwerdeführer am 01.10.1997 zugestellt. Die persönliche Übernahme durch den Beschwerdeführer wurde mit vom Beschwerdeführer ausgefülltem Datum und Unterschrift des Beschwerdeführers auf der Übernahmebestätigung bestätigt.
Der Beschwerdeführer erkannte den Haftungstatbestand gemäß § 67 Abs. 10 ASVG im Umfang des Bescheides vom 30.09.1997 an und verzichtete auf die Einbringung eines Rechtsmittels. Weiters stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ratenzahlung und leistete in der Folge von Februar bis Juli 1998 Ratenzahlungen an die BGKK.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt.
Die Feststellungen betreffend die Zustellung des angefochtenen Bescheides ergeben sich zweifelsfrei aus dem von der Behörde übermittelten Rückschein (in Kopie) und der entsprechenden Mitteilung der Behörde über die Zustellung mit Rsb. Wenn der Beschwerdeführer im Rechtsmittel anführt, dass er den Bescheid erstmals im Jahr 2019 (in Kopie) erhalten habe, ist dem entgegenzuhalten, dass auf dem Rückschein eindeutig die persönliche Annahme des Bescheides durch ihn ersichtlich ist. Der Beschwerdeführer hat seine Behauptung zudem weder durch geeignete Unterlagen nachgewiesen noch in irgendeiner Weise plausibel dargetan; auch vor dem Hintergrund des Rechtsmittelverzichts, welcher ebenso dafür spricht, dass der Beschwerdeführer den Bescheid 1997 erhalten hat, ist seine gegenteilige Behauptung nicht nachvollziehbar.
Die Feststellung zum Rechtsmittelverzicht stützt sich auf die vom Beschwerdeführer unterzeichnete Niederschrift der BGKK vom 01.10.1997. Dafür, dass der Rechtsmittelverzicht des Beschwerdeführers unwirksam abgegeben wurde, finden sich keine Anhaltspunkte im Verfahrensakt und bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde dahingehend nichts vor. Vielmehr geht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht auf seinen Rechtsmittelverzicht ein.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz Zustellgesetz (ZustG) in der Fassung BGBl. Nr. 200/1982, zuletzt geändert mit BGBl. Nr. 357/1990, ist das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.
Gemäß § 22 Abs. 1 ZustG Fassung BGBl. Nr. 200/1982, zuletzt geändert mit BGBl. Nr. 357/1990, ist die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.
Gemäß § 22 Abs. 2 erster Satz ZustG BGBl. Nr. 200/1982, zuletzt geändert mit BGBl. Nr. 357/1990, hat der Übernehmer des Dokuments die Übernahme auf dem Zustellnachweis durch seine Unterschrift unter Beifügung des Datums und, wenn er nicht der Empfänger ist, seines Naheverhältnisses zu diesem zu bestätigen.
Ein mit Poststempel und Paraphe des Postzustellers sowie mit der Eingangsstampiglie und Datumsstampiglie dokumentierter Rückschein stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 292 Abs. 1 ZPO dar. Solche Urkunden, welche im Geltungsbereich dieses Gesetzes von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form errichtet sind, begründen vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt wird. Nach § 292 Abs. 2 ZPO ist der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig. (VwGH 11.05.1990, 89/18/0153)
Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind. (VwGH 20.02.2014, 2013/07/0237, mwN)
Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 01.10.1997 zugestellt. Die persönliche Übernahme durch den Beschwerdeführer wurde mit der Unterschrift des Beschwerdeführers bestätigt. Der vorliegende Rückschein weist neben der Unterschrift des Beschwerdeführers als übernehmenden Bescheidadressaten auch das vom Beschwerdeführer ausgefüllte Datum der Übernahme auf.
Der Beschwerdeführer machte geltend den Bescheid nicht erhalten zu haben, ohne dazu Konkretes auszuführen. Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen. Derlei Umstände wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Vielmehr spricht der Umstand, dass am 01.10.1997 eine persönliche Vorsprache des Beschwerdeführers in Begleitung eines Rechtsanwalts bei der BGKK erfolgte, in welcher der Beschwerdeführer den Haftungstatbestand gemäß § 67 Abs. 10 ASVG im Umfang des Bescheides vom 30.09.1997 anerkannte und gleichzeitig auf die Einbringung eines Rechtsmittels verzichtete, dafür, dass der Beschwerdeführer den Bescheid damals sehr wohl rechtswirksam erhalten hat. Insofern ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, den Bescheid nicht erhalten zu haben, nicht nachvollziehbar.
Selbst wenn man (im Hinblick auf die Paraphe des Zustellers) von der Unrechtmäßigkeit des Zustellvorgangs oder einem Zustellmangel ausgehen würde, würde die Zustellung gemäß § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt gelten, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Mit der Unterschrift auf der Übernahmebestätigung bestätigte der Beschwerdeführer den tatsächlichen Erhalt des Bescheides. Zweifel, dass es sich dabei nicht um die Unterschrift des Beschwerdeführers handelt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch vom Beschwerdeführer nicht dargelegt.
Wie im angefochtenen Bescheid in der Rechtsmittelbelehrung ausgeführt, hätte der Beschwerdeführer grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, den Bescheid binnen einem Monat nach der Zustellung durch Einspruch an den zuständigen Landeshauptmann anzufechten.
Die am 24.09.2019 erhobene Beschwerde wurde daher jedenfalls nicht fristgerecht eingebracht, weshalb die Beschwerde bereits aus diesem Grund - als verspätet -zurückzuweisen ist.
Zudem hat der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Rechtsanwalts vor der Behörde einen Rechtsmittelverzicht abgegeben, welcher in der Niederschrift vom 01.10.1997 explizit festgehalten wurde, was ebenso, wie bereits erwähnt, dafür spricht, dass ihm der Bescheid damals tatsächlich zugekommen ist. Die Niederschrift wurde vom Beschwerdeführer unterzeichnet.
Gemäß § 63 Abs. 4 AVG in der Fassung BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert mit BGBl. Nr. 471/1995, ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat. Das AVG sieht für einen (nachträglichen) Rechtsmittelverzicht keine besonderen Formerfordernisse vor (VwGH 05.09.1997, 97/02/0276).
Beim Rechtsmittelverzicht handelt es sich um Prozesshandlungen, die bewirken, dass eine von der Partei (nachträglich dennoch oder bereits) eingebrachte Berufung einer meritorischen Erledigung nicht mehr zugeführt werden darf (VwGH 16.04.1980, 324/80; Hengstschläger/Leeb, AVG § 63 Rz 74). Mit dem Einlangen des Verzichts bei der Behörde erwächst der Bescheid in formelle Rechtskraft (VwGH 29.10.1986, 85/11/0272), und zwar endgültig (VwGH 13.02.1991, 91/01/0011). Der Berufungsverzicht ist als Prozesshandlungen endgültig, somit unwiderrufbar (VwGH 27.09.1994, 92/07/0130).
Die vom Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde wäre daher auch aufgrund des vom Beschwerdeführer am 01.10.1997 abgegeben Rechtsmittelverzichts zurückzuweisen.
Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Entscheidungsfindung war nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von über den konkreten Einzelfall hinausgehender Bedeutung abhängig (vgl. VwGH 24.04.2014, Ra 2014/01/0010), sondern von der Würdigung und Beurteilung der Umstände im konkreten Einzelfall in Anlehnung an die unter Pkt. 3. dargelegte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf eine klare Rechtslage stützen (vgl. auch VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095).
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Rechtsmittelverzicht rechtswirksame Zustellung Unzulässigkeit der Beschwerde ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W126.2230651.1.00Im RIS seit
11.05.2021Zuletzt aktualisiert am
11.05.2021