Entscheidungsdatum
08.03.2021Norm
ASVG §273Spruch
W228 2239146-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, vom 06.07.2020, GZ: XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, (im Folgenden: PVA) hat mit Bescheid vom 06.07.2020 den Antrag von XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) vom 25.05.2020 auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass mit Bescheid der PVA vom 08.08.2018 der Antrag des Beschwerdeführers vom 19.04.2018 auf Berufsunfähigkeitspension gemäß §§ 255 Abs. 7 und 271 rechtskräftig abgelehnt worden sei, weil der Beschwerdeführer die erforderliche Mindestanzahl von 120 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung nicht erworben habe. Der nunmehrige Antrag vom 25.05.2020 habe erneut die sachliche Behandlung der bereits mit Bescheid vom 08.08.2018 entschiedenen Sache zum Gegenstand. Einer neuerlichen Sachentscheidung stehe daher die Rechtskraft des Bescheides vom 08.08.2018 entgegen.
Am 17.07.2020 langte bei der belangten Behörde ein als „Einspruch gegen die chefärztliche Stellungnahme“ bezeichnetes Schreiben ein, welches aufgrund der wie am Bescheid vom 06.07.2020 angegebenen Versicherungsnummer, der Unterschrift sowie des Wortes „Einspruch“ mit dem Ersuchen um Neuuntersuchung als Beschwerde gegen den Bescheid der PVA vom 06.07.2020 gewertet wird. In diesem Schreiben führte der Beschwerdeführer aus, dass er am 25.05.2020 einen Antrag auf Invaliditätspension gestellt habe. Am 12.06.2020 habe der Termin bei der Gesundheitsstraße stattgefunden. Am 22.06.2020 habe er die chefärztliche Stellungnahme erhalten, aus welcher hervorgehe, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzukommen. Aufgrund zu weniger Versicherungszeiten sei er seitens der PVA nicht leistungsbezugsberechtigt. Da er aber auch keiner Erwerbstätigkeit nachkommen können, sei er auch beim AMS nicht bezugsberechtigt. Er ersuche somit um eine erneute Untersuchung um beweisen zu können, dass er sehr wohl in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit oder einem Weiterbildungsprogramm nachzukommen.
Die Beschwerdesache wurde gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 29.01.2021 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 02.02.2021 dem Beschwerdeführer das Beschwerdevorlageschreiben der PVA sowie den verdichteten Versicherungsverlauf übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 19.04.2018 hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gestellt, woraufhin seitens der belangten Behörde ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt wurde.
Auf Basis dieses Gutachtens wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 19.04.2018 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension mit Bescheid der PVA vom 08.08.2018 abgelehnt mit der Begründung, dass bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung Berufsunfähigkeit vorlag, der Beschwerdeführer jedoch bis zum Stichtag nicht die erforderliche Mindestanzahl von 120 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbtätigkeit erworben hat.
Dieser Bescheid der PVA vom 08.08.2018 ist mangels Erhebung eines Rechtsmittels durch den Beschwerdeführer in Rechtskraft erwachsen.
Am 25.05.2020 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension. Dieser Antrag wurde mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der PVA vom 06.07.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Seit der Erlassung des Bescheides der PVA vom 08.08.2018 hat der Beschwerdeführer keine weiteren Beitragsmonate erworben.
Festgestellt wird, dass sich weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren mit dem früheren deckt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts.
Der Sachverhalt ist in den entscheidungsrelevanten Bereichen unstrittig. Vorliegend handelt es sich vielmehr um eine reine Beurteilung einer Rechtsfrage.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer seit der Erlassung des Bescheides der PVA vom 08.08.2018 keine weiteren Beitragsmonate erworben hat, ergibt sich aus dem Sozialversicherungsdatenauszug.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin die PVA.
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Somit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahmen der §§ 1 bis 5, sowie des vierten Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Gegenständlich ist die mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.07.2020 erfolgte Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Berufsunfähigkeitspension zu prüfen.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg. cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 leg. cit. findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Eine "entschiedene Sache" ("res iudicata") iSd § 68 Abs 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der bekämpften Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen (d.h. abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 21.09.2000, 98/20/0564; 25.04.2002, 2000/07/0235; 22.11.2004, 2001/10/0035). Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (vgl. VwGH 26.06.2012, 2009/11/0059).
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391; VwGH 20.03.2003, Zl. 99/20/0480; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, Zl. 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913).
Die PVA hat mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 06.07.2020 den Antrag des Beschwerdeführers vom 25.05.2020 auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension mangels Änderung der Sach- und Rechtslage wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Zu prüfen ist daher die Identität der Sach- und Rechtslage, nämlich ob eine bereits "entschiedene Sache" vorliegt, ohne dass sich nachträgliche eine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben hätte.
Im gegenständlichen Fall liegt ein rechtskräftiger Bescheid der PVA vom 08.08.2018 vor, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers vom 19.04.2018 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension abgelehnt wurde.
Als berufsunfähig gilt gemäß § 273 Abs. 1 ASVG die versicherte Person, deren Arbeitsfähigkeit infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden versicherten Person von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (§ 223 Abs. 2) in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte/r oder nach § 255 Abs. 1 ausgeübt wurde. § 255 Abs. 2 dritter und vierter Satz sowie Abs. 2a sind anzuwenden.
Gemäß § 273 Abs. 3 iVm § 255 Abs. 7 gilt der (die) Versicherte auch dann als invalid im Sinne der Abs. 1 bis 4, wenn er (sie) bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, dennoch aber mindestens 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz erworben hat.
Der Antrag des Beschwerdeführers vom 19.04.2018 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension wurde mit Bescheid der PVA vom 08.08.2018 abgelehnt mit der Begründung, dass bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung Berufsunfähigkeit vorlag, der Beschwerdeführer jedoch bis zum Stichtag nicht die erforderliche Mindestanzahl von 120 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbtätigkeit erworben hat. Der maßgebliche Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Eintritts in das Erwerbsleben konnte sich in der Zwischenzeit nicht verändert haben. Überdies hat der Beschwerdeführer seit der Erlassung des Bescheides vom 08.08.2018 keine weiteren Beitragsmonate erworben und liegen die erforderlichen 120 Beitragsmonate sohin weiterhin nicht vor.
Eine wesentliche Änderung des dem Bescheid der PVA vom 08.08.2018 zugrundeliegenden Sachverhalts ist sohin nicht zu erkennen.
Zumal sich daher gegenüber dem Bescheid der PVA vom 08.08.2018 weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat, liegt res iudicata vor.
Die von der belangten Behörde mit Bescheid vom 06.07.2020 ausgesprochene Zurückweisung des Antrags vom 25.05.2020 wegen entschiedener Sache ist somit als rechtmäßig anzusehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Berufsunfähigkeitspension Identität der Sache Prozesshindernis der entschiedenen Sache res iudicataEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W228.2239146.1.00Im RIS seit
11.05.2021Zuletzt aktualisiert am
11.05.2021