TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/23 G314 2130553-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2021
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Entscheidungsdatum

23.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2

Spruch


G314 2130553-3/7E
G314 2114537-4/15E
G314 2114535-4/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerden 1. der XXXX , geboren am XXXX , albanische Staatsangehörige, 2. des XXXX , geboren am XXXX , nordmazedonischer Staatsangehöriger, und 3. des minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , nordmazedonischer Staatsangehöriger, gesetzlich vertreten durch seine Mutter XXXX , alle vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Joachim RATHBAUER, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2018, Zl. XXXX , XXXX und XXXX , betreffend internationalen Schutz beschlossen (Spruchpunkte A. und D.II.) und zu Recht erkannt (Spruchpunkte B., C. und D.I.):

A.)      Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B.)      Hinsichtlich der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin XXXX :

I.       Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheids wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid insoweit mit der Maßgabe bestätigt, dass der Folgeantrag auf internationalen Schutz vom XXXX .2018 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (statt abgewiesen) wird.

II.     Die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheids werden in teilweiser Stattgabe der Beschwerde ersatzlos behoben.

C.)      Hinsichtlich der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers XXXX :
Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Folgeantrag auf internationalen Schutz vom XXXX .2018 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (statt abgewiesen) und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nordmazedonien (statt Albanien und Mazedonien) festgestellt wird.

D.)      Hinsichtlich der Beschwerde des Drittbeschwerdeführers XXXX :

I.       Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheids wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid insoweit mit der Maßgabe bestätigt, dass der Folgeantrag auf internationalen Schutz vom XXXX .2018 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (statt abgewiesen) wird.

II.     Die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheids werden gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit insoweit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

E.)     Die Revision ist jeweils gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz:

Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) ist eine albanische Staatsangehörige, die vor ihrer Eheschließung den Familiennamen XXXX trug (den sie mittlerweile wieder verwendet) und nach der Heirat den Familiennamen XXXX . Am XXXX beantragte sie in Österreich erstmals für sich und ihre beiden Söhne, den Zweitbeschwerdeführer (BF2) und den Drittbeschwerdeführer (BF3), die nordmazedonische Staatsangehörige sind und damals beide noch minderjährig waren, internationalen Schutz.

Dies begründete sie zusammengefasst damit, dass sie im XXXX gegen den Willen ihrer Herkunftsfamilie von Albanien nach Nordmazedonien, zu dem nordmazedonischen Staatsangehörigen XXXX übersiedelt sei, den sie in der Folge geheiratet habe. Der Ehe entstammten der BF2 und der BF3. Während der Ehe sei sie von ihrem Ehemann ständig geschlagen und erniedrigt worden. XXXX sei es ihr einmal gelungen, gemeinsam mit dem BF2 und dem BF3 zu ihrer Herkunftsfamilie nach Albanien zurückzukehren. Wenige Tage später sei XXXX bewaffnet dorthin gekommen und habe die Angehörigen der BF1 mit dem Umbringen bedroht, sodass die drei Beschwerdeführer (BF) dann doch wieder nach Nordmazedonien zurückgekehrt seien. Auch danach seien sie von XXXX körperlich misshandelt, geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden. Er habe den BF2 und den BF3 zum Stehlen und zum Betteln gezwungen, um seine Spielsucht zu finanzieren. XXXX habe er die BF dann auf die Straße gesetzt. Die BF1 habe in einem Nachbarort eine eigene Wohnung gemietet und eine Beschäftigung als XXXX aufgenommen. Dennoch habe es weiter Probleme mit XXXX gegeben. Er habe sich von den Kindern die Wohnungsschlüssel besorgt, Möbel sowie Inventar aus der Wohnung entwendet und verkauft. Er habe die BF1 nach der Arbeit abgepasst, geschlagen, beschimpft und ihr den Monatslohn abgenommen. Im XXXX habe er sie eine halbe Nacht lang in einem Park verprügelt. Die BF1 habe alle diese Vorfälle bei der Polizei angezeigt. Es sei zu einem Gerichtsverfahren wegen Gewalt in der Familie gekommen, bei dem XXXX zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Die Ehe sei schließlich im Jänner 2014 aus seinem Verschulden geschieden und die BF1 mit der Obsorge für den BF2 und den BF3 betraut worden. XXXX habe ein Kontaktrecht und komme seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nach. Er habe die BF nach der Scheidung weiterhin bedroht. Vor ihrer Wohnung seien fremde Männer aufgetaucht, von denen er Geld für sexuelle Handlungen mit der BF1 kassiert habe. Nach der Gerichtsentscheidung über die Scheidung und die Obsorge hätten die BF Nordmazedonien am XXXX in Richtung Österreich verlassen. Sie könnten weder nach Nordmazedonien zurückkehren noch nach Albanien, weil XXXX dort unbehelligt mit einer Waffe einreisen könne. Die BF1 gab an, um ihre albanischen Angehörigen und ihre Kinder zu fürchten. Der BF2 und der BF3 seien minderjährig und hätten keine eigenen Fluchtgründe.

Die BF1 verfügte über einen nordmazedonischen Aufenthaltstitel, der im Mai 2014 abgelaufen war und nicht mehr verlängert wurde.

Mit den Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX .2016 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz im zweiten Rechtsgang bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Albanien (BF1) bzw. Nordmazedonien (BF2 und BF3) abgewiesen, den BF Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Albanien (BF1) bzw. Nordmazedonien (BF2 und BF3) zulässig sei. Gleichzeitig wurde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Fluchtvorbringen der BF einerseits nicht glaubhaft und andererseits nicht asylrelevant sei, weil die herkunftsstaatlichen Behörden in Bezug auf die behauptete Verfolgung durch Privatpersonen schutzfähig und -willig seien. Es gebe keine Hinweise auf eine Gefahrenlage, die zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG lägen nicht vor. Die Aufenthaltsbeendigung greife nicht in das Familienleben der BF in Österreich ein, weil alle Familienmitglieder davon betroffen seien. Die BF könnten außerhalb von Österreich, namentlich in Albanien oder in Nordmazedonien, ein gemeinsames Familienleben führen, zumal sie sowohl die mazedonische als auch die albanische Sprache beherrschten. Die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung würden die privaten Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich in der gebotenen Gesamtabwägung überwiegen, sodass gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Gründe für die Unzulässigkeit der Abschiebung nach Albanien (BF1) bzw. nach Nordmazedonien (BF2 und BF3) lägen nicht vor.

Der dagegen von den BF erhobenen gemeinsamen Beschwerde erkannte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Beschluss vom 26.07.2016 die aufschiebende Wirkung zu.

Mit dem Erkenntnis vom 18.10.2017 wies das BVwG die Beschwerden der BF als unbegründet ab, in Bezug auf den BF2 und den BF3 jeweils mit der Maßgabe, dass die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nordmazedonien und nach Albanien festgestellt wurde. Begründet wurde diese Entscheidung zusammengefasst damit, dass die BF Nordmazedonien aus Furcht vor Gewalttaten des Ex-Ehemanns der BF1 und Vaters des BF2 und des BF3 verlassen hätten. Daraus lasse sich in Zusammenschau mit den Feststellungen zur Situation in Nordmazedonien und in Albanien keine asylrelevante oder sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität ableiten, weil die Behörden in Nordmazedonien und in Albanien willens und in der Lage seien, ausreichenden Schutz vor allfälligen rechtswidrigen Angriffen durch Privatpersonen zu gewähren. Den BF sei auch kein subsidiärer Schutz zu gewähren, weil nicht zu befürchten sei, dass sie in Albanien oder Nordmazedonien keine Existenzgrundlage vorfinden oder sonst einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnten. Es sei nicht zu erkennen, dass ihnen bei der Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre, zumal die BF1 in Nordmazedonien schon bisher durch ihre Erwerbstätigkeit allein für das Familieneinkommen aufgekommen sei. In Albanien könnten die BF auch Unterstützung durch ihre dort lebenden Angehörigen erhalten. Die gesundheitlichen Probleme der BF (bei der BF1 lag eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion vor, beim BF2 eine Störung der Impulskontrolle bei Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung und beim BF3 eine Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten) seien nicht so schwer, dass eine Abschiebung als unmenschliche Behandlung iSd Art 3 EMRK erscheine. Für die Erkrankungen stünde sowohl in Nordmazedonien als auch in Albanien eine medizinische Heilbehandlung zur Verfügung. In Nordmazedonien und in Albanien bestünde keine solche Gefährdungslage, dass jeder Rückkehrer einer Gefährdung iSd Art 2 und 3 EMRK ausgesetzt sei. Die Situation dort sei auch nicht so, dass die Rückkehr der BF für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG lägen nicht vor, weil der Aufenthalt der BF nicht geduldet sei und sie weder Zeugen oder Opfer strafbarer Handlungen noch Opfer von Gewalt im Bundesgebiet seien. Die BF hätten keine weiteren familiären Bindungen im Bundesgebiet, sodass die Rückkehrentscheidung nicht in ihr Recht auf Schutz des Familienlebens eingreife. Es lägen keine Hinweise auf eine besondere sprachliche, berufliche oder gesellschaftliche Integration in Österreich vor. Die BF1 sei ehrenamtlich engagiert und habe eine Deutschprüfung für das Sprachniveau A2 abgelegt; der BF2 und der BF3 seien ihrer Schulpflicht nachgekommen und hätten entsprechende Deutschkenntnisse erworben. Die BF hätten aber keine eigenen Existenzmittel, seien im Bundesgebiet keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen und hätten von der Grundversorgung gelebt. Sie würden sich erst kurz und nur aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die BF1 habe Bindungen zu Albanien, wo sie aufgewachsen sei, und zu Nordmazedonien, wo sie die letzten Jahre vor der Einreise in das Bundesgebiet gelebt habe. Der BF2 und der BF3 seien in Nordmazedonien geboren und aufgewachsen. Ihre Muttersprache sei Albanisch und sie hätten in Albanien mehrfach Verwandte der BF1 besucht, sodass sie sich auch in die dortige Gesellschaft einfügen könnten. Die BF seien strafgerichtlich unbescholten. Der BF2 und der BF3 seien aber schon durch Ladendiebstähle aufgefallen; der BF2 sei gegenüber der BF1 und dem BF3 handgreiflich geworden. Die Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet würden gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen in den Hintergrund treten, sodass die Rückkehrentscheidungen nicht zu beanstanden seien und den BF keine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG zu erteilen sei. Die BF1 könne mit ihren Kindern visumfrei nach Nordmazedonien einreisen und dort einen Aufenthaltstitel zur Ausübung der Obsorge und zur Familienzusammenführung erhalten. Der BF2 und der BF3 könnten mit der BF1 visumfrei nach Albanien einreisen und dort einen Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung erhalten. Da sie minderjährig seien und ihre Mutter albanische Staatsangehörige sei, könnten sie über deren Antrag auch die albanische Staatsangehörigkeit erhalten, ohne dafür die nordmazedonische Staatsangehörigkeit aufgeben zu müssen. Um eine Trennung von der BF1 zu vermeiden, sei die Zulässigkeit der Abschiebung des BF2 und des BF3 sowohl nach Nordmazedonien auch nach Albanien festzustellen.

Die gegen das Erkenntnis des BVwG vom BF2 und vom BF3 erhobene Revision an den VwGH wurde als verspätet zurückgewiesen.

Verfahren über die Folgeanträge auf internationalen Schutz:

Am XXXX stellte die BF1 unmittelbar vor der für den XXXX geplanten Abschiebung einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, den sie bei der Erstbefragung damit begründete, dass sie von ihrem Ex-Ehemann seit XXXX telefonisch bedroht werde. Er habe ihrem Sohn gesagt, dass er sie umbringen werde, wenn sie wieder nach Nordmazedonien komme. Ihr Bruder habe ihr Mitte Jänner gesagt, dass ihr Ex-Ehemann damit gedroht habe, ihn (den Bruder) und sie umzubringen. Bei einer Rückkehr fürchte sie, dass ihr Ex-Ehemann sie umbringen oder zur Prostitution zwingen und ihre Kinder verbrecherisch erziehen werde.

Am XXXX stellte der BF3 in Anwesenheit der BF1 ebenfalls einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Zur Begründung gab er bei der Erstbefragung an, dass sich seine Asylgründe nicht geändert hätten. Er wolle in Österreich bleiben und hier weiter zur Schule gehen. In Nordmazedonien habe ihn sein Vater zum Stehlen aufgefordert, was er aus Angst vor Schlägen gemacht habe. Bei einer Rückkehr fürchte er, von seinem Vater wieder geschlagen zu werden. Dieser habe auch zu seinem Bruder gesagt, dass er die BF1 umbringen werde.

Am XXXX beantragte schließlich auch der BF2 neuerlich internationalen Schutz. Zur Begründung verwies er bei der Erstbefragung auf die beim ersten Antrag angegebenen Gründe. Er wolle seine Mutter nicht allein lassen, sondern bei ihr und seinem Bruder bleiben. Sein Vater habe gedroht, seine Mutter umzubringen, wenn sie zurückkomme. Bei einer Rückkehr nach Nordmazedonien werde er ihn zum Stehlen zwingen. Österreich sei mittlerweile seine Heimat; in seinem Herkunftsstaat habe er weder Freunde noch ein Zuhause.

Am 19.04.2018 wurde die BF1 (auch als gesetzliche Vertreterin des BF2 und des BF3, die nach ihren Angaben keine eigenen Fluchtgründe hätten) vor dem BFA zu den Folgeanträgen vernommen. Befragt nach Änderungen seit dem Erkenntnis des BVwG vom 18.10.2017 gab sie an, dass sie von ihrem Ex-Ehemann bedroht werde und Angst habe, dass er sie alle umbringen könnte. Er habe im XXXX über Facebook Kontakt zu den Kindern aufgenommen. Im XXXX habe er bei einem Telefonat mit dem BF2 gesagt, dass er sie (die BF1) umbringen würde, wenn sie nach Nordmazedonien käme. Außerdem habe er den BF3 aufgefordert, sie zu bestehlen. Im XXXX habe er ihre Herkunftsfamilie in Albanien aufgesucht, ihre betagte Mutter und ihren Neffen geschubst, ihren Bruder mit einer Pistole bedroht und gesagt, dass er ihren Bruder oder sie umbringen werde, falls sie zurückkommen sollte. Sie sei aber nicht persönlich von ihm bedroht worden. Seit XXXX bestünde kein Kontakt mehr zu ihm, weil sie seine Telefonnummer und ihn bei sozialen Medien blockiert habe.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Folgeanträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Albanien (BF1) bzw. Nordmazedonien (BF2 und BF3) abgewiesen (Spruchpunkte I. bis III.), den BF Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), jeweils die Zulässigkeit der Abschiebung nach Albanien und nach Nordmazedonien festgestellt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass sich aus dem Fluchtvorbringen weder in Nordmazedonien noch in Albanien eine asylrelevante oder sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität ableiten lasse, weil diese Staaten hinsichtlich krimineller Handlungen Dritter als schutzfähig und schutzwillig anzusehen seien. Es sei nicht zu befürchten, dass den BF bei einer Rückkehr nach Nordmazedonien oder Albanien eine Gefährdung iSd Art 2 oder 3 EMRK drohe oder dass sie als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wären. Die BF1 könne (wie schon zuvor) den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Söhne durch eigene Erwerbstätigkeit sichern und Unterstützung durch Familienangehörige in Albanien oder durch in Nordmazedonien oder Albanien tätige Nichtregierungsorganisationen erhalten, sodass nicht zu befürchten sei, dass die BF nach ihrer Rückkehr in eine hoffnungslose Lage geraten würden. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG lägen nicht vor. Die Rückkehrentscheidung greife nicht in das Familienleben der BF ein, weil alle in Österreich aufhältigen Familienmitglieder gleich von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen seien. Seit der Entscheidung über den ersten Antrag der BF auf internationalen Schutz sei nur eine sehr kurze Zeit vergangen. Die BF hätten keine weiteren Integrationsschritte nachgewiesen. Ihr Privatleben sei nur in geringem Ausmaß schutzwürdig, weil sie ihren Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis unberechtigten Asylantrag gestützt hätten. Gemäß § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG seien daher Rückkehrentscheidungen gegen die BF zulässig. Auch zur Zulässigkeit der Abschiebung hätten sich aufgrund der neuerlichen Antragstellung keine Änderungen ergeben. Es lägen keine Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig iSd § 50 FPG machen würden. Einerseits könne die BF1 mit ihren Söhnen nach Nordmazedonien einreisen und sich dort 90 Tage lang legal aufhalten. Es sei ihr möglich und zumutbar, dort eine Aufenthaltsberechtigung zu erwirken. Andererseits könnten auch der BF2 und der BF3 visumfrei nach Albanien einreisen und dort entweder (ohne Aufgabe der nordmazedonischen Staatsangehörigkeit) die albanische Staatsangehörigkeit oder einen Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung erhalten. Den BF drohe durch die Rückkehrentscheidung keine (nicht nur vorübergehende) Trennung; sie könnten sowohl in Albanien als auch in Nordmazedonien ein gemeinsames Familienleben führen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass die BF aus einem sicheren Herkunftsstaat stammten und es ihnen zumutbar sei, den Ausgang des Asylverfahrens dort abzuwarten. Es drohe ihnen in ihrem Herkunftsstaat keine reale Gefahr eine Menschenrechtsverletzung; die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme sei im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten.

Dagegen richtetet sich die gemeinsame Beschwerde der BF mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung der Angelegenheit an das BFA, in eventu auf „Bewilligung“ der Anträge auf internationalen Schutz, in eventu auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, auf Aufhebung der Rückkehrentscheidung und auf die Feststellung, dass die Abschiebung der BF weder nach Albanien noch nach Nordmazedonien zulässig sei. Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass eine Rückkehr der BF in ihre jeweiligen Herkunftsstaaten (Albanien bzw. Nordmazedonien) zu einer Trennung der Familie führen würde, was Art 8 EMRK verletze. Eine Abschiebung nach Albanien und Nordmazedonien sei nicht möglich. Eine Abschiebung in verschiedene Staaten würde dem Wohl des BF2 und des BF3, die durch die Gewalt ihres Vaters schwer geschädigt worden seien, zuwiderlaufen. Außerdem würde ihre schulische Ausbildung durch eine Abschiebung abgebrochen und es bestünde die Gefahr, ein Schuljahr zu verlieren. Den BF sei eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG zu erteilen, weil ihr Aufenthalt seit mehreren Jahren geduldet sei und sie Opfer von Gewalt durch XXXX seien. Dieser habe Anfang XXXX die Angehörigen der BF1 in Albanien bedroht, sodass die Erteilung der Aufenthaltsberechtigung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich sei. Die BF würden sich seit vier Jahren in Österreich aufhalten und seien umfassend integriert. Die BF1 lebe zusammen mit ihren Söhnen und ihrem in Österreich aufenthaltsberechtigten Lebensgefährten XXXX in XXXX . Der BF2 und der BF3, die als Minderjährige besonders schutzbedürftig seien, würden die Schule besuchen. Es gebe eine umfassende Betreuung durch die Kinder- und Jugendhilfe. Der BF2 und der BF3 hätten aufgrund ihrer Gewalterfahrungen zwischenzeitig in Jugendwohngruppen untergebracht werden müssen, wo sie in einer österreichisch geprägten Umgebung aufgewachsen seien. Eine weitere, auch nur kurzfristige Trennung von der BF1 sei daher unbedingt zu vermeiden. In Nordmazedonien bestehe die Gefahr, dass sie in die Fänge ihres kriminellen, spielsüchtigen Vaters geraten. In Albanien wären sie völlig orientierungslos, weil sie sich nicht verständigen könnten, zumal sie nur die deutsche und die mazedonische Sprache beherrschten. Das Kindeswohl stünde einer Rückkehrentscheidung entgegen. Das BFA habe Erhebungen den Herkunftsstaaten der BF unterlassen und daher die Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit verletzt. Zu dem Ermittlungsergebnis, wonach die BF1 zusammen mit dem BF2 und dem BF3 nach Nordmazedonien einreisen und sich dort 90 Tage legal aufhalten könne, sei den BF keine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt worden. Es sei dem BF2 und dem BF3 nicht zumutbar, ihre nordmazedonische Staatsangehörigkeit aufzugeben und die albanische zu beantragen. Die BF beantragen die Einholung eines jugendpsychologischen Gutachtens zur Frage, inwieweit beim BF2 und beim BF3 eine posttraumatische Belastungsstörung gegeben sei, eine Anfrage an den nordmazedonischen Konsul sowie die Einvernahme der Betreuerin des BF3 im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe als Zeugin zu dessen Integration im Rahmen einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Die Beschwerde und die Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am 22.05.2018 (und am Folgetag in der zuständigen Gerichtsabteilung) einlangten. Vom BVwG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Am XXXX wurden die BF1 und der BF3 nach Nordmazedonien abgeschoben. Danach wurde der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Obsorge für den damals in Österreich inhaftierten BF2 betraut, der damit die Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH bevollmächtigte.

Der BF2 hatte ab Ende XXXX mehrere Straftaten begangen und wurde in Österreich zwei Mal strafgerichtlich verurteilt. Zwischen XXXX und XXXX wurde er in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten. Nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug wurde er in Schubhaft genommen. Am XXXX reiste er mit Rückkehrhilfe freiwillig nach Nordmazedonien aus.

Mit dem Beschluss des BVwG vom 04.03.2019 wurden die Beschwerdeverfahren gemäß § 24 Abs 2 AsylG eingestellt, weil der Aufenthaltsort der BF nicht feststellbar war.

Mit dem seit XXXX .2019 rechtskräftigen Bescheid wurden gegen den mittlerweile volljährigen BF2 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG und ein mit fünf Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs 3 Z 1 FPG erlassen.

Die BF1 und der BF3 halten sich seit XXXX wieder im Bundesgebiet auf, sodass die Beschwerdeverfahren – gemäß § 34 Abs 4 und 5 AsylG auch in Bezug auf den BF3 – fortzusetzen sind.

Feststellungen:

Die BF1 ist albanische Staatsangehörige, der BF2 und der BF3 sind nordmazedonische Staatsangehörige. Alle BF beherrschen die albanische Sprache, habe aber auch zumindest Grundkenntnisse der mazedonischen Sprache. Die BF reisten Anfang XXXX erstmals in das Bundesgebiet ein und beantragten hier internationalen Schutz.

Die BF1 wurde am XXXX in Albanien geboren. Sie wuchs in Albanien auf, wo Angehörige ihrer Herkunftsfamilie nach wie vor leben, und besuchte dort von XXXX bis XXXX die Schule. Im Jahr XXXX zog sie mit dem nordmazedonischen Staatsangehörigen XXXX , den sie XXXX ehelichte, nach Nordmazedonien. Dieser Beziehung entstammen der BF2 und der BF3. Nach der Trennung von XXXX XXXX bezog die BF1 mit dem BF2 und dem BF3 eine eigene Wohnung. XXXX wurde in Nordmazedonien zwei Mal wegen familiärer Gewalt gegen die BF1 strafgerichtlich zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Ehe wurde im XXXX aus seinem Verschulden geschieden und die BF1 mit der alleinigen Obsorge für den BF2 und den BF3 betraut. Sie war von XXXX bis zu ihrer Ausreise aus Nordmazedonien Anfang XXXX dort als XXXX erwerbstätig und verdiente ca. EUR 800 pro Monat. XXXX leistete (jedenfalls nach der Trennung) keinen Beitrag zum Unterhalt der BF.

Die BF1 besuchte während des ersten Asylverfahrens mehrere Deutschkurse und legte XXXX erfolgreich eine Deutschprüfung für das Sprachniveau A2 ab. Sie bezog bis zu ihrer Abschiebung im XXXX Grundversorgungsleistungen und engagierte sich bei verschiedenen Einrichtungen ehrenamtlich. Sie ist arbeitsfähig; eine XXXX diagnostizierte Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion ist schon seit längerem nicht mehr behandlungsbedürftig. Sie war (jedenfalls bis Ende April 2018) mit dem in XXXX lebenden serbischen Staatsangehörigen XXXX liiert.

Nach der Abschiebung kehrte die BF1 (unter Verwendung ihres Geburtsnamens XXXX ) in das Bundesgebiet zurück. Von XXXX bis XXXX war sie mit Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet; seit XXXX besteht an derselben Adresse wieder eine Hauptwohnsitzmeldung. Seit XXXX ist sie mit dem österreichischen Staatsbürger XXXX verheiratet. Am XXXX stellte sie einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehörige“ nach dem NAG. Dieser wurde ihr am XXXX erteilt. Er war zunächst gültig bis XXXX und wurde zuletzt bis XXXX verlängert. Seit Anfang XXXX ist die BF1 in XXXX als Arbeiterin erwerbstätig. Sie lebt in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann, dem XXXX geborenen XXXX und dem BF3. Sie ist strafgerichtlich unbescholten.

Der BF2 kam am XXXX in Nordmazedonien zur Welt, wo er die Schule besuchte und zeitweise in einem Internat untergebracht war. Im Bundesgebiet setzte er den Schulbesuch fort und lernte Deutsch. Aufgrund der schwierigen Familiensituation (familiäre Gewalt des Vaters in Nordmazedonien; in Österreich dann gewalttätige Ausbrüche des BF2 gegenüber der BF1 und dem BF3 sowie mehrfache Betretung bei strafbaren Handlungen) erfolgten Unterstützungsmaßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Der BF2 wurde ab XXXX in einer Krisenwohngruppe und anschließend von XXXX bis XXXX im Rahmen der vollen Erziehung in einer sozialpädagogischen Einrichtung untergebracht. Von XXXX bis XXXX lebte er wieder in einem gemeinsamen Haushalt mit der BF1 und dem BF3 in XXXX ; die Familie wurde durch einen Verein im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe weiterhin sozialpädagogisch betreut.

Der BF2, der mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wegen des Verbrechens des Raubes (§ 142 Abs 1 StGB) und der Vergehen der dauernden Sachentziehung (§ 135 Abs 1 StGB), der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs 1 StGB) und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e Abs 3 StGB) zu einer sechsmonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, konsumierte ungefähr ab XXXX vorschriftswidrig Marihuana. Am XXXX wurde er verhaftet und ab XXXX in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft angehalten. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen des Verbrechens des Raubes (§ 142 Abs 1 StGB) und des Vergehens des Betruges (§ 146 StGB) zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein Strafteil von zehn Monaten bedingt nachgesehen wurde. Die bei der Erstverurteilung gewährte bedingte Strafnachsicht wurde nicht widerrufen, aber die Probezeit von drei auf fünf Jahre verlängert. Am XXXX wurde der BF2 bedingt aus dem Vollzug des unbedingten Strafteils entlassen und anschließend in Schubhaft genommen. Am XXXX reiste er mit Rückkehrhilfe freiwillig nach Nordmazedonien aus, wo er sich seither aufhält.

Der BF3 kam am XXXX in Nordmazedonien zur Welt und besuchte in seinem Herkunftsstaat die Grundschule. In Österreich setzte er den Schulbesuch fort und lernte Deutsch. Nachdem er schon kurz nach der Einreise im XXXX bei Ladendiebstählen betreten worden war, wurde er ab XXXX in Krisenwohngruppen und von XXXX bis XXXX im Rahmen der vollen Erziehung in einer sozialpädagogischen Einrichtung untergebracht. Ab da lebte er bis XXXX wieder in einem gemeinsamen Haushalt mit der BF1 und (ab XXXX ) mit dem BF2. Er wurde im Bundesgebiet mehrfach wegen Vermögensdelikten angezeigt, die jedoch zunächst nicht weiter verfolgt wurden, weil er vor dem XXXX noch nicht strafmündig war.

Nachdem er Ende XXXX nach Nordmazedonien abgeschoben worden war, kehrte der BF3 in das Bundesgebiet zurück, wo er von XXXX bis XXXX mit Nebenwohnsitz in XXXX gemeldet war. Von XXXX bis XXXX bestand eine Hauptwohnsitzmeldung in einer sozialpädagogischen Einrichtung („ XXXX “) in XXXX , danach bis XXXX bei XXXX als Unterkunftgeber. Seit XXXX besteht eine Hauptwohnsitzmeldung an der Adresse der BF1. Dem BF3 wurde kein Aufenthaltstitel für Österreich erteilt. Er geht im Bundesgebiet weder einer Erwerbstätigkeit nach noch macht er eine Ausbildung.

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung gemäß § 84 Abs 5 Z 2 StGB (Körperverletzung mit mindestens zwei Personen in verabredeter Verbindung; Datum der Tat: XXXX ) zu einer dreimonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Am XXXX wurde er festgenommen und in der Folge in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft angehalten. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen der Verbrechen des Raubes (§ 142 Abs 1 StGB und § 142 Abs 1 und 2 StGB) und der (versuchten) absichtlich schweren Körperverletzung (§§ 15, 87 Abs 1 StGB) sowie wegen der Vergehen der Urkundenunterdrückung (§229 Abs 1 StGB), der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e Abs 3 StGB), der (versuchten) Nötigung (§§ 15, 105 Abs 1 StGB) und der Sachbeschädigung (§ 125 StGB) zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein zwölfmonatiger Strafteil unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Die bei der Erstverurteilung gewährte bedingte Strafnachsicht wurde nicht widerrufen, aber die Probezeit von drei auf fünf Jahre verlängert. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF3 am XXXX einem anderen mit der Faust gedroht, gewaltsam die Geldbörse weggenommen und EUR 10 entnommen hatte (wobei er den Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes beging und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat), und anschließend sein Opfer durch die gefährliche Drohung mit der Zufügung einer Körperverletzung zur Unterlassung der Anzeige des Vorfalls bei der Polizei zu nötigen versucht hatte. Am XXXX hatten der BF3 und zwei weitere Täter drei Personen verfolgt, sie umringt, ihnen Schläge angedroht, und Kleidungsstücke, ein Mobiltelefon, eine Smartwatch und Bargeld geraubt, wobei der BF3 einem Opfer eine Ohrfeige versetzt hatte. Am XXXX hatte er gemeinsam mit weiteren Tätern einem andern eine Geldbörse samt Bargeld sowie ein Mobiltelefon durch Anwendung von Körperkraft, Faustschläge und Fußtritte geraubt, wodurch das Opfer eine Gehirnerschütterung, Prellungen und eine Schürfwunde erlitt, und die dabei erbeuteten Urkunden (Jugendticket, E-Card- Schülerausweis) sowie die Bankomatkarte des Opfers unterdrückt. Am XXXX hatte er die Glasscheibe einer Vitrine eingeschlagen. Am XXXX hatte er versucht, in verabredeter Verbindung mit zwei weiteren Tätern einem anderen eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen, indem er dem Opfer Faustschläge und Fußtritte gegen den Kopf versetzte, selbst als dieses schon am Boden lag, wodurch es ein Hämatom an der Stirn, eine Kopfprellung und blutende Wunden im Gesicht erlitt. Bei der Strafbemessung wurden das Geständnis und der teilweise Versuch als mildernd gewertet; erschwerend wirkten sich die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen und der rasche Rückfall aus, zumal er noch während des zu XXXX des Landesgerichts XXXX anhängigen Verfahrens wieder delinquiert hatte. Es wurde die Bewährungshilfe angeordnet und dem BF3 die Weisung erteilt, ein Antigewalttraining zu absolvieren. Unmittelbar nach der Verhandlung am XXXX wurde er bedingt aus der Haft entlassen.

Am XXXX wurde der BF3 am Hauptbahnhof in XXXX aufgegriffen und wegen Verstoßes gegen das aufgrund der COVID-19-Pandemie geltende Verbot des Verlassens des Wohnbereichs (§§ 8 Abs 5, 5 Abs 1 COVID-19-MG iVm § 1 Abs 1 2. COVID-19-NotMV) angezeigt, da er angegeben hatte, dass er sich mit Freunden treffen wollte, und sich daher nicht zu einem in der Verordnung geregelten Zweck am Bahnhof aufgehalten hatte. Am XXXX erfolgten mehrere Anzeigen gegen den BF3 wegen Verwaltungsübertretungen (Rauchen einer Zigarette entgegen § 8 Abs 1 OÖ JugendschutzG, Rückkehr zum XXXX Hauptbahnhof nach Abmahnung und polizeiliche Wegweisung entgegen § 2 Abs 2 OÖ PolizeistrafG, Aufenthalt mit zwölf anderen Personen im Fahrradkeller eine Garage am Bahnhof entgegen §§ 8 Abs 5, 5 Abs 1 COVID-19-MG iVm § 2 Abs 1 4.COVID-19-SchuMaV ohne FFP2-Maske und ohne Einhaltung des Mindestabstands entgegen §§ 8 Abs 2 Z 2, 4 Abs 1 COVID-19-MG iVm § 1 Abs 2 4. COVID-19-SchuMaV). Am XXXX wurde er erneut am Hauptbahnhof in XXXX beim Rauchen einer Zigarette entgegen § 8 Abs 1 OÖ JugendschutzG angetroffen.

Die BF leiden an keinen in Nordmazedonien und Albanien nicht behandelbaren Erkrankungen.

XXXX lebt in Nordmazedonien, wo er für seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten und Tätigkeiten in der Landwirtschaft aufkommt. Auch etliche seiner Verwandten (darunter mehrere Brüder und Schwestern mit ihren Familien) leben in Nordmazedonien.

Die allgemeine Lage in Nordmazedonien und in Albanien hat sich seit dem Erkenntnis des BVwG vom 18.10.2017 nicht entscheidungswesentlich verändert. In beiden Ländern ist die Todesstrafe abgeschafft und es herrschen keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der Gerichtsakten des BVwG.

Die Feststellungen zu Namen, Geburtsdaten und Staatsangehörigkeit der BF basieren auf ihren konsistenten Angaben dazu. Im ersten Asylverfahren wurden auch ihre Reisepässe vorgelegt.

Die BF1 gab bei der Einvernahme vor dem BFA am 09.09.2014 und am 07.07.2015 an, dass sie vor ihrer Eheschließung den Familiennamen XXXX getragen hatte und danach XXXX . Unter ihrem Geburtsnamen scheint sie ab XXXX im Zentralen Melderegister (ZMR) und laut Versicherungsdatenauszug bei der österreichischen Sozialversicherung auf. Aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) ergibt sich XXXX als Aliasidentität von XXXX .

Die albanischen und mazedonischen Sprachkenntnisse der BF werden anhand ihrer übereinstimmenden Angaben dazu festgestellt. Bei der Erstbefragung zum Folgeantrag erklärten der BF2 und der BF3, Albanisch sei ihre Muttersprache, sodass das Beschwerdevorbringen, sie könnten sich in Albanien nicht verständigen, nicht nachvollzogen werden kann. Die BF1 gab gute albanische Sprachkenntnisse in Wort und Schrift an. Albanisch ist die zweite landesweite Amtssprache Nordmazedoniens (siehe etwa https://de.wikipedia.org/wiki/Nordmazedonien, Zugriff am 16.03.2021). Verständigungsprobleme der BF mit den im Verfahren beigezogenen Albanischdolmetschern sind nicht aufgetreten.

Der Erstantrag der BF auf internationalen Schutz in Österreich ergibt sich aus den Verwaltungsakten, insbesondere aus der Erstbefragung vom XXXX , und ist im IZR dokumentiert, aus dem auch die Abschiebung im XXXX hervorgeht. Die festgestellten Wohnsitzmeldungen der BF in Österreich ergeben sich aus dem ZMR.

Herkunft, Ausbildung und Erwerbstätigkeit der BF1 werden anhand ihrer konsistenten Angaben dazu festgestellt, ebenso die Ehe mit XXXX , dessen strafgerichtliche Verurteilungen wegen familiärer Gewalt und die Ehescheidung. Zeugnisse über Deutschkurse und -prüfungen sowie Bestätigungen des ehrenamtlichen Engagements wurden im ersten Asylverfahren vorgelegt. Die Feststellungen zu den psychischen Problemen der BF1 basieren auf den im ersten Asylverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen und dem dazu eingeholten Sachverständigengutachten, aus dem unter anderem hervorgeht, dass die Erkrankung nicht dauerhaft behandlungsbedürftig ist. Die Beziehung zwischen der BF1 und XXXX wird anhand des Beschwerdevorbringens festgestellt. Da die Beschwerde mit XXXX datiert ist, ist davon auszugehen, dass die Beziehung zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch aufrecht war, auch wenn die BF schon gut ein Jahr später die Ehe mit einem anderen Mann einging. Es fällt auf, dass XXXX laut ZMR zwischen XXXX und XXXX als Unterkunftgeber des BF3 fungierte, obwohl die BF1 damals schon mit XXXX verheiratet war.

Die Feststellungen zu dem der BF1 erteilten Aufenthaltstitel nach dem NAG basieren auf den entsprechenden Eintragungen im IZR. Ihre Erwerbstätigkeit geht aus dem Auszug der Sozialversicherungsdaten hervor. Die Eheschließung mit XXXX wird anhand der im ZMR dokumentierten Ehebucheintragung festgestellt; seine Staatsangehörigkeit ergibt sich ebenfalls aus dem ZMR. Dies steht im Einklang damit, dass die BF1 laut IRZ kurz nach der Heirat einen Aufenthaltstitel „Familienangehörige“ beantragte. Da die BF1 und der BF3 laut ZMR übereinstimmende Hauptwohnsitzmeldungen mit XXXX und XXXX aufweisen, ist von einem gemeinsamen Haushalt auszugehen.

Die Feststellungen zu Herkunft und Schulbesuch des BF2 und des BF3 basieren auf den Angaben im ersten Asylverfahren. Die Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe werden anhand der Stellungnahmen vom XXXX und vom XXXX , entsprechenden Eintragungen im GVS-Betreuungsinformationssystem und Wohnsitzmeldungen in sozialpädagogischen Einrichtungen laut ZMR festgestellt. Dies steht im Einklang mit den Angaben der BF1 und des BF2 vor dem BVwG am 02.06.2017.

Der Suchtgiftkonsum des BF2 geht aus dem Polizeibericht vom XXXX hervor und kann angesichts seiner geständigen Verantwortung dazu festgestellt werden. Die Verhängung der Untersuchungshaft geht aus der Verständigung des Landesgerichts XXXX vom XXXX hervor.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF2 und des BF3 ergeben sich aus dem Strafregister, aus dem auch die Unbescholtenheit der BF1 hervorgeht, und den vorliegenden Strafurteilen. Ihre jeweilige Anhaltung in der Justizanstalt XXXX geht daraus sowie aus dem ZMR hervor. Der Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX betreffend die Übertagung der Obsorge für den BF2 an den Kinder- und Jugendhilfeträger nach der Abschiebung der BF1 liegt vor. Die Bevollmächtigung der Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH geht aus deren Schreiben vom 10.12.2018 hervor. Nach der Strafhaft wurde der BF2 laut ZMR von XXXX bis XXXX im XXXX angehalten. Seine anschließende Ausreise nach Nordmazedonien geht aus dem IZR, dem aktenkundigen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr sowie der Ausreisebestätigung vom XXXX hervor. Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte dafür, dass der BF2 nach der Ausreise im XXXX wieder in das Bundesgebiet zurückgekehrt wäre. Die nach seiner Volljährigkeit erfolgte rechtskräftige Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot ist im IZR dokumentiert.

Mehrere Anzeigen gegen den BF3 wegen strafbarer Handlungen, die er als Strafunmündiger beging, liegen vor. Diese werden auch in der Anklageschrift vom XXXX erwähnt. Zuletzt wurden dem BVwG die festgestellten Anzeigen wegen Verwaltungsübertretungen im XXXX und XXXX übermittelt.

An der Adresse, an der der BF3 laut ZMR zwischen XXXX und XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet war, befindet sich eine sozialpädagogische Einrichtung (siehe XXXX , Zugriff am 16.03.2021). Anhaltspunkte für einen (über die Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber hinausgehenden) Aufenthaltstitel des BF3, eine Erwerbstätigkeit oder eine Ausbildung im Inland liegen nicht vor, zumal er laut Versicherungsdatenauszug nicht sozialversichert ist und in Anklageschrift und Strafurteil als beschäftigungslos bezeichnet wird.

Es gibt keine Hinweise dafür, dass die BF aktuell an (behandlungsbedürftigen) Erkrankungen leiden. Die Arbeitsfähigkeit der BF1 zeigt sich schon daran, dass sie aktuell unselbständig erwerbstätig ist. Im Erkenntnis des BVwG vom 18.10.2017 wurde – ausgehend von den medizinischen Unterlagen, einem Sachverständigengutachten und den Länderberichten über die Situation in den Herkunftsstaaten der BF – ausführlich begründet, dass ihre psychischen Probleme auch in Albanien und in Nordmazedonien behandelt werden können. Aus diesem Grund kann die in der Beschwerde beantragte Einholung eines jugendpsychologischen Gutachtens zur Frage, inwieweit beim BF2 und beim BF3 eine posttraumatische Belastungsstörung gegeben sei, als nicht entscheidungswesentlich unterbleiben.

Die Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe in Bezug auf den BF2 und den BF3 konnten anhand der vorhandenen Beweismittel festgestellt werden, sodass die beantragte Einvernahme der Betreuerin des BF3 unterbleibt. Allfällige maßgebliche Integrationsbemühungen des BF3 seit der Entscheidung des BVwG im Vorverfahren werden nunmehr ohnedies durch seine massive Straffälligkeit überschattet.

Da unklar bleibt, zu welchem Beweisthema die in der Beschwerde beantragte Anfrage an den nordmazedonischen Konsul erfolgen soll, unterbleibt auch diese Beweisaufnahme.

Die Feststellungen zu den Lebensumständen von XXXX basieren auf den Angaben der BF1 gegenüber dem BFA.

Die Feststellung der im Vergleich zur Vorentscheidung nicht entscheidungswesentlich veränderten Lage in Albanien und in Nordmazedonien beruht auf den in den angefochtenen Bescheid und in das Erkenntnis des BVwG vom 18.10.2017 aufgenommenen Länderinformationen. Diese Informationen sind nach wie vor aktuell, wie der Vergleich mit den jüngsten Berichten aus diesen Staaten, die weiterhin als sichere Herkunftsstaaten iSd § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 HStV gelten, (abrufbar z.B. unter https:// www.ecoi.net/de/laender/albanien/ und https:// www.ecoi.net/de/laender/nordmazedonien/) zeigt. Daraus ergibt sich auch die Abschaffung der Todesstrafe in beiden Staaten. Die Feststellung, dass dort keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen herrschen, beruht auf dem Fehlen von Berichten über derartige Konflikte und der grundsätzlich stabilen Sicherheitslage.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A.):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu den Spruchteilen B.) bis D.):

Zur Zurückweisung der Folgeanträge auf internationalen Schutz (Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide):

Da bereits ein Antrag der BF auf internationalen Schutz rechtskräftig erledigt wurde, liegt ein Folgeantrag iSd § 2 Abs 1 Z 23 AsylG vor.

Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, der (für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen) rechtliche Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0066; VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048).

Hier kommt eine meritorische Entscheidung über den Folgeantrag der BF auf internationalen Schutz nicht in Betracht. Die von ihnen geltend gemachten Fluchtgründe entsprechen den im Vorverfahren bereits geprüften. Die Tatsache, dass die BF1 durch den BF2 und den BF3 und durch ihren Bruder von weiteren Todesdrohungen ihres Ex-Ehemanns erfahren haben will, stellt keine Neuerung dar, die zu einer neuerlichen inhaltlichen Entscheidung über die Anträge auf internationalen Schutz führt, zumal die beiden Herkunftsstaaten der BF in Bezug auf derartige Bedrohungen (wie auch schon im Erstverfahren festgestellt wurde) schutzfähig und -willig sind. Eine asylrelevante Verfolgung der BF liegt daher nicht einmal anhand ihres Fluchtvorbringens im Folgeantrag vor; eine nunmehr andere rechtliche Beurteilung der Anträge ist von vornherein ausgeschlossen.

Das Vorbringen im Folgeantrag hängt auch nicht von der Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-18/20 und den dort vorgelegten Fragen ab. In dem Verfahren, dass dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegt, brachte der Asylwerber in seinem dritten Antrag auf internationalen Schutz vor, dass er bereits während der vorangegangenen Asylverfahren homosexuell gewesen sei. Durch den EuGH ist daher zu klären, ob dieses Vorbringen als „neues Element, welches zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden ist“ zu werten ist, obwohl es bereits vor rechtskräftiger Erledigung der früheren Asylverfahren vorhanden war. Die BF haben in ihrem Folgeantrag im Gegensatz dazu kein neues Fluchtvorbringen erstattet, das bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über ihren Erstantrag vorgelegen war, sondern sich vielmehr im Wesentlichen auf dieselben Fluchtgründe, die bereits im Vorverfahren als nicht asylrelevant beurteilt worden waren (Bedrohung der BF1 durch ihren gewalttätigen Ex-Ehemann, der den BF2 und den BF3 zu kriminellem Verhalten anhalten soll), berufen.

Der von den BF auch im Folgeantrag vorgebrachten, von einer Privatperson ausgehenden Verfolgung kann nur dann Asylrelevanz zukommen, wenn ein Konnex zu einem Konventionsgrund besteht und der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, die Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0141).

Es ist (wie schon im Erstverfahren) nach wie vor nicht zu befürchten, dass den BF eine von den Herkunftsstaaten nicht abwendbare asylrelevante Verfolgung durch den Ex-Ehemann der BF1 droht, zumal es sich sowohl bei Albanien als auch bei Nordmazedonien um sichere Herkunftsstaaten handelt, was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden dieses Staates spricht. Die BF haben keine Umstände aufgezeigt, die ungeachtet dessen dazu führen könnten, dass ihre Rechte im Fall ihrer Rückführung in einer nach dem AsylG maßgeblichen Weise verletzt würden (siehe dazu z.B. VwGH 25.06.2020, Ra 2019/18/0441). Es sind im Folgeantragsverfahren keine (im Vergleich zum Vorverfahren) neuen Hinweise für das Fehlen der Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Stellen in Albanien oder Nordmazedonien in Bezug auf die vorgebrachte familiäre Gewalt hervorgekommen.

Es ist auch nach wie vor nicht davon auszugehen, dass die BF nach ihrer Rückkehr in Albanien bzw. Nordmazedonien in eine unmenschliche oder erniedrigende Lage geraten würden, zumal die BF1 dort (zumindest zwischen XXXX und XXXX ) allein für den Lebensunterhalt der Familie aufgekommen ist und eine Unterstützung durch ihre Herkunftsfamilie und durch in Albanien und Nordmazedonien tätige karitative Organisationen – jedenfalls in der Anfangsphase - zu erwarten ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der BF2 seit Anfang 2019 wieder in seinem Herkunftsstaat lebt.

Die BF haben somit in diesem Verfahren keine entscheidungserheblichen Änderungen ihrer persönlichen und familiären Situation oder der Lage in Albanien und Nordmazedonien vorgebracht und auch kein entscheidungswesentlich neues Fluchtvorbringen erstattet. Da somit im Lichte der anzuwendenden Rechtsvorschriften (§§ 3 und 8 AsylG) Identität der Sache mit dem der Vorentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vorliegt, ist keine meritorische Entscheidung zu treffen, sondern es sind die Folgeanträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Rechtssache zurückzuweisen. Die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide sind mit dieser Maßgabe zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide:

Aufgrund der Zurückweisung der Folgeanträge wegen entschiedener Sache hat gemäß § 58 Abs 1 AsylG keine amtswegige Prüfung der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG zu erfolgen. Die Voraussetzungen dafür liegen ohnedies nicht vor. Da der BF1 mittlerweile ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt wurde, scheidet die amtswegige Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG an sie aus.

Der Aufenthalt der BF war entgegen dem Beschwerdevorbringen nie geduldet iSd § 46a FPG. Dazu kommt, dass der BF2 und der BF3 jeweils rechtskräftig wegen Verbrechen verurteilt wurden, was der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 Abs 1 Z 1 AsylG entgegenstehen würde. Die BF wurden im Bundesgebiet weder Zeugen noch Opfer strafbarer Handlungen iSd § 57 Abs 1 Z 2 AsylG. Da in ihren Herkunftsstaaten ein ausreichender staatlicher Schutz vor familiärer Gewalt gewährleistet ist (siehe oben), ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Abs 1 Z 3 AsylG auch nicht zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich (siehe VwGH 28.11.2019, Ra 2018/19/0203).

Zu den Spruchpunkten IV. bis VI. der angefochtenen Bescheide:

Eine negative Entscheidung über einen Folgeantrag ist grundsätzlich mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs 2 Z 2 FPG stellt auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/01/0287).

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist eine Rückkehrentscheidung, die in das Privat- oder Familienleben eingreift, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist nur dann von Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger und Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Da der BF1 inzwischen ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG zukommt, ist gegen sie gemäß § 52 Abs 2 FPG keine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Spruchpunkt IV. des gegen sie erlassenen Bescheids und dessen auf der Rückkehrentscheidung aufbauende Spruchpunkte V. und VI. haben daher ersatzlos zu entfallen.

Der BF2 hält sich seit XXXX nicht mehr im Bundesgebiet auf. Die mit dem angefochtenen Bescheid gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung ist nicht zu beanstanden, weil er nach dem Erkenntnis des BVwG vom 18.10.2017 keine maßgeblichen Integrationsschritte mehr gesetzt hat, sondern vielmehr zwei Mal strafgerichtlich verurteilt wurde. Ende XXXX wurde gegen ihn auch schon rechtskräftig eine weitere, mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung erlassen. Spruchpunkt IV. des gegen den BF2 erlassenen Bescheids ist daher nicht zu beanstanden.

Für die gemäß § 52 Abs 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Da in Bezug auf den mittlerweile volljährigen BF2 keine dieser Voraussetzungen zutrifft, ist die Zulässigkeit seiner Abschiebung in seinen Herkunftsstaat Nordmazedonien festzustellen. Da die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung auch nach Albanien im angefochtenen Bescheid damit zusammenhing, dass seine Rückführung gemeinsam mit seiner albanischen Mutter in deren Herkunftsstaat ermöglich werden sollte, um eine Trennung der Familie zu vermeiden, kann diese nunmehr entfallen. Der BF2 wurde mittlerweile nach Nordmazedonien zu seiner damals dort aufhältigen Mutter abgeschoben. Derzeit besteht keine Notwendigkeit mehr, die Zulässigkeit seiner Abschiebung auch nach Albanien festzustellen. Spruchpunkt V. des gegen ihn erlassenen Bescheids ist daher mit dieser Maßgabe zu bestätigen.

Da der BF2 aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt und einen unzulässigen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte, ist die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu beanstanden, zumal er im Bundesgebiet mehrere Straftaten beging, sodass sein Verbleib die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet hätte. Spruchpunkt VI. des gegen den BF2 erlassenen Bescheids ist daher als rechtskonform zu bestätigen.

Seit der Erlassung des angefochtenen Bescheids hat sich die Situation in Bezug auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den minderjährigen BF3 wesentlich verändert, weil er einerseits nicht mehr unbescholten ist, sondern mehrere – teils schwerwiegende – Straftaten und andere Verstöße gegen die öffentliche Ordnung begangen hat, andererseits aber die Aufenthaltsbeendigung gemeinsam mit seiner Mutter, der BF1, nicht mehr möglich ist, zumal dieser in der Zwischenzeit ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt wurde. Sein Bruder, der BF2, hält sich dagegen mittlerweile wieder in Nordmazedonien auf. Das BFA hat sich gemäß § 46 Abs 3 FPG vorab zu vergewissern, ob der BF3 als unbegleiteter Minderjähriger im Zielstaat der Abschiebung einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben werden kann.

Da das BFA keine Erhebungen zu diesen Sachverhaltsänderungen und insbesondere zur Frage, ob gegen den BF3 allenfalls gleichzeitig mit der Rückkehrentscheidung auch ein Einreiseverbot zu erlassen ist, vorgenommen hat und insoweit gravierende Ermittlungslücken vorliegen, sind die Spruchpunkte IV. bis VI. des gegen den BF3 erlassenen Bescheids aufzuheben und die Angelegenheit insoweit gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zur Verbreiterung der Sachverhaltsbasis anhand der aktuellen Situation an das BFA zurückzuverweisen. Dieses wird im fortgesetzten Verfahren auch zu klären haben, ob die Abschiebung des BF3 nach Albanien auch ohne seine albanische Mutter erfolgen kann oder ob in diesem Fall nur eine Rückführung nach Nordmazedonien in Betracht kommt.

Eine meritorische Entscheidung durch das BVwG darüber scheidet insbesondere deshalb aus, weil für eine etwaige Abschiebung des BF3 ohne Obsorgeberechtigte(n) ergänzende Erhebungen anzustellen sind, die über die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des BVwG hinausgehen. Zudem ist die einheitliche Prüfung einer Rückehrentscheidung (allenfalls samt Einreiseverbot) und einer Abschiebung durch das BVwG nicht möglich, da die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens nur jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (siehe VwGH 13.12.2018, Ra 2018/11/0200). Die Entscheidung über die Erlassung eines Einreiseverbots und die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung eines unbegleiteten Minderjährigen samt Bestimmung des oder der möglichen Zielstaaten der Abschiebung liegen somit außerhalb der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens, sodass es dem BVwG verwehrt ist, inhaltlich über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und über die gegebenenfalls notwendige Erlassung eines Einreiseverbots gegen den BF3 zu entscheiden (ähnlich VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0146 und 29.08.2019, Ra 2018/19/0629).

Die Zurückverweisung trägt auch dem Urteil des EuGH vom 14.01.2020, RS C-441/19, TQ, Rechnung, wonach Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in Verbindung mit ihrem Art 5 lit a und mit Art 24 Abs 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen ist, dass der betreffende Mitgliedstaat vor Erlass einer Rückkehrentscheidung gegenüber einem unbegleiteten Minderjährigen eine umfassende und eingehende Beurteilung der Situation des Minderjährigen vornehmen und dabei das Wohl des Kindes gebührend berücksichtigen muss. In diesem Rahmen muss sich der Mitgliedstaat vergewissern, dass für den Minderjährigen eine geeignete Aufnahmemöglichkeit im Rückkehrstaat zur Verfügung steht. Da der minderjährige BF3 nach derzeitigem Stand unbegleitet abgeschoben werden muss, hat das BFA ausgehend von diesen Grundsätzen im weiteren Verfahren vor der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu prüfen, ob er im Zielstaat der Abschiebung über ein familiäres oder staatliches Auffangnetz verfügt.

Die Spruchpunkte IV. bis VI. des gegen den BF3 erlassenen Bescheids sind daher aufzuheben und die Angelegenheit zur Prüfung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls samt Einreiseverbot) und der Zulässigkeit seiner Abschiebung an das BFA zurückzuverweisen, damit dieses die derzeit bestehenden Lücken im Sachverhalt nach entsprechenden Erhebungen schließen kann.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Die beantragte Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG. Davon ist keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und das Gericht ohnedies vom Fluchtvorbringen der BF und ihren behaupteten privaten und familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet ausgeht.

In Bezug auf die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz sowie auf die Aufhebung und Zurückverweisung entfällt die Beschwerdeverhandlung auch gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag des BF zurückzuweisen ist b

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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